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Die Redaktion … spielt

… mit Kellen, Wölfen und Messern

Seit letztem Monat spiele ich wieder Tischtennis. Draußen, im Park oder gleich auf dem Spielplatz um die Ecke. Ich habe mir dafür eine kleine Tasche zugelegt, mit zwei Kellen und drei Bällen. Einer davon ist orange. Wenn ich jetzt bei Freunden an der Tür klingele und frage, ob sie mit auf den Spielplatz kommen, fühle ich mich wie fünf.

Außerdem spiele ich Okami – ein japanisches Videospiel, in dem ein weißer Wolf die Welt von finsteren Dämonen befreit. „Okami“ auf japanisch bedeutet Wolf, große Gottheit und weißes Papier. Mit mehreren Pinseln bewaffnet zerschneide ich Steine, male Wasser in ausgetrocknete Flüsse, lasse zerstörte Brücken neu entstehen und zeichne Sonnen in schwarze Wolken. Gottesgleich also. So richtig überzeugt von dem Spiel bin ich noch nicht. Die Idee mit den Pinseln statt Waffen hat aber was.

Letztes Jahr habe ich mit Freunden oft Flat Out gespielt – auch ein Videospiel, bei dem der Fahrer aus dem Auto in einem bestimmten Winkel und mit einer bestimmten Geschwindigkeit katapultiert wird, um auf eine Dartscheibe oder ins Tor oder durch Feuerringe zu fliegen. Am Ende liegt der Fahrer immer tot in der Ecke. Auch irgendwie gottesgleich, nur mit dem Unterschied, nicht die Welt zu retten, sondern einfach nur viele Punkte zu ergattern.

Ende letzten Jahres litt ich dann an einer Spiele-Überdosis. Non-Stop Flat Out, Romee, MauMau, Mensch ärgere dich nicht, Trivial Pursuit, Scrabble. Das Problem: Ich kann nicht verlieren und diskutiere bis aufs Messer, wenn ich Ungerechtigkeit wittere. Nicht mit allen. Eigentlich nur mit denen, die mir am nächsten stehen. Und eigentlich völlig sinnlos. Nicht so gut. In Spielen sehe ich dann nur noch Psychokriege, in denen sich jeder behaupten will.

Die Tischtennis-Saison ist aber noch jung. Bis jetzt habe ich mich noch nicht ins Spiel hineingesteigert. Bis jetzt will ich noch nicht immer gewinnen. Bis jetzt geht es noch um den Spaß. Manchmal muss ich mir noch still vorsagen, dass ich doch gewinnen will, um mich zu konzentrieren. Ich frage mich, wie lange es anhält. Gestern habe ich schon meinen Namen auf eine Kelle geschrieben.

tung

dagegen

Das Leben soll ja ein Spiel sein, ein Spiel des Lebens. Auf dieses Spiel hab’ ich aber keinen Bock mehr! Ein Kredit aufnehmen und das Studium beenden? Ich hab’ keinen Bock! Arbeiten und Karriere machen? Ich hab’ keinen Bock! Heiraten und Kinder kriegen? Ich hab’ keinen Bock! Eins ist mir mittlerweile klar geworden – an diesem Spielbrett bin ich falsch. Wird wohl Zeit, mir mein eigenes zu basteln. Ein Brett, wo ich über Los gehe, und alle um mich herum 20.000 Euro einziehen dürfen. Bis dieses Brett steht, dauert es aber noch ein Weilchen. Erstmal die Grundlagen schaffen: altes Brett nehmen und kaputtschlagen!

carlos

mitunter mit Gedanken

Mit sinnvollen wie sinnfreien, hellen wie dunklen und (gesellschaftlich) wertvollen wie auch völlig indiskutablen. Gedankenspiele sind dabei vor allem eines – die freie Entfaltung im Inneren, die Alternative zu realen Handlungszwängen, die Möglichkeit, überhaupt über gesellschaftliche Normen und Grenzen hinauszudenken. Da die Freiheit des einen bekanntlich da aufhört, wo die der anderen beginnt, ist es (fast) nur im Selbst möglich, wahnwitzige Ideen zu entwickeln oder überhaupt die eigene Persönlichkeit so zu entfalten, dass die gesellschaftliche Determination keinen Zombie hinterlässt. Das freie Spiel mit den Gedanken ermöglicht es mir erst woanders und mit anderen spielerisch tätig zu werden. Bei Gesellschaftsspielen, Wettkampfspielen, Wortspielen, sexuellen Spielen oder im Schauspielerischen, ja auch bei Machtspielen.

Ich spiele, also bin ich.

k.mille

… Karten- und Rollenspiele

Vielleicht ein bisschen old school, aber ich steh drauf: am runden Tisch mit Freunden und allerlei Genussmitteln sitzen und mit viel Phantasie in analoge Spielewelten tauchen. Die ansonsten bekämpfte Konkurrenzgesellschaft leb ich hier auch gern mal aus, inklusive Rumpöbeln. Ohne schlechtes Gewissen.

Besonders gut funktioniert das bei Skat-Abenden. Man muss gar kein alter Mann sein, um dort mit viel tamtam aufzutrumpfen, oder bei schlechteren Karten den Skat-Gott ob der Kartenverteilung zu verfluchen. Besser noch den Gegner beschimpfen, wenn er am gewinnen ist. Aber ich will hier kein falsches Bild hinterlassen, denn oftmals spiele ich auch ganz friedfertig – vor allem dann, wenn ich selbst ganz vorne throne.

Eine andere gute Gelegenheit, um sonst beherrschte Emotionen, konträre Haltungen oder ungeahnte Facetten des selbst mal auszuleben, bieten sich in so genannten Krimi-Rollenspielen. Als Abendfüllendes Programm konzipiert, schlüpfen 8-10 Menschen (am besten Freund_innen) in ganz unterschiedliche Rollen und spielen beispielsweise einen Mönch, Magier oder Möchtegern-Popstar. Die Aufgabe besteht nun darin herauszufinden, wer aus der illustren Runde der_die Mörder_in einer fiktiven getöteten Person ist. Zwar sind die Mordgeschichte, diverse Indizien und personelle Verstrickungen durch das story-board vorgegeben, allerdings bleibt noch genügend Spielraum um der Rolle den eigenen Stempel aufzudrücken. Herrlich, mit welcher Genugtuung ich als arroganter Magier über den Pöbel herziehen kann. Noch dazu erfinde ich auch neue Zauber, so dass irgendwann alle hoffentlich vor Furcht erstarren….

Der Phantasie freien Lauf lassen kann man übrigens auch mit dem Dixit-Kartenspiel. Platz drei meiner aktuellen best-of-Liste. Wunderschöne, verspielte und interpretationsoffen gezeichnete Bilder bilden hier die Basis. Die Aufgabe besteht darin eines davon assoziativ mit Worten zu belegen, ohne zu viel dabei zu verraten. Denn bestimmte Karten der Anderen sollten auch irgendwie dazu passen können.

Ja ich steh auf Spiele. Vor allem dann, wenn sie zwischenmenschliche Geselligkeit fördern, Phantasie anregen und mir ermöglichen in fremde Welten zu tauchen oder mich mal richtig gehen zu lassen. Mit vielen analogen Karten-, Brett- und Rollenspiele geht das vortrefflich. Und zu entdecken gibt es da noch jede Menge. Vielleicht ein bisschen old school – aber ich steh drauf.

momo

… mit

Sehr schön, denn wer spielt nicht gern? Brettspiele, Kartenspiele, Wortspiele, Schauspiele etc..

Soweit so gut. Doch ist das schon alles? Was spiele ich? Denn immerhin heißt die Rubrik ja „Die Redaktion spielt“ und mir schwirren bei diesem Begriff so massenhaft Gedanken durch den Kopf. Daher habe ich vor mit dem Begriff spielen zu spielen und zu schauen, was denn eigentlich alles dahinter steckt.

Anfangs denkt man häufig an Kinder, denn die sind ja ständig am Spielen. Dies ist meist ein positives Spielen. Man hat Spaß, kann etwas dabei lernen und verbringt eine schöne Zeit. Mit steigendem Alter spielt man dann immer weniger. Zumindest diese Art von Spielen. Allerdings ist nicht jede Art von Spielen eine rein positive. Menschen spielen auch im Stillen, ohne der anderen Person davon zu berichten. An dieser Stelle wird das Spielen nicht nur einseitig, sondern zum Teil auch manipulierend. Ich will damit nicht sagen, dass dies in jedem Fall bewusst geschieht und immer eine genaue Absicht dahinter steht, aber es kommt durchaus vor. Manchmal spielt man Menschen aber auch etwas vor, um nicht oder weniger verletzbar zu sein bzw. eine andere Person nicht zu verletzen. Ob das nun gut oder schlecht ist – darüber lässt sich streiten. Darum soll es aber an dieser Stelle auch gar nicht gehen. Sehen wir mal eben davon ab und wenden uns wieder der positiven Art von Spielen zu. Ich mag zum Bleistift auch Wortspiele sehr gern. Und auch beim Sex wird des öfteren gespielt, die unschuldigen Rollenspiele der Kindheit wandeln sich so z.B. in eine ganz andere Richtung oder allein der Begriff Sexspielzeug weist darauf hin, dass Sex durchaus einen spielerischen Charakter haben kann und hey, macht ja auch Spaß – sollte es zumindest ;). Manchmal spielt man auch einfach mit Gedanken. Es ist interessant wie weitläufig, dieser Begriff ist, aber wie oft er nur so eindimensional betrachtet wird. Zugegeben, er ist so weitläufig, dass ich irgendwie nicht so recht einen roten Faden zustande bringe. Ich springe von einem Gedanken zum nächsten. Schreibe – verwerfe. Ein Teil sagt mir, dass ich mir doch ohne weiteres ein „Spiel“ raus suchen könnte, um das Ganze einfacher zu gestalten aber ein Anderer fände das schlichtweg viel zu langweilig. Dann lieber ein holpriger Text, der nicht so einfach von der Hand geht und außerdem ist es ja auch per se nichts schlechtes. Es kann durchaus einen positiven Effekt haben einmal feste Schemata zu überwinden und den Gedanken(spielen) freien Lauf zu lassen.

R!

Faschismus – gestern, heute, niemals wieder!

… so der Titel der Projekttage des Vereins „Bon Courage e.V.“ , die im Juni/Juli diesen Jahres die sächsische Kleinstadt Borna aufrütteln sollten. Borna, eine Stadt die in vielen Köpfen (Ost)deutschlands nur einen Vornamen trägt: Nazihochburg.

Das Problem

… stellt sich in Borna in einer neuen Qualität dar: hier hat der geschichtsrevisionistische Verein Gedächtnisstätte e.V. ein Zuhause gefunden, wo sich ungestört das who-is-who der deutschen Auschwitzleugnerszene trifft. Regelmäßig fahren hier die großen Wagen „bedeutender“ Herrschaften vor, um Vorträgen zu lauschen, wie dem des Generalmajors a.D. Gerd Schultze-Rhonhof, der einen „kritischen Blick“ auf die Ereignisse vor dem 2. Weltkrieg warf. Aber auch jugendliche Schlägertrupps, teilweise in der Kameradschaft Borna organisiert, die mit etwa 20 Übergriffen in den letzten zwei Jahren ein Klima der Gewalt in Borna und Umgebung schufen, gehen dort ein und aus. Die Betreiber/innen des Vereins bestreiten freilich jegliche Verbindungen zu sogenannten Schlägernazis, doch klar ist: sie sind der begrüßte und geförderte militante Arm eines bürgerlich-nazistischen Milieus, das in Borna fest verwurzelt ist.

Eine Schlüsselfigur im Verein Gedächtnisstätte ist Mitgründerin Ursula Haverbeck-Wetzel, ebenfalls Gründungsmitglied des Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten und bis vor kurzem Vorsitzende des Collegium Humanum (1). Mit von der Partie auch der Solinger Bauunternehmer Günther Kissel, der sich für den Hauptteil der Finanzierung verantwortlich zeichnet. Auch er ist ein führendes Mitglied im Vereinsgeflecht, so lud er beispielsweise 2003 u.a. Ursula Haverbeck-Wetzel, Horst Mahler und last but not least den Ritterkreuzträger und Rechtsanwalt Hajo Herrmann zu einer Besprechung in sein Privathaus ein. Herrmann ist neben RAF-Gründungsmitglied Mahler, der später u.a. Hauptverteidiger im NPD-Verbotsverfahren war, der wohl bekannteste und offensivste Vertreter seiner zweifelhaften Zunft. Das ehemalige Mitglied von Hitlers Luftwaffenführungsstab profilierte sich u.a. durch die Verteidigung bekannter Holocaustleugner wie David Irving, Otto Ernst Remer und den US-amerikanischen „Gaskammer-Experten“ Fred Leuchter. Herrmann hatte zusammen mit Finanzier Kissel schon mehrfach versucht, ein geeignetes Gelände für den Verein Gedächtnisstätte zu erwerben, was ihnen schließlich über einen Herrn Limmer in Borna gelang.

Dieser wurde von der Stadt nicht mit der rechten Szene in Verbindung gebracht und kaufte, mit der Absicht eine Begegnungsstätte für Russlanddeutsche zu schaffen, bereits 2005 das 10.000 m² große schlossähnliche Grundstück an der Röthaer Strasse für nur 99.000 Euro. Der Verein Gedächtnisstätte eröffnete im März 2007 mit einer revisionistischen Ausstellung über das „Leid“ der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg (2), womit offensichtlich wurde, dass die angegebene Nutzung bloß ein Vorwand war. Das Verhältnis der Stadt Borna zu dem Verein scheint jedoch ein recht harmonisches zu sein, bis auf den kleinen Streit Ende 2005 um ein 12m hohes Gedenkkreuz aus Stahl. Dieses Kreuz sollte zentraler Teil der 250.000 Euro teuren Gedenkstätte sein, einem Rondell aus 12 Granittafeln, welches ausschliesslich deutsche Vertriebene, Bombentote, Kriegsgefangene und „von alliierten Soldaten vergewaltigte Frauen und Mädchen“ ehren soll. Der Bauausschuss Borna hatte das Kreuz zunächst genehmigt, doch konnte die Stadt den Baustopp noch rechtzeitig durch ein Urteil vor dem sächsischen Oberverwaltungsgericht erwirken. Das verdankt sie der Aufmerksamkeit und dem politischen Druck der Landrätin Petra Köpping, die öffentlich machte, dass der Verein zur rechtsextremen Szene gehört. Das von der Metallbaufirma des Oberbürgermeisters Schröter hergestellte Kreuz wurde infolge der damit entstandenen Öffentlichkeit nicht ausgeliefert. Mit der Verflechtung von Wirtschaft und Politik, die sich häufig in Personalunionen (OB Schröter) zeigt, ist Borna keine Ausnahme zu anderen (Klein)städten. Da einige Stadtobere sich zuallererst um Investition und Profilierung kümmern, dabei aber das Problem rechter Strukturen, die sich in Borna aufbauen, abtun, musste Antifa-Arbeit von anderer Seite organisiert werden. Auch die persönlichen Erfahrungen vieler „alternativer“ Jugendlicher aus Borna mit rechten Übergriffen hat dazu motiviert, aktiv zu werden.

Ein Lösungsansatz

… ist der im Januar diesen Jahres von engagierten Jugendlichen und Bürgern aus Borna gegründete Verein Bon Courage, der es sich zur Aufgabe gestellt hat, „mit Öffentlichkeits-, Bildungs- und Projektarbeit die Gedanken der Toleranz, Solidarität und Weltoffenheit zu vermitteln sowie umzusetzen.“ Die Zusammensetzung des Vereins ist etwas atypisch: drei Kommunalpolitiker mittleren Alters sehen sich knapp 40 Jugendlichen zwischen 14 und 25 gegenüber. Die „Inhomogenität“ des sich durchaus als links verortenden, auf demokratisch-bürgerlichen Prinzipien basierenden Vereins scheint zugleich auch seine Handlungsfähigkeit auszumachen. Von der Jungpunkerin bis zum mittelständischen Unternehmer engagiert sich jeder nach seinen/ihren Möglichkeiten. Minimalkonsens ist die mehr als notwendige antifaschistische Arbeit, über die sich die couragierten Bornaer/innen definieren. So kamen zwei sich bedingende Wünsche zusammen: einmal lokal etwas gegen das sich immer mehr zuspitzende Naziproblem und den Alltagsrassismus zu tun und dies gleich noch mit einer Vernetzung mit (über)regionalen Gruppen zu verbinden, wie z.B. mit: Jugendantifa/Sozialistische Aktion Muldentalkreis (ja/sam), Leipzig Courage zeigen e.V., linXXnet Leipzig, Netzwerk für Demokratische Kultur e.V. (NDK), Opferberatung Leipzig/RAA Sachsen.

Seit seiner Gründung beteiligt sich der Verein regelmäßig an zahlreichen Veranstaltungen, Initiativen, Aktionen und Projekten. So war Bon Courage bspw. Beim Dritten Antifaschistischen Ratschlag am 27. Januar in Chemnitz, beim antirassistischen Sonntagsspaziergang am 18. März in Wurzen, beim BUKO 30 vom 06. bis 09. April in Leipzig (3) und beim 8. Gedenkmarsch für die Opfer der Todesmärsche am 06. Mai im Muldental vertreten. Vom 23. Juni bis zum 13. Juli lud der Verein unter dem Titel „Faschismus – gestern, heute, niemals wieder!“ ins Stadtkulturhaus und das Bürgerhaus „Goldener Stern“ nach Borna ein. Drei Sonnabende wurden mit Vorträgen, Diskussionsrunden, Filmvorführungen und begleitenden Ausstellungen gefüllt.

Der erste Aktionstag mit einem Zeitzeugenvortrag eines KZ-Überlebenden und „Moorsoldaten“ und gleich zwei Ausstellungen entsprach ganz dem Titel des ebenfalls gezeigten Films: „Auschwitz – gegen das Vergessen“. Dieser, nach Aussagen der Veranstalter gut besuchte Projekttag, wurde zum Abend hin von ca. 20 Neonazis zum Anlass genommen, sich vor dem Stadtkulturhaus zu sammeln, in der Absicht die Veranstaltung zu stören. Nur der Staatsgewalt ist es geschuldet, dass eine direkte Konfrontation ausblieb. Die zwei weiteren Aktionstage blieben von derartigen Bedrohungen zum Glück verschont. Das Programm bot neben einem Aussteigergespräch mit zwei ehemaligen Mitgliedern der Hammerskin-Szene zahlreiche Vorträge mit anschließenden Diskussionsrunden, wie z. B. zur Modemarke Thor Steinar, zur Bedeutung rechter Symboliken und Inhalten rechter Ideologien. Abgerundet wurde die Veranstaltungsreihe durch einen Vortrag vom Verein selbst über die wohl dringlichsten „Problemzonen und Gegenstrategien“: die Auseinandersetzung mit regionalen rechtsextremistischen Übergriffen und der Problematik der Zivilcourage.

Alles in allem drei von Bon Courage als voller Erfolg gewertete Projekttage, an denen im Schnitt 50 Besucher/innen teilnahmen. Dies war vom Verein aber nur als ein Anfang gedacht, dem weitere Projekte folgen sollen. Neben der Aktion „Mein Briefkasten gegen Rassismus“ (analog zu den „Bitte keine Werbung einwerfen“-Aufklebern) findet im Februar 2008 für etwa 20 Jugendliche eine Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz statt und es wird eine etwas andere Schulhof-CD geben. Auf dieser soll sich nicht nur Musik befinden, sondern u.a. auch ein Aussteiger- wie ein Opfergespäch, die in Zusammenarbeit mit der Polizeidirektion Sachsen und der Opferberatung Leipzig erstellt werden. Doch mit solch vollem Terminkalender gibt sich Bon Courage noch nicht zufrieden. An Ideen und Engagement mangelt es nicht, der Verein ist dennoch für jegliche Unterstützung und Anregung offen. Angedacht ist eine etwa vierwöchige Ausstellung über Vorurteilsverhalten im Bezug auf „alternativ“ aussehende Menschen. Die Ausstellung wird zusätzlich auf Wanderschaft gehen und ein Film zur Thematik soll als Bildungsmaterial an Schulen und öffentlichen Einrichtungen ausgegeben werden. Weiterhin geplant sind ein ganztägiges Musikfestival in Borna und eine Art Friedenslauf unter dem Leitsatz „Laufen und Courage zeigen.“

Eine kritische Betrachtung

… wert wäre zum einen die demokratisch-bürgerliche Position, auf die sich der Verein stellt. Dies geschieht in vollem Bewusstsein um die kleinstädtischen Verhältnisse, in denen zivilgesellschaftliches Engagement schon ein progressives Moment darstellt. Der offen zutage tretende Rassismus und Nationalismus der Jugend, einhergehend mit einer Gewaltbereitschaft, schafft tatsächlich „national befreite Zonen“, ist dabei nur die sichtbare Spitze einer bürgerlichen Basis. Die Einwohner/innen Bornas stellen die Hauptzielgruppe der Aufklärungsarbeit des Vereins dar, wobei auch hier der Fokus auf die Jugendlichen gelegt wird. Mit viel professioneller Pressearbeit (samt -sprecher und -mappe) wird versucht, den Inhalten eine breitere Öffentlichkeit zu geben und durch kontinuierliche Projektarbeit auf sich aufmerksam zu machen. Dabei beschleicht den einen oder die andere Beobachter/in das Gefühl, dass ein übermäßiger Aktionismus zu Lasten einer kritischen Reflexion desselben und der Erarbeitung einer gesellschaftspolitischen Theorie geht.

Die Wahl der Bündnispartner nach dem Motto „der Feind meines Feindes ist mein Freund“, von jugendlichen Antifas über bürgerliche Demokraten bis hin zur Staatsgewalt, mag in der kritischen Situation in Borna begründet liegen und damit eine breitere Aktionsfront gegen (extrem) Rechts ermöglichen. Doch liegt in dieser Praxis auch die Gefahr, den Faschismus nur isoliert zu betrachten und nicht als substantiellen Teil der bestehenden gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse wahrzunehmen und letztlich notwendige theoretische Vertiefungen zugunsten einer erhöhten Handlungsfähigkeit aufzugeben. Wesentliche Ursachen werden so leicht übersehen beispielsweise aus der Aufklärungsarbeit ausgeblendet, wie der Zusammenhang von kapitalistischer Konkurrenz, bürgerlichem Nationalstaat und Militarismus mitsamt seinen gewaltverherrlichenden Aspekten. Die entscheidenden Impulse für jeden wirksamen Faschismus kamen und kommen schließlich aus der Mitte der Gesellschaft. In diesem Sinne wäre sicher etwas mehr Radikalismus statt Reformismus – zumindest im theoretischen Diskurs – wünschenswert. Nichtsdestotrotz leistet Bon Courage einen notwendigen und erfreulichen Beitrag zur antifaschistischen Aufklärungsarbeit und einer aktiver Gegenwehr. So bleibt zu hoffen, dass der ‚jugendliche‘ Optimismus nicht verraucht und die notwendige antifaschistische Arbeit weitergeführt wird, damit auch die Bürger Bornas sich positionieren und „Gesicht zeigen“ anstatt tatenlos zuzusehen, wie die Provinz zum nationalistischen und geschichtsrevisionistischen Moloch wird.

k. mille & droff

(1) als Zentrum der Holocaustleugner bekanntes rechtsextremes Schulungs- und Konferenzzentrum in Vlotho/Nordrhein-Westfalen, gegründet 1963 als „Heimvolkshochschule“ von NS-Funktionär Georg Haverbeck; vgl: www.nadir.org/nadir/periodika/aib/archiv/70/30.php
(2) Bon Courage rief an diesem Tag zu einer Mahnwache vor dem Vereinsgelände auf. Einige Jugendliche und Erwachsene setzten ein Zeichen, obwohl sie nicht weit über den Aufbau ihrer Schautafeln hinauskamen: etwa 50 zum Teil vermummte Rechtsradikale umstellten die Mahnwache und störten so massiv, dass die wenigen Polizisten den Teilnehmer/innen nach 40 Minuten einen Platzverweis zu ihrem eigenen Schutz aussprechen mussten.
(3) siehe FA!#25: „BUKO30: macht#netze? Fragen zum Internationalismus-Kongreß“

NazisNixHier