Es läuft bekanntlich so einiges falsch. Das meiste sogar miserabel. Und wir können uns über alles aufregen, denn immerhin erfahren wir es. So die weitverbreitete Einstellung sich kritisch fühlender Menschen. Nur wer, das ist die Frage, hat denn aus „normalen“ Medien etwas über den größten deutschen Dauer-Polizeieinsatz gehört, der jemals außerhalb eines Gipfels stattfand und Köln für die erste Augusthälfte in den „Ausnahmezustand“ (0-Ton Polizei) versetzte? Nur wenige regten sich auf über dauernde Kontrollen, Straßensperren und Verhaftungen durch den „Grünen Block“.
Lediglich die Kölner Lokalpresse traute sich, tagelang gegen „Gewalttouristen", „Chaoten" und „Schläger" zu hetzen, womit jedoch ironischerweise nicht die omnipräsenten Grünuniformierten gemeint waren…
Auslöser für die gigantische Repressionsmaschinerie, die sage und schreibe 8300 meist schwer gepanzerte Beamte mitsamt Wasserwerfern, Räumpanzern, Hubschraubern und so weiter aufbot, war das diesjährige Antirassistische Grenzcamp das sich auch dieses Mal wieder auf die Fahnen geschrieben hatte, staatlichen und gesellschaftlichen Rassismus zu demaskieren und anzugreifen.
Menschen mit nichtdeutschem Aussehen und dem falschen Pass werden hierzulande ausgegrenzt, in Lager gesperrt, zur Drecksarbeit gezwungen und bei Nichtausnutzbarkeit abgeschoben. Menschenleben und -schicksale spielen für diese perfide Verwertungspolitik keine Rolle, sie bedient sich vielmehr (weil´s so schön einfach ist) der noch widerlicheren Rassismen, die in Deutschland immer noch gegen „Untermenschen“ und ähnlich „undeutsches“ Gesindel existent sind, letztendlich, um von der eigenen Ausbeutungssituation ablenken zu können. Ein Relikt der NS-Zeit, sowohl mental als auch ökonomisch.
Als „Spitzen des Eisbergs" thematisierte das Grenzcamp besonders die als Abschreckung gedachte Zwangsunterbringung von MigrantInnen in Lagern und die brutale Abschiebepraxis, bei der BGS-Beamte schon so manchen Flüchtling umbrachten. Beiden Praktiken gemeinsam ist, dass private Konzerne aus dem Leid der Menschen saftige Gewinne schlagen. So die Hotelgruppe Accor, die „Ferienlinie“ LTU und die Lufthansa AG. Diese hervorstechenden Beispiele bilden Ansatzpunkte für Antirassistische Öffentlichkeitsarbeit sowohl mit Flugblättern und lautstarken Demos als auch mit Direkten Aktionen und echt subversiver Kommunikationsguerilla („deportation class"). Und so gelang es den Aktivistinnen des Camps in der ersten Augustwoche einigermaßen, den öffentlichen Raum umzugestalten und der Brutalität der herrschenden Ideologie etwas buntes, anderes entgegenzusetzen – etwas, auf das ein Staat nur eine Antwort kennt….
Am Morgen des 9. August, die Polizei war schon hochmotiviert dabei, eine Nazi-Demonstration zu schützen und Antifaschistinnen fest zu nehmen, wurde das komplette Camp von etwa zwölf Hundertschaften Bereitschaftspolizei umzingelt. Knüppel und Tränengas wurden eingesetzt, viele verletzt. Die Polizei stellte den Leuten bei fast 40 Grad das Wasser ab und fing irgendwann mit dem Abtransport der „Gefangenen“ an, von denen einige 16 Stunden im Kessel verbringen mussten.
Die Polizei, die den ganzen Tag über den Eindruck von Hooligans vermittelte, stützte sich bei dem Raid auf das genehmigte Camp auf eine schwammige „allgemeine Gefahrenabwehranalyse“. Worum es eigentlich ging war wohl nicht die Beendigung des Camps (das wäre am nächsten Tag eh vorbei gewesen) sondern vielmehr um das Sammeln von über 500 Datensätzen der eingekesselten Menschen für den Staatsschutz.
Antirassismus wird also kriminalisiert – Rassismus und Menschenrechte sind ein Tabuthema für unsere ach so tolerante Staatsmacht. Diese könnte sich mit einer derart willkürlichen Repressionsmaßnahme allerdings selbst ein Bein gestellt haben, denn trotz der ziemlich gleichgeschalteten Presse, die meist gar nichts und wenn dann meist Hofberichterstattung brachte, kam es in ganz Europa zu einer Welle der Solidarität. Allein in Deutschland fanden in über 30 (!) Städten, darunter auch in Leipzig, Demos und Besetzungen statt. Das Motto: „Köln ist überall – das camp(f)en geht weiter!" In Frankreich, Spanien und Italien kam es zu weiteren, grenzenlosen Protesten und natürlich auch wieder zu Verhaftungen und Repression. Dass kein Wort davon in irgendwelchen etablierten Medien zu sehen oder zu hören war, zeigt einmal mehr, was für ein gefährliches Thema mit Antirassismus angeschnitten wird und wie wichtig es ist, eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen!
Dies könnte weiter dazu beitragen eine offensive, antirassistische Bewegung zu schaffen, die sich nicht auf Staaten bezieht, sondern die Kernpunkte gesellschaftlicher Herrschaft, nämlich jede Form von Grenzen angreift und abschafft.
no nation no border – fight law and order
soja
An der Grenze