Erschreckt vor‘m eig’nen Schatten

Etwas unvermittelt brach der DGB-Aktionstag am 24. Mai in Leipzig an, denn zuvor war kaum davon zu hören oder zu lesen. Vielleicht hingen ein paar Plakate auf den Toiletten in der 5. Etage des Gewerkschaftshauses, auf der Straße war jedenfalls keine zu sehen … bis zu jenem sonnigen Samstag Morgen. Doch ach, es blieb alles beim alten. Die GewerkschafterInnen wurden herangekarrt aus allen Ecken Sachsens – Dutzende Busse standen im Park – und brachten damit doch „nur“ etwa 5000 Menschen auf die Beine, um den Reden der Führer Beifall zu klatschen.

Landesweit demonstrierten an diesem Tag 90.000 Menschen gegen die Regierungspläne … was nicht schlecht klingt, waren tatsächlich kaum mehr als ein (!) Prozent der DGB-Mitglieder. Was so hoffnungsfroh durch den Blätterwald geisterte, der „tiefe Bruch zwischen DGB und SPD“, erwies sich als Illusion. Niemand in den Gewerkschaftsspitzen will mit der Sozialdemokratie brechen und eine vitale Gewerkschaftsbewegung am Hals haben, bedeutet das doch eine grundlegende Umstrukturierung des DGB selbst. Der 24. Mai gibt davon den bered’sten Eindruck: die „eigene“ Basis soll nicht mobilisiert werden. Es gab keine Plakate, keine Demonstration, keine Sprechchöre; es gab Dutzende Publikumstransporter und Bierbuden, eine Bühne mit Lichtshow und Schlagern, so laut dass jedes Gespräch unterging.

Ein „Mut zum Umsteuern“ (2) scheint die Spitze schon wieder verlassen zu haben, angesichts des Schattens einer Gewerkschaftsbewegung, der am Samstag durch die Straßen irrte. Zwei Tage nach dem mäßigen, aber dennoch außergewöhnlichen (weil sehr seltenen) Aktionstag gab DGB-Chef Sommer kund, dass es bis zum Herbst eine Protestpause seitens der Gewerkschaften geben wird. Oder wie ver.di-Sprecherin Haß es formulierte: „zurücklehnen und zugucken“.

In der Tat zeigt selbst die Losung vom „Mut“, wie stark sich der DGB an Schröders SPD anlehnt. Mit seinem Alternativprogramm zur Agenda 2010 outet sich Sommers DGB als die bessere Sozialdemokratie: von öffentlichen Investitionen verspricht man sich den Kick zur Konjunktur. Stellt sich nur die Frage: Was sollen (1) wir denn noch produzieren – und konsumieren – um den Kapitalkreislauf wieder in Gang zu bringen? Fest steht aber: es wird wohl nichts mit dem „tiefen Bruch“, dazu kennen sich die beiden Führungsetagen zu gut, dazu lassen sich die Mitglieder von den „eigenen“ FunktionärInnen auch zu sehr einschüchtern … sie ziehen vielleicht die individuelle Konsequenz des Austritts (3), bleiben aber gefangen in Arbeit und Arbeitslosigkeit.

A.E.

(1) Von „wollen“ ist ja in der Wirtschaft überhaupt nie die Rede.
(2) www.dgb.de/themen/themen_a_z/abisz_doks/r/reformagenda.pdf
(3) Allein in den Jahren 1999 und 2000 verloren die DGB-Gewerkschaften rund 500.000 Mitglieder.

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