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SelbstOrganisierte Seminare

anders lernen ++ anders leben ++ anders denken

Neben dem Krieg, der Arbeit und dem Sozialabbau zählt die Bildungspolitik spätestens seit der Pisastudie zu den Themen in denen sich regelmäßig Schlammschlachten geliefert werden. Von allen Seiten wird nur gewettert. Die Schüler sind zu dumm, die Lehrer nicht engagiert genug. Die Politiker unwillig wie eh und je und Studenten sind sowieso Schmarotzer. Der von der Politik so hoch gelobte Bildungsstandort Deutschland scheint im In- und Ausland bekannter für seine Rückbildung als für das so verzweifelt angestrebte innovative Lernen.

Die Schuld für die wenig erfreuliche Lage sucht jeder beim anderen. Land und Stadt haben kein Geld, also sparen sie. So mancher Regierungssesselsitzer fragt sich bei der Haushaltsplanung, warum denn nicht auch die Wirtschaft was zu der ‚Aus’bildung beisteuern soll. Am Ende schöpfen schließlich sie das angereicherte Humankapital aus dem Pool der Bildungseinrichtungen. Über die Auswirkungen, die diese Taktik für Wissenschaft und Forschung hat, schimpft wiederum die Studierendenschaft. Zu Recht fragen sich Einige, wo denn die so hochgepriesene Kreativität und Innovativität herkommen soll, wenn z.B. ein Autohersteller Projekte für Kunststudenten sponsert, die in. ihren Werken Kapitalkritik und Umweltbewusstsein äußern und deshalb des Projektes verwiesen werden. Das Bildungssystem steckt in einer Sackgasse. Auf der einen Seite fehlt überall das Geld, um den Betrieb von Hochschulen. Erwachsenenbildung, Kindergärten usw. für die nächste Zeit abzusichern. Andererseits führen andere Finanzierungsversuche, wie die Förderung durch Wirtschaft, zu Einschränkungen und Einflussnahmen auf Lehrpläne und Forschung durch die Sponsoren. Erforscht wird dann nur noch, was verwertbar ist und lukrative Gewinne verspricht. Studienzweigen wie den Geisteswissenschaften wird da, plakativ gesprochen, allein aufgrund ihrer Ausrichtung auf Themen wie Geschichte, Literatur, soziale und politische Theorie eine Minderwertigkeit unterstellt, weil die „Produkte“ ihrer Arbeit nicht in einem Warenkatalog mit Foto und Bestellnummer angepriesen werden können.

In dieser Zwangslage scheint der Großteil der Betroffenen nur in der Forderung nach mehr Geld von Vater Staat eine Lösung zu sehen. ‚Der ist schließlich gesetzlich verpflichtet zur Förderung‘, denken sie sich. Da Vati aber selten zuhört, was die Kleinen so von sich geben, erinnert Mensch sich der Möglichkeiten zur Meinungsäußerung, die die großzügige Verfassung ihren Schäfchen zugesteht. So kommt es zu Unterschriftensammlungen, Vollversammlungen (meist eher Leer-) und Demonstrationen, z.B. vor den Dresdener Landtag. Dort wird dann ein bisschen über dies und jenes geredet, der eine ausgebuht und der andere bejubelt. Zurück im Klassenzimmer oder im Hörsaal jedoch bleibt alles beim Alten. Es gibt immer noch zu wenige Räume und Dozenten, schlecht ausgerüstete Bibliotheken, ebenso wie veraltete Lehrmethoden, die durch Zwang zum Auswendigpauken selbständiges Denken nicht gerade fördern.

Was also tun, wenn der Gang auf eine obligatorische Studentendemo nur noch zu Frustration führt?

Wenn mensch erkennt, dass die liebe Regierung, ob Stadt, Land oder Bund auf die Stimme aus der Bevölkerung nicht das Geringste gibt? Und Geld sowieso keine Probleme löst? Vielleicht wird dem ein oder anderen bewusst, dass es nicht die Forderungen an eine delegierte Spitze irgendwo in Dresden sind, die die Lage verändern können. Nein! Mensch muss anfangen, die Zügel für die Erfüllung seiner Verstellungen selbst in die Hand zu nehmen!

Zu diesem Schluss kamen auch einige Studierende der Universität Leipzig und riefen vor einem Jahr das Projekt „Selbst Organisierte Seminare“ ins Leben. Aus der Erfahrung heraus, in überfüllten Seminarräumen zu Pflichtveranstaltungen anwesend sein zu müssen, erwuchs der Wunsch sich in zwangsfreier Atmosphäre zu bilden. Im Vordergrund steht dabei nicht das Dozieren, sondern das Diskutieren. Die Teilnehmer entscheiden gemeinsam und gleichberechtigt über Inhalt und Methoden eines selbstorganisierten Seminars. Es geht nicht darum, einen Schein (Leistungsnachweis an Hochschulen, als Voraussetzung für Prüfungszulassung) zu erwerben oder sich zu profilieren, sondern sich aus Interesse am Thema und Lust auf selbstbestimmtes Lernen weiterzubilden.

Die Seminare sind offen für alle und wollen nicht als Ergänzungsprogramme für die Angebote staatlicher Bildungsträger verstanden werden. Sie sollen auch nicht fit machen für den Arbeitsmarkt, sondern zeigen, wie einfach es ist, ohne Zwang und Leistungsdruck zu lernen.

Die Teilnehmer der letzten beiden Semester konnten sich davon überzeugen. Auch in diesem Jahr ist das Angebot breit gefächert. Es reicht vom Erlernen und Trainieren anderer und der eigenen Sprache bis zu kritischen Diskussion von Themen wie dem Hartzprogramm, Computersicherheit oder politischer Suggestion. Also nichts wie hin, zum mitreden und endlich wieder Spaß haben am Lernen!

wanst

Nähere Informationen zu den einzelnen Seminaren gibt es unter: www.ag-seminare.forumfreiheit.de oder an Aushängen und Hinlegern verschiedener Bildungseinrichtungen. Also Augen auf!
Programm Sommer 2003: Debattierclub+++++++++++++Englische Konversation und Literatur++++Etwas Französisch, Mesdames & Messieurs?+++++++++++++++++++++DramenLeseGruppe. Brotbacken & Politische Suggestion +++++HARTZeluja, dingdong happy.+++++Sprachkurs Spanisch oder Italienisch.++++++++Big Brother is WWWatching you!+++++++Nederlands spreiten

Bildung

Eine andere Bildung ist nötig!

Bei selbstorganisierten Seminaren gibt es die Möglichkeit, eigene Themen frei zu wählen und mit anderen Interessierten zu diskutieren, ohne Leistungsdruck, Konkur­renzdenken und Zwänge durch Studien- und Prüfungsordnungen.

Der Beginn

Zum Wintersemester 2001/2002 ha­ben sich Leute zusammengetan, um sich beispielsweise mit der Transformation der Demokratie oder der sozialen Revolution in Spanien `36 zu beschäftigen, zusammen Spanisch zu lernen oder Dramen zu lesen. Seitdem gibt es jedes Halbjahr die selbstorganisierten Seminare. Durch ihren Ur­sprung an der Universität orientiert sich die Einteilung an der Semestereinteilung, was nicht bedeutet, dass die selbst­organisierten Seminare auf StudentInnen beschränkt sind. Wer die Idee gut findet, kann und soll sich beteiligen.

Die Idee

„Du beschäftigst Dich gemeinsam und gleichberechtigt mit den anderen Teil­nehmerinnen mit dem von Euch gewähl­ten Thema. So trägst Du entsprechend Deinen Interessen und Möglichkeiten nicht nur zu Deiner eigenen, sondern auch zur Bildung der anderen Beteiligten bei. Im Vordergrund steht dabei nicht das Dozieren, sondern das Diskutieren. Die genaue Zielsetzung, den inneren Aufbau, Termine, Ort etc. kannst Du beim ersten Treffen Deiner Gruppe mit den anderen vereinbaren. Bisher ist nur das Fundament da, den Rest des Hauses baut Ihr gemein­sam, könnte man sagen.“

(Aus einem Erklärungstext auf www.ag-seminare.forumfreiheit.de.)

Die Hintergründe

Die Motivation sich anders zu bilden, zogen viele aus der frustrierenden Situati­on an der Universität und manche auch aus der Beschäftigung mit Schul­schließungen. Und mit der Zeit bekommt mensch auch mit, wie im Bildungssystem der Hase läuft.

Bildung bedeutet in dieser Gesell­schaft, trotz aller Beteuerungen und ideo­logischen Floskeln, Ausbildung für den Ar­beitsmarkt und zum funktionierenden Staatsbürger, und dazu gehört auch die Verinnerlichung von Selektion, Konkur­renz und Leistungsdruck. Instrumente dafür sind Noten, Prüfungen, Disziplinar­maßnahmen bei nichtkonformem Verhal­ten etc. Dadurch wird Druck erzeugt, fremde Anforderungen (Lehrplan) zu er­füllen und sich anzupassen. Diese Anfor­derungen nicht erfüllen zu können, hat bereits Schülerinnen zum Selbstmord oder zum Massaker getrieben. Die Schuld am Scheitern wurde hier entweder bei sich selbst gesucht oder bei den Lehrern und Mitschülern. Dabei trifft hier niemanden direkte Schuld, die Ursachen liegen im gesellschaftlichen System, das die Men­schen in Funktionen presst, die sie zu er­füllen haben (als Lehrerinnen, Schülerinnen, StudentInnen…). Ange­sichts dieser Grundausrichtung des Bildungssystems, sollten wir uns von der propagierten Alternativlosigkeit nicht be­eindrucken lassen, und ausprobieren, wie eine andere Bildung aussehen könnte, auch wenn ihr durch die Zwänge der jet­zigen Gesellschaft (Erfüllung von Studi­en- und Prüfungsordnungen, Lohnarbeit zur Existenzsicherung) Grenzen gesetzt sind.

Der Ablauf

Wer sich mit einem Thema beschäfti­gen möchte, z.B. Italienisch lernen, schreibt eine kurze Ankündigung und schickt sie per Mail, an ag­seminare@forumfreiheit.de oder per Post an die AG seminare, c/o Alternativ Le­ben e.V., Kolonnadenstr.19, 04109 Leipzig. Dort in der Libelle, einem liber­tären Lokal, wird auch ein Fach stehen, in dem Ankündigungstexte reingeworfen werden können. Dazu sollten noch eine Kontaktmöglichkeit und ein erster Termin draufstehen.

Zeit, Ort, Häufigkeit und Länge der Seminare sind „wurscht“, es besteht kein Grund die standardisierten Einheiten in Schule und Uni zu übernehmen! Eine Möglichkeit wäre sich in der Libelle zu treffen, einfach mal beim Café oder der VoKü nachfragen, eine andere, Seminar­räume an der Uni zu reservieren, die von Studentinnen bei der Raumverwaltung im Erdgeschoss des Seminargebäudes relativ problemlos angemeldet werden können.

Die Seminare werden dann im Ver­zeichnis Selbstorganisierter Seminare und auf der Internetseite veröffentlicht. Schaut auch mal in den Oktober-Feierabend! oder an die Uni, wo jedes Semester ein Kuchen­basar zur Finanzierung der Seminar­verzeichnisse veranstaltet wird.

kater francis murr

ag-seminare@forumfreiheit.de
www.ag-seminare.forumfreiheit.de

Bildung

Einsicht in die Notwendigkeit

Bereits in der Ausgabe #7 des Feierabend! wiesen wir auf die EU-Bildungsministerkonferenz hin, die vom 18.-19. September 2003 in Berlin stattfindet. Ziel und bisherige Vorgänge des „Bologna-Prozesses“, der auf der Konferenz weiter geplant wird, sollen im Folgenden erläutert werden.

Bologna. Das ist nicht nur die Stadt der wohl berühmtesten Spaghetti. In dieser Stadt nahmen im Juli 1999 auch die Vorstellungen von einem einheitlichen europäischen Hochschulraum erstmals Gestalt an. In einer Er­klärung (1) betonten die EU-Bildungsminister die Notwen­digkeit, den Rückstand auf die USA in Sachen Investitionen und Gaststudierender bis 2010 auf­zuholen. Die EU als größter Wirtschaftsraum der Erde (2) braucht auch einen gemeinsamen Hochschulraum – in dem „Wis­sen produziert“ wird.

Bisher beteiligen sich 33 Staaten und internationale Institutionen an dem Projekt – darunter befinden sich die EU-Staaten, die Beitrittsländer von 2004, die Staaten des Europarates und die EU-Kommission. Die Beteili­gung am Bologna-Prozess, der gern als „freie Vereinbarung“ dar­gestellt wird, ist nicht vertraglich geregelt und also nicht einklagbar – aber sie ist politisch bindend. Das Damokles-Schwert der Nie­derlage im internationalen Wett­bewerb erlaubt den politischen Entscheidungsträgern keine Abweichung. So sind sie gefangen von dem Teufel, den sie selbst an die Wand malten, um ihr Pro­jekt zu rechtfertigen. Zusammengehalten aber von scheinbaren Sachzwängen und von nicht mandatierten Stellvertretern ist der Bologna-Prozess alles andere als eine freie Vereinbarung! Die Reformen zielen nämlich zu allererst auf einen europäischen Arbeitsmarkt – die Universität als Trai­ningslager für die Lohnsklaverei.

Kernpunkt der „Strukturreformen“ für einen „wettbewerbsfähigen und dyna­mischen Hochschulraum“ ist die Zweitei­lung des Studiensystems. Mit der Einführung von Bachelor (BA)- und Master (MA)-Studiengängen wird diese Teilung in „berufsqualifizierende“ und „akademi­sche“ Bildung hierzulande bereits vorge­nommen. Mit Hilfe eines Leistungs­punktsystems (ECTS) soll eine internati­onale Vergleichbarkeit des Studiums ga­rantiert werden. Suggeriert wird in diesem Zusammenhang, dass dadurch die persön­lichen Chancen auf dem (inter-)nationa­len Arbeitsmarkt steigen. Entsprechend positiv sind die Reaktionen der Studieren­den: 1999 waren erst 0,4 Prozent (6.700) in BA/MA eingeschrieben – zwei Jahre später waren es bereits 2,1 Prozent (39.000). In Deutsch­land wurden diese Neuerungen maßgeb­lich von der Hoch­schulrektorenkonferenz initiiert. Wie be­reits erwähnt, bestehen mit den BA/MA-Stu­diengängen und der ECTS-Zertifizierung schon wichtige Be­standteile der neuen Bildung. Die Zertifi­zierung ist notwendig, um das Baukastensys­tem von BA/MA um­zusetzen und die Hochsäulen in Kon­kurrenz zueinander zu setzen – nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch bei der finanziellen Ausstat­tung über Drittmittel. Durch eine externe Be­wertung jeder einzel­nen Hochschule soll ihre Qualität gesichert werden. Nach wel­chen Maßstäben gewertet wird, lässt sich leicht buchstabieren: Rentabilität für In­vestoren und „beste“ Chancen für Studie­rende. Die Reformen ändern zwar prinzi­piell nichts in der Branche, sie erhöhen allerdings den unmittelbaren ökonomi­schen Druck auf die (unfreien) Akteure im Bildungswesen.

Die Initiative und die Verantwortung für den Umbau liegt bei den Hochschulen selbst. Positiv zu verbuchen sind dabei eine erleichterte Mobilität der Studierenden (die sich das leisten können) und eine intensivere Zusammenarbeit der Hoch­schulen in Europa. In modernen Zeiten wird oft und gern auf die Freiwilligkeit und Autonomie der einzelnen Akteure, be­sonders der Hochschulen und der Stu­dierenden hingewiesen. Eine „Autonomie“ wie sie in den Verhandlungen um den sächsischen Hochschulkonsens bestanden hatte (siehe Kasten). Aber sie spielen mit: Die beteiligten und verantwortlichen Hochschulen haben sich 2001 eigens für „Bologna“ zusammengeschlossen in einer European University Association (EUA). Auf ihrem letzten Gipfel in Graz (Mai 2003) stellte die Europäische Vereinigung der Universitäten folgende Forderungen an den politisch verbindlichen Prozess:

> Wahrung der Chan­cengleichheit und des „demokratischen“ Hochschulzugangs

> Erhalt europäischer Eigenheiten – Bil­dung als öffentliche Angelegenheit – und der

> Verbindung von For­schung und Lehre

> Gewährleistung der Qualitätssicherung

Die Studierendenvertretungen begrüßen ebenfalls die europaweite Initiative zur Re­form und versprechen sich von der „In­ternationalisierung“ eine Verbesserung der studentischen Lebens- und Lernsituation. Sie warnen zugleich vor einer „Ver­schulung des Studiums“. In dem Maße aber, wie sich beide Akteure – Hochschu­len und Studierende – zum obersten Ziel, zur arbeitsmarktgerechten Ausbildung bekennen, sind alle Bedenken und Vorbehalte nichts als Schall und Rauch. Denn was „der Arbeitsmarkt benötigt“ liegt außerhalb ihrer Kompetenzen, das Bil­dungswesen ist und wird abhängig blei­ben von den Forderungen des Kapitals.

Die etablierten Institutionen beweisen damit wiederholt ihre Unfähigkeit, der bewusst betriebenen Politik der Ver­schlechterung der allgemeinen Lebens­bedingungen eine Absage zu erteilen. Der EU geht es um „arbeitsmarktrelevante Qualifikationen“ und „internationale Wettbewerbsfähigkeit“, nicht um die Bil­dung bewusster, mündiger Persönlich­keiten. Das bedeutet nicht nur eine geis­tige Verarmung der Bevölkerung, sondern auch eine Prekarisierung der Lehrberufe. Von Studierenden und Lehrenden werden „Mobilität“ und „lebenslanges Lernen“ ge­fordert – also die Bereitschaft, sich fortwährend den ändernden Ansprüchen des Kapitals anzu­passen. Hinter den schönen Worten verbirgt sich Rationalisie­rung auf (fast) allen Ebenen – der menschli­che Faktor als Kostenfaktor soll minimiert werden. Was bleibt, ist die funktionale Sachkenntnis mit zwingender Relevanz auf dem Arbeitsmarkt – das Gehirn ist nicht mehr als die Hardware.

So neu ist diese Perspektive allerdings nicht. Schon 1776 schrieb A. Smith: „die gesteigerte Geschicklichkeit eines Arbei­ters [lässt sich] als eine Art Maschine oder Werkzeug betrachten, die die Arbeit er­leichtert oder abkürzt, und die, wenn sie auch Ausgaben verursacht, diese doch mit Gewinn zurückzahlt.“ (3) Diese sehr spe­zielle Sicht auf „Bildung“ – Bildung als Kapital – hat sich in unserer Gesellschaft schon weitgehend durchgesetzt, wie an den Reaktionen der Studierenden auf die BA/MA ablesbar ist. Immer weiter ver­drängt wird die Anschauung von Bildung, die den Menschen in die Lage versetzt, die Welt besser zu verstehen und zu gestal­ten.

Die Gegenaktivitäten (4), die anlässlich der Ministerkonferenz angestrengt werden, orientieren sich an dieser Auffassung. Dabei wird nicht nur zur Sprache kom­men, dass der Mensch eben kein lebendi­ges Werkzeug ist (5). Debattiert werden auch Auswege aus der aus der aktuellen Misere – der Lehrenden und der Studierenden. Erst eine aktive Gestaltung der eigenen Wirk­lichkeit und der Widerstand gegen Ver­schlechterungen der Lage schaffen gesell­schaftliches Leben. In Zeiten der Stagna­tion, seien sie durch Gewalt­herrschaft oder Trägheit be­dingt, kann kein Leben entste­hen. Leben ist Unruhe!

A. E.

Kasten: Autonomie beim Hochschulkonsens

Das sächsische Kultusministerium verlangte Einschnitte im Budget der Universitäten, und wollte den Universitäten im verbleibenden Rahmen bis 2010 „Planungssicherheit“ gewähren. Der Vertrag zwischen Hochschulen und Regierung, dessen Unterzeichnung der Senat der Uni Leipzig am 5. Juni 2003 zugestimmt hat, kann nur von der Regierung, nicht aber von den Hochschulen gekündigt werden. Die Autonomie der Bildungseinrichtungen besteht nun darin, selbst zu sehen, wo sie kürzen.

Anmerkungen:
(1) Bologna-Erklärung unter www.bologna­berlin2003.de/pdf/bologna_deu.pdf
(2) Das Gesamtvolumen des Güterhandels in West­europa übertrifft mit 2.441 Milliarden Dollar das Nordamerikas (1.058 Mrd.) und Asiens (1.649 Mrd.).
(3) A. Smith: „Der Wohlstand der Nationen“. Zi­tiert nach E. Ribolits: „Wieso sollte eigentlich gera­de Bildung nicht zur Ware werden?“, in Streifzüge 2/2003, Wien, zugänglich in der libertären Biblio­thek (Kolonnadenstr. 19)
(4) Nähere Informationen und Organisatorisches unter www.eef2003.org und www.fau.org/bsy so­wie Offizielles unter www.bologna-berlin2003.de
(5) Erfahrung mit selbstbestimmtem Lernen kann man leicht sammeln, siehe S. 11 in diesem Heft

Bildung

… leave our kids alone!

Notizen zur Schulkritik

Jede/r von uns hat 10 bis 13 Jahre lang ähnliches erlebt: Der Tag begann zwischen sechs und sieben Uhr mit einem durchdringenden Wecksignal. Einem schlechtgelaunten Frühstück folgte der hektische Aufbruch in eine Institution, in der wir bis nachmittags mit 25 Gleichaltrigen den Vorträgen älterer Mitmenschen zuhören mussten. Jeden verdammten Tag die Lehrplan-Endlosschleife aus Stoffdarbietung, Einübung und Lernzielkontrollen. Jeden Tag dem Minutenzeiger zusehen und hoffen, dass die Zeit irgend­wie vorbei geht. Eeeendloooooos dehnten sich die Stunden, Tage, Wochen… Bis auf einmal alles vorbei war.

Wir rieben uns verdutzt die Augen und stellten fest, dass wir unser Leben nun, mit 13 Jahren Verspätung, tatsächlich vor uns hatten. Und in der Tat waren wir für dieses Leben ausgesprochen qualifiziert. Wir hatten nicht nur passives Rumsitzen gelernt, wir konnten auch Präpositionsformen, Integralrechnung und die Definition der innertropischen Konvergenzzone auswendig aufsagen!

Aber der Mensch ist anpassungsfähig, und so haben wir uns alle irgendwie im „echten Leben“ eingerichtet. Nun konnten wir uns selbständig Bildung aneignen, manch­mal sogar gesellschaftskritische Literatur, dicke Bücher, die das geheiligte politisch-ökonomische System als das enttarnten, was es ist: ein autoritäres Machtgefüge, das für sein Fortbestehen vor allem den Glauben, die Angst und die Bequemlichkeit seiner InsassInnen benötigt.

Erhellend sind z.B. die Ausführungen, die Michel Foucault in seinem Buch „Überwachen und Strafen“ zur Entstehung der Institution Schule macht. Mit der Verfeinerung des staatlichen Herrschaftssystems legten die Herrscher des 18. Jahrhunderts zunehmend Wert auf die Nutz­barmachung der Untertanen als Menschenmaterial. Dass es dabei höchstens sekundär um deren Alphabetisierung ging, wird aus den damaligen Dokumenten deutlich. Mit der jahrelangen Halbtagskasernierung der Kinder und Jugendlichen in der Volksschule sollten vielmehr brave, und nach 1800 auch patriotische Unter­tanInnen gezüchtet werden, wie sie sich die Staatsoberhäupter für ihre imperialistische Politik wünschten.

Natürlich ist die Schule von heute nicht mehr die von damals. Die Prügelei wurde beendet, der Umgangston verbessert, die Inhalte modifiziert, die didaktische Methodik verfeinert, die Wände neu gestrichen und sogar Computer eingeführt. Das sind Fortschritte, die hart erkämpft werden mussten. Generationen von Päda­gogInnen und ReformerInnen haben daran gearbeitet, die Institution Schule „vom Kinde aus“ zu humanisieren. (Die bekanntesten unter ihnen, wie Leo Tolstoi, Maria Montessori oder A.S. Neill, hielten dabei die autoritären Staats- und Kirchenschulen für nicht reformierbar und versuchten, alternative Systeme aufzubauen, die den staatlichen Schulen teils bis heute erfolgreich Konkurrenz machen.)

Die entscheidenden Grundsätze der Schule sind von diesen Reformversuchen aber größtenteils unberührt geblieben: Der Anwesenheitszwang, das Prinzip von Befehl und Gehorsam, die verbindlichen Lehrplaninhalte, die Leistungsbewertun­gen, die Selektion in „starke“ und „schwache“ SchülerInnen usw.

Dabei mangelt es natürlich nicht an Begründungen für das Pflichtschulsystem (jedes autoritäre System versteht sich selbst bekanntlich als alternativlos). Dass wir junge Leute zwingen, zehn ihrer für die Sozialisation entscheidenden Jahre in einer weitgehend geschlossenen Anstalt zu verbringen, wird so etwa mit der Notwendigkeit begründet, sie einerseits für den Arbeitsmarkt „fit zu machen“ und sie andererseits vor dessen frühzeitigem Zugriff zu bewahren. Als ob es heute kein Jugend­schutzgesetz gäbe und die Kinder die Gemeinheiten des Kapitalismus nicht auch innerhalb der Schule abbekämen…

Die Schule gibt es nicht aus humanistischen Erwägungen, diese wurden erst nachträglich erfunden. Die Pflichtschule ist einfach ein notwendiges Teilsystem im autoritären Staat. Die logische Konsequenz aus dieser Einsicht wäre die Forderung nach ihrer Abschaffung.

Denkbar wäre es etwa, die Schulpflicht der SchülerInnen durch eine Bildungspflicht des Staates zu ersetzen: Alle jungen Menschen würden diesem Modell nach das Recht genießen, staatlich finanzierte, aber unabhängige Bildungseinrichtungen aufzusuchen und dort Angebote wahrzunehmen, um selbstmotiviert zu lernen, Abschlüsse zu erwerben etc. Die Freiwilligkeit des Schulbesuchs würde auch den Wettbewerb zwischen den Bildungseinrichtungen fördern. Schlechten Unterricht dürfte es in diesem System nicht mehr geben, durch die Abstimmung mit den Füßen würde vielmehr interessante und kreative Bildungsarbeit honoriert.

Dagegen ließe sich natürlich einwenden, dass eine solche Entwicklung doch eher unrealistisch ist. Stattdessen solle mensch lieber den Reformprozess an den Schulen vorantreiben, freie demokratische Schulen unterstützen, Lehrplaninhalte und Fach­didaktiken weiter verbessern, um so die Schule zu dem zu machen, was sie sein könnte: kein Fluch, sondern ein Geschenk für die Menschheit.

Alles Quatsch, würden nun die Anar­chistInnen sagen: An den Staat zu appellieren, doch bitte seine Machtbasis aufzugeben, ist absurd. Und die Reformen im Bildungssystem haben noch nie was Grundsätzliches verbessert. Sie suggerieren nur Veränderbarkeit und modernisieren den Machtapparat. Die einzig mögliche Perspektive bleibt eben die Verweigerung und Emanzipation von den autoritären Systemen. Wenn möglich nicht allein, sondern gemeinsam.

Aber ob wir uns die Realität nun eher sozialdemokratisch, anarchistisch oder doch lieber nach postmodernem Muster erklären, ob wir als SchülerInnen, Eltern oder gar als PädagogInnen mit dem autoritären Bildungssystem konfrontiert sind, grundsätzlich gilt: Wenn wir dieses als alternativlos verteidigen, entsolidarisieren wir uns nicht nur mit den Kindern von heute und uns selber als Kindern. Wir stellen uns auch auf die Seite der Macht, die früher Menschenmaterial für Arbeiter- und Soldatenheere brauchte und heute Hu­man­kapital für den Standort benötigt.

Was wir dagegen immer brauchen, ist der Blick von unten, die empathische Perspektive der Unterdrückten, die Solidarität mit denen, die in der Hierarchie ganz unten stehen – also Menschen, die jetzt an demselben Punkt sind wie wir vor 20 Jahren. Auch beim Erziehungssystem heiligt der Zweck nicht die Mittel. Und auch wenn es für den konkreten Umgang mit dem autoritären System leider kein Patentrezept gibt, gilt auch hier: Geht nicht gibt‘s nicht!

soja

Bildung

Entschlossen heilsamen Druck erzeugen

Viel Aufhebens wurde um den Bologna-Prozess nicht gemacht, obwohl er einigen Konfliktstoff birgt – oder gerade deswegen? Vom 18. bis 19. September fanden in Berlin die Bildungsministerkonferenz und das European Education Forum statt …

Schlecht besucht war das erste Europäische Bildungsforum (EEF). Keine 400 Menschen hatten sich versammelt, um „eine offene Diskussion über europäische Bildungspolitik“ (EEF) zu führen. Gewiss lag das auch an der Mobilisierung, die offensichtlich kaum über’s Internet hinaus kam. Die rar platzierten Plakate des Forums schmückten nur Universitätsgebäude, die Bildungssyndikate in der FAU verzichteten ganz auf solch „antiquierte“ Formen der Kommunikation.

Jene, die sich doch versammelt hatten, verloren sich schier im weitläufigen Gelände der Humboldt-Universität. Dass es kaum gemeinsame Ansätze zwischen den Anwesenden gab, verstärkte diese geographischen Impulse. Das Spektrum der „Workshops“ reichte von der romantischen „Studentenrevolte 68“ über eine abstrakte „Alternative europäische Gewerkschaftsbewegung im Bildungssektor“ bis zum mikrokosmischen „neuen Numerus Clausus an Berliner Hochschulen“. Auch in der Haltung zum Bologna-Prozess selbst taten sich in der Opposition beachtliche Gräben auf – divergierende Interessen.

Vor allem die TeilnehmerInnen aus Frankreich (SUD Education) und Italien (UNICOBAS Scuola) stellten sich gegen den Bologna-Prozess und wollen das Hochschulwesen nicht allzu eng angebunden wissen an die „Bedürfnisse“ der Wirtschaft. Währenddessen zeigten andere – darunter Mitglieder von Attac und Jusos – durchaus „Dialogbereitschaft“. Die gar nicht so radikale SUD war von diesen seichten Tönen wohl ziemlich überrascht – und enttäuscht. Die Basis, von der die Gegenaktivitäten ausgingen, war und ist noch allzu schmal. Deshalb waren die meisten „Workshops“ auch eher Vorträge als internationale Planung und Kooperation. Aufgrund der mangelnden Mobilisierung fanden diese Vorträge zudem noch wenig Publikum – nicht anders erging es den Bildungssyndikaten aus Berlin und Leipzig.

Dabei sind die Vorhaben der Oberen gar nicht ohne: wie bereits in Feierabend! #8 dargelegt, geht es um die striktere Ausrichtung und weitgehendere Integration der Hochschulen am Arbeitsmarkt und in die direkte wirtschaftliche Verwertung. Die Zweiteilung des Studiums will man „noch energischer vorantreiben“ (E. Bulmahn). Der erste Zirkel, Bachelor (BA), soll den Zugang zum zweiten (Master, MA) sichern, logisch. Aber nur der limitierte MA eröffnet die akademische Laufbahn – Regelabschluß soll der beruflich orientierte Bachelor werden. Binnen zweier Jahre sollen BA/MA flächendeckend eingerichtet sein – endgültiger Torschluss ist 2010. Das muss ein grandioses Jahr werden … universale Agenda, neue Rente, moderne Bildung, effiziente Gesundheit, besiegte Arbeitslosigkeit und und und!

Etwas verschwommen noch, preisen die Minister BA/MA als angemessen für Forschung und Arbeitsmarkt – doppelter Nutzen in einem Konzept, wie praktisch! Diese Kombination verbessere die Fähigkeit „Europa[s] zu Spitzenleistungen in Forschung und Innovation“ – damit dabei auch alle (Studierende, Profs, Unis) mitmachen, werden bis 2005 umfassende „Evaluationsverfahren“ (man kennt das aus der Schule: Zensuren) und eine europaweite Hierarchisierung (ENQA) etabliert. „Das erzeugt den heilsamen Druck, der helfen wird, das Ziel in 2010 zu erreichen.“ Gleichzeitig betonen die Minister die breite Basis, auf der ihre Initiative gründet: Rektoren, Universitäten, Studierende, Wirtschaft, Staaten weit über die EU hinaus, … Druck und Basis, kein Widerspruch? Ein Sprichwort: Bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt – und wenn es administrative Gewalt ist. Wenn sich die Zahl der BA-Studierenden seit 1999 auch vervielfacht hat, so reicht das nach Einschätzung des Präsidenten der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) noch nicht aus. „Solange es das Nebeneinander in ganzer Breite gibt, wird es uns nicht gelingen, die europäischen Abschlüsse […] zu vermitteln“ – nun geht es darum, Alternativlosigkeit zu schaffen. So funktioniert Politik! Klare Signale, wie HRK-Präsident Gaethgens sie fordert, tun ein übriges: Hochschulausgaben hätten als Investitionen, nicht als Konsum zu gelten. Die erfolgreiche Umdeutung von Bildung zu Kapital in Form des „Akkumulierungssystem[s]“ ECTS, der gesamte „Bologna-Prozess steht und fällt mit der Qualitätssicherung“. Ebenso unverblümt äußert sich der Bund der Deutschen Industrie (BDI) auf seiner Konferenz in Berlin (22.9.): Ziel moderner Bildungspolitik müsse die »Ökonomisierung des Wissens“ sein … und das habe sich die EU mit dem Bologna- Prozess gesteckt. Das European Credit Transfer System (ECTS) stellt den Bildungsgang in Punkten dar, die man sammeln, akkumulieren kann. Durch diese Formalisierung wird „Bildung“ nicht nur enger angebunden an eine zeitnahe Verwertung, sie wird dem Geld auch immer ähnlicher.

Sowohl EEF als auch EU entbehren einer aktiven gesellschaftlichen Basis, und müsssen daher auf politischen Mechanismen setzen, um die Gesellschaft zu beeinflussen. Aber Passivität und Politik bilden einen Kreislauf, den es zu durchbrechen gilt!

A.E.

Bildung

Studierende leben nicht vom Brot allein

Aber von Brot leben sie eben auch. Deshalb lenkten Mitglieder des Bildungssyndikats Leipzig die Aufmerksamkeit beim EEF auf einen Aspekt abseits der hochschulpolitischen Debatte … auf die Alltagsmühen, den Broterwerb.

Wenn die Politik auch danach trachtet, Bildung weiter zu formalisieren und zu kanalisieren … gelingen wird das nie. Denn Bildung hat andere Dimensionen, die nicht administrativ zu zügeln sind. Letztlich ist die Kommunikation unter Menschen, der Austausch über Perspektiven und Methoden, das, was Bildung ausmacht – dazu braucht man keinen Minister und keine Präsidenten. Früher oder später wird der Bologna-Prozess fallen, denn er orientiert sich nicht an Bildungsbestrebungen. Die Reformen werden zweifelsohne den „gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken“, aber vielleicht auf andere Weise, als sich das die Minister ausmalen dürften.

Tatsächlich ist – darauf wiesen die Bildungssyndikate in ihrem Vortrag beim EEF hin – der Bedarf an qualifizierter Arbeit steigend. Um diese Nachfrage der Wirtschaft zu decken, muss es auch eine „Ökonomisierung des Wissens“ geben, wie sie der Bund der Deutschen Industrie fordert. Dabei wirken BA/MA-Studiengänge genauso mit wie die „autonome“ Universität, die als Forschungs- oder Lehrunternehmen auftritt. Mit der Verwissenschaftlichung der Lohnarbeit geht die Proletarisierung der Studierten einher.

Dieser langfristige, gesellschaftliche Prozess – seit Anfang der 1960er hat sich die „Akademikerquote“ in der Erwerbsbevölkerung fast versechsfacht, auf 16,5 Prozent – setzt individuell nicht erst nach dem Studium ein. Vielmehr schlagen sich ein Drittel der Studierenden mit gelegentlichem, und ein weiteres Drittel mit permanentem Jobben durch. Ein Viertel der Teilzeitkräfte, also 600.000 Menschen, rekrutiert sich aus dem Hochschulbereich. Da Studierende kaum organisiert ihre Interessen vertreten, unterschreiten sie regelmäßig gängige Standards – und beeinflussen damit auch den allgemeinen Arbeitsmarkt.

Studentische Beschäftigungsverhältnisse unterscheiden sich zwar formal, sind aber allesamt als prekär zu bezeichnen. In der Telefonzentrale von emnid (Göttingen) beispielsweise arbeiten SchülerInnen und Studis als „freie Mitarbeiter“ auf Honorarbasis (1). Nicht selten liegt der Stundenlohn bei fünf, oder sechs Euro … manchmal gibt es gar keinen schriftlichen Arbeitsvertrag. Äußerst selten hingegen sind Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, bezahlter Urlaub, Kündigungsschutz etc. An den Universitäten sieht es nicht anders aus, und „studentische Hilfskräfte“ sind in der Regel befristet eingestellt. Immer mehr Festangestellte müssen sich im Zuge gegenwärtiger Sparmaßnahmen seitens „autonomer“ Hochschulen auf befristete Verträge einlassen – die Befristung war zuerst bei Studierenden durchgesetzt. Teilweise werden sie sogar durch studentische Beschäftigte ersetzt.

An diesen Bedingungen wird sich solange nichts ändern, bis aus dem Studentenmilieu eine selbstbestimmte Organisierung erwächst, die sich auch mit anderen prekär Beschäftigten in Kontakt setzt und alltägliche Grenzen überwindet. Dazu wollen die Bildungssyndikate mit einem Fragebogen beitragen (2). Zum einen wird so die Problematik an der Uni thematisiert. Zum anderen ist eine eigenständige Untersuchung vor Ort notwendig, weil praktisch alle Daten zur sozialen Situation der Studierenden aus nur einer Quelle, den Sozialerhebungen des Deutschen Studentenwerks, stammen.

Die soziale Situation während des Studiums hat prägenden Einfluß: wenn sie zunehmend durch prekäre Fünf-Euro-pro-Stunde-Jobs charakterisiert ist, kann ein qualifizierter Arbeitsplatz freilich als Karriere erscheinen. Andererseits besteht die Möglichkeit, sich selbst einzusetzen für die eigenen Belange und Erfahrungen zu sammeln, die sich als wichtig heraus stellen werden. In gemeinsamen Kämpfen kann in der Tat ein neuer sozialer Zusammenhalt entstehen, der berufsständische Egoismen überwindet, sich gegenseitig bestärkt und sich nicht mehr zufrieden gibt mit einigen materiellen Zugeständnissen und Wahlversprechen: Eine soziale Bewegung, die sich selbst – der Gesellschaft – den materiellen Reichtum und die Kultur zurückerstattet, die ihr heute noch vorbehalten bleiben.

A.E.

(1) Infos dazu bei www.callcenteroffensive.de
(2) Kontakt & Infos: fau-leipzig@gmx.de

Bildung

Wenn „Bildung“ Dich kaputt macht

Plädoyer für eine emanzipatorische Bildungskritik – www.bildungskritik.de

Wenn mensch sich mit Bildung beschäftigt, kommt er nicht umhin, sich das Umfeld anzuschauen. Da Bildung mit den Institutionen Schule und Hochschule verbunden ist, besteht das Umfeld aus dem Lebensweg des bürgerlichen Individuums. Kurz: nach der (Hoch)Schule kommt die Arbeit, die Rente, Ende. Noch Fragen?

Wenn es uns um emanzipatorische Bildungskritik geht, dann kann Bildung nicht als Vorbereitung auf den Tod oder die Arbeit verstanden werden. Genau in dem Gefüge des vorgezeichneten Lebens verharrt jedoch „normale Bildungskritik“. Emanzipation bedeutet dahingegen Selbstbefreiung und Ausbruch aus der funktionalen Bestimmung der eigenen Bildung.

Wenn „stinknormale“ Bildungskritik bemängelt, dass das Bildungssystem nicht effektiv genug sei, meint sie eigentlich nur, dass es die Menschen nicht richtig für den Arbeitsmarkt oder zu schlechten Staatsbürgern formt. Das zeigt sich auch in den Reaktionen auf die PISA-Studie, in denen lamentiert wird, dass die deutschen Schüler gegenüber anderen „Nationen“ so schlecht sind. Auch unreflektierte Bezüge auf Humboldt und humanistische Bildungsideale oder die einseitige Klage über die Verrohung an den Schulen bzw. des Fehlens von Werten und Normen, ohne auch nur im Ansatz nach tieferliegenden Ursachen zu suchen, gehören zu den oberflächlichen Versuchen, Bildung zu kritisieren.

Emanzipatorische Bildungskritik geht in ihrer Kritik darüber hinaus und stellt den Menschen in den Mittelpunkt. Sie betrachtet ihn oder sie nicht als Funktion (SchülerIn, StudentIn, WissenschaftlerIn), auch nicht als abstrakte Zahl (wie bei PISA zum Beispiel), sondern als denkendes, fühlendes und soziales Wesen, mit dem Bedürfnis zu (über)leben, und sich darin selbst zu verwirklichen.

Das hat auch Konsequenzen für die politische Praxis. Es bedeutet darüber hinauszugehen, nur mehr Geld, mehr Lehrer oder mehr Bücher zu fordern! Es bedeutet bestimmte Vorstellungen von Bildung aufzugeben: sie nicht mehr als Vorbereitung zu begreifen, der (derzeitigen) Gesellschaft zu dienen oder sie gar als Standortfaktor zu Markte zu tragen.

Es gilt, das Ziel eben genannter Forderungen zu überdenken, sich zu fragen auf welchen Prinzipien und auf welcher Geschichte dieses Bildungssystem aufgebaut ist, zu fragen in welchem gesamtgesellschaftlichen Kontext es wirkt und was und wen es hervorbringt. Alles Fragen, die zu stellen, selbst schon ein emanzipatorischer Prozess sein kann. Deren Antworten werden zu weiteren Fragen führen: Warum muß mensch eigentlich diesen Weg durchlaufen? Und wohin führt dieser? Welchen Sinn macht das alles? Und hat das Ganze noch irgendetwas mit Selbstverwirklichung zu tun oder läuft es nicht eher auf eine permanente Fremdbestimmung hinaus?

Ein anderes Verständnis von Bildung ist nötig: als kommunikativer Prozess, der selbstbestimmt und zusammen mit anderen Menschen gelebt wird. Und es ist auch nötig sich dafür zu engagieren und nicht den vorgezeichneten Weg zu gehen, den eigenen Kopf und Körper zu verkaufen oder zu vergessen, daß man Träume hatte und Wissbegierde. Im gesellschaftlichen Leben wird beides darauf beschränkt, das eigene Überleben zu sichern und der eigenen Abstumpfung freie Bahn zu lassen.

Eine solche Bildungskritik ist an hiesigen Schulen und Universitäten leider selten zu finden. Auch schriftliche Auseinandersetzungen dazu sind selten gestreut und mensch kommt eher durch Zufall an solche Werke. Deshalb findet ihr auf www.bildungskritik.de Texte, die auf die eine oder andere Weise das Wort führen für die Kritik an und für die Emanzipation vom derzeitigen Bildungsunwesen, Texte zu Hintergründen von Pädagogik, Schule, Universität und Wissenschaft, zur Geschichte und für eine andere Bildung.

Dabei muß die Redaktion dieser Seite nicht notwendig mit allem übereinstimmen, es werden sich auch Texte finden lassen, die sich einander in Teilen widersprechen. Es gibt viele kluge Gedanken und die gilt es zu entdecken, weshalb auch diese Seite nicht vollständig ist und Hinweise dankbar entgegengenommen werden.

redaktion www.bildungskritik.de

Bildung

Schulen vom Netz?! Fickt das System!

Veranstaltungsreihe der AG tollWUT zur Bildungskritik

„Schule ist Scheiße“ – dieser Ausspruch spricht sicherlich jeder und jedem von Euch aus dem Herzen…. Lange, nicht endende Schulstunden, genervte und überreizte LehrerInnen, die tägliche Qual zu unmenschlichen Zeiten aufstehen zu müssen, das zwanghafte Auswendiglernen für die nächste Leistungskontrolle. Seitenweise könnte dieses Abkotzen wohl weitergeführt werden. Aber sind Bildung und Lernen wirklich „Scheiße“? Ist es nicht spannend und faszinierend, Dinge selbstbestimmt erforschen und untersuchen zu können? Stundenlanges Basteln am Computer, das Ergründen von historischen Zusammenhängen etc. Mit der Veranstaltungsreihe „Schulen vom Netz?! Fickt das System!“ nimmt sich die Jugendgruppe tollWUT die (staatliche) Schule kritisch vor. Anknüpfend an das angerissene „Null-Bock-auf-Schule-Gefühl“ soll das Schulsystem fundiert analysiert und kritisiert werden.

Klarstellen will tollWUT damit: Lernen ist keineswegs „Scheiße“, ebenso wenig wie Bildungseinrichtungen „Scheiße“ sind. Unerträglich ist die Art und Weise, wie Schule funktioniert und welchen ausschließlichen Zweck Schule besitzt. Schule formt Menschen für die nachschulische Arbeitswelt und unterstützt nicht die Möglichkeit der selbstbestimmten Entwicklung jedes einzelnen Menschen, seiner Interessen und möglichen Begabungen.

Für tollWUT ist es nicht akzeptabel, dass Bildung diesem einen gesellschaftlich festgelegten und ein Menschenleben ausmachenden Zweck, nämlich die eigene Arbeitskraft zu verkaufen, den Weg ebnet. Die Reihe soll verdeutlichen, dass Schulkritik Gesellschaftskritik ist und sein muss, denn Schule ist ein wesentlicher Bestandteil der herrschenden kapitalistischen Verhältnisse, in denen wir leben (müssen); ein Gesellschaftsverhältnis, in dem Menschen nur als Humankapital gelten, das ständig Gewinn erwirtschaften muss.

Ausgehend von dieser Kritik werden zur staatlichen Schule alternative Schulkonzepte vorgestellt und diskutiert. Diese Schulkonzepte werden vor allem danach befragt, ob sie die Perspektive einer emanzipatorischen Organisation von Gesellschaft eröffnen können.

Sind die vorgestellten Schulkonzepte frei von den kritisierten schulischen Zwangsmechanismen? Bieten diese Schulkonzepte Voraussetzungen für eine bedingt freie Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und/oder für eine radikale Veränderung von Gesellschaft, ohne die den Kapitalismus prägenden Dogmen wie Arbeit, Tauschverhältnisse und das gängige Tauschmittel Geld, Profitfixiertheit, sowie Konkurrenz- und Leistungsdenken? Existieren Schulkonzepte, die einer solchen Vorstellung entsprechen? Kann Schule allein einen relevanten Beitrag zur Emanzipation von Menschen leisten, wo doch der Zwangscharakter der gesellschaftlichen Normen schon den familiären Sozialisationsprozess beeinflusst und darüber hinaus jeden Lebensbereich?

tollWUT hofft, Euer Interesse geweckt zu haben und Euch bei den Veranstaltungen zu treffen. Es wird auch Reader geben, in denen schulkritische Standpunkte und Texte zu den vorgestellten Schulkonzepten nachzulesen sind.

(Oktober 2002)

mehr Infos/Texte: www.ag-tollwut.de

Bildung

Schwänzer schwänzen…

Stell Dir vor, es ist Schule und niemand geht hin!

Es gibt nichts Schöneres als Schule! Was soll mensch denn sonst machen? Ach, da käme mensch gar nicht mehr raus aus dem Aufzählen! Und so denken anscheinend viele, zumindest nach einer neuen Studie der Bertelsmann-Stiftung.

Rund eine halbe Million Schülerinnen und Schüler schwänzen in Deutschland regelmäßig den Unterricht. An Haupt- und Sonderschulen fehlen durchschnittlich zehn bis zwanzig Prozent der Schüler mehrere Stunden in der Woche unentschuldigt. Ein weiteres Resultat war, daß 9 % der Schüler eines Jahrgangs ohne Abschluß die Normierungsanstalt verlassen. Dafür wird von „Experten“ das Phänomen der „Schulmüdigkeit“ konstruiert. Als ob es eine Krankheit wäre, keinen Bock auf Schule zu haben.

Schreckenserregende Symptome sind: Lernunlust, Aufmerksamkeitsverweigerung durch Schlafen, Träumen, Zuspätkommen oder regelmäßiges Vergessen von Arbeitsmaterialien.

Und dieser Teufelskreis führt bis zum Schwänzen und zur späteren schlechten Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt. Armes Deutschland: Erst PISA, dann das. Aber wen interessiert schon Deutschland? Wir meinen: Habt keine Gewissensbisse, genießt eure freie Zeit, so lange ihr sie noch habt. Und: Viel Spaß beim Schlafen, Lieben und Träumen.

murr

Bildung

Über die ewige „Kreativität“ studentischer Proteste…

…und den Hochschulumbau in Sachsen und Leipzig von 1997 bis 2002

Die Motivation diesen Text zu schreiben, ist die Reflektion der vergangenen Jahre studentischen Protests, an dem auch ich mich beteiligt habe. Mitanzusehen, wie emanzipatorische Inhalte und Kritik an der Universität als gesellschaftliche Institution (was damit gemeint ist: siehe Feierabend! #2) konsequent ausgeblendet werden, tut schon weh. So macht Protestieren keinen Spaß! Immer nur Minimalforderungen, immer nur im Rahmen des Bestehenden agieren, unfähig weiterzudenken, ständig die gleichen Protestformen zu wiederholen, sich in Standortideologie zu verfangen, das kennzeichnet auch diese studentische Protestphase. Die Entwicklung der letzten zwei Jahre zu reflektieren, dieses Wissen weiterzugeben scheint mir wichtig. Vielleicht kann sich die studentische Protestkultur ja doch noch weiterentwickeln?

Nachdem 1997 Stellenkürzungspläne durch einen Streik abgewehrt wurden und stattdessen als Kompromiss die Einberufung einer Kommission zur Überprüfung der Situation der sächsischen Hochschullandschaft beschlossen wurde, konnte man sich kurzzeitig freuen. Jedoch zeigte sich auch in Ostdeutschland zunehmend die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen, die in den alten Bundesländern in den 70er Jahren durch das Einfrieren der Bildungsfinanzierung angelegt wurde, so daß es bis zu den nächsten Kürzungsplänen nur eine Frage der Zeit war.

Ende 2000 wurde dann nicht nur angekündigt 1700 Stellen bis 2010 zu kürzen, auch die oben genannte Kommission machte sich wieder bemerkbar. Im November legte die Sächsische Hochschulentwicklungskommission (SHEK) ihren Entwurf vor, der durch undichte Stellen, an die Öffentlichkeit gelangte. In diesem Bericht sollten die Institute und Fakultäten nach Kriterien wie Drittmitteleinwerbung, Publikationsquote, durchschnittliche Studiendauer und Profilierung innerhalb der sächsischen Hochschullandschaft eingeordnet werden.

Gegen die Stellenkürzungen und diesen Entwurf kam es am 18.12. zu einer Demo vor dem Landtag und am 18.1. zu einem Besetzungstag, der größtenteils von BasisaktivistInnen organisiert wurde, d.h. Der StuRa (StudentInnenRat) wurde im „AK gegen Stellenkürzungen“ überstimmt.

Neben diesen „Großaktionen“ gab es viele kleinere Aktionen, wie die Nachtbesetzung der Uni Bibliothek. Es wurden E-Mail-Listen angelegt, falls der Bericht bereits in den Semesterferien herauskommen sollte und Ähnliches mehr.

Wie es im Rahmen solcher Proteste üblich ist, gab es einen Arbeitskreis und verschiedene AG’s (Vernetzung, SHEK/Hochschulumbau, Protestformen). Doch wie in unseren Zeiten ebenso üblich, ist die kritische Betrachtung nicht sehr weit verbreitet, und damit der Standortideologie Tür und Tor geöffnet. In diesem Zusammenhang gab es dann natürlich auch Divergenzen innerhalb der AG’s zwischen AnhängerInnen grundsätzlicherer Analyse und Kritik (die „Radikalen“, die „die einfachen Studierenden verschrecken“, d.h. denen kann das nicht zugemutet werden) und denen, die z.B. nur die Stellenkürzungen ablehnen wollten. So ist die SHEK-AG gescheitert, die Vernetzungs-AG schlief ein, weil der StuRa die Zusammenarbeit einstellte. Ein weiterer Grund war auch die chronische Überlastung der Aktiven.

Nun, der Bericht kam erst im April heraus und hatte es auch ideologisch in sich. In ihm sind Kernelemente des bundesweiten Hochschulumbaus enthalten (s. Kasten).

Diesem folgten wiederum Aktionen und am 16.5. ein bundesweiter Aktionstag. Die Organisation dieses Aktionstags lag nun fast ausschließlich in der Hand des StuRa’s. Der AK wurde auf ein Mitmachorgan zurückgestuft. Der Grund dazu lag in einem „Mißverständnis“. Während einige (die vor allem später dazukamen) diesen AK selbstverständlich als eigenständiges Gremium verstanden, war er für andere einfach ein AK des StuRa . Dies gipfelte in dem (wohl nicht sehr sinnvollen) Streit, ob es ein „Aktionskomitee“ oder ein „Arbeitskreis“ wäre. Als Fazit kann man sagen, daß er für die „offizielle Studierendenvertretung“ zu radikal war und diese ungern die Fäden aus den Händen geben wollte. So verfuhr sie bei der Organisation des 16.5. nach dem Prinzip „Teile und Herrsche“, verstand sich als Organisator, der die Arbeit dreier verschiedener Gruppen koordinierte (des AKs, eines neu eingerichteten Fachschaftsrätetreffen und des StuRa’s der HTWK, eine Fachhochschule in Leipzig). Das führte natürlich zu Koordinationsschwierigkeiten und Informationslücken bei den AK-Leuten und schließlich zu Frustration und zur Selbstauflösung des „AK gegen Stellenkürzungen.“ Im September setzte dann der nächste Schritt, die Haushaltsperre ein, die an den Hochschulen überproportional angelegt wurde. Nun hatte sich die Aktivität vollständig auf StuRa und Fachschaftsräte verlagert. Es kam in Folge zum Sammeln von Decken und Klopapier für die armen Studenten und zu anderen unpolitischen Aktiönchen. Die „kreativen“ Aktionen verloren jeden emanzipatorischen Gehalt.

Der Versuch im November ein „Brain- und Bildungsstorming“ (BBS) ins Leben zu rufen, schien am Anfang Erfolg zu versprechen. Es gab drei Treffen mit insgesamt hundert verschiedenen Leuten. Jedoch musste durch die starke Fluktuation (beim zweiten Treffen waren kaum Studierende des ersten Treffens da) und der sehr großen ideologischen Bandbreite quasi jedes Mal von vorne begonnen werden. Zum Dritten fehlte der Anstoß zur Organisierung. (Durch einen frühen Vorschlag hätte womöglich eine Perspektive für das Treffen aufgezeigt werden können.) Von vielen Leuten wurde Informationsmangel beklagt. Daraufhin wurden in der AG seminare Veranstaltungen zum Thema Bildung & Hochschule konzipiert, auf denen man sich hätte austauschen können. Diese fanden auch statt, aber nach der Auflösung des BBS, kam niemand mehr.

Doch kurz zurück: Im Oktober legte das sächsische Bildungsministerium den Universitäten den Entwurf eines Hochschulkonsenses vor. Dieser forderte im Kern die Anerkennung der Stellenkürzungen und die Hochschulplanung auf Basis des SHEK-Berichts, im Gegenzug sollten die Hochschulen Planungssicherheit und Globalhaushalte (die Verteilung der Gelder durch die Universitätsleitung) bekommen.

Anfang 2002 sollte dieser Entwurf an der Ablehnung der Rektoren scheitern. Die Zuweisung der Gelder erfolgt nun weiterhin durch Doppelhaushalte des Landtags. Dafür folgte Anfang des Sommersemesters ein internes Papier des Rektorats, in dem Kürzungspläne aufgestellt wurden, u.a. sollten die Niederlandistik, Logik- und Wissenschaftstheorie und die Hälfte der Politikwissenschaftprofessuren (und damit auch der Diplomstudiengang) gestrichen werden.

Inzwischen scheint ein großer Teil wieder zurückgenommen zu sein. Schließlich hätte sonst das Rektorat dem SHEK-Bericht und der Standortlogik engegengehandelt, da es die Niederlandistik und Logik nur zweimal in Deutschland und den Diplomstudiengang in Sachsen nur in Leipzig gibt. Die Frage ist, ob sie wirklich so blöd waren, oder ob es sich um ein Ablenkmanöver gehandelt hat, um dann die „harten“ Kürzungen rauszunehmen und sagen zu können, man habe auf Kritik reagiert. Aber das bleibt Spekulation.

Inzwischen nahm der studentische Protest immer krudere, d.h. medienfixierte und standortideologische, Formen an. Da ging medienwirksam die Bildung baden oder am 1.Mai vor Schröder zu Boden, da wurden standortideologische Aktionen geplant, wie „Raus aus diesem Sachsen“ oder „Mit der Stadt in einem Boot“, der Fachschaftsrat (FSR) der Politikwissenschaft knüpfte Connections mit der SPD-Fraktion, wie denn Stadt und FSR gemeinsam zur Rettung des Standorts Leipzig beitragen könnten.

Mit viel Getöse wurde auf der PoWi-Vollversammlung im Sommersemester 2002 die Absetzung des Rektors gefordert. Als dieselben dann aber beim Rektorat vor dem Kanzler standen, wurden sie ganz klein und boten ihm ihre Hilfe an. Sie könnten doch der Uni bei einer PR-Kampagne helfen. Es drängt sich der Eindruck auf, daß radikale Töne, nichts weiter als Teil der Corporate Identity sind, und zum Image studentischen Protests dazugehören.

Es ist interessant die Entwicklung zu verfolgen, wie sich einerseits der Hochschulumbau, basierend auf der Standortlogik, schrittweise durchsetzt und auf der anderen Seite die StellvertreterInnen radikale Kritik abdrängen und sich schließlich im gleichen ideologischen Becken wie die Umbauer befinden. Konsequenterweise wird dann natürlich auch der Hochschulumbau nicht kritisiert, sondern man möchte selbst mitmachen, und kritisiert die Stellenkürzungen mit dem Standortargument. Als ob man es besser wüßte, als die Vertreter des Standorts selbst. So betreiben die StellvertreterInnen auf ihre Weise die Einbindung der Studierendenschaft in die Standortlogik.

Auch im Wintersemester 2002 wiederholt sich das Protestkarusell, immer „kreativere“ medienwirksame Aktionen werden sich vom „Aktionsbündnis Proteste & Perspektiven“ ausgedacht, denen jedwede inhaltliche Reflektion zu fehlen scheint. Vom 10. bis 12. Dezember soll es wieder Protesttage geben. Die Menschen in den Gremien haben gewechselt, die Proteste bleiben gleich. Man passt sich an so gut es geht und fühlt sich toll als „legitimierte VertreterInnen der Studierendenschaft“. Ein Lerneffekt ist dort wohl nicht zu erwarten.

Um in diesem Wirrwar nicht unterzugehen, haben sich einige Leute, die sich als BasisaktivistInnen verstanden, vorerst ausgeklinkt, zur Zeit laufen selbstorganisierte Seminare (von der AG seminare vorbereitet) und konstituiert sich das Syndikat Bildung Leipzig, um mittels basisgewerkschaftlicher Arbeit, eine Alternative zu Standortprotesten aufzeigen zu können und nicht darin unterzugehen.

francis

Weitere Texte zu Studierendenprotesten: www.bildungskritik.de

SHEK-Forderungen

· Forderung nach konsekutiven (BA/MA)-Studiengängen

· Verstärkung des wirtschaftlichen Einflusses auf die Hochschulen

· Verstärkte Drittmitteleinwerbung

· Kostenpflichtige Weiterbildungsangebote

· Einführung von Managementmethoden

· Straffung der Hierarchien

· Erwähnung von Studiengebühren

· Profilierung der Universitäten (Zuschnitt auf Standort Sachsen)

· Konkurrenz der Hochschulen um Mittel und Stellen

· Gleichzeitig verstärkte Kooperation gefordert

Hochschulkonsens

· Globalhaushalte, Planungssicherheit vs.

Stellenkürzungen, Erfüllung der SHEKForderungen

· Einnahmen (inkl. Studiengebühren) verbleiben bei Hochschulen

· Unterteilung in Zentral- und Innovationsbudget

Bildung