Im vergangenen Jahr sah sich die französische Regierung, anders als die deutsche, mit einer breiten Streikbewegung konfrontiert, die sich u.a. gegen die Reformen der Rente, des Bildungswesens und der Sozialversicherung der „Intermittents“ (unregelmäßig beschäftigte ArbeiterInnen der Kulturindustrie) richtete. Die Angestellten der Bildungsbranche, vor allem LehrerInnen, gehörten zu den wichtigsten Teilen der Bewegung – ihr wichtigstes Druckmittel: Ausfall der Abiturprüfungen. Nach einer imposanten Medienkampagne über die „Verantwortungslosigkeit“ der Streikenden, und auch aufgrund der Anwesenheit von „Ordnungskräften“ konnten die Prüfungen durchgeführt werden. Dieser Niederlage entsprechend schwer waren Versuche nach den Sommerferien, den Protest wieder aufzunehmen. Im Schulwesen geht es vor allem um die Zahl der Hilfskräfte, sowie um die Verbesserung ihrer oft prekären Arbeitssituation und um die Abwehr der sogenannten „Dezentralisierung“: mit dem Übergang der Bildungshoheit an die Départements, so fürchten die LehrerInnen, wird einem Gefälle in Lern- und Arbeitsbedingungen Vorschub geleistet. In Lyon fanden sich die ehemals Streikenden nach den Sommerferien in einer übergewerkschaftlichen Runde zusammen. Die gewerkschaftsübergreifende Kooperation „Intersyndicale“ will einen „kollektiven Kampf gegen die Prekarität fördern, der von den Prekären selbst geleitet […] und von unseren Gewerkschaften [CGT, CNT, SUD] mit den notwendigen Mitteln unterstützt wird.“ Sie kritisieren nicht nur die soziale Unsicherheit in der Schule, sondern im gesamten öffentlichen Dienst – das Bildungswesen aber ist freilich ihr Schwerpunkt. Neben öffentlichen Versammlungen und Petitionen, kümmerten sie sich auch um einen Fragebogen der Prekären.
In dieser Situation riefen die großen Gewerkschaften landesweit für den 25. Mai zu einem zweiten Streik- und Aktionstag auf – die erfolgreiche Mobilisierung vom 12. März sollte wiederholt werden, um zu zeigen „dass wir noch entschlossen sind“. Aber ein eintägiger Warnstreik wenige Wochen vor Ende des Schuljahres ist nicht mehr als ein gewerkschaftliches Lippenbekenntnis und kann kaum Druck auf die Regierung ausüben, die 2003 mehreren Streikwochen trotzte. So fand der Aufruf kaum Resonanz: es herrscht eine allgemeine Resignation. Die CNT beklagt in einer Erklärung, dass es Mitte März versäumt worden war, die Bewegung zu intensivieren. Dieser Wille, wie ihn KollegInnen in Versammlungen formulierten, gereichte nicht zur Tat.
A.E.
Nachbarn