Wilder Streik bei Opel in Bochum

Sieben Tage lang, vom 14. bis zum 20. Oktober, haben die ArbeiterInnen der Bochumer Opel-Werke die Produktion lahmgelegt. Mit ihren Aktionen haben sie auch die Teileauslieferung für vier weitere europäische Opel-Werke verhindert und damit die Produktionsketten völlig durcheinander gebracht. Im größten „wilden Streik“ seit dreißig Jahren haben die ArbeiterInnen tagelang dem Dauerfeuer und den Einschüchterungen von Bossen, Politik, IG Metall und Betriebsrat widerstanden, die sie mit allen Tricks unbedingt dazu bringen wollten, die Produktion wieder aufzunehmen. Letztlich haben sich die erfahrenen und professionellen Ab­wiegeler und Abwickler aus den Reihen des DGB mit ihren Manipulationen erst einmal durchgesetzt. Trotzdem aber haben die ArbeiterInnen in Bochum mit ihren Aktionen gezeigt: es geht was und es geht so, dass es richtig weh tut!

Die Stimmung am Wochenende

Leute aus mehreren Gruppen der FAU waren in den letzten Tagen bei Opel in Bochum vor Ort, um Solidarität zu zeigen, mit den ArbeiterInnen zu diskutieren und zu erfahren, wie wir den Kampf unterstützen können. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass bei vielen ArbeiterInnen ein tiefes Mißtrauen nicht nur gegen die Politiker sondern auch gegen die Gewerkschaft und den Betriebsrat besteht, die zwar vordergründig den dicken Heinz markieren aber gleichzeitig versuchen, mit allen Mitteln auf ein Ende des Produktionsstopps hinzuwirken. Gerüchte und offensichtlich ganz gezielt gestreuten Falschinformationen von Seiten der Meister und der Funktionäre gaben sich die Hand.

Trotzdem war die Entschlossenheit groß, sich nicht auf irgendwelche nichtssagenden Versprechungen einzulassen und stattdessen das einzige Druckmittel, die De-Facto-Blockade der Teileauslieferung u.a. für Antwerpen und Rüsselsheim, in der Hand zu behalten. Auf der anderen Seite war aber auch durchaus eine steigende Unsicherheit spürbar, wie es weitergehen soll, wenn man nicht nur die Geschäftsleitung sondern auch den Betriebsrat und die Gewerkschaft gegen sich hat.

Dienstag – Die Inszenierung sickert durch

Gegen Abend sickerte durch, wie Betriebsrat und Gewerkschaft die Belegschaftsversammlung am nächsten Tag organisieren wollen. Weitab vom Werk, mit ledig­lich zwei Redebeiträgen, in denen Stimmung für die Wiederaufnahme der Pro­duk­tion gemacht werden soll und ohne jede Möglichkeit der Diskussion. Stattdessen: Geheime Abstimmung über das Ende der Kampfmassnahmen. Einige haben Tränen in den Augen vor Wut und Enttäuschung, andere lachen und wollen diesem Gerücht nicht glauben. „Das war es dann wohl!“ meint jemand.

Mittwoch – Alles unter Kontrolle

Schnell zeigt sich, dass die Informationen vom Vorabend kein Gerücht sondern Fakten waren. In der viel zu kleinen Halle auf dem Podium sitzen der BR-Vorsitzende Hahn und der IG Metall Funktionäre Hinse. Um das Podium Trauben von Werk­schutz und Security. Security auch am Eingang. Sie machen rigide Kontrollen, wer raus geht rauchen, kommt nicht wieder rein. In den vorderen Reihen haupt­sächlich Gefolgsleute des Betriebsrats. Reden dürfen nur die beiden Funktionäre. Danach wird sofort der vorbereitete Antrag den sie zur Abstimmung vorgelegt. Der läuft auf eine glatte Erpressung der Belegschaft hinaus: „Soll der Betriebsrat die Verhandlungen weiterführen und die Arbeit wieder aufgenommen werden? Ja oder nein?“ Viele müssen drei mal überlegen, bis sie verstanden haben, was passiert. Weitere Verhandlungen nur, wenn die Belegschaft vor Gewerkschaft, Be­triebs­rat und Bossen kuscht und ihr einziges Druckmittel aus der Hand gibt.

Die Abstimmung ergibt eine Mehrheit für die Wiederaufnahme der Produktion. Rund 4.600 ArbeiterInnen sind dafür, knapp 1.800 dagegen. Ausserdem gibt es eine Menge Enthaltungen und ungültig gemachte Stimmzettel. Viele sind erst gar nicht zu dieser Farce erschienen. Die IG Metall wird später am Tag die Falschinformation verbreiten, es hätten sich 6.400 Arbeiter für die Wiederaufnahme der Produktion ausgesprochen, die dann auch sofort von eingen Nachrichtenagenturen aufgegriffen und verbreitet wird. Schein­bar ist den hauptamtlichen Abwicklern nicht so recht geheuer, dass trotzdem immer noch rund ein Drittel der ArbeiterInnen die Aktionen fortsetzen woll­ten. Obwohl sie dann keinen Pfennig Kohle gesehen hätten und mit Sicherheit die Repressalien eingesetzt hätten.

Und jetzt?

Über das, was jetzt kommt, herrscht absolute Unsicherheit. Die Stimmung ist mies, die Belegschaft gespalten. Also genau das, was die professionellen Verhandler brauchen, um Belegschaften halbwegs ungestört abwickeln zu können. Es kann aber auch sein, dass es bei einem absehbaren miesen Verhandlungsergebnis wieder zu spontanen Aktionen kommen wird. Dass sie das können, haben die Arbei­terInnen ja gerade gezeigt. Beim nächsten Mal wird allerdings die Werksleitung besser vorbereitet sein. Nachdem sie davon überrascht worden ist, wie schnell ihre „atmende Fertigung“ auf europäischer Ebene soeben den Keuchhusten bekommen hat, wird man versuchen, in den nächsten Wo­chen Lager anzulegen, um einen erneuten Produktionsstillstand ins Leere laufen zu lassen. Manche Chancen bekommt man nur einmal und dann so schnell nicht wieder.

Es hat gesessen!

Eines jedenfalls haben die 7 Tage von Bochum gezeigt. Die Angst vor einem Wilden Streik, vor einem eventuellen Kontrollverlust der Befriedungsagenturen, Betriebsräte und sozialpartnerschaftlicher Gewerkschaft sitzt tief bei Wirtschaft, Politik und veröffentlichter Meinung. Jede Regung hinter und vor den Toren der Bo­chumer Fabriken war tagelang Topthema in den Medien, Gegenstand von Eilmel­dungen, wütendem Gekeife der Arbeit­“geber“verbände, Erklärungen von Ministern und Parlamenten. Die Bochumer Opel-ArbeiterInnen haben mit ihrer Aktion ans Licht gebracht, was tatsächlich weh­tut und wovor das System Angst hat. Direkte Aktionen mit konkreten Störungen des reibungslosen Betriebes. Nicht zuletzt deswegen haben viele Leute voller Hoffnung nach Bochum geschaut und tun es immer noch. Weil noch nicht aller Tage Abend ist.

Hinweis: Den Text haben wir von www.fau.org gezogen, er wurde von FAUistas aus dem Ruhrgebiet verfasst. Bilder aus Bochum und andere gibt’s unter www.arbeiterfotografie.com/galerie/reportage/

sozialer protest

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