outside the box: Raus aus der Schublade

outside the box

„Feministische Gesellschaftskritik“ hat sich die Zeitschrift Outside The Box auf die Fahnen geschrieben, deren erste Ausgabe nun, im Dezember 2009, erschienen ist. Damit schickt das Heft sich an, eine klaffende Lücke im (ohnehin nicht allzu dichten) linken Blätterwald zu füllen. Denn eben solch eine Verbindung von feministischer und sonstiger kritischer Theorie suchte mensch bisher vergebens.

In weiten Teilen scheint es noch ein wenig so, als wollten sich die Autor_innen selbst erst mal einen Überblick über den Stand der Diskussion verschaffen. Eine lesenswerte Einführung in die feministische Philosophie (anhand von Beauvoir, Irigaray und Butler) liefert z.B. der Artikel von Kristina Biene Holme. Anna Kow fasst die bisherige Debatte über das Verhältnis von Sex und Feminismus übersichtlich und von einer vernünftigen und sympathischen Position her zusammen. Ebenfalls interessant und informativ ist das Interview mit der Journalistin Kirsten Achtelik und der Filmemacherin Sarah Diehl zum derzeitigen Stand der Abtrei­bungsdebatte und -gesetzgebung. Das Fazit ist zwiespältig. Zwar sind Abtreibungen bis zum dritten Monat und unter bestimmten Bedingungen darüber hinaus straffrei. Diese Regelung wird aber durch den moralischen Druck, der von religiösen und sonstigen Abtreibungs­geg­ner_innen auf Ärzt_innen und betroffene Frauen ausgeübt wird, in Frage gestellt. Dass Abtreibungen straffrei sind, nützt wenig, wenn kein Arzt bereit ist, eine solche vorzunehmen (abgesehen davon, dass die dazu nötigen Kenntnisse kein normaler Teil der gynäkologischen Ausbildung sind). Auch das Dilemma der staatskritischen Linken in dieser Frage wird deutlich benannt: Die Entkrimina­li­sierung von Abtreibungen lässt sich relativ einfach fordern, der Ruf nach positiven Rechten wird dagegen als staatsaffirmativ abgelehnt. Ohne verbindliche Regelungen droht aber das alte Elend nur weiter verschleppt zu werden.

Ein echtes Ärgernis ist dagegen der Text „Die negative Dialektik des männlichen Subjekts“ von Martin Dornis. Das „männliche“ bzw. „bürgerliche Subjekt“, das Dornis uns da präsentiert, scheint so was wie der dunkle Zwillingsbruder des Hegelschen Weltgeists zu sein: Wo letzterer nach voller Selbstbewusstwerdung strebt und so die Geschichte vorantreibt, strebt Dornis´ „männliches Subjekt“ nach Beherrschung seiner inneren und äußeren Natur, was die Herrschaft über die als passiv-naturhaft vorgestellten Frauen einschließt. Dornis übernimmt hier eben das Männer- und Menschenbild, das er vermutlich kritisieren will, und erhebt es zur eigenständigen Realität, zum eigenmächtig in der Geschichte wirkenden „Subjekt“. Bei der vom Autor angepeilten „materialistischen Kritik der Ge­schlech­terverhältnisse“ kommt so auch nur ein vermeintlich kritisch gewendeter Idealismus heraus.

Nachdem das „männliche Subjekt“ erst mal als verantwortlicher Akteur benannt ist, kann Dornis diesem nach Belieben allerlei Eigenschaften und Tätigkeiten zu­schreiben. Etwa so: „Das liberale männliche Subjekt träumt noch vom Glück aller auf Kosten von Frauen […] Das spätka­pitalistische Subjekt träumt dagegen von über­haupt nichts mehr als von der Ewigkeit des selbst produzierten Schreckens […]“. Die nicht ganz uninteressante Frage, wo dieses „Subjekt“ herkommt, wird mit einem knappen Hinweis auf die „Be­din­gungen der ka­pitalistischen Verge­sell­schaf­­tung“ abgehakt. An­­­­sons­­­­ten scheint Dornis dem „Sub­jekt“ die göttliche Ga­be der creatio ex nihilo, der Selbster­schaffung aus dem Nichts zuzuschreiben, wenn er z.B. sagt: „Das Subjekt wurde wesentlich zum Subjekt, indem es seine Endlichkeit an die Frauen delegierte“, oder: „Das spätere bürgerliche Subjekt schmie­dete in dieser Zeit [der Hexen­ver­folgung] seine Freiheit und Autonomie“. Wie kann das Subjekt etwas schmie­den oder delegieren, wenn es noch gar nicht existiert?

Indem er das männliche Selbstbild für bare Münze nimmt, übernimmt Dornis ganz nebenbei auch das entsprechende Frauenbild – Frauen tauchen hier bloß als Opfer des „männlichen Subjekts“ auf (etwa wenn es heißt: „Die Zerstörung der Individualität hat ihre wesentliche Ursache darin, dass die Individuierung den Frauen vorenthalten und an ihnen vollzogen wurde“). Auch wenn er sicher anderes im Sinn hatte, reproduziert Dornis die sexistische Trennung von „aktiv-kulturschaffendem“ Mann und „passiv-naturhafter“ Frau.

Zum Glück bleibt es bei diesem einen Ausrutscher – ein paar Seiten vorher hat Andrea Trumann weitaus Substanzielleres zum Thema zu sagen. Marianne Pabst und Virginia Spuhr dagegen verzetteln sich in ihrem Artikel über „Emanzipation“ etwas bei der Erörterung der diversen Vorstellungen von „Befreiung“ – irgendwo zwischen dem Lutherschen und dem Kant­schen Frei­heits­begriff geht da schon mal der rote Faden verloren. Ein ähnliches Problem hat auch Georg Domkamp, der in seinem Text versucht, alles was sich zum Themenfeld „Frauen – Drittes Reich – rechte Szene“ sa­gen ließe, zu­mindest mal anzureißen. Der Artikel des Antifaschistische Frauenblocks Leipzig zeichnet dagegen ein ambivalentes Bild von der Lage der „Frau­en in der DDR“: Trotz rechtlicher Gleichstellung und staatlich geförderter Integration in die Arbeitswelt bestanden auch in der DDR die patriarchalen Verhältnisse fort. Abgerundet wird das Heft durch Rezensionen, Comics usw., wobei beson­ders Sylvia Ehls Text zu feministischen Uto­pien positiv heraussticht. Kenntnisreich und unterhaltsam wird da der Bogen vom Mittelalter bis zur modernen Science-Fiction geschlagen – dieser Artikel hätte von mir aus gerne doppelt so lang sein dürfen.

Es bleibt nur zu wünschen, dass dieses unterstützenswerte Zeitungsprojekt mit den nächsten Ausgaben noch ein wenig inhaltliches Profil hinzugewinnt. Die Debatte ist jedenfalls eröffnet, in der OutsideTheBox-Redaktion ebenso wie hoffentlich auch in einer breiteren interes­sierten Öffentlichkeit. Zumindest ich bin schon gespannt auf die nächste Ausgabe.

(justus)

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