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Am 8. März erinnert man(n) sich wieder der zweiten Hälfte der Gesellschaft, um sie zu ehren. Es ist Frauentag. Und Frau darf stolz sein, wenn sie als kleine Anerkennung für ihre Arbeit in Firma, Geschäft oder Haushalt einen Blumenstrauß überreicht bekommt. Vor einigen Jahren verteilte ein Parteistand gar Mini-Kakteen an die Frauen mit dem Spruch: „Immer schön stachelig bleiben.“ Was heute zu einer seichten Zelebrierung scheinbarer Gleichberechtigung und gegenseitigem auf die Schulter klopfen für die Fortschritte im Namen der Frauenemanzipation verkommen ist, begann einst im politischen und sozialen Kampf.

Bereits im 19. Jahrhundert formierten sich im Zuge der Arbeiterbewegung Sozialistinnen zu einer Frauenbewegung. Ihr erstes Anliegen war die Beteiligung am politischen Geschehen per Wahlrecht und die Verbesserung von Arbeits- und Lebensbedingungen. Zunächst fanden in einzelnen Ländern nationale Frauentage statt, wie z.B. 1892 in Österreich. In den USA riefen seit 1909 Sozialistinnen zu einem „National Woman´s Day“ auf, um das Frauenwahlrecht zu propagieren.

Der Internationale Frauentag wurde bereits ein Jahr später auf der „2. Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz“ in Kopenhagen auf Initiative von Clara Zetkin beschlossen. Die Wahl des Datums fiel auf den 19. März 1911, um den Märzgefallenen der bürgerlichen Revolution von 1848 zu gedenken. Im Zentrum der großangelegten Demonstrationen in Dänemark, Deutschland, der Schweiz und Österreich stand die Forderung nach voller politischer Mündigkeit für Frauen, aber auch nach Arbeitsschutzgesetzen, dem Achtstundentag, Mutterschutz, der Festsetzung von Mindestlöhnen und dem Ende des imperialistischen Krieges. Gleichzeitig war dieser Tag ein Bekenntnis zum Sozialismus. Sein Ziel, nach Clara Zetkin, ist die Verwirklichung von „Frauenrecht als Menschenrecht“, als Recht der Persönlichkeit, losgelöst von jedem sozialen Besitztitel. Sie fordert: „Wir müssen Sorge tragen, dass der Frauentag nicht nur eine glänzende Demonstration für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts, sondern darüber hinaus der Ausdruck einer Rebellion gegen den Kapitalismus, eine leidenschaftliche Kampfansage all den reaktionären Maßnahmen der Besitzenden und ihrer willfährigen Dienerschaft, der Regierung, ist.“

In den folgenden Jahren wurde auch in anderen Ländern der Welt, wie z.B. Russland, China, Japan oder Rumänien, Türkei und Iran der Frauentag organisiert.

Das Elend des 1. Weltkrieges und die wirtschaftliche Depression verschlechterten die Lebensbedingungen der Menschen enorm. Die politischen Forderungen der Frauenbewegung nach Wahlrecht (1) wichen daher zunächst dem existentielleren Verlangen nach „Brot und Frieden“. In St. Petersburg demonstrierten Frauen am 23. Februar (nach altem russischem Kalender), am 3. März (nach neuer gregorianischer Zeitrechnung) 1917 gegen den Krieg. Diese Aktion verbreiterte sich zu ArbeiterInnenkämpfen und löste die Februar-/Märzrevolution aus. Als Erinnerung an dieses Ereignis wurde 1921 auf der „2. Internationalen Konferenz der Kommunistinnen“ wieder auf Initiative Clara Zetkins beschlossen, den Internationalen Frauentag in Zukunft am 8. März abzuhalten.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde der Frauentag verboten und durch den Muttertag ersetzt. Die Frauenbewegung sah ihre Anhänger in ein Rollenbild gedrängt, welches Selbstverwirklichung nur noch als Reproduktionsmaschine zuließ. Die „Emanzipation von der Emanzipation“, Schlagwort der Diskriminierer, beeinflusste das Frauen- und Familienbild bis in die 50er und 60er Jahre. Die Kleinfamilie als kleinste Einheit der Gesellschaft mit der Mutter am Herd und dem Vater am Malochen, entsprach dem propagierten Ideal öffentlicher Meinungsmache.

In der Nachkriegszeit wurde der Frauentag von den sozialistischen Staaten vor allem als Tag der Befreiung der Frau gefeiert. In den kapitalistischen Staaten erhielt er durch die neue Frauenbewegung der späten 60er Jahre wieder einen politischen Hintergrund mit alten und neuen Themen, wie der Kritik an geschlechtlicher Arbeitsteilung, dem Recht auf Abtreibung und der effektiven Kriminalisierung von Gewalt gegen Frauen, der Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit und gleichen Bildungschancen.

Frau sollte meinen, dass ein über 100jähriges Ringen diese Ziele durchsetzen kann. Aber die Realität sieht anders aus. Nach wie vor zählen Frauen im leistungsgesteuerten Berufsalltag meist zu einer niedrigeren Lohnklasse als ihre männlichen Kollegen (2). Der Abtreibungsparagraph 218 StGB kriminalisiert noch immer Frauen, die sich gegen eine Schwangerschaft entscheiden. Sie werden gezwungen einen erniedrigenden Hürdenlauf von Beratungsstellen zu Ärzten zu unternehmen, um über Körper und Leben auch vor dem Gesetz straffrei entscheiden zu dürfen. Auch ist es für gewöhnlich Frau, die sich entscheiden muss zwischen Kind und Beruf Gleichermaßen werden aber auch Männer benachteiligt, die typische, Frauentätigkeiten ausüben. So finden sich z.B. Babywickelräume vornehmlich in den Damenklos. Kondomautomaten aber bei den Herren. Eine der am tiefsten in der Gesellschaft verwurzelten Ebenen auf der geschlechtliche Diskriminierung existiert, ist die Sprache. Männlich ist hier v.a. stark und klug, weiblich hingegen schwach und untergeordnet. Die meisten Menschen gehen heute noch zu einem Arzt, auch wenn „er“ Heike oder Petra heißt. Bis zur Einführung des neutralen Begriffes „Reinigungskraft“ war es eine Putzfrau, die den Besen schwang, auch wenn „sie“ Vater von drei Kindern war. Gegen diese Rollenmuster, in die jeder Mensch per Geschlecht, Bildungsgrad oder Herkunft gedrängt wird und die daraus folgende Ungerechtigkeit, begehrte die damalige und heutige Frauenbewegung auf. Obwohl auf der Oberfläche der heutigen Zeit Gleichberechtigung zu herrschen scheint, hat sich doch an der grundsätzlichen Mann-isst/Frau-kocht-Denkweise nur in wenigen Gesellschaftsspektren etwas geändert. Die sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich existierende Diskriminierung, die durch patriarchalische Wertmaßstäbe produziert wird, gilt es zu durchbrechen. Der Frauentag sollte daher nicht länger als Selbstbeweihräucherung verstanden werden, sondern als Kampftag aller Frauen für ein gleichberechtigtes Zusammenleben. Schluss mit den Blumensträußen, hoch die Faust.

wanst

(1) Frauenwahlrecht:
1918 Deutschland, Großbritannien
1919 USA
1944 Frankreich
1971 Schweiz (1990 Halbkanton Appenzell-Innenhoden)
(2) dazu: Statistisches Landesamt Baden-Württemberg

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