Bürgerliche Trauerspiele und Frühlingserwachen

Antifaschistische Aktionen – am 13.02. in Dresden und am 01.05. in Leipzig

Wärmer wird es allen Ortes; nicht nur diverse BewegungsspezialistInnen, auch die Vorbereitungen DES Tages für symbolische Straßenbekundungen zwischen Freiheit und Arbeit laufen auf Hochtouren. Am 1. Mai letzten Jahres konnten relativ unbehelligt um die 1000 Nazis bis fast zum Völkerschlachtsdenkmal gelangen. Der inzwischen schon obligatorisch gewordener Aufruf Christian Worchs für diesen Tag lässt erkennen: man will erneut das traditionsbehaftete Datum für sich besetzen. Schon zwei Tage nach dem ver­­hin­­derten Nazimarsch nach Conne­witz am 3. Oktober 2004 meinte selbiger zum 1. Mai 2005 mit den vermeintlich Freien Kameradschaften zum Conne­witzer Kreuz durchstoßen zu wollen:

Es gibt für Deutsche in Deutschland keine „no-go-areas“. Dies ist UNSER Land, und wir lassen uns das Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 Grundgesetz) nicht von einer Handvoll Steinewerfer oder Barrikadenbauer nehmen!“

Treffpunkt ist wie üblich um 12 auf dem Hauptbahnhof (Ostseite). Die von der Stadt angebotene Ausweichroute zum Ostplatz lehnte Worch ab und die Verhandlungen werden wohl bis zum Schluß weiterlaufen.

Nicht erst seit Dresden ist die Mobilisie­rungs­­fähigkeit der rechten Szene angestiegen. Nachdem nun vor kurzem die NPD eine 1.Mai-Veranstaltung in Magdeburg zugunsten von geplanten Großaufmär­schen in Nürnberg und Neubrandenburg abgesagt worden ist, erhöht sich die potentielle Zahl der Nazis, die nach Leipzig kommen könnten, erheblich. In Berlin wird zumindest am 1. Mai nichts los sein, wo im letzten Jahr ca. 3500 Nazis marschierten. Entgegen den Vermutungen Worchs wird es am 30.April und am 1.Mai auch keine traditionellen linksradikalen Aktivitäten geben, was auch auf anreisende Unterstützung gegen den Nazimob hoffen läßt.

Um einen Kontext zum Lokaltermin zu liefern, sollen folgend Beobachtungen zu den Auftritten von Nazis, BürgerInnen und Antifa am 13. Februar 05 in Dresden Inspirationen für zentrale und dezentrale Konzepte in Leipzig und Berlin geben. Daß die Mai-Aktionen sich in ihren Möglichkeiten hoffent­lich von Dresden unterscheiden, ist klar, inwieweit sie dann auch richtungsweisend für Berlin werden, wird sich zeigen.

Die braune Flut

60 Jahre nach der Bombennacht war in Dresden dicke Luft angesichts eines, wenn nicht sogar des größten Nazi-Aufmarsches nach 1945. Aus ganz (Groß-) Deutschland angekarrte Nazis und Neonazis marschierten, ihren regionalen „Gau“ repräsentierend, mit aufgesetzter Trauermiene zu Wagner oder Orff, bestückt mit Transparentensprüchen wie: „Wir trauern um 200 000 Opfer des Bombenholocaust in Dresden“ oder auch „Unsere Rache wird kommen!“. Sogar das antifaschistische Motto „kein Vergeben –kein Vergessen“ war angestrengt worden, den Blick auf die Geschichte zu manipulieren, ja, Opfer zu Tätern und Täter zu Opfern zu machen. Die politische Kultur der Erinnerung an das Kriegsgeschehen in den Grenzen des Dritten Reiches beschäftigt hingegen nicht nur in Dresden und Berlin (siehe im Anschluss) und nicht nur die PolitikerInnen. Am 13. Februar gab es durchaus unterschiedliche Motive und Grade der Volkstrauer:

„Dresden wolln sie schonen, in Dresden wolln sie wohnen!“

Vorab: Weder der Sinn militärischer Strategien, weder das sich hartnäckig haltende Propagandakonstrukt aus Reichszeiten von Dresden als infrastrukturell unwichtiger Kulturstadt, noch wilde Zahlendreher (bezüglich der ca. 30 000 Menschen, die in der Nacht vom 13. Februar 1945 durch die Bombardierungen starben), sollten Gegenstand einer erinnerungspolitischen Auseinandersetzung sein. Dies lenkt ab vom eigentlichen Kontext: dem deutschen Nationalsozialismus und dessen Bekämpfung damals, aber auch heute. Ohne die Erinnerung an Shoah, Holocaust und deutsche Kriegs­führ­­ung wird jede Trauermine zur Farce, denn die Bombar­dier­ung Dresdens diente vielleicht auch einer Demorali­sierung der Bevöl­ker­ung, war letztlich aber „nur“ ein weiterer, notwendig gewordener Schritt, um den Faschismus zu stoppen und den Krieg zu beenden.

Für den Frieden und um die Opfer trauernd verlief dann auch eine Demo mit tausenden BesucherInnen, zwar lange Zeit nach dem Nazi-Aufmarsch und überhaupt ganz woanders, aber wenigstens mit weißer Rose im Knopfloch. Genau dieses pseudo-couragierte Verhalten muß weiter-hin stärker öffentlich aufgezeigt und kritisiert werden, dabei stehen alle Seiten in Verantwortung.

Aktionspotentiale

Antifa-Gruppen hatten zu einer ganztägigen Kundgebung an der Synagoge als einzigem linksradikalen Anlaufpunkt eingeladen, von wo aus kleine Gruppen immer wieder versuchten, sich dem Aufmarsch entgegenzustellen. Die genaue Route der Nazis blieb bis zuletzt unbekannt und das Polizeiaufgebot war reich bestellt, deshalb blieb die einzig mögliche dezentrale Aktivität zumeist, sich von den Vorbeiziehenden ablichten zu lassen und neben wahlweise israelischer, us-amerikanischer oder sowjetischer Fahne seinen Unmut zu äußern. Sogar zu Stoßgebeten à la „Bomber-Harris-Do-it-again!“ ließen sich einige herab, deren offensichtliche Verzweiflung leider keine Grenzen kannte.

Die deutlichen Untertreibungen der Massenmedien, was die Zahl der Marschierenden anging, aber vor allem die alte Leier von den friedlichen und den bösen DemonstrantInnen, welche eben ganz links und ganz rechts ihr Unwesen treiben, konnten einem dann auch noch die herangezogene Nacht mit schlechtem TV-Programm versauen und ich fragte mich, ob ich nicht doch ein paar Tränen über die Deutschen vergießen sollte.

Mayday – zusammen kämpfen ?!

Nach diesen, aber auch nach den erfreulicheren Oktober-Erfahrungen ist es nun noch verständlicher, daß Vorbereitungen zur Verhinderung eines Nazi-Aufmarsches am 1. Mai in Leipzig weite Kreise ziehen:

Vorbereitungsbündnis 1. Mai: Verschiedene Leipziger Antifa-Gruppen mobilisieren bundesweit zu Dezentralen Aktionen ab 12 Uhr um den Hauptbahnhof. Ab 13 Uhr wird Radio Blau wieder live senden, das Infotelefon (0341/3081199 oder 3068235) bietet weitere aktuelle Infos zu den Entwicklungen.

Außer den antifaschistischen kommen eigene Inhalte durch dieses Bündnis jedoch nicht unbedingt zur Sprache, dafür wird am Vorabend ab 17 Uhr am Conne­witzer­ Kreuz antifaschistisch gerockt: „Leipzig zeigt Courage, wir zeigen die Zähne!“, auf DEM Alternativkonzert zum traditionellen Courage-Pop am Völker­schlacht­sdenkmal.

Selbiges wird von der DGB-Jugend unterstützt, die an dem Wochenende ein „antifaschistisches Jugendcamp“ hinterm DGB-Haus und auf dem Augustusplatz (wo auch der DGB wie jedes Jahr um 11 zu Wurst und ähnlichem lädt) ab 14 Uhr ein Programm auf der Hauptbühne plant. Übrigens öffnet das Volkshaus bzw. der DGB 13:30 Uhr seine Pforten für eine Wanderausstellung zur Arbeits- und Sozialgeschichte des Nationalsozialismus, ab 14 Uhr gibt´s ne Disko mit leiblicher Verpflegung auf der Wiese und Straß­e vorm Haus.

Bündnis 1. Mai: Ein weiteres Bündnis ruft zu einem linken, kämpferischen Block auf der traditionellen Mai-Demonstration, angemeldet durch die IG Metall Leipzig, auf, die 10 Uhr vom Connewitzer Kreuz zum Augustusplatz führt, um den Nazis an diesem Tag auch inhaltlich keinen Fußbreit zu lassen. Gruppen und Einzelne mit sozial-revolutionärem Anspruch wollen unter folgendem Motto für eine große Demo im Rahmen der Dezentralen Aktionen mobilisieren: „Solidarität gegen die herrschenden Zustände – Nazis und Sozialabbau bekämpfen!“

Synergisch vorgehen!

Die zunehmende Verschlechterung der Lebensbedingungen von Lohnabhängigen und nicht „Verwertbaren“ lässt weite Teile der Bevölkerung resignieren, womit die NPD eine ideale Basis für ihre Propaganda als angebliche soziale Alternative erhält. Einer weiteren Spaltung der Betroffenen durch antisemitische, rassistische und andere Diskriminierungen, ob nun in der Sündenbock-Rhetorik der NPD und ihrer Wählerschaft oder indirekt in staatlichem und unternehmerischen Handeln enthalten, muß gerade am 1. Mai die Kraft solidarischen Widerstandes entgegen gesetzt werden. Weder verzweifelte Rufe nach Arbeit, noch nach führenden Kräften und nach „Volk und Heimat“ können als Forderungen akzeptiert werden. Vielmehr sollte der „Kampftag“ mit antinationalistischen, kapitalismuskritischen und emanzipativen Inhalten den Menschen Alternativen eröffnen, für ein bedürfnisorientieres Wirtschaftssystem und für die Abschaffung bzw. Überwindung herrschaftlicher und faschistischer Interessen.

Wenn Antifa auch Angriff und Kampf ums Ganze heißt, sollte sich doch spätestens da aktive Linksradikale über Ideen und Ziele unterhalten können. Eigentlich reicht aber schon der Fakt, dass Nazis in allen Schichten auf dem Vormarsch sind. Der NPD muss die fingierte Rächerrolle im Kampf um den Sozialabbau und der bürgerlichen Pseudo-Demokratie die Plausibilität genommen werden. Meinungsverschiedenheiten sind essentiell, aber verhindern noch lange keinen Nazi­aufmarsch und sind auch für die meisten Menschen nicht gerade die emanzipatorisch­en Impulse, die sie vielleicht brauchen.

Obligatorisch-optimistisch betrachtet wird also am 1.Mai ´05 nicht ausgeschlafen. Laßt uns an diesem Tag den Nazis ent­­ge­gen und für Kom­­mu­nis­­mus eintreten – symbolisch, konkret und bewußt. In jedem Falle wird es aber da­­mit nicht getan sein – get organized*

clara

NazisNixHier

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