Feierabend! – mehr als antideutsch*

Voraus

Um den in der Ausgabe FA! #14 veröffentlichten Artikel „Zum antideutschen Kommunismus“ [1] hat es heftige Kontroversen (auch in der Redaktion) gegeben. Insbe­son­dere gewisse etablierte Positionen der Leip­ziger „Radikalen Linken“ haben dem Artikel, Autor und der ganzen Redaktion „Hard­core-Antisemitismus“ und „Entnazifizierung“ [2] vorgeworfen. Vor allen Dingen, nachdem die Redaktion einer „von Falko (aus dem conne island)“ erfolgten Aufforderung zur sofortigen Distan­zie­rung nicht Folge leistete und sich wei­ter­hin hinter die inhaltliche Stoßrich­tung des Artikels stellte [3]. Dabei hatten wir versucht, selbstkritisch mit dem Thema umzugehen, Fehler einzugestehen und im übrigen auf die redaktionelle Autonomie des Autor zu verweisen [4]. Umsonst: Das Conne Island hat unser solidarisches Verhältnis zueinan­der einseitig aufgekündigt. Schade, aber wohl in absehbarer Zeit nicht zu ändern. Ins­be­sondere deshalb schade, weil gerade in Hin­blick auf die Solidarität mit dem Conne Island erhebliche Differenzen zwischen Autor und Redaktion zu Tage traten – die Redaktion zwar auch den Einfluß diverser anti­deut­scher Ideologeme [5] im Umfeld des Conne Islands kritisiert, aber im Gegensatz zum Autor, an die kritische Beweglichkeit und rationale Einsicht (Vernunft-Fähigkeit) der im und im Umfeld des Conne Islands Ak­tiven glaubt. Den Farbbeutelwurf begreift die Redaktion eher als lächerlichen Ausdruck der Sprachlosigkeit [6] denn als anti-antideutschen, terroristischen Anschlag. Rech­net diesen aber nicht antideut­scher Agi­tation sondern lediglich einem individuellen Bedürfnis nach Widerstand zu.

Traurig ist, und das haben wir im letzten Heft auch eingeräumt, der Umstand, daß das Anliegen der Redaktion hinter diese Ne­benschauplätze zurücktrat. Während unserer zweijährigen politischen Zei­tungs­tä­tigkeit haben wir schließlich genügend Spu­ren unserer politischen Grund­ein­stel­­lung hinterlassen. Daß wir mit Kritik an an­ti­deutschen Positionen und Kritik an der na­tionalen Verfassung Israels antisemitische Res­sentiments befördern würden, die­ser Vor­wurf trifft insofern nicht, weil bei ei­ner/m derart irrational eingestellten Re­zi­pien­tin/en, der/die solche Ressentiments schon verinnerlicht hat, wohl noch jedes Ar­­gument seine/ihre Hirn­gespinste bestärkt. Insofern vertrauen wir unserem Le­ser­­­Innen­kreis und versuchen im übrigen in je­­­dem Heft einen breiten Kontext für even­tuel­le Rückbezü­ge aufzubauen. Wir teilen nicht die Analyse, Aufklärung wäre, insbe­son­dere in deutschen Landen, hoffnungslos.

Was die „Entnazifizierung“ von Eichmann und die Frage der Einschätzung des Han­delns von Kasztner während der Nazi-Diktatur betrifft, bleibt festzustellen, dass die Re­daktion den Argumenten der historischen Bewertung Falkos, wie sie in der aktuellen incipito dargelegt werden, durch­aus Beachtung schenkt und für beachtenswert hält. Der Argu­men­ta­tions­­zu­sammen­hang im Artikel „Zum antideut­schen Kommunismus“ ist aus der Perspektive der Redaktion hier mangelhaft, der Autor v.sc.d. selbst folgt aber weiterhin der Bewertung Lenni Brenners.

Einige haben sich sicher auch gefragt, wa­rum machen die das jetzt, zwei Jahre Ignoranz gegenüber diesem Thema waren doch ein gutes Ruhekissen? Da war zum einen das persönliche Anliegen des Autors, der Leipzig nun auf unabsehbare Zeit den Rücken kehrt: eine Abrechnung! Doch das allein hätte für einen Abdruck nicht gereicht. Das, was das Anliegen der Redaktion mit dem des Autors hauptsächlich ver­band und noch verbindet, ist eine sozialrevolutionäre, an­tinationale Perspektive für politisches Han­­­­deln in kritischer Differenz zu anti­deut­­schen Positionen und ihren vulgari­sier­ten Formen [7] aufzubauen, um auch und insbesondere in Leipzig eine breitere und wirk­­samere politische Handlungsfähigkeit zu erzeugen, den solidarischen Zusammenhalt zwischen den Gruppen und Projekten zu befördern, anstelle von Abgrenzungen und elitärer Dünkelei. Nicht zuletzt war die­­­ser Strategiewechsel auch eine notwendi­ge Folge des Annähe­rungs­prozesses an die „Szene“, wie er sich aus der redaktionellen und persönlichen Entwicklung einzelner Re­­­dakteure und Redakteurinnen ergab. Schließ­­lich stellte sich auch die Frage: Antideutsch und nicht mehr? dadurch selbst. Bei der Beantwortung dieser und anderer Fragen werden wir es uns auch in Zukunft nicht nehmen lassen, Kritik an politischem Han­­deln und dessen ideologischer Motivation zu üben, auf revisionistische Strömungen [8] und letztlich Tendenzen der Ver­bür­­gerlichung in befreundeten Projekten hinzuweisen.

Die Feierabend!-Redaktion

Wozu antideutsche Kritik?

Meines Erachtens wurde bei aller berechtigten Kritik an antideutschen Positionen, der kritische gegenüber dem politischen Ge­halt stets unterschätzt. Dabei hat die antideutsche Kritik radikal das bloßgestellt, was Anlaß zu einiger Selbstkritik gäbe: Den naiven Bezug auf eine paläs­tinensische Widerstandsbewegung, die längst zu einer faschistoiden degeneriert ist, den grassierenden Sexismus, Pa­triarchis­mus und die Heroi­sierung von Gewalt innerhalb der Antifa-Gruppen und -Struk­turen, die allgemeine Ge­schichts­ver­gessenheit (gerade in Be­zug auf Schoah und Holocaust), schließ­lich den nationalistischen Kern, der innerhalb der traditionellen und orthodoxen linken Theorie immer noch zu finden ist (bspw. Imperialismus-Theorie div. MLer/Stalinisten/K-Grüppler) und die unfun­dier­te Kritik an den USA. Alles in allem also eine Kritik an den allgemeinen bürgerlichen Tendenzen innerhalb der linksradikalen Bewegung, die unter dem Eindruck verstärkter Repression, mangelndem Zuwachs und Abwanderung zu leiden hatte.

Darüber hinaus kann an der antideut­schen Theorie auch ein erster echter Erfahrungsaustausch zwischen der west- und ostdeutschen Linken konstatiert werden. Wobei gerade die Erfahrungen aus dem Staatssozialismus auf der einen und der Ausfall eines wesentlichen ideologischen Bezugspunktes („Seht, die da drüben haben schon Sozialismus!“) auf der anderen Seite der Grenze eine Rolle spielten. Ich denke, gerade die distanzierte Rezeption der Tradition der westdeutschen Linken im Osten hat zu radikaleren Positionen geführt und diesem Austausch sein Gepräge gegeben.

Soweit so gut, wäre mensch auch hier dem großen Vorbild Adornos gefolgt und hätte den frisch verfassten Text am besten gleich zu Suhrkamp gebracht. Doch indem mensch sich der antideutschen Kritik politisch bediente, damit sein Handeln le­gi­timierte, geriet durcheinander, was Adorno noch säuberlich voneinander trennen wollte: Kritische Theorie und Politik. [9]

Adorno und Kritische Theorie

Freilich hat Adorno Kritik und Politik durchs Subjekt vermittelt gesehen, aller­dings immer auf dem philosophischen Geschäft der Kritik beharrt. Politisches Handeln blieb ihm zeitlebens suspekt und gefährlich, obwohl er oftmals politisch agier­te. Ein innerindividueller Widerspruch, den er deshalb sein Leben lang aushalten konnte, weil dieser seine Existenz nicht bedrohte. Ich will es mal drastisch ausdrücken: Im Grunde ist Adornos Philosophie die letzte große moderne Ro­mantisierung des liberalen Indivi­duums nach dem Motto: Im Geiste frei, im Handeln einerlei! Dieser politische Pessimismus, der zum guten Teil seinem kühnen Denken geschuldet ist, markiert auch eine erhebliche Differenz zu Marx und grün­det vor allen Dingen darauf, dass dessen Optimismus in die proletarische Bewegung des 19. Jahrhunderts durch die sich verstärkende Nationalisierung im frühen 20. Jahrhundert enttäuscht und durch die nationalen Faschismen letzt­lich gebrochen wurde. Indem die antideut­sche Theorie diesen Pessimismus in ihren Denk­figuren reproduziert, verab­schie­­det sie sich schon von jeder Praxis gesellschaftlicher Emanzipation. Wo Marx noch die ar­bei­tenden Massen gegen die bür­gerliche Verwaltung von Gesellschaft mobilisiert, Kri­tik und Politik im Klassensubjekt (Klassenbewusstsein) vermittelt sieht, ist sein Kom­munismus noch echte Uto­pie im Sinne geschichtlicher Entwicklung zum Besse­ren. Kritische Theorie à la Adorno nimmt hier­von Abstand: der Begriff von Kommu­nis­mus rückt folgerichtig in den Hintergrund und von gesellschaftlicher Emanzi­pa­tion ist nur insofern zu reden, als dem individuellen Bewusstsein der Anspruch nicht abgesprochen werden darf, hinter den Begriffen und ihren Ob­jek­­tivierungen (institutioneller Überbau) ihren wahren Ge­halt zu entdecken, auf den die Begriffe stets noch rückbezo­gen sind. [10] Der ethische Imperativ, der Adornos gesamtes Werk durch­zieht, ist zu­gleich das Erste und das Letzte seiner Philosophie: Die Hof­f­nung, durchs Denken noch zur Wahr­­­heit durchzudringen, gegen allen Schein bürgerlich verwalteter Welt.

Allerdings bleibt das Subjekt solcher möglichen Erkenntnis auf das vereinzelte moderne Individuum beschränkt, weil jede über­­individuelle Einsicht, des Falschen (als Schein) anrüchig, der Ideologie verdächtig, den konkreten Gedanken in seiner Realisa­tion (durch notwendig falsche Verwirklichung) entwürdigt. Schon eine Politik des Ge­sprächs zwischen Ich und Du kann diese Kritische Theorie nicht mehr rechtfertigen, ohne sich dabei selbst zu entlarven. [11] Ihr Geschäft, also die Rolle des bürger­lichen Intellektuellen in der spät­moder­nen, ver­walteten Welt, besteht darin, aus ihr selbst heraus die in sie eingeschriebene Ge­gen­these zu entfalten und sie als individuelle Erkenntnis gegen den objektiven Schein der modernen Gesellschaft zu mobi­li­sieren. Folgt mensch Adorno, ist der Intel­lek­tuelle dabei weder auf eigene Erfahrung oder auf eine revolutionäre Politik ge­schicht­licher Subjekte an­gewiesen. Jene ‚Ver­armung ist dem abstrakten Einerlei an­gemessen’, weil Kritische Theorie kein po­litis­ches Handeln an­leiten will (wie bspw. bei Marx); sondern die „Insuffizienz“ des Be­griffs gegen seine moderne „Hyposta­sierung“, d. h. die Unzulänglichkeit des Be­grif­­fenen gegen dessen Objektivierung (institutioneller Überbau) in Stellung bringen will.

Das, was Adorno zum Ende seines Le­bens­werks ent­­wirft, die negative Dia­lek­tik, ist der Form nach ein mächtiges Kampf­mit­tel ge­gen jeden begrifflichen Zu­sam­menhang, weil dieser durch die kritische Be­we­gung negativer Dialektik stets mit seinen Un­zulänglichkeiten und letztlich mit seinem ideologischen Kern konfrontiert wer­den kann. Klug eingesetzt, ist solche Kritik auch heute noch ein wirksames Mittel ge­­gen die Ideologie politischer Gegner oder ge­gen allerlei in der bürgerlichen Gesellschaft etablierte Konventionen. Nur taugt sol­che Kritik weder zur Anleitung oder gar Recht­fertigung politischen Handelns, noch zur Erklärung der Welt (der gesellschaftlichen Verhältnisse). Beides hat Adorno nie ge­wollt.

Kri­tische Theorie à la Adorno ist gerade der begriffliche Vollzug des indivi­duel­len Lei­dens an der falschen Einrichtung der Welt. Hier liegt ein Punkt, der in der Rezeption sei­nes Werkes im­mer wie­der gegen ihn in Anschlag gebracht wurde: sein Ästhetizismus. Und tat­säch­lich, Adorno ist ein von je­dem Ra­tio­nali­täts­anspruch be­freiter Be­griffsäs­thet. Seine Texte sind eher antithe­tische Kom­po­sitionen der kon­ventio­nel­len Ideenge­schich­te als plausible Argu­men­ta­­tions­zu­sam­­menhänge. Wer das übersieht, wird sich noch in aller Ewigkeit die Zähne an Tex­ten von Adorno ausbeißen. Das soll nicht heißen, er hätte damit jeden Wahr­heitsanspruch im be­griff­lichen Denken aufgegeben. Im Gegenteil: gegenüber den überkommenen Konventionen, gegenüber der falschen Objektivierung der Welt, will er den wahren Gehalt, den konkreten Bezug, den der Begriff stets noch mit sich führt, aufdecken. Anders ausgedrückt: Wo­ran sich der objektivierte, konventio­nel­le Begriff nicht mehr erinnert, an seinen Sach­bezug, seinen konkreten Aus­gangs­punkt, das Nichtidentische, was bei der Identifizie­rung mit seinem Begriff verloren ging, das will Adorno in seinen Texten zur Sprache bringen. Das Subjekt einer solchen Aufgabe sieht er freilich nur im einzelnen Individuum: bspw. in ihm selbst. Wahr­heit ist hier nur insofern zu finden, wie sich Adorno die­­ser Auf­gabe stellt und diese in seinem kritischen Denken auch vollzieht. Wer Adorno mal gelesen hat, wird um seine Sprach­gewalt wissen, seinen schillernden, facet­ten­rei­chen Be­griffshaushalt, um sei­nen Mut, gegen die traditionellen Lesarten an­zu­treten, und um seine Klug­heit, mit der er das mo­der­ne Denken seinen immanenten Unzu­läng­lichkeiten über­­führt. Der Wahr­­heits­an­spruch seiner Rede ist deshalb auch nicht an die Vermittlung bzw. Vermit­tel­bar­keit zwischen Ich und Du geknüpft, er ist lediglich in der Selbstrechtfertigung des nach Er­kennt­nis strebenden Individuums begründet. Diese Sel­bstgenügsamkeit ist m. E. das wesentliche Moment, welches Adorno immer wieder dem Vor­wurf der allgemeinen Unzugänglichkeit, der „unverständlichen“ Abstraktion aus­gesetzt hat. Und diese Schwach­stelle wird von diversen Apo­logeten seines Denkens wiederholt miß­braucht, um den eigenen Positionen mehr Gewicht und schließlich den Anspruch auf Meinungs­füh­rer­schaft zuzuweisen. Wüßte Adorno darum und könnte er noch handeln, er würde dererlei Um­trie­bigkeiten sicher den ganzen modernen Machtapparat auf den Hals hetzen.

Ich hoffe, aus dem soeben Ausgeführten ist er­sichtlich geworden, inwieweit die zeit­genössischen antideutschen Positionen mit einem Begriff von Kritik umgehen, dem zwei­felsfrei eine Überdehnung des Ver­ständnisses von Kritischer Theorie à la Adorno zugrunde liegt. Dieser allerdings war klug genug, den Wahrheitsanspruch sei­ner Rede nicht über sein individuelles Er­­kennt­nisvermögen hinaus, zu überhöhen – der Preis für diese Selbstbeschrän­kung da­ge­gen war die gewählte Einsamkeit im Den­ken und der Abschied von je­der über­in­di­viduellen Politik. Im An­schluß an Adorno haben deshalb viele ge­fragt, wie denn ein derart radikal linksliberales Projekt bürgerlicher Kritik sonst (also außer durch sich selbst) zu rechtfertigen wäre? Die Antworten allerdings haben keine Klarheit zu Tage gefördert. Nicht zu letzt weil Adornos Denkfigur als moderne so ziemlich am Ende einer allgemeinen Ver­fallsgeschichte steht, wie sie die Moderne selbst markiert. Das, was in den letzten Jah­ren unter dem Label „Postmoderne“ als fal­sche Einheit einer nicht mehr zu vereinenden Vielfalt lanciert wurde, ist oft nicht mehr als der gras­sieren­de subjektive Relativismus in den bürgerlichen Wissenschaften, Ausdruck der völligen Haltlosigkeit bloß idealer Begriffe. Hierin und in ihrer pes­simis­tischen Nostalgie liegt die Ablehnung an­ti­deutscher Theorie gegenüber post­modernen Ansätzen begründet. Dabei gibt es durchaus bemerkenswerte Projekte post­mo­derner Prägung: verwiesen sei hier nur auf Foucaults historische Wissen-Macht-Analysen [12], seinen Begriff von Bio­politik; Judith Butlers Strategie der Ent­un­ter­­werfung durch Selbststilisierung [13]; oder etwa Zygmunt Baumans „Post­mo­der­ne Ethik“ [14]. Das, was in diesem Umfeld als aktualisierter Begriff von Kritik vor­ge­stellt wird, bedarf der Beachtung und sicher auch der Vertiefung. Wer sich davon nur schulterzuckend zu distanzieren weiß und weiter auf modernem Denken beharrt, macht die eigene Position des Anachronistischen verdächtig. In der Kritik z. B. an Negri&Hardts Machwerk „Empire“ gibt sol­che Haltung sich der völligen Hilflosig- und letztlich Lä­cher­lich­keit preis, versucht sie in den Griff zu bekommen, was dort als moderne und vor­moderne Zeitbombe einfach falsch tickt!

Strategische Interferenzen

Nun hat, wie eingangs schon bemerkt, die antideutsche Kritik, wesentliche Unzulänglichkeiten innerhalb der überkommenen lin­ken Konvention (traditionelle und orthodoxe Theorie) aufgedeckt. Zu deren Überwindung hat sie allerdings auch nur sich selbst als einzig wahre Welterklärung angeboten. Dabei führte wohl in manchen Kreisen das aus der tendenziell richtigen Kritik gewonnene Selbstbewusstsein zu einem Über­legen­heitsgefühl gegen alles andere. Aus der antideutschen Kritik wurde zunehmend ein Kampfmittel, um die eige­nen politischen Positionen als mei­nungs­­führend und diese Führerschaft verteidigend durchzusetzen. Das, was meines Erachtens in Adornos Kritischer Theorie schon angelegt ist, der Generalver­dacht ge­genüber allem Außer- und Überindi­vi­duel­len als grundsätzlich Falschem und dem ent­gegen der vereinzelte Wahr­heits­anspruch des Individuums, der schlechter­dings nicht aufgegeben werden darf, dieser Generalverdacht treibt innerhalb der ant­ideutschen Theoriebildung wilde Blüten. Denn Adorno selbst hatte die Gefahr eines derart individualisierten Wahrheitsbe­griffs gesehen und dagegen eben sein Kon­zept ständiger Selbstkritik und der Ent­­fernung von jeder Politik gesetzt: „Dia­lektik kein Standpunkt“, Abstraktion um einer Ideologisierung zu entgehen, Kritik eben und keine Politik. Adorno wußte, dass seinem kritisierten „abstrakten Einerlei der verwalteten Welt“ kein Träger, kein subjektives Bewusstsein, keine politische Bewegung mehr zuzuordnen war – ob positiv oder negativ, weder in Richtung Bar­ba­rei noch in Richtung Emanzipation. Anti­­deutsche Theo­rie fällt hinter diese Kri­tik zurück, wenn sie nun wieder ein Subjekt mit den falschen Objektivierun­gen der verwalteten Welt identifiziert. Ihr überzogener Pessi­mis­mus gründet darauf, dass durch die Kri­tik an der traditionellen Linken plötz­­lich alle außer natürlich den Antideut­schen, die­se falschen Objek­ti­vie­rungen an­trei­ben, die Barbarei befördern würden. Plötz­lich gibt es wieder ein Ge­schichts­sub­jekt, welches die Welt gestaltet: die anti­ameri­ka­nische, antizionis­tische, antisemitische Welt­ver­schwö­­­rung. Sicher, antideutsche Kri­tik konn­­te zeigen, dass dererlei Ressentiments nicht nur in den deutschsprachigen Medien kol­por­tiert werden, son­dern ein guter Teil der traditionellen Lin­ken darin verhaftet ist. Doch an den de­ge­nerierten Formen poli­tischer Praxis der anti­deutschen Haltungen lässt sich leicht er­sehen, dass der anti­deut­schen Kritik gar keine politische The­o­rie (bspw. im Sinne der Aufklärung) an­­ge­glie­dert wurde. Mei­nungsunter­drüc­kung, Bil­der­verbote, Hass­tiraden gegen An­ders­den­kende, destruktive Mob-Action mit Israelfahnen und eine naive­, unkritische Legitimation von Kriegs­ver­­läufen, von israelischer und us-amerika­nischer Staatspolitik [15], letztlich eine Ent­solidari­sie­rung zwischen den verschiedenen Projekten und eine völlige Hilflosigkeit gegenüber der deutschen Staatspoli­tik und der aufstrebenden neuen Rech­ten – das sind die Schlagwörter im Register politischer Praxis anti­deutscher Prägung. Sie über­nimmt die ador­neske Selbstbeschrän­kung, sich mit dem Texteschreiben zu be­gnü­gen, ohne al­ler­­dings dessen politischer Ent­­haltsamkeit zu folgen – und setzt da­durch Kritik zurück in einen selbst­recht­fer­­ti­genden, ideo­lo­gischen Zusammenhang. Mit der Folge, dass jetzt jedes Ge­sprächs­­angebot unter das Mot­to fällt: „Friß oder stirb!“ bzw. „Antideutsch oder Anti­­semitisch!“. Deshalb war es immer dop­­­pelzüngig zu behaupten: Sagt doch was dagegen, ihr habt doch nichts zu sagen.

Antideutsche Theorie ist m. E. mit ih­ren Erkenntnissen immer viel zu fahrläs­sig um­gegangen: Anstatt auf die Aufklärung der nächstliegenden Kreise zu setzen, haben anti­deutsche Haltungen und ih­re Apologeten Spaß daran gefunden, den Leu­ten ihre „Dummheit“ unter die Nase zu reiben – ein eli­tärer Dünkel eben [16]. Für derart gutbürgerliche Selbstbeweihräucherung ist der Inhalt der antideut­schen Kritik aller­dings zu wichtig, insbe­son­­­­dere für die, die sich noch Rest der ra­di­kalen Linken schimp­fen lassen. Die Er­kennt­nis, dass eine kri­tische Reformu­lie­rung traditionell linker Positionen dringend notwendig ist, gerade unter dem As­pekt, daß mensch der neuen Rech­ten sonst lediglich das Feld räumt, dass lin­ke Grup­­pen und Projekte zu einer pro­gres­siven Politik zurückfinden müssen, um sich der eigenen Verbürgerlichung [17] selbst­kritisch zu stellen, dass sich letztlich im (wiederverein­ten) Groß­deutsch­­land erneut Gefährliches zu­sammenbraut – was zu­dem gerade in Be­­­griff ist, sich auf europäischer Ebene zu re­­produzieren – dies alles ist viel zu wichtig für eine emanzipatorische Perspektive, um in diskursiven Haar­spal­tereien und ge­genseitiger Provokation [18] zu verharren. Wer sich schließ­lich von der projizier­ten Ohnmacht der verwalteten Welt in ih­ren falschen Objek­tivierungen der­art täu­schen läßt, daß sie/er sich nicht einen Fun­ken Optimismus auf einen guten Ausgang der ganzen Geschichte bewahrt, kann schließ­lich seinen Begriff von Eman­­zi­­pation auch gleich mit in seinen Koffer packen.

Der Verdacht, daß antideutsche Positionen im Grunde einen Rückzug aus jeder links­radikalen Politik bedeuten, läßt sich an ihrem Umgang mit größeren außerpar­la­men­tarischen Protesten wie etwa den Pro­­testen gegen die Irakintervention der USA oder den Montagsdemonstrationen gegen die Agenda 2010 erhärten. Dabei wurde an­hand einiger politischer Parolen, we­ni­gen unrepräsentativen Statements und einem guten Schuß eigenem Ressenti­ment auf das politische Bewusstsein von je­der/m einzelnen Teilnehmenden ge­schlos­­sen. Anstatt mit­zumischen und die größ­tenteils entpolitisierten und naiven Klein­­bürger­lichen und sich selbst der Her­aus­forderung zu stellen, über linksradikale Positionen ins Gespräch zu kommen, woll­­te mensch sich mit „so Etwas“ nicht auf der Straße sehen lassen – welch spieß­bür­gerliche Ziererei. Anstatt sich der an­schlie­ßenden organisierten Rechten entge­gen­zustellen und sie von der Straße zu fegen, wurde ihre Teilnahme frohlockend/selbs­tbestätigend konstatiert. Da­bei müsste doch zu­min­dest darüber Einvernehmen herr­schen, dass je­der linksradi­ka­le Kampf schließ­lich auf der Straße gewonnen werden wird und eben nicht im schlecht­be­heiz­­ten Studierstüb­chen. Wie ernst­gemeint kann ein Antifaschismus am Ende sein, der sich damit begnügt festzu­stel­len, daß mensch von FaschistInnen um­stellt ist? [19] Für diese „Einsicht“ braucht wirk­lich niemand eine politische Theo­rie oder auch nur einen Fetzen Papier zu verschwenden.

Antideutsch oder antinational?

Was ist ein „Deutscher“ anderes als ein Mann, dem der Nationalkult der bürgerlichen Gesellschaft einen Staatsbürgerstatus zuweist?

Jemand, der sich mit der deutschen Nationalgeschichte identifiziert?

Jemand der sich aus dem gemeinsamen Gebrauch einer ähnlichen Sprachfamilie eine Gemeinschaft halluziniert?

Oder jemand, der sich von der zwangsweisen Solidarität (Mechanismen der Arbeits-, Geld- und Güterverteilung) im deutschen Staate unterwerfen läßt?

Reproduziert sich im „Deutschtum“ ein Katalog kultureller und kultischer Praxis, kehren im „deutschen Geist“ dieselben Denkmuster immer wieder?

Das, was die antideutsche Theorie als „das Deutsche“ identifiziert, ist meist nebulöser als das fragwürdige Projekt einer Men­ta­litätsgeschichte oder deren Ableitungen von Klimalagen. Mir scheint, innerhalb der antideutschen Theorie werden all zu oft Anti­semitismus und „Deutsch-Sein“ (???) in eins gesetzt. Da­bei ist Antisemitismus doch beileibe kein Problem spezifisch deutscher Prägung – er wurde nur fatalerweise in den deutsch-verwalteten Territorien [20] zur Staatsdoktrin erhoben – sondern ein Prob­lem, das im christlich geprägten Eu­ro­pa schon mit der Offenbarungsfrage zu gras­sieren begann. Nun soll nicht bestritten werden, daß dem deutschen National­kul­tus der anti­semi­tische Reflex seit je her nahe lag, doch antideutsche Theorie reduziert den Be­griff von Antisemitismus in gefährlicher Wei­se, indem sie ihn auf sein spe­zi­fisch „Deutsches“ zu beschränken trachtet. Eine Na­tional­grenze zwischen Frankreich und Polen brächte das Problem nicht aus der Welt und schon gar nicht aus Euro­pa. Bei allem Be­­wußt­sein für die schier unerträgliche Leidensgeschichte so vieler Menschen, Fa­mi­lien und Gemeinschaften, die während und nach dem Krieg eine erste Zuflucht im Nationalstaat Israel fanden, bei allem Inhalt und historischen Verlauf, darf aber auch der formale Zu­sammenhang nicht vergessen werden, sonst setzt mensch Schoah und Holocaust ein­fach gleich. Und hier lässt sich an der deut­schen Geschichte zeigen, inwieweit in na­tionalöko­nomischen Krisen durch kapi­ta­­lis­tische Produktionsweise aufgeladene Frustration bei gleichzeitiger Entfaltung ei­nes nationalen Kultus und unter staat­licher An­leitung bis zur massenhaften, industriel­len Vernichtung von aus dem Nationalkol­lektiv ausgeschlossenen Men­schen führen kann. SemitInnen, Kommu­nis­­tInnen, An­archis­tInnen, Sinti, Roma, Transsexuelle, Behinderte, Staatsfeinde, „Sozialschmarot­zer“! Um eine derart menschen­un­wür­dige Katastrophe für immer zu vermeiden, lohnt es sich, kritisch und politisch zu Felde zu zie­hen, lohnt es sich, gegen die kapitalistischen Mißverhältnisse in der Produktion vorzu­gehen, lohnt es sich auch, den deutschen Staat als wesentlichen Agenten einer na­tionalen Kultur anzugreifen, wie im übri­gen jeden Nationalismus, weil er stets das vom Recht gesetzte Zwangsverhältnis zwischen Individuum und Staat zum solidarischen Miteinan­der gegen Andere verklärt.Antifaschistische als antikapitalis­tische, anti­nationale, eman­zi­pa­torische Praxis lohnt die Mühe um und den Glauben an das Bessere im Menschen. Antifaschismus ist schließlich die geschichtliche Verantwortung jedes Ein­zel­nen. Daß die antideutsche Haltung den ver­schiedenen Gruppen, Projekten und Per­so­nen, die diese Verantwortung auch tragen wollen, ihre antifaschistische Grund­ein­stellung abspricht anstatt ihnen zuzureden, grenzte an Sabotage. Das hat, denke ich, vie­le so erregt und die allgemeine Sprach- und Hilflosigkeit begründet.

Dass sich der antifaschistische Kampf hier­zulande auf die Nation namens „Deutschland“ und auf den deutschen Staat kon­zentrie­ren muß, liegt auf der Hand, dass den vielen Menschen unter israelischer Verwaltung zumindest am Ende irgendeiner Vor­ge­schichte eine bessere Verfassung als die na­tionale zu wünschen wäre, aber doch wohl auch. Das Rückgrat jeder antideut­schen Hal­tung sollte deshalb eine antina­tio­nale sein, zumal wenn mensch die nationalen Gren­zen übertritt. Oder hat er/sie schon mal ernsthaft versucht außerhalb der deutsch-verwalteten Territorien je­man­dem zu erklären, warum sich hierzu­lande linksradikale Kritik und Politik auf antideutsche Positionen beschränken soll? Wenn doch hat der/die Gegenüber sicher verständnisvoll genickt und dabei gedacht: „Die spinnen doch, die Deutschen!“

clov

*Gegen die Nebenwirkungen unkritischer Af­firmation, naiver Ontolo­gisierung bloß be­grifflicher Zusammenhänge oder gegen rei­ne Denkfaulheit empfiehlt sich auch wei­ter­hin die regelmäßige Rezeption alternativer Zeitschriften (CEE IEH, incipito etc.pp.)
[1] FA! #14, Sep.-Okt. 2004.
[2] z.B.: „Nichts ist unmöglich – Feierabend!“, in: incipito Heft Nr. 15, Jan. 2005, siehe unter: www.left-action.de/incipito/
[3] Die schriftliche Aufforderung, die Falko als „ganz lieben Brief“ bezeichnet, ist jetzt ebenfalls auf unserer Homepage www.feierabend.net.tc veröffentlicht.
[4] s. Vorbemerkungen zu „Tant de bruit pour une omelette!“, in: FA! #15, Nov.-Jan. 2004/05.
[5] Versatzstücke einer Ideologie
[6] Diese wurde ja auch in verschiedenen antideutschen Statements konstatiert, aber anstatt beidseitig Mittel und Strategien dagegen zu entwickeln, wurde beleidigt, beschimpft, verboten und ignoriert.
[7] Solche vereinfachenden, verkürzten Ansichten lassen sich vor allen Dingen in der zweiten und dritten Generation der antideutschen Bewe­gung finden (s. bspw. FN 15). Die kritische Grund­figur wird hier oft weder verstanden noch nach­vollzogen. Mit der absurden Folge, daß anti­deutsche Theorie so zum Ausdrucksmittel eines existentialistischen Weltschmerzes wird, einer all­ge­meinen Hilflosigkeit, die in der agitatorischen Unterstützung nationalstaat­licher Parolen gipfelt.
[8] Politische Strömungen, die die sozialrevolu­tionäre Perspektive aufgeben und eindeutiges Merkmal radikaler bürgerlicher Positionen.
[9] Ich, der ich als Teilnehmer des Lektürekurses „Negative Dialektik“ an der HGB der Sezierung dieser Textstelle beiwohnen durfte, erinnere an das, was Adorno zu den eisigen Höhen der Abstraktion bemerkt: „Die Verarmung der Erfahrung durch Dialektik jedoch, über welche sich die gesunden Ansichten entrüsten, erweist sich in der verwalteten Welt als deren abstraktem Einerlei angemessen. Ihr Schmerzhaftes ist der Schmerz über jene, zum Begriffe erhoben. Ihr muß Erkenntnis sich fügen, will sie nicht Konkretion nochmals zu der Ideologie entwürdigen, die sie real zu werden beginnt.“ Th.W. Adorno, „Negative Dialektik“, Suhrkamp, Frankfurt, 1997 (1975), S. 18
[10] Adorno ist und bleibt halt Idealist. Institutionelle Ausprägungen gesellschaftlicher Verhältnisse sind für ihn, darin Hegel folgend, bloß die objektive Seite von Begriffen. Nur daß diese nicht mehr Ausdruck des Wahren, sondern Indikator des Falschen sind.
[11] Habermas hatte das erkannt, aber sein kommunikationstheoretischer Vorschlag einer Universalpragmatik des Gesprächs war reichlich degeneriert. *kreischend nach dem alten Jürgen wink*
[12] Unbedingt zu empfehlen sind die beiden berühmt gewordenen Aufsätze „Was ist Kritik?“ und „Was ist ein Autor?“, die in verschiedenen Versionen auch unter dem Titel „Was ist Aufklärung?“ abgedruckt wurden; u.a. in: Michel Foucault, „Was ist Kritik“, Merve-Verlag, Berlin, 1992 (1978) u. Michel Foucault, „Was ist ein Autor?“ (1969), Fischer Taschenbuchverlag.
[13] Wobei Judith Butler in Ihrem Aufsatz „No, it‘s not anitsemitic“, der in der aktuellen Januarausgabe der Zeitschrift Die Aktion abgedruckt ist und Mitte 2003 erstmals erschien, nur einen sehr eingeschränkten Begriff von Kritik gegen den Harvard-Präsidenten Lawrence Summers und sein „Denkverbot“ verteidigt: den der bürgerlichen Meinungfreiheit. Vgl. u.a.: „Ironischer Weise übernimmt Summers, wenn er Zionismus mit Judentum gleichsetzt, genau die bevorzugte Taktik der Antisemiten.“ in: Die Aktion, Heft 210 „Genozid, Antisemitismus, Israel-Palästina“, Januar 2005, Edition Nautilus, Hamburg, S. 50
[14] Für Leute, die sich ernsthaft mit Denkexperimenten auseinandersetzen und nach Wegen aus dem modernen Einheitsbrei suchen, fern eines minimalistischen Utilitarismus oder der ethischen Schwarz-Weiß-Malerei „Gut gegen Böse“, unbedingt zu empfehlen: Zygmunt Bauman, „Postmoderne Ethik“, Hamburger Edition, Hamburg, 1995 oder derselbe, „Dialektik der Ordnung: Die Moderne und der Holocaust“, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg, 1992
[15] U. a. s. „Wahl in den USA“, in: CEE IEH Nr. 116, Dez. 2004: „Wie zu Beginn des Artikels dargelegt, gibt es genug Gründe als Amerikaner gegen Bush zu sein. Aufgrund des allgegenwärtigen antiamerikanischen Ressentiments in Deutschland gibt es für Freundinnen und Freunde der Emanzipation jedoch nur eine Option: die Verteidigung George W. Bushs und die ideel­le und argumentative Unterstützung der amerikanischen Außenpolitik im Nahen Osten. – In diesem Sinne: Cowboys of the world unite.“ Hier wird sich ohne Wahrheitsanspruch und ohne sich die Frage nach einer richtigen Politik zu stellen, einfach positiv auf die US-Administration be­zo­gen, mit der Begründung, dass müsse mensch den grassierenden Ressentiments einzig entgegenhalten. Warum hier ein „Amerikaner“ mehr Recht auf Kritik haben sollte, als eine „Deutsche“ bleibt dabei völlig unklar. Schon Adorno wusste, dass Kritik einzig der Wahrheit ver­pflichtet sein muß. Schließlich müsste sich jede ernstgemeinte Position doch die Frage stellen lassen, welche Politik gegen solche Ressentiments entfaltbar ist. Gibt mensch sich hier einem absoluten Pessimismus hin bzw. gibt noch das letzte Ideal der Aufklärung auf, nach dem Motto: „Deutsche [wer ist das eigentlich?] raffen es einfach nicht!“, landet mensch schnell bei einer minimalistischen Politik, die nur noch von einem blinden Vernich­tungswillen getrieben wird.
[16] Der im Wildcat-Zirkular Nr. 63 im März 2002 erschienene Text „Linke zwischen Nebelkerzen“ (S. 20-29, [z63nebel.htm]) behandelt diesen Widerspruch zwischen Politik und Kritik innerhalb der Radikalen Linken noch ausführlicher unter dem Aspekt, wie intellektualisierte KritikerInnen sich ihrer eigenen Verbür­gerlichung nicht bewußt sind, weil sie eine selbstkritische Reflexion auf ihre soziale Wirklichkeit ausblenden.
[17] Entsolidarisierungsprozeße, die begleitet sind durch die Übernahme des bürgerlichen Ge­schichtsrelativismus, von Mainstream-Positionen, nationaler Logik und diversen Ressentiments.
[18] Es sei ausdrücklich angemerkt, dass Feinbildkonstruktionen á la „die bösen Antideut­schen“ hier genauso wenig hilfreich sind, wie etwa „antisemitischer Friedensmob“ oder „antiamerika­nische Anti-Globalisierungs­bewegung“.
[19] Insoweit wäre doch die taktische Frage wichtig, inwieweit mensch gegen die bürgerliche Ge­sell­schaft agieren soll und kann, um antifaschistisch zu wirken. Das Bgr (Bündnis gegen Realität) schließt eine Aktion gegen Staat und Kapital aus, oh­ne zu benennen, wo über­haupt sonst an­zu­set­zen wäre. Bei der Veranstaltung „Antifa hahaha“, (FA!#15, S. 3) waren ca. 200 Menschen da, aber außer den abgedroschenen Standpunkten hatte sich niemand wirklich etwas zu sagen. Na, immerhin gibt’s das Offene Antifa-Plenum wiederwieder.
[20] Der Begriff der deutschen Territorialverwaltung trägt der Entwicklung Rechnung, daß die Bedeutung klassischer (militärischer) Natio­nalgrenzen tendenziell abnimmt. Dennoch gibt es klare nationale Grenzen, die vor allen Dingen durch die Reichweite der jeweiligen Verwaltungsrechte bestimmt sind. Die „Amtssprache“, insbesondere innerhalb des Bürokratie-Apparats, und das von ihm kontrollierte Gebiet, sind untrügliche Indikatoren für die nationale Verfassung.

Zuletzt*

Die Beschuldigung einer Zensur im Feierabend! ist insofern zurückzuweisen, als sich die Redaktion immer Nichtveröffent­lichungen vorbehält. Zwar hat es vereinzelt innerredaktionellen Zwist gegeben, weil etwas nicht-so-aber-anders kommen sollte, oder unauto­risiert Details in der Hektik vorm Druck verändert wurden – aber niemand kann der Redaktion vorwerfen, sie hätte sich mit solchen Problemen nicht intensiv auseinandergesetzt, Einzellösungen und Taktiken entworfen, dererlei zu verhindern.

*Im Fall, den Falko in der aktuellen incipito erwähnt, ging es um einen Artikel zum dataspace-Projekt im Conne Island, dass die Redaktion gern vorgestellt hätte. Der eingereichte Text bezog sich hauptsächlich auf eine Preisverleihung und schien so der Redaktion trotz mehrmaliger Diskussion am Ende doch ungeeignet, zu attitüden­haft und nichtssagend. Und es ist leicht einzusehen, dass eine Redaktion nicht alles abdrucken kann, was eingereicht wird. Sorry, Falko, dass wir uns so lange nicht entscheiden konnten, was wir wollten.

Theorie & …

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