Mörder zum Anfassen

Alle Jahre wieder ist die Bundeswehr mit ihrer Ausstellung „Heer on tour“ quer durch die Republik auf der Suche nach Rekruten und nach Akteptanz. So auch über Pfingsten auf dem Kleinmessegelände in Leipzig. Einige kriegskritische Menschen konnten bei diesem Spektakel natürlich wieder mal nicht zu Hause bleiben.

Streitkräfte zum Anfassen“ so lautet das Motto der Ausstellung. Nicht nur die Vorführungen des militärischen Großgerätes – wie Panzer und Hubschrauber in der Bewegung – sollen die Besucher in den Bann ziehen, sondern es wird auch durch ein vielfältiges Infor­mationsangebot ein tiefer Einblick in die Lebens- und Arbeitswelt der Soldaten gewährt werden.“ *

„Ach sooo aufgeräumt muss ein Spind sein? Tut das eigentlich weh, wenn man untern Leopard II kommt? Und wie viele Afghanen erledigt so ein Hubschrauber pro Minute?“ Fragen über Fragen.

Das Mitteilungsbedürfnis „unserer Jungs“ hat seine Gründe. Zwar bewerben sich massenhaft junge Arbeitslose beim Bund, nur die Qualität lässt zu wünschen übrig. Nazis und Hauptschüler reichen eben nicht aus, für den Aufbau einer High-Tech-Kolonialarmee im Dauer­einsatz.

Um für zukünftige Kriege aus den vollen schöpfen zu können, soll der Bewerberpool möglichst groß gehalten werden. Waffenbegeisterte Familienväter und nostalgische Weltkriegsveteranen stören natürlich auch nicht, sind sie es doch, die die Kontinuität des Militärischen in unserer Gesellschaft sicherstellen, aber eigentlich geht es um „die Jugend“:

Erfreulich (…) die zahlreichen Schulklassen, die sich vor Ort gezielt „rund um den Bund“ informieren. Die Ausstellung bietet Schulen einen besonderen Service an. Auf Wunsch werden Schulklassen kostenlos abgeholt und erhalten eine Führung…“ *

Logisch, Schulklassen sind ja traditionell wunderbar für alles zu mobilisieren, bloß raus aus der öden Schule.

Am Freitag, dem 27. Mai ist „Wan­dertag“. Grund genug für zig Lehr­kräfte, ihre Klassen zur Waffenschau der Armee zu fahren, die aus ersichtlichen Gründen alle sächsischen Schulen eingeladen hat. Bei den zum Ausstellungsbesuch Zwangs­verpflich­teten stellt sich allerdings bald eine gewisse Null-Bock-Stimmung ein. – Und darauf haben es die 14 gutgelaunten Aktivist­Innen abgesehen, die mit 1500 Flugblättern und Transparent auf der kleinen Messe eintreffen.

Der auf Wan­dertagen übliche antiautoritäre Reflex entlädt sich bei unserem Auftauchen in spontanem Antimilitarismus. Beim Aufspannen des Transpis und den ersten verteilten Flyern haben wir sofort einen Fanblock. Mittel- und Oberschüler­Innen lassen sich nicht lange überreden, die subversiven Schriften gegen Staat und Militär weiter zu verteilen. Oberfeldwebel Schmidt** ist der Ansicht, noch etwas retten zu können und versucht, mit uns über die Vorteile der Bundeswehr zu diskutieren. Nach einer vollen Blamage zieht er sich unter dem Gelächter der Anwesenden taktisch zurück.

Während die direkte Ju­gend­arbeit vor dem Tor das öffentliche Bild dominiert und die Wachsoldaten immer zerknirschter gucken, versuchen einige Leute drinnen, eine Bühne zu besetzen, was nach kurzem Tumult von den Feldjägern geklärt wird. Die sympathischen Jungs mit der weißen Schär­pe sind erwartungsgemäß wild darauf, ihr Gewaltmonopol anzuwenden.

Draußen, wo ein Schild vor „Schuss­waffengebrauch“ warnt, werden immer mehr Sprechchöre gerufen, der Eingangsbereich von uns und den Sympathi­santInnen belagert. „So kann das nicht weitergehen.“ denkt sich der überforderte Oberfeldwebel Schmidt und ruft die Freunde und Helfer in Grün-Weiß. Sichtlich begeistert über soviel Verstärkung müssen diese ihm erst mal erklären, dass das ja „nur die Linksradikalen“ seien, die „immer sowas machen“ und dass sie „da auch nicht viel in der Hand“ hätten. Die halbherzigen Platzverweise der genervten Beamten lassen sich einiger­maßen ignorieren und so sind nach drei Stunden alle Flyer verteilt. Den letzten Stapel nehmen einige Elft­klässler aus Pirna mit, die damit ihre schulinterne Debatte ankurbeln wollen.

Für uns geht es dann mit aufgekratzter Stimmung zum zweiten Frühstück. Inhaltlich radikale Einbrüche in den öffentlichen Diskurs können manchmal was sehr erfolgreiches sein.

Und nicht nur für uns: Sowohl für die SchülerInnen, die ihr Polit-Event hatten, als auch für die Beamten, die uns den halben Tag Eis essend bewachen durften. Am meisten aber wohl für den cleveren Eisverkäufer, der sich auch gleich auf die richtige Seite schlug: „Bundeswehr? Find isch ooch voll scheiße.“

soja

*www.deutschesheer.de
**Name von der Redaktion geändert

Lokales

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