Freundliche Helfer

Nach Informationen aus Regierungskreisen besteht kein Grund zur Beunruhigung.

„Es wäre doch schade, wenn das jetzt hier eskalieren würde. Bisher waren eure Proteste doch so schön friedlich.“ * – Eine banale Beschreibung dessen, worauf es der herrschenden Politik im Umgang mit der Studibewegung ankommt. Alles soll möglichst schön konstruktiv ablaufen. Symbolischer Protest ist okay, solange nichts „eskaliert“. Misstrauisch beäugt die Polizei die vielschichtige und spontane Streikbewegung bei der jede Kriminalisierung durch die überwiegend positive Berichterstattung der Medien erschwert wird. Studierende genießen durch ihre Vorzeigefunktion als zukünftige Elite anscheinend mehr Narrenfreiheit als andere protestierende Gruppen, wie beispielsweise AntifaschistInnen, die oft von vornherein zu „Chaoten“ gestempelt werden.

Mehr und mehr studentische Aktionen machen aber deutlich, dass der zugestandene Rahmen symbolischer Proteste zu eng ist, für Leute, die etwas bewegen wollen. Gleich zum Streikauftakt wird das Rektorat besetzt und anlässlich des Schröder-Besuchs Polizeisperren durchbrochen. Auf den ersten Blick wirken die Bewahrer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konzeptlos. Wie ist mit so einer heterogenen Masse jung-dynamischer Leute bloß umzugehen? Mit den laufenden Aktionen offenbart sich von Seite der Obrigkeit allerdings ein interessantes zweigleisiges Konzept.

Während auf der einen Seite dem symbolisch-konstruktiven Protest öffentlicher Raum gegeben wird, sollen ihm aber ganz klar Grenzen gesetzt werden. Schließlich erkennt man bei den Studis auch durchaus Potential, das sich radikalisieren könnte – spätestens seit `68 ist bekannt, wie sich Bewegungen, die mit vergleichsweise harmlosen Forderungen anfangen, zu einem Generalangriff aufs Herrschaftsgefüge ausweiten können. Eine solche Entwicklung muss auf jeden Fall vermieden werden und so ganz ohne Repression soll es jedenfalls nicht abgehen: Leute, die etwas länger das Megafon in Händen halten, werden (möglichst) diskret zur Seite geführt: Personalienfeststellung. Andere, die sich in kleiner Gruppe vorwagen, um über den 08-15-Protest hinauszugehen, werden festgehalten – es gibt Platzverweise mit dem Hinweis, sich „nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen“, man „kenne Sie ja schon“. Während im Allgemeinen ein kollegial-kumpelhafter Ton gegenüber den Protestierenden gepflegt wird, versucht die Polizei mit umfassender Überwachung der Proteste, „Rädelsführer“ und „Extremisten“ ausfindig zu machen, gegen die mit Einschüchterung oder Anzeigen vorgegangen werden kann, wie neuerdings gegen die StörerInnen des Dresdner Landtags.

Einer sozialen Bewegung klare Grenzen zu setzen, ohne den Polizeistaat zu offensichtlich werden zu lassen, ist theoretisch nicht möglich, praktisch aber anscheinend schon. So „eskaliert“ nichts und alles bleibt „schön friedlich“. Natürlich nach der Definition der grundfriedlichen Polizei.

soja

* „Einsatzleiter“ der Polizei bei der angedrohten Räumung des Regierungspräsidiums, 28.1.

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