„Karikaturenstreit“

Liebe FA!- Redax,

mit großer Freude schlug ich wieder eure Zeitung (oder besser Ma­gazin?) auf, um mir meine Ladung sympathischen Jour­nalismus abzuholen. Und in der Tat begann ich sehr inte­ressiert zu schmökern. Wie immer sind so einige Artikel zu fin­den, die sowohl Regionales wie Überregionales zur Sprache brin­gen, was sonst woanders nicht mal gedacht wird. Selbst den mittlerweile stärkeren Sarkasmus bei bestimmten Themen emp­fand ich als erfrischend, wenn gleich es z.B. beim Thema Nazis und Antifaschismus mit ein wenig mehr Alternativen ge­spickt sein könnte. Also alles in allem eigentlich die Daumen hoch.

Umso negativer überrascht war ich, als dann die Seite 24 von mir aufgeschlagen wurde und ich mich ernsthaft fragen muss­te, wie umnachtet die Leute vom Layout wohl gewesen sein muss­ten, ein so plattes, klischeebehaftetes Karikaturen­en­semble auszuwählen. Gerade eine Zeitung mit eurem Weitblick und Tiefgang sollte sich davor hüten, solch stumpfe, mit ne­ga­tiven Assoziationen behaftete Karikaturen zu verwenden. Um es kurz zu sagen, der dicke, fette Kapitalist mit Zylinder und Zigarre mit seinen Geldsäckelchen auf dem Fuhrwagen ist ein weit verbreitetes Ab­ziehbildchen einer verkürzten Kritik des Finanz­kapitalismus, das raffende Kapital par excellence! Warum macht ihr euch so leicht an­greifbar mit Bildern, die zu einfach bestimmte Assozia­tionen wecken können? Selbst in Reform­ge­werk­schafts­kreisen wie IGM und ver.di wird nach den Heu­schrecken-Karikatu­ren kriti­scher damit um­gegangen! Ich bin mir sicher, dass das nicht im Interesse eurer Zeitung war und hoffe, dass ihr das nächste Mal nicht mehr so un­glücklich in Fett­näpfchen treten werdet.

Mit schwarz-roten Grüßen,

euer Dickerchen aus Berlin

Hallo,

und vielen Dank für Deinen Leserbrief. Es stimmt, die Kari­katuren sind wirklich platt und klischeehaft. Und sicher ist ei­ne personalisierte Kapitalismuskritik, wie man sie darin se­hen könnte, problematisch. Nur lassen Bilder generell viele Les­arten zu – für welche mensch sich entscheidet, hängt vor allem vom Kontext ab. So ist im FA! #28 auch eine der von Dir erwähnten „Heuschrecken-Karikaturen“ zu finden – als Teil eines Artikels, der eben solche „Kapitalismuskritik“ kriti­siert. Ebenso wird in dem Artikel, zu dem die von Dir be­mängelte Karikatur gehörte, weder den raffgierigen Ka­pitalisten die Schuld am Elend der „Entwicklungsländer“ ge­ge­ben, noch werden antiamerikanische oder sonstige Ressen­timents bedient. Das macht das Bild nicht besser, schränkt aber den Interpretations-Spielraum erheblich ein.

Auch der Vergleich mit den „Heuschrecken-Karikaturen“ hinkt: Zwar arbeiten beide Bilder mit Stereotypen, es gibt aber große Unterschiede. Zunächst einmal fin­det bei den „Heuschrecken-Karikaturen“ eine Ent­mensch­lichung statt. Dort wird der „Kapitalist“ als Insekt dargestellt, bei der anderen Kari­katur als Mensch (wenn statt eines hungernden Afrikaners ein Pony den Wagen zie­hen würde, würde er sogar sympathisch wirken). Zwei­tens trägt die „Heuschrecke“ einen Zylinder in den Farben der ame­rikanischen Fahne, wird also als „fremd“ gekennzeichnet, als von au­ßen kommende Bedrohung. Und drittens gibt es eine klare Tren­nung von „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital: Der „Blutsauger“ bohrt seinen Saugrüssel in einen Fabrikschornstein – dem „pro­duktiven“ deutschen Kapital wird das ausländische, „parasitäre“ Ka­pital entgegengestellt. Diese Trennung (deutsch/amerikanisch, pro­duktiv/ausbeutend) lässt sich bei dem anderen Bild nicht finden.

Dennoch bleibt es natürlich einfallslos und klischeehaft. Das Haupt­pro­­blem dürfte aber in der unterschiedlichen Perspektive liegen: Wir ha­­ben den Text lang und breit besprochen und das Bild von diesem her interpretiert, während für dich als Leser natürlich die Bilder zuerst ins Auge stechen. Es ist eben auch so, dass die Produktion des Feierabend! immer wieder ein langer, anstrengender Prozess ist. Da fehlt oft die Kraft, nach den Texten auch noch die Bilder bis ins De­­tail zu diskutieren. Umnachtet waren wir also nicht – eher übernächtigt.

Auf jeden Fall freuen wir uns, dass Du Dir die Mühe gemacht hast, Deine Kritik zu formulieren, und hoffen, dass Du auch in Zukunft unser Heft aufmerksam liest und bei Bedarf Kontakt zu uns aufnimmst, um uns Deine Meinung mitzuteilen.

Libertäre Grüße zurück!

Die FA!-Redaktion

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