Faschismus – gestern, heute, niemals wieder!

… so der Titel der Projekttage des Vereins „Bon Courage e.V.“ , die im Juni/Juli diesen Jahres die sächsische Kleinstadt Borna aufrütteln sollten. Borna, eine Stadt die in vielen Köpfen (Ost)deutschlands nur einen Vornamen trägt: Nazihochburg.

Das Problem

… stellt sich in Borna in einer neuen Qualität dar: hier hat der geschichtsrevisionistische Verein Gedächtnisstätte e.V. ein Zuhause gefunden, wo sich ungestört das who-is-who der deutschen Auschwitzleugnerszene trifft. Regelmäßig fahren hier die großen Wagen „bedeutender“ Herrschaften vor, um Vorträgen zu lauschen, wie dem des Generalmajors a.D. Gerd Schultze-Rhonhof, der einen „kritischen Blick“ auf die Ereignisse vor dem 2. Weltkrieg warf. Aber auch jugendliche Schlägertrupps, teilweise in der Kameradschaft Borna organisiert, die mit etwa 20 Übergriffen in den letzten zwei Jahren ein Klima der Gewalt in Borna und Umgebung schufen, gehen dort ein und aus. Die Betreiber/innen des Vereins bestreiten freilich jegliche Verbindungen zu sogenannten Schlägernazis, doch klar ist: sie sind der begrüßte und geförderte militante Arm eines bürgerlich-nazistischen Milieus, das in Borna fest verwurzelt ist.

Eine Schlüsselfigur im Verein Gedächtnisstätte ist Mitgründerin Ursula Haverbeck-Wetzel, ebenfalls Gründungsmitglied des Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten und bis vor kurzem Vorsitzende des Collegium Humanum (1). Mit von der Partie auch der Solinger Bauunternehmer Günther Kissel, der sich für den Hauptteil der Finanzierung verantwortlich zeichnet. Auch er ist ein führendes Mitglied im Vereinsgeflecht, so lud er beispielsweise 2003 u.a. Ursula Haverbeck-Wetzel, Horst Mahler und last but not least den Ritterkreuzträger und Rechtsanwalt Hajo Herrmann zu einer Besprechung in sein Privathaus ein. Herrmann ist neben RAF-Gründungsmitglied Mahler, der später u.a. Hauptverteidiger im NPD-Verbotsverfahren war, der wohl bekannteste und offensivste Vertreter seiner zweifelhaften Zunft. Das ehemalige Mitglied von Hitlers Luftwaffenführungsstab profilierte sich u.a. durch die Verteidigung bekannter Holocaustleugner wie David Irving, Otto Ernst Remer und den US-amerikanischen „Gaskammer-Experten“ Fred Leuchter. Herrmann hatte zusammen mit Finanzier Kissel schon mehrfach versucht, ein geeignetes Gelände für den Verein Gedächtnisstätte zu erwerben, was ihnen schließlich über einen Herrn Limmer in Borna gelang.

Dieser wurde von der Stadt nicht mit der rechten Szene in Verbindung gebracht und kaufte, mit der Absicht eine Begegnungsstätte für Russlanddeutsche zu schaffen, bereits 2005 das 10.000 m² große schlossähnliche Grundstück an der Röthaer Strasse für nur 99.000 Euro. Der Verein Gedächtnisstätte eröffnete im März 2007 mit einer revisionistischen Ausstellung über das „Leid“ der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg (2), womit offensichtlich wurde, dass die angegebene Nutzung bloß ein Vorwand war. Das Verhältnis der Stadt Borna zu dem Verein scheint jedoch ein recht harmonisches zu sein, bis auf den kleinen Streit Ende 2005 um ein 12m hohes Gedenkkreuz aus Stahl. Dieses Kreuz sollte zentraler Teil der 250.000 Euro teuren Gedenkstätte sein, einem Rondell aus 12 Granittafeln, welches ausschliesslich deutsche Vertriebene, Bombentote, Kriegsgefangene und „von alliierten Soldaten vergewaltigte Frauen und Mädchen“ ehren soll. Der Bauausschuss Borna hatte das Kreuz zunächst genehmigt, doch konnte die Stadt den Baustopp noch rechtzeitig durch ein Urteil vor dem sächsischen Oberverwaltungsgericht erwirken. Das verdankt sie der Aufmerksamkeit und dem politischen Druck der Landrätin Petra Köpping, die öffentlich machte, dass der Verein zur rechtsextremen Szene gehört. Das von der Metallbaufirma des Oberbürgermeisters Schröter hergestellte Kreuz wurde infolge der damit entstandenen Öffentlichkeit nicht ausgeliefert. Mit der Verflechtung von Wirtschaft und Politik, die sich häufig in Personalunionen (OB Schröter) zeigt, ist Borna keine Ausnahme zu anderen (Klein)städten. Da einige Stadtobere sich zuallererst um Investition und Profilierung kümmern, dabei aber das Problem rechter Strukturen, die sich in Borna aufbauen, abtun, musste Antifa-Arbeit von anderer Seite organisiert werden. Auch die persönlichen Erfahrungen vieler „alternativer“ Jugendlicher aus Borna mit rechten Übergriffen hat dazu motiviert, aktiv zu werden.

Ein Lösungsansatz

… ist der im Januar diesen Jahres von engagierten Jugendlichen und Bürgern aus Borna gegründete Verein Bon Courage, der es sich zur Aufgabe gestellt hat, „mit Öffentlichkeits-, Bildungs- und Projektarbeit die Gedanken der Toleranz, Solidarität und Weltoffenheit zu vermitteln sowie umzusetzen.“ Die Zusammensetzung des Vereins ist etwas atypisch: drei Kommunalpolitiker mittleren Alters sehen sich knapp 40 Jugendlichen zwischen 14 und 25 gegenüber. Die „Inhomogenität“ des sich durchaus als links verortenden, auf demokratisch-bürgerlichen Prinzipien basierenden Vereins scheint zugleich auch seine Handlungsfähigkeit auszumachen. Von der Jungpunkerin bis zum mittelständischen Unternehmer engagiert sich jeder nach seinen/ihren Möglichkeiten. Minimalkonsens ist die mehr als notwendige antifaschistische Arbeit, über die sich die couragierten Bornaer/innen definieren. So kamen zwei sich bedingende Wünsche zusammen: einmal lokal etwas gegen das sich immer mehr zuspitzende Naziproblem und den Alltagsrassismus zu tun und dies gleich noch mit einer Vernetzung mit (über)regionalen Gruppen zu verbinden, wie z.B. mit: Jugendantifa/Sozialistische Aktion Muldentalkreis (ja/sam), Leipzig Courage zeigen e.V., linXXnet Leipzig, Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. (NDK), Opferberatung Leipzig/RAA Sachsen.

Seit seiner Gründung beteiligt sich der Verein regelmäßig an zahlreichen Veranstaltungen, Initiativen, Aktionen und Projekten. So war Bon Courage bspw. Beim Dritten Antifaschistischen Ratschlag am 27. Januar in Chemnitz, beim antirassistischen Sonntagsspaziergang am 18. März in Wurzen, beim BUKO 30 vom 06. bis 09. April in Leipzig (3) und beim 8. Gedenkmarsch für die Opfer der Todesmärsche am 06. Mai im Muldental vertreten. Vom 23. Juni bis zum 13. Juli lud der Verein unter dem Titel „Faschismus – gestern, heute, niemals wieder!“ ins Stadtkulturhaus und das Bürgerhaus „Goldener Stern“ nach Borna ein. Drei Sonnabende wurden mit Vorträgen, Diskussionsrunden, Filmvorführungen und begleitenden Ausstellungen gefüllt.

Der erste Aktionstag mit einem Zeitzeugenvortrag eines KZ-Überlebenden und „Moorsoldaten“ und gleich zwei Ausstellungen entsprach ganz dem Titel des ebenfalls gezeigten Films: „Auschwitz – gegen das Vergessen“. Dieser, nach Aussagen der Veranstalter gut besuchte Projekttag, wurde zum Abend hin von ca. 20 Neonazis zum Anlass genommen, sich vor dem Stadtkulturhaus zu sammeln, in der Absicht die Veranstaltung zu stören. Nur der Staatsgewalt ist es geschuldet, dass eine direkte Konfrontation ausblieb. Die zwei weiteren Aktionstage blieben von derartigen Bedrohungen zum Glück verschont. Das Programm bot neben einem Aussteigergespräch mit zwei ehemaligen Mitgliedern der Hammerskin-Szene zahlreiche Vorträge mit anschließenden Diskussionsrunden, wie z. B. zur Modemarke Thor Steinar, zur Bedeutung rechter Symboliken und Inhalten rechter Ideologien. Abgerundet wurde die Veranstaltungsreihe durch einen Vortrag vom Verein selbst über die wohl dringlichsten „Problemzonen und Gegenstrategien“: die Auseinandersetzung mit regionalen rechtsextremistischen Übergriffen und der Problematik der Zivilcourage.

Alles in allem drei von Bon Courage als voller Erfolg gewertete Projekttage, an denen im Schnitt 50 Besucher/innen teilnahmen. Dies war vom Verein aber nur als ein Anfang gedacht, dem weitere Projekte folgen sollen. Neben der Aktion „Mein Briefkasten gegen Rassismus“ (analog zu den „Bitte keine Werbung einwerfen“-Aufklebern) findet im Februar 2008 für etwa 20 Jugendliche eine Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz statt und es wird eine etwas andere Schulhof-CD geben. Auf dieser soll sich nicht nur Musik befinden, sondern u.a. auch ein Aussteiger- wie ein Opfergespäch, die in Zusammenarbeit mit der Polizeidirektion Sachsen und der Opferberatung Leipzig erstellt werden. Doch mit solch vollem Terminkalender gibt sich Bon Courage noch nicht zufrieden. An Ideen und Engagement mangelt es nicht, der Verein ist dennoch für jegliche Unterstützung und Anregung offen. Angedacht ist eine etwa vierwöchige Ausstellung über Vorurteilsverhalten im Bezug auf „alternativ“ aussehende Menschen. Die Ausstellung wird zusätzlich auf Wanderschaft gehen und ein Film zur Thematik soll als Bildungsmaterial an Schulen und öffentlichen Einrichtungen ausgegeben werden. Weiterhin geplant sind ein ganztägiges Musikfestival in Borna und eine Art Friedenslauf unter dem Leitsatz „Laufen und Courage zeigen.“

Eine kritische Betrachtung

… wert wäre zum einen die demokratisch-bürgerliche Position, auf die sich der Verein stellt. Dies geschieht in vollem Bewusstsein um die kleinstädtischen Verhältnisse, in denen zivilgesellschaftliches Engagement schon ein progressives Moment darstellt. Der offen zutage tretende Rassismus und Nationalismus der Jugend, einhergehend mit einer Gewaltbereitschaft, schafft tatsächlich „national befreite Zonen“, ist dabei nur die sichtbare Spitze einer bürgerlichen Basis. Die Einwohner/innen Bornas stellen die Hauptzielgruppe der Aufklärungsarbeit des Vereins dar, wobei auch hier der Fokus auf die Jugendlichen gelegt wird. Mit viel professioneller Pressearbeit (samt -sprecher und -mappe) wird versucht, den Inhalten eine breitere Öffentlichkeit zu geben und durch kontinuierliche Projektarbeit auf sich aufmerksam zu machen. Dabei beschleicht den einen oder die andere Beobachter/in das Gefühl, dass ein übermäßiger Aktionismus zu Lasten einer kritischen Reflexion desselben und der Erarbeitung einer gesellschaftspolitischen Theorie geht.

Die Wahl der Bündnispartner nach dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“, von jugendlichen Antifas über bürgerliche Demokraten bis hin zur Staatsgewalt, mag in der kritischen Situation in Borna begründet liegen und damit eine breitere Aktionsfront gegen (extrem) Rechts ermöglichen. Doch liegt in dieser Praxis auch die Gefahr, den Faschismus nur isoliert zu betrachten und nicht als substantiellen Teil der bestehenden gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse wahrzunehmen und letztlich notwendige theoretische Vertiefungen zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit aufzugeben. Wesentliche Ursachen werden so leicht übersehen beispielsweise aus der Aufklärungsarbeit ausgeblendet, wie der Zusammenhang von kapitalistischer Konkurrenz, bürgerlichem Nationalstaat und Militarismus mitsamt seinen gewaltverherrlichenden Aspekten. Die entscheidenden Impulse für jeden wirksamen Faschismus kamen und kommen schließlich aus der Mitte der Gesellschaft. In diesem Sinne wäre sicher etwas mehr Radikalismus statt Reformismus – zumindest im theoretischen Diskurs – wünschenswert. Nichtsdestotrotz leistet Bon Courage einen notwendigen und erfreulichen Beitrag zur antifaschistischen Aufklärungsarbeit und einer aktiver Gegenwehr. So bleibt zu hoffen, dass der ‚jugendliche‘ Optimismus nicht verraucht und die notwendige antifaschistische Arbeit weitergeführt wird, damit auch die Bürger Bornas sich positionieren und „Gesicht zeigen“ anstatt tatenlos zuzusehen, wie die Provinz zum nationalistischen und geschichtsrevisionistischen Moloch wird.

k. mille & droff

(1) als Zentrum der Holocaustleugner bekanntes rechtsextremes Schulungs- und Konferenzzentrum in Vlotho/Nordrhein-Westfalen, gegründet 1963 als „Heimvolkshochschule“ von NS-Funktionär Georg Haverbeck; vgl: www.nadir.org/nadir/periodika/aib/archiv/70/30.php
(2) Bon Courage rief an diesem Tag zu einer Mahnwache vor dem Vereinsgelände auf. Einige Jugendliche und Erwachsene setzten ein Zeichen, obwohl sie nicht weit über den Aufbau ihrer Schautafeln hinauskamen: etwa 50 zum Teil vermummte Rechtsradikale umstellten die Mahnwache und störten so massiv, dass die wenigen Polizisten den Teilnehmer/innen nach 40 Minuten einen Platzverweis zu ihrem eigenen Schutz aussprechen mussten.
(3) siehe FA!#25: „BUKO30: macht#netze? Fragen zum Internationalismus-Kongreß“

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