Das Ruder im Griff behalten

Mitte März gab es die ersten Mel­dungen, enttäuschte Gewerkschaf­ter wollten eine „neue linke Protestpartei“ gründen. Eine Woche lang war das Thema nicht zu überhören, nicht zu übersehen. Scheinbar waren die Medien aber etwas voreilig. Denn in ihrem 2. Rundbrief vom 7. April betont die „Initiative Arbeit und soziale Gerech­tig­keit“ (IASG) (1), dass es sich bei dem Zusammenschluss um „keine Partei“, sondern um den Versuch handelt, „die SPD auf sozialstaatliche Positionen und ihr Parteiprogramm zu drängen“. In der Tat machen die InitiatorInnen in ihrem Aufruf Alternativvorschläge zur aktuellen Regierungspolitik – so fordern sie „massive Investitionsprogramme“ und einen „sozial gerechten Umbau unserer Sozialsysteme“.

Ver.di-Vorsit­zen­der Bsir­s­­­ke lehnt eine Beteili­gung „sei­ner“ Organisation an der Initiative zwar ab, wie andere DGB-Gewerkschaften auch. Doch eine Alternative haben sie nicht zu bieten: so weiß Herr Kohl­­bacher (IGM Leip­zig) für das Prob­lem der Arbeitslosig­keit auch keine andere Lösung als öffent­liche Investi­tionen auf Pump (deficit spen­ding). Auf der von ver.di mitorgani­sierten Veranstaltung „Sozial­abbau oder Auf­schwung“, die am 24.3. im Volkshaus stattfand, rollt Kohlbacher den klassischen Keynesianismus wieder auf. Das freie Spiel von Angebot und Nach­frage, das auf dem Warenmarkt herrscht, dür­fe nicht auf den Arbeitsmarkt aus­gedehnt werden. Denn damit komme der volkswirtschaft­liche Kreislauf, in dem die Arbeiterin nicht nur Kostenfaktor, sondern auch Kon­sumen­­tin ist, ins Wanken. Nur das müssten die (Chefetagen der) Gewerkschaften be­tonen. Da eben – bei der Binnennachfrage – müsste und könnte der Staat das Wirt­schafts­wachstum ankurbeln. (2) Dass Wachs­tum, auch „künst­liches“, allein noch keine Lösung für das „Problem Arbeitslosigkeit“ garantiert, zeigte das Zusammensacken des IT-Booms zu Beginn dieses Jahr­hunderts. Ziel in der Marktwirtschaft ist aber der betriebs­wirtschaftliche Maximal­profit. Unter diesem Aspekt ist die Ausdehnung des „freien Spiels“ nur konse­quent, wird doch auf „dem Arbeitsmarkt“ die Ware Arbeits­kraft gehandelt – das anerkennen auch die Gewerkschaften, die das Lohn­system akzeptieren. Diese Konse­quenz kann nur durch Streik be- oder ver­hindert werden.

Dazu aber scheinen die ASG-Ini­tiatoren (noch?) nicht bereit. Sie pflegen vielmehr den Glauben an Staat und Partei. Die IASG stand zwar nicht in Verbindung mit einem Treffen Anfang März in der Berliner DGB-Zentrale, die – initiiert von ver.di-Funktionär Ralf Krämer – sich offen an der Schill-Partei orientiert und bei den näch­sten Bundestags­wahlen mehr als 20 Prozent der Stim­men ergat­tern will. So kam es zur medialen Sym­biose zweier Initiativen. Zwar sind die beiden Ansät­ze nicht so verschieden. IASG-Mit­­begründer Wendl (ver.di) jeden­falls befür­wor­tete am ersten Tag der Bericht­­erstattung eine Tendenz, die den Gewerk­schaften „im Parla­ment eine politische Kraft“ an die Seite stellen will. Auch die Option einer Parteineugrün­dung will man sich, so heißt es im 2. Rund­schreiben mit Verweis auf die SPD-Ausschlussverfahren, offen halten. Die bes­seren Sozialdemokraten wollen die Staats­maschine also in Gang halten: eine „wähl­bare“ Partei, sei es in Form der SPD oder einer Neugründung. Sie respektieren das Tabu des 20. Jahr­hunderts: nicht aus­zusprechen, dass wir nicht leben, um zu arbeiten.

Die Welle von mehre­ren hundert Leipzi­ger Unterschriften (unter‘m Aufruf) allein läßt allerdings noch keine Ein­schätzung über die Aussichten der IASG zu. Die Zeit wird‘s zeigen, allzu vielversprechend aber stehen die Zeichen der Zeit nicht.

A.E.

(1) Alle Materialien finden sich im Netz unter www.initiative-asg.de
(2) Schwer, sich vorzustellen, dass Bsirskes „Alter­nativen zum sozialpolitischen Kahlschlag der Regierung“, die er Mitte Mai veröffentlichen will, anders aussehen.

Sozialreformen

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