Aktivist zum G8-Gipfel 2005 in Schottland
Der diesjährige G8-Gipfel findet vom 6. bis 8. Juli im Hotel „Gleneagles“, Schottland, statt. Dort treffen sich, umgeben von einem ziemlich großspurigen Golfplatz, die politischen Repräsentanten der acht stärksten Ökonomien der Welt, um in ihren eigenen Worten, „die Effekte der Globalisierung zu verwalten“. Das Treffen ist im Wesentlichen eine der Verwaltungsinstitutionen des internationalen Kapitals.
Für die gesamte Woche sind Protestaktionen geplant, wie z.B. „Make Borders History“ (Grenzen zu Geschichte machen), ein „Carnival for Full Enjoyment“ (Karneval der vollen Freude), eine Blockade der Faslane Raketenbasis, lokale Aktionen gegen Straßenbau in Glasgow, Aktionen an einem Flüchtlingsinternierungslager, Blockaden am 6. Juli, Aktionen gegen Klimaveränderung am 8.Juli. Neuigkeiten über Aktionen, Anlaufpunkte (convergence center) und Schlafplätze sind unter www.dissent.org.uk zu finden.
Als sich die G8 das letzte Mal in Großbritannien (UK) im Jahr 1998 trafen (mit dem Umbau der Ökonomie ganz oben auf der Tagesordnung), fand eine street party mit einigen Auseinandersetzungen statt, die nur wenig Aufmerksamkeit bekam. Das G8 Treffen in Köln 1999 wurde durch einen Karneval gegen Kapital in der Londoner Innenstadt begleitet, der zu einem massiven „festival of the oppressed“ (Festival der Unterdrückten), Angriffen auf Banken und anderen Zentren des Kapitals und der größten Straßenaktion seit den Poll Tax Riots von 1990 führte. Dies inspirierte Aktionen in Seattle im November 1999 und die ‚antikapitalistische‘ Bewegung, die sich daraus entwickelte.
Nun, da G8 in das UK zurückgekehrt ist, haben wir mehr soziale Kürzungen in Europa und darüber hinaus gesehen, Privatisierungen und Zwangsarbeitsmodelle. Wir sind uns über die Kritik im Klaren, daß Massenaktionen zu Gipfeln sehr spektakulär sein können, aber nur wenig zu Veränderungen im täglichen Leben der Leute beitragen. Einige betrachten solche Dinge nach fünf oder sechs Jahren als alten Hut, am Rande der Ritualisierung. Doch viele von uns sind auch an lokalen Kämpfen beteiligt – zu Arbeitslosigkeit, am Arbeitsplatz oder zu Wohnbedingungen. Zum Beispiel bildete sich in den 90ern ein Arbeitslosen-Widerstands-Netzwerk, das die Kräfte von Arbeitern, die gegen die Ausdehnung prekärer Arbeitsverhältnissse kämpften, wie etwa die Reinigungskräfte im Hillingdon Krankenhaus und die Liverpooler Hafenarbeiter, vereinigt. Dieser Widerstand wurde internationalisiert, indem sich Hafenarbeiter in den USA und andernorts weigerten, Container aus dem Hafen von Liverpool zu entladen. Gleichzeitig argumentieren Leute, die an direkten Aktionen beteiligt sind, daß Arbeitslosenaktivismus demoralisierend sein kann, es sei zu wahrscheinlich, daß das Ganze in einer Fall-zu-Fall Konfrontation endet und man den Blick für das ganze Bild verliert.
Die diesjährige G8 bieten eine Gelegenheit, diese Verzettelung zu überwinden und dauerhafte internationale Verbindungen im Kampf gegen Prekarität zu schaffen. Wir sind auch von den jüngsten Aktivitäten in Rom und Mailand inspiriert worden und denken, daß es an der Zeit ist, im UK etwas neues zu probieren.
Der „Carnival for Full Enjoyment“ ist eine Initiative von verschiedenen Graswurzelgruppen in Schottland und darüber hinaus, die das Ziel verfolgen, am 4. Juli mit viel Party und Protest eine starke Verbindung zwischen dem Widerstand gegen G8 und unseren täglichen Kämpfen auf Arbeit, außerhalb von Arbeit und in unseren Gemeinschaften herzustellen. Es wird ein lauter Karneval mit Sambabands und Musikanlagen werden, der sich durch die Innenstadt von Edinburgh bewegt und verschiedene Gewerbe und Institutionen, die für die wachsende Unsicherheit unseres Leben im Kapitalismus verantworlich sind, anläuft. Das Ziel ist nicht, einzelne Bereiche des Kapitals zu fetischisieren (wie etwa Banken oder Feindbilder wie McDonalds), sondern sich auf die gesellschaftlichen Verhältnisse des Kapitals zu fokussieren, wo sie das tägliche Leben dominieren und es in Überlebenssituationen verwandelt.
Die Gruppe, die diese Aktion organisiert, zunächst Arbeitsgruppe gegen Arbeit genannt, entstand im Oktober 2004 auf dem Beyond–ESF–Treffen in London (s. Feierabend! #15) aus einer Diskussion über Arbeitslosenkämpfe und über Widerstand gegen die vom Kapitalismus erzeugten Unsicherheiten. Das heißt nicht, daß wir denken, jeder sollte einen „echten“ Job haben, sondern, daß unsichere Bedingungen mehr Arbeit bedeuten und ein stärkeres Vordringen der Welt der Arbeit in alle Bereiche des Lebens.
Wir wünschen uns eine weitreichende Beteiligung damit eine wirklich internationale Aktion zustande kommt. Das ist besonders wichtig, da viele der sozialen Kürzungen und ökonomischen Unterdrükkungen, die wir in den letzten 20 Jahren in Großbritannien erlebt haben, nun auf einer massiven Basis in ganz Europa (siehe etwa Hartz Gesetze) und darüber hinaus durchgesetzt werden. Hier können wir den Weg für die Verbindung unseres eigenen lokalen und persönlichen Widerstandes gegen die neo-liberalen Maßstäbe zu einer großen globalen Ablehnung des gesamten Lohnarbeitssystems, der Welt der Grenzen und des Geldes finden.
Carnival for Full Enjoyment
dissentagainstwork@yahoo.co.uk
(Übersetzung Feierabend!)
INFO:
www.wombles.org.uk
www.nodeal.org.uk
www.precarity.info
Anmerkung der Übersetzer:
Der Carnival for Full Enjoyment hat es auf die Titelseite der „Edinburgh Evening News“ gebracht. In großen Lettern sagt die Zeitung „Anarchy“ für den 4.Juli voraus. Sie druckte auch eine Karte der Innenstadt Edinburghs ab, mit vermeintlichen Zielen des Carnevals. Leider wird es am 4. Juli nicht zur Anarchie kommen, denn das ist nicht an einem Tag zu schaffen. Der Artikel zielt darauf ab, unter den „guten Bürgern“ Edinburghs Angst zu verbreiten und vorab eventuelle Polizeigewalt zu rechtfertigen.
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