Es ist schon dolle, was grad in Deutschland geht! Mit der Bildungs- und Innovationsoffensive der Regierung wird durchgestartet in eine Zukunft, die glänzend projiziert wird, und mit der nationalen Erinnerungskultur etwas vom „Charme der guten alten Zeit“ abbekommen soll. Aber die Technik der Holografie scheint im High-Tech-Standort noch nicht so weit fortgeschritten zu sein, dass die Illusion nicht durchsichtig wäre. Vielleicht hat aber die Bevölkerung einfach ein zu gutes Gedächtnis – und alles Vertrauen in „die Politik“ verloren.
Jedenfalls weisen die Zeichen der Zeit in der Wirklichkeit nicht nur in die Zukunft, sondern auch in die Vergangenheit: Wenn heute erst 114.000 Ein-Euro-JobberInnen rabotten gehen, soll ihre Zahl nach Regierungswillen noch 2005 auf 600.000 Menschen anwachsen. Da diese ArbeiterInnen nach herrschender Rechtssprechung nicht als „Arbeitnehmer“ gelten, haben sie – abgesehen von Urlaub und Arbeitsschutz – keine der gesetzlich verankerten Garantien. Die Dauer eines Ein-Euro-Jobs ist auf maximal 12 Monate begrenzt und soll „den Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt“ erleichtern – unter diesem Vorwand unterstützt auch der DGB Sachsen diese neuen „Arbeitsgelegenheiten“. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt dürften aber ganz anders aussehen: nämlich, dass die ArbeiterInnen unter Druck geraten.
So weitet sich letztlich ein Vertragsmodell aus, das mit dem altertümlich anmutenden Begriff der „Lohnsklaverei“ beschrieben werden kann. Oft wird dieser Ausdruck als rhetorische Phrase missverstanden, die auf eine längst vergangene Zeit anspielt, als die ArbeiterInnen mitleiderregend niedrige Löhne bekamen, der Arbeitstag endlos lang war und eine drakonische Arbeitsdisziplin herrschte. Der aktuelle Bezug aber wird im Kern deutlich: das ist eine Situation, in der die ArbeiterInnen keine legalen Rechte haben, kollektiv über die Kosten und Bedingungen ihrer Arbeit zu verhandeln. Die Ein-Euro-JobberInnen gesellen sich zu 1.000.000 „illegalen“ ArbeiterInnen, 78.000 Zivildienstleistenden und 30.000 schuftenden Häftlingen. Der Sektor der Lohnsklaverei wurde mit Hartz IV also nicht neu erfunden, aber in beträchtlichem Maße ausgeweitet.
A.E. / wc
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