STÖRfaktor Milbradt

Zum Pressegespräch „Campus-Neubau“ an der Universität Leipzig

[Montag, 09. August 2004, 15 Uhr. Pressegespräch im Hörsaalgebäude] Geschlossene Veranstaltung. Unileitung und Landesregierung haben eingeladen. Eine Pappmaché-Wüste ist aufgebaut. Ein kleines Buffet. Drei, vier Reihen Stühle. Nervöse Verwaltungangestellte laufen auf und ab. Dann der Auftritt. Grotesk! Milbradt und Rektor Häuser kommen über den Campus. Umringt von einem Schwarm Journalisten und einigen Personenschützern. Dahinter erschallt ein junger Stimmenchor und trällert eine Volkswaise. Der Uni-Chor? Welch Wahn! Aber nein! Es sind Handzettel verteilende BüSos (Bürgerrechtsbewegung Solidarität). Ich kann mir den Zusammenhang der Szene nur mit der Fliegen-Scheiße-Theorie erklären.

Aber was will ein CDU-Ministerpräsident in einer SPD-dominierten Stadt mitten im heißen August? Was an einer Universität, an der die aktive Studierendenschaft seit Jahren gegen seine Bildungspolitik und insbesondere auch gegen die Person des ‚Landesvaters‘ selbst opponiert? Mitten in der prüfungsintensivsten Zeit? Milbradt will sich profilieren! Kurz vor den Landtagswahlen am 19. September. Er weiß, die Volksparteien haben Legitimationsprobleme. Auch in Sachsen.

Das Kalkül ist dabei ganz einfach. Der von langer Hand geplante Neubau des Campus an der Universität Leipzig ist eines dieser typischen Bauprojekte, die man so ziemlich jedem als positive Eigenleistung verkaufen kann. Als Bildungsinvestitionen in die Zukunft, als Subvention in die örtliche Bauwirtschaft, direkt in Arbeitsplätze sozusagen, zudem die Eigenwirkung von solch‘ repräsentativen Bauten, sowas zieht quasi direkt Investitionen nach sich. Bei soviel persönlichem Einsatz sollte die Unileitung noch einmal überlegen, ob man nicht die Mensa Georg-Milbradt Mensa nennt oder die Kirche: Milbradt-Kirche.

Es geht alles ganz schnell. Die Aktion ist gut vorbereitet. Durch ein Hintertürchen hinein. Das Transparent ausgerollt. Warten. Milbradt redet. Und los! Mehr als ein Dutzend StudentInnen stürmen das Podium und unterbrechen die Rede. „Inhalte statt Fassaden!“ so die Forderung. Der Landesvater ist pikiert, versteht nichts: Das sei kein guter Stil, man tue doch soviel und hätte gar keine Pläne bezüglich der Studiengebührenproblematik, sei gesprächsbereit. Die StudentInnen wissen es besser. Da nützt auch die gebetsmühlenartige Wiederholung Milbradts nichts. Hier ist derzeit kein Reden möglich.

Die Störung der politischen Routinearbeit ist gelungen, die Presse für kurze Zeit aus ihrem sanften Schlummer aufgeweckt. Der Abzug läuft auch reibungslos. Zum Abschied gibts noch richtig auf die Ohren. Es ist eine Soundanlage vorbereitet, auf der ein Sample aus Baulärm und Phrasen Milbradts über den ganzen Campus schallt. Die StudentInnen sagen laut „Adieu“ und ahnen schon: Der wird wohl wiederkommen!

clov

Lokales

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