Kriegsstrategen auf der NATO-Sicherheitskonferenz
Vom 9.-11. Februar 2007 trafen sich Regierungs- und WirtschaftsvertreterInnen, hochrangige Militärs, vorwiegend aus NATO- (North Atlantic Treaty Organization) und EU-Mitgliedsländern zur 43. Münchner Sicherheitskonferenz (SiKo) (1), um die Sicherheitslage der Welt zu besprechen und globale Strategien, z.B. für den Kampf gegen den transnationalen Terrorismus, auszuhandeln und zu koordinieren. Die Exklusivität dieser Veranstaltung wird in der Einladungspolitik deutlich: Der Bundestagsfraktion DIE LINKE. wurde trotz mehrmaliger Anfrage eine Einladung verweigert.
Diese Praxis korrespondiert auch mit dem repressiven Vorgehen der Polizei gegen die GegnerInnen der Kriegspolitik. Der seit 1999 verpflichtete Veranstalter Horst Teltschik (2), formulierte das in einem Radiointerview so: „Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf […]. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren“. 2002 wurden solche fast „diktatorischen“ Zustände tatsächlich hergestellt, indem das Kreisverwaltungsreferat auf Bitte der Polizei über die ganze Stadt ein totales Demonstrations- und Versammlungsverbot verhängt hatte.
Die 43. Konferenz wurde von der Bundesregierung mit 323.000 Euro unterstützt und durch 3500 PolizeibeamtInnen aus Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, die Bundespolizei, sowie einige hundert Angehörige der Bundeswehr abgesichert. Die Kosten der Bundeswehr für diesen Einsatz betrugen über eine halbe Million Euro. Mutet es nicht absurd an, dass der Einsatz von Militär im Landesinnern nötig ist, um abzusichern, dass die ca. 250 Teilnehmenden sich als ‚Retter der Welt‘ Medaillen für Frieden durch Dialog verleihen können.
Die Agenda der SiKo liest sich wie die Schreckensnachrichten von morgen. 1999 wurden hier die Weichen für den Krieg gegen Jugoslawien gestellt, in den die BRD erstmals seit 1945 wieder mit Waffe und Soldat im Ausland verwickelt war. Seit 2002 wird die globale strategische Gemeinschaft der Koalition der Willigen für den Krieg gegen den Terror mobilisiert, der ein Jahr später trotz fehlenden Mandats des UN-Sicherheitsrats als Präventivkrieg (3) auf den Irak geführt wurde.
In diesem Jahr lag der Fokus auf der militärischen Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm, von dem eine Gefahr für die gesamte westliche Welt ausgehen soll, liefert schon jetzt Argumente, die später vielleicht auch einen Präventivschlag gegen den Iran rechtfertigen könnten. Da die SiKo nicht ohne Grund von ihren GegnerInnen NATO-Sicherheitskonferenz genannt wird, ist ein großes Thema die künftige Rolle der NATO und der einzelnen Mitgliedsstaaten. Die bisher geführten Präventivkriege oder auch humanitären Interventionen zeigen, „dass sich die NATO im Laufe der 90er von einer Verteidigungsarmee in eine global agierende Kriegstruppe verwandelte, […] und nun immer stärker in Richtung einer weltweiten Besatzungstruppe umstrukturiert wird.“ (4)
Protest und Repression
Seit etwa 5 Jahren wird durch die Friedensbewegung und globalisierungskritische Gruppen Protest gegen diese Konferenz und ihre militärische Ausrichtung organisiert. Am Freitagabend gab es eine Kundgebung mit circa 300 TeilnehmerInnen und einen etwa 200 RadlerInnen umfassenden Fahrradkorso durch die Innenstadt. Zur Großdemonstration „Gegen die NATO-Kriegstagung – Gegen Folter, Krieg und Besatzung – Gegen Rassismus und NAZI-Propaganda“ kamen am Samstag mehrere tausend Menschen auf den Marienplatz. In Berichten von TeilnehmerInnen wird die Stimmung als friedlich bezeichnet, trotz vermehrter Polizeischikane auf der Demonstration und im Vorfeld. So musste mensch z.B. durch eine Sperrgitterschleuse und sich abfilmen lassen, um auf den Platz zu gelangen. Der bayrische Landesverband der Piratenpartei reagierte darauf seinerseits mit einer Überwachung des Staates: Polizisten wurden fotografiert und die Sicht der Polizeikameras blockiert.
Schon im Vorfeld gab es Einschüchterungsversuche und Schikanen durch die PolizistInnen. Bereits am 17. Januar führten Polizei und Staatsschutz in 8 Münchner Objekten Hausdurchsuchungen durch. Der Bus des Berliner Anti G8 Bündnisses wurde ebenso wie der Bus aus Tübingen noch vor München auf der Autobahn raus gezogen, um Leibesvisitationen und Identitätsfeststellungen durchzuführen. Dabei wurden jeweils eine Handvoll Leute festgenommen aus Gründen, wie der Mitführung einer Waffe (Vespermesser in einer Brotbüchse der Landessprecherin der Linkspartei in Baden-Württemberg Elke Lison) oder Passivbewaffnung (eine Armbandage). Die Betroffenen wurden dabei weit über die zulässige Zeit in der Zelle behalten und so daran gehindert, an der Demonstration teilzunehmen.
Die Proteste stehen in einem breiteren Kontext. Wer gegen Kriegstreiberei auf die Straße geht, spricht sich auch gegen die ökonomischen Bedingungen dieser Kriege aus. Folter, Entrechtung, Sozialabbau, Landvertreibung und Kriminalisierung Andersdenkender sind dabei nur Symptome einer perfiden, auf Macht- und Kapitalgewinn ausgerichteten Politik. München steht damit in untrennbarem Zusammenhang mit Davos, dem Veranstaltungsort des WEF (Weltwirtschaftsforum), wogegen jedes Jahr wieder Proteste organisiert werden und nicht zu vergessen mit dem G8 Gipfeltreffen, vom 6. – 8. Juni in Heiligendamm (siehe S. 12).
wanst
(1) Seit Ende des Kalten Krieges so, von GegnerInnenn auch Nato-Sicherheitskonferenz oder Kriegskonferenz genannt, ist sie die Fortsetzung der 1962 gegründeten Wehrkundetagung.
(2) Horst Teltschik – ehemaliger außen- & sicherheitspolitischer Berater Helmut Kohls, Vorstandsvorsitzender der Herbert-Quandt-Stiftung von BMW und Präsident der deutschen Niederlassung des US-Rüstungskonzern Boeing.
(3) „Der Präventivkrieg ist ein Krieg, den der die erste Kriegshandlung vornehmende Staat unter Berufung darauf eröffnet, daß er dem Kriegsbeginn durch den gegen ihn rüstenden Gegner zuvorkommen müsse, bevor dieser ein Übergewicht erlangt habe. Der Präventivkrieg ist, wenn er nicht einem unmittelbar drohenden Angriff als Verteidigung begegnet, ein verbotener Angriffskrieg.“ (Brockhaus)
(4) Jürgen Wagner, IMI-Analyse 2007/003, www.imi-online.de/download/JW-SiKo2.pdf).
Antimilitarismus