Wie das Geld, so die Wahl

Freiheit ist relativ. Die relativ freieste Gesellschaft, die ich bisher erlebt habe, bestand zwischen Herbst 1989 und Frühjahr 1990 in der Noch-DDR. Heute läßt es sich schwer vorstellen, daß führende Staatsmänner sich vor tausenden Menschen rechtfertigen und erklären müssen. Man erinnere sich an Kohl, der die Sonntagsdemo von Hunderttau­senden einfach weggewischt hat, oder an Schröder, der keinen Zweifel daran ließ mit der Polizei die Ordnung wiederherzustellen, als eine Benzinpreiserhöhung Tausende auf die Straße trieb. 1989 war die Bereitschaft unter den Leuten, sich aktiv in ihre eigenen Angelegenheiten einzumischen so stark wie nie zuvor und hat auch danach nie wieder auch nur annähernd dieses Niveau erreicht. Die Anzahl der Zeitungsprojekte explodierte, wie die der unkonventionellen, erfrischend (selbst-)kritischen Musikprojekte. Nie war es einfacher, mit Leuten, von denen man es vorher nie erwartet hätte, ernsthaft über gesellschaftliche Alternativen zu diskutieren. Nie gab es mehr Engagement. Dies alles erstarb mit der letzten Volkskammerwahl, der ersten „freien“. Von da ab übernahmen die Politprofis wieder das Kommando und die meisten Leute zogen sich ins Private zurück.

Nun war es wieder mal an der Zeit, die eigene Stimme den Politiker/innen zu geben, anstatt sie selbst zu erheben. So wie das Geld das Mittel der Ausbeutung ist, so sind Wahlen das Mittel der Entmündigung.

v.sc.d

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