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Vernetzung im Stadtteil

Gespräch zwischen „Soziale Kampfbaustelle“ und „Vernetzungstreffen Ost“

Im April trafen wir uns mit zwei Vertreter_innen lokaler Initiativen, bei welchen wir ähnliche Vorgehensweisen zu entdecken meinten. Die einen, Soziale Kampfbaustelle (SoKaBa), im Leipziger Westen, wollen eine solidarische Struktur zwischen den bestehenden linken Projekten und darüber hinaus anregen und ins Leben rufen. Die anderen, NetzOst, im Leipziger Osten, wollen ein solidarisches Miteinander und eine Organisation von unten aller Menschen in der Nachbarschaft. Gemeinsam schien uns die Zielsetzung, in den Stadtteil hineinzuwirken und von links eine Lösung für alltägliche Konflikte wieder zu entdecken oder zu verstärken.

 

SoKaBa: Die Idee ist vor ein paar Monaten entstanden aus einer allgemeinen Debatte darüber, was eigentlich gerade in Plagwitz und Lindenau passiert. Wir haben festgestellt, dass es mächtig rund geht, viel wird erneuert und gebaut, gleichzeitig haben wir viele Krisenphänomene. Leute haben viel Ärger mit dem Arbeitsamt, werden aus ihren Wohnungen und Vierteln verdrängt und es gibt darüber wenig Austausch in linken Kreisen. Uns geht es um eine Vernetzung, damit wir uns gegenseitig kennenlernen und tätig werden, und gleichzeitig um eine Auseinandersetzung und Debatten, in denen wir eine Perspektive entwickeln können, wie wir damit umgehen wollen. Wir wollen also nicht auf einen Schlag mit dem dicken Hammer, den wir wahrscheinlich nicht besitzen, dagegen vorgehen, sondern Strategien für den Alltag entwerfen.

NetzOst: Unsere Ziele sind relativ ähnlich. Die Idee vom Vernetzungstreffen entstand aus dem Ostarm der Sterndemo gegen Legida. Die Demo ist dann allerdings ausgefallen und wir haben dann eben dieses Treffen veranstaltet. Am Anfang ging es vor allem um Legida und kreativen Protest, welche – vielleicht neuen – Strategien wir entwickeln können. Ein anderes Thema war, wie wir Leute im Kiez willkommen heißen können, die geflüchtet sind. Im Verlauf der Treffen, die einmal monatlich stattfinden, haben wir unseren Fokus verändert und auch verbreitert. Wir hatten verschiedene Themen, öfters solche, die sich auf Geflüchtete beziehen und auch Gentrifizierungsthemen. Meistens beziehen wir uns damit eben auf den Stadtteil. Das nächste Treffen (24. April 2016) wird sich vor allem mit solidarischen Strukturen auseinandersetzen. Die Organisierenden kommen alle mehr oder weniger aus einem zeckigen Milieu und darum haben wir Kontakt zu politischen Gruppen, die verschiedene Themenfelder bedienen. Das Vernetzungstreffen versteht sich als Struktur, welche Leuten offen steht, die ein Thema haben und das mit anderen teilen wollen. Dafür haben wir auf jedem Treffen auch die AG-Slots, wir übernehmen die Moderation, die Leute gestalten dann den Rest. Bisher gehen allerdings eher wir auf Leute zu. Dass unser Ansatz stadtteilbezogen ist, liegt auch daran, dass wir einfach nicht größer sind und nicht die Kapazitäten haben, über den Leipziger Osten und unsere Kontakte vor Ort hinauszuwirken.

FA!: Habt ihr Fragen aneinander an diesem Punkt?

SoKaBa: Ich frage mich, ob das für alle offen ist, also, sind die kompletten Leute aus der Nachbarschaft eingeladen? Weil das ist etwas was uns sehr wichtig ist, denn wir wollen auch mit der Öffentlichkeit arbeiten und mit politischen Leuten, die bereits gegen Staat, Nation und Kapital aktiv sind. Mir geht es nicht darum, eine alternative Radwerkstatt einzurichten, wo die Leute hingehen, um Zeit und Geld zu sparen und kaufen sich dann von der Kohle die übrig bleibt ne Playstation und verbringen ihre gesparte Zeit damit. Ich möchte, dass unsere Arbeit weiterführende Effekte hat, dass die Leute dadurch mehr Zeit, mehr Mut, mehr Kraft entwickeln und einfach mehr Kohl haben, um sich gegen Dinge zu wehren. Es soll ein kleiner Schritt sein in der kleinsten Organisationseinheit, der eigenen Nachbarschaft, für ein sich stetig ausweitendes revolutionäres Konzept. Hier anfangen, hier das Viertel widerständiger machen, weil dann weiß ich, dass ich rausgehen kann und besser arbeiten, weil ich weniger Angst haben muss.

NetzOst: Wir haben den Fokus ein Stück weiter unten. Wir sind nicht so niedrigschwellig wie andere Orte, wo coole Dinge wie zusammen malen oder Sozialberatung stattfinden, aber sind auch nicht so stark politisiert. Niedrigschwelligkeit ist auf jeden Fall ein Punkt, der uns sehr wichtig ist. Wir bieten Übersetzungen auf Englisch und Arabisch an, haben aber leider nicht die Heterogenität des Publikums, die wir uns wünschen und haben zur Zeit vor allem ein linkes, weißes Studimilieu. Wir versuchen mit der Gestaltung der Brachfläche auf der Eisenbahnstraße woanders anzusetzen und fragen: was seht ihr in der Brache? Außerdem wollen wir ein Stadtteilfest im September organisieren, weil es erstmal darum geht, in Kontakt miteinander zu kommen. Wir haben viele Gruppen im Osten, die parallel nebeneinander herleben und wir alle sind Teil und betroffen von Gentrifizierung, und das müssen wir zusammen angehen. Man kann nicht mit allen über stark politische Themen sprechen, aber mit einer Pluralität von Themen kann man eben verschiedene Menschen an verschiedenen Stellen erreichen. Solidarität im Stadtteil kann Gentrifizierung nachhaltig etwas entgegensetzen! Wie ist es bei euch im Westen? Du hast ja auch schon erwähnt, dass viele Leute nicht im Kontakt stehen, ihr euch das aber wünschen würdet…

SoKaBa: Das gibts tatsächlich in vielen Stadtteilen, dass die Initiativen nebeneinander her existieren und klar das ist okay, weil die meisten eh schon so wenige sind und dann auch noch vernetzen, Struktur zieht immer Energie und Zeit und auch Geld. Die linke Szene hat bestimmte Strukturen, die sie sehr lange hat und die auch unglaublich hilfreich sind, solche Sachen wie die Rote Hilfe oder das Anarchist Black Cross, die ungemein helfen weil ich dann weiß, ich werde nicht in den finanziellen Ruin getrieben, nur weil ich mich was getraut habe. Wenn man sich mit älteren Genossen unterhält, dann erfährt man, dass es sowas früher auch für den Reproduktionsbereich gab, palettenweise Sachen mitnehmen und dann verteilen, oder Kampfkassen gegen das Jobcenter. Das ist mein Traum, eine materielle Infrastruktur herzustellen, die es Menschen ermöglicht, existentielle Ängste grade an so Schwellen wie Übergang zur Lohnarbeit, Kinderkriegen etc. zu überwinden, nicht rauszufallen und weiterzumachen. Aus der eigenen Betroffenheit, der ersten Person heraus die Dinge angehen, Freiräume erkämpfen und von da weiterzumachen, damit irgendwann der nächste Aneignungsschritt passieren kann. Wir sind enorm wenige, auch wenn das in Leipzig oft anders aussieht.

SoKaBa: Das Spannende ist gar nicht unbedingt das Camp, das wir dann im Sommer vorhaben, sondern schon die Treffen davor. Dass Leute zusammenkommen, über ihre eigene Betroffenheit reden und zusammen an Ideen arbeiten, wie man Probleme sozial und politisch angehen kann und zwar so, dass es nicht einfach nur eine Beratungsstruktur ist. Ich musste das auch erst lernen, es ist besser, wenn ich bestimmte Dinge nicht alleine mache. Ich kenne das aus der Autonomen Erwerbsloseninitiative, ich habe auf einmal nicht mehr soviel Angst, da sitzen 15 Leute, die solidarisch mit mir sind. Das hat was von sozialer und emotionaler Arbeit zusammen und dann auch politischer, wenn ich mir mit den anderen überlege, wie man sich wehren kann und das dann auch tue. Diese Erfahrungen bereitzustellen wollen wir hinkriegen.

NetzOst: Man kann Menschen erreichen, die schon organisiert sind und das machen wir auch. Es gibt verschiedene Anlaufstellen im Osten, das Seniorencafé, eine Anlaufstelle für Straßenkinder oder andere, die schon organisiert sind. Wir haben vor hinzugehen und mit den Leuten zu quatschen, ob sie nicht Lust haben, einen Stand beim Stadtfest zu machen oder ähnliches. Das ist dann der Punkt, wo das Gespräch beginnt und man in einen Austausch tritt. Es ist nicht unser primäres Ziel und ich halte es auch für schwierig, Menschen zu politisieren. Es ist schön, wenn sich Leute in einem solidarischen Miteinander zusammentun und Lösungen entwickeln für geteilte Probleme. Die Art, wie mit der Öffentlichkeit umgegangen wird ist eine andere wie bei einer Partei, die die Kohle für Stände und so weiter hat und mit deren Struktur die Leute vertraut sind oder im Gegensatz dazu versucht, das eher in einem Miteinander zu lösen. Also nicht so: Hier sind die Infos und jetzt wählt uns doch!, sondern indem man Dialoge schafft.

SoKaBa: Zum Unterschied dazu ist, was zum Beispiel jetzt an rechten Massenbewegungen in Deutschland entsteht. Das wird ja nicht durch tatsächliche Betroffenheit gebildet, sondern durch ein vorgestelltes Bedrohungsgefühl, das vollkommen an den Haaren herbeigezogen ist. Die Leute haben in der Realität ganz andere Probleme und die wissen das eigentlich auch. Da kommt auch der Punkt rein, dass es eine Kommunikation über eigene Betroffenheit braucht und nicht über Dinge, die nur in der Vorstellung der Leute stattfindet. Uns geht es darum, nicht exklusiv zu sein, denn umso mehr wir sind, umso stärker sind wir. Alleine machen sie dich ein, und wenn du Privilegien nur für eine Gruppe willst, begibst du dich in irgendwelche komischen und gewaltsamen Wettbewerbe rein, die ich grundsätzlich ablehne. Die Hoffnung ist ja, dass Leute erkennen, wieviel Kraft darin liegt, den eigenen Alltag gegen die kapitalistischen Widersprüche stark zu machen und das für alle zu öffnen, irgendwann. Das ist ein politischer Prozess, der erstmal mit den Widersprüchen umgehen muss, und dann stößt man auch auf die Frage: Wer ist denn das, alle?

NetzOst: Wir würden nicht sagen, wir machen das für Menschen, die politisch sind und erweitern dann den Kreis. Wir versuchen gleichzeitig auf verschiedene Weisen zu wirken. Wir wollen durch eine Solidarität im Stadtteil wirken, bei der gleich alle da sind. Wir haben natürlich Veranstaltungen, die ein politisch linkes Milieu bedienen und sich dadurch auch das Netzwerk verdichtet und so werden wir auch effektiver, auch wenn das ein blödes Wort ist, und wir treiben die Reflexion und den Austausch, der fehlt, voran. Gleichzeitig geht es aber auch darum, Menschen zu vernetzen, die gar keine politische Anlaufstelle haben, entweder weil sie nicht politisiert sind oder neu in der Stadt. Alle zu erreichen, ist schwierig, wer sind diese alle, und alle haben vielleicht auch keinen Bock. Da muss man auch schauen, welche Räumlichkeiten man wählt. Wir haben auch keinen Bock auf Parteien, trotzdem haben wir gesagt, dass wir die Anfangsveranstaltung im Linken-Büro von Peter Hans Franz Sodann, wie auch immer der heißt, weil es einfach ein Raum ist, der nicht zugetaggt ist. Leute haben einfach Angst, bestimmte Schwellen zu übertreten, grade zu linken Szeneläden. Wir sehen uns autonom gegenüber Strukturen, die Hierarchie reproduzieren, dennoch ist es etwas Vertrautes zu sagen, man geht jetzt bei der Linken ins Büro.

sam

Klassenkampf, Organizing und das Verbinden der Kämpfe

Interview mit der Ortsgruppe Leipzig der Industrial Workers of the World

FA!: Aus welchen politischen Zusammenhängen und Berufsgruppen kamen die zu anfangs Beteiligten? Woher kam die Bewegung, eine IWW-Gruppe Leipzig/Halle zu gründen?

Die Leipziger Gruppe ist relativ studentisch bzw. akademisch geprägt. Viele von uns sind noch an der Uni als Studierende oder wieder an der Uni als Promovierende oder Dozierende. Wir haben aber auch Mitglieder, die gerade eine Ausbildung machen (im sozialen Bereich) oder bereits lohnarbeiten (bspw. im Callcenter oder als NachhilfelehrerIn).

Die Idee, eine Gruppe zu gründen, entstand, als wir genügend Wobblies (so werden die IWW-Mitglieder auch genannt) dafür zusammen hatten. 2014 waren wir noch zu zweit, nach einiger Zeit jedoch kamen ein paar Leute dazu. Als wir schließlich zu fünft waren, im Januar 2015, dachten wir uns, dass es nun Zeit ist, eine neue lokale Struktur aufzubauen.

FA!: Was sind eure Ziele für die nächste Zeit und die absehbare Zukunft in Leipzig und Halle? Gibt es einen bestimmten Bereich, in dem organisiert werden wird?

Unser primäres Ziel ist es natürlich zu organizen! Dafür haben wir uns die IWW als unsere Gewerkschaft ausgesucht. Wir wollen nicht von außen oder stellvertretend Arbeitskämpfe führen, wir wollen dort, wo wir arbeiten auch gewerkschaftlich tätig werden. Es gibt einige erste Ideen sich im Hochschulbereich zu organisieren – die Inspiration kommt dafür unter anderem aus Frankfurt am Main, wo sich eine basisdemokratische Gewerkschaftsinitiative („unter_bau“ heißt sie) für diesen Bereich gegründet hat.

FA!: Für diejenigen, die sich bisher noch nicht mit der Frage der Organisierung an der Arbeitsstelle beschäftigt haben – an wen richtet ihr euch und was sind eure konkreten Handlungsangebote und Möglichkeiten der Ermächtigung?

Als eine basisdemokratische Gewerkschaft gehen wir davon aus, dass es zum Organizen am Arbeitsplatz nicht wahnsinnig viel braucht, sondern jeder und jede dazu in der Lage ist. Natürlich braucht es Tipps und die richtigen Werkzeuge, die Unterstützung und Beratung aus den Ortsgruppen.

Genau das stellen wir bereit.

Innerhalb der IWW gibt es die sogenannten Organizing Trainings. Dort vermitteln wir unseren Mitgliedern wie sie an ihrem Arbeitsplatz erste Betriebsgruppen aufbauen können. Darüber hinaus wird der Prozess von der Gruppe vor Ort begleitet. Für die überregionale Vernetzung (bspw. mit Fellow Workers, die in der selben Branchen organisieren) gibt es das sogenannte OrganizingKommitee.

Für uns ist der Erfahrungsaustausch, da wir selbst aktiv werden wollen (und müssen), das A und O. Aus diesem Grund schauen wir auch immer, was die Wobblies in Nordamerika oder Großbritannien gerade machen und wie sich ihre Kämpfe entwickeln.


FA!: Was ist, wenn ich arbeitslos bin, vielleicht auch aus einer irgendgearteten politischen Überzeugung? Welche sozialen Milieus finden sich in der IWW wieder?

Ob arbeitslos, Studi, prekär beschäftigt, VollzeitarbeiterIn oder SeniorIn. Nach unserer Auffassung sind wir alle Teil der lohnabhängigen Klasse und haben dementsprechend unter dem Lohnsystem mit seiner Ausbeutung und Unterdrückung zu leiden. Und genau darum brauchen alle Lohnabhängigen auch eine Gewerkschaft bzw. brauchen wir sie in der IWW. Und tatsächlich kommen unsere Mitglieder aus ganz unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen, unterschiedlichen Branchen und sozialen Milieus. Da kann schon mal eine Soziologie-Studentin neben dem Hüttenarbeiter, dem Rentner oder der Sozialarbeiterin auf einem Treffen sitzen. Das ist auch der Gedanke hinter unserem Namen: Industrial Workers of the World bedeutet gewissermaßen „eine Gewerkschaft für die Arbeiter und ArbeiterInnen aller Industrien, weltweit“ (wobei Industrien als Berufszweige oder Branchen verstanden werden können).

Dem internationalen Anspruch werden wir auch ganz gut gerecht. Wir haben im deutschsprachigen Raum einige Wobblies, die nach Deutschland oder Österreich emigriert sind und sich bereits vorher oder vor Ort der IWW angeschlossen haben.

Ähnlich divers sieht es auch mit den politischen Überzeugungen aus. Die Leute kommen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Bedingung ist allerdings, dass sich unsere Mitglieder und die Ortsgruppen zur IWW-Präambel bekennen, also bspw. ebenfalls den Kapitalismus überwinden wollen. Und natürlich gibt es auch für Diskriminierungsformen bei uns keinen Platz. Darüber hinaus jedoch sind die Leute unterschiedlich aufgestellt, was manchmal durchaus zu Konflikten führen kann.
FA!: Was haltet ihr von einer Strategie, wie sie die Solidarity Networks bspw. in den USA, aber auch in Griechenland oder Spanien verfolgen – diese scheint ja eher von einer Art auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgedehnten Kampffelds auszugehen?

Wir wollen uns durchaus nicht beschränken auf das Thema Lohnarbeit, weil wir wissen, dass alle gesellschaftlichen Bereiche (wie eben bspw. Wohnen) vom Kapitalismus bestimmt und untereinander eng verknüpft sind. Darum begrüßen wir es, wenn sich die Idee der Selbstorganisierung auch auf andere Kämpfe überträgt oder sogar Kämpfe miteinander verbunden werden.

 

FA!: Was bedeutet es für euch, in der BRD des Jahres 2016 eine revolutionäre Strategie zu verfolgen, auch gerade mit Blick auf die transnationale Ausrichtung der IWW?

Wir merken natürlich, dass wir es als klassenkämpferische Gewerkschaft noch nicht leicht haben. Aber wir merken auch, dass sich Arbeiter und ArbeiterInnen von den etablierten großen Gewerkschaften ungenügend repräsentiert fühlen. Und durch die Erfahrungen der Wobblies in anderen Ländern, wissen wir, dass sich relativ schnell sehr viel entwickeln kann. Plötzlich bspw. werden im Niedriglohnsektor erfolgreich Kampagnen geführt – ein Bereich der bisher bei vielen reformistischen GewerkschafterInnen als unorganisierbar galt! Und es werden Kämpfe selbst organisiert, ohne FunktionärInnen, mit direkten Aktionen geführt. Das zeigt uns, dass klassenkämpferische Gewerkschaftspolitik heute nicht nur notwendig, sondern natürlich auch möglich ist.

Die transnationale Ausrichtung ist hierbei natürlich wichtig. Eine revolutionäre Perspektive kann nur eine globale sein. Langfristig müssen die LohnarbeiterInnen aller Länder ihre Kämpfe gemeinsam bestreiten.

 

FA!: Welche Erfolge konnte denn die IWW in den letzten Jahren verzeichnen?

In der IWW wurden in den letzten Jahren erfolgreich Arbeitskämpfe und Kampagnen geführt. In den USA bspw. gibt es rund 800 Gefangene, die Wobblies sind und in den Knästen durch die IWW unterstützt werden. Sie hat auch an Erfahrungen, an Internationalität und Mitgliedern gewonnen. In Großbritannien sind es innerhalb weniger Jahre über 1000 IWW-Mitglieder geworden und auch im deutschsprachigen Raum machen wir einige Fortschritte hinsichtlich unserer Betriebsarbeit und Zuwachses. Es gibt inzwischen 10 offizielle Ortsgruppen, es gibt unterschiedlich große Betriebsgruppen und es gibt sogar einen IWW-Betriebsrat. Zu tun bleibt natürlich genügend!


FA!: Ein Schlusswort?

Wir möchten uns ganz herzlich für das Interview bedanken! Obwohl wir als strömungsübergreifende Gewerkschaft den Anspruch haben alle Arbeiterinnen und Arbeiter zu organiseren, wundern wir uns immer wieder darüber, dass das Thema Betriebsarbeit innerhalb der autonomen oder libertären Linken so unattraktiv ist. Dabei gibt es mit der IWW oder auch der FAU (Freie ArbeiterInnen-Union) inzwischen Gruppen, die mit ihren basisdemokratischen und klassenkämpferischen Ansätzen die direkte Möglichkeit zur antikapitalistischen Praxis bereit stellen!
infos: www.wobblies.de/leipzig

Die Redaktion … läuft

sich die Hacken wund

auf der Suche nach der richtigen Füllung für die neue, 55. Ausgabe vom Feierabend!, die dieses Mal von einigen neuen Autoren gefüttert wurde. Wir sind schon gespannt, wie die Themen der aktuellen Gazette bei unseren LeserInnen ankommen werden, aber fest steht, dass die Feierabend!-Redaktion einen langen Atem hat und immer noch Feuer spuckt!

balu

 

im Hamsterrad

Sicher passt der Vergleich nicht ganz – Hamster fahren bekanntlich voll darauf ab, im Laufrad rumzulaufen. Einen Menschen kann das aber wirklich mürbe machen, immer in Bewegung zu sein, ohne von der Stelle zu kommen, wie es die Lohnarbeit mit sich bringt. Seit einigen Monaten gehe auch ich nun einer geregelten Beschäftigung nach. Im Call Center, was sicher nicht das Geilste von der Welt, aber immerhin ganz okay ist. Die Kolleg_innen sind großteils sympathisch, die Kund_innen meist nett und die Tätigkeit halbwegs sinnvoll. Kann man machen, wenn man muss.

Aber natürlich ist Arbeit ein gesellschaftliches Zwangsverhältnis, egal, wie nett der Zwang sich auch gestaltet. Ein Hamsterrad eben, bei dem man die eigene Lebenszeit an irgendwelche Kapitalist_innen verkauft, um das Geld zu verdienen, das einem dann von anderen Kapitalist_innen wieder weggenommen wird. Arbeiten, um Geld zu kriegen, um sich Nahrung, Wohnung, Kleidung usw. kaufen zu können, die man braucht, um weiter arbeiten zu können. Und generell nervt es natürlich, dass dabei viel zu wenig Zeit für einen selber… Verdammt, ich muss Schluss machen. Arbeiten gehen.

justus

 

amoralischen amok

mit pantinen aus panzergarn. ri ra rutsch, wer fährt mit der schwäbschen eisenbahn? nicht die redaktion, sie läuft ins abseitige, ins gebüsch, nein halt, doch nur über die plastegrüne wiese zur autobahnraststätte, wo die fliessbandbabies ihr trauriges bodypainting herzeigen. fi fa futsch, wer flüstert dir ins ohr, dieses land hier sei es nicht, damit du es nicht vergisst? die redaktion, na klar! in diesem sinne, pfui spinne auf das kältere dytshland, läuft bei dir ehrenamt im untergrundverband? amokamoröse grüsze vom laktoseintoleranten vulkan der ferne!

sam

durch den Wald

Oder besser gesagt: Will eigentlich gern regelmäßig durch den Wald laufen, kommt aber dann irgendwie doch nie dazu. Es gibt einfach zu viele Gründe, die eine_n dann doch davon abhalten. Hitze, Kälte, falsche Tageszeit, Müdigkeit, Mathehausaufgaben (die man dann doch nie macht) usw. Dabei scheint das „Laufen“ an sich für viele Menschen eine sehr bedeutende Rolle im Leben zu spielen. „Wie läuft‘s?“ ist oft das erste, wonach sich Menschen bei mir erkundigen, wenn sie mir begegnen. Beliebt sind außerdem das etwas weniger sportliche „Wie geht‘s?“ oder auch „Was geht?“ für Leute, die noch nicht genau wissen, wer oder was sich da eigentlich fortbewegen soll. Ich sage dann oft einfach „gut“ (was es bedeutet, gut zu laufen oder zu gehen, ist nicht offensichtlich. Mir sei aber der Verweis auf Monty Python‘s „Ministry of silly walks“ erlaubt) oder, ebenso kryptisch wie die Frage, „`s läuft“, manchmal auch „geht so“.

Na gut, ich gebe zu, die meisten Menschen erkundigen sich nicht nach der Art, wie ich physisch meine Position im dreidimensionalen Raum verändere, sondern nach meinem Befinden. Wie aber die Fragestellung nahelegt, ist dieses in unserer Gesellschaft sehr stark mit einem persönlichen Fortkommen verbunden. Denn nur wer sich beständig weiter entwickelt, immer lernt und nicht müde wird, sich an der Karriereleiter immer höher zu hangeln, hat die Chance (und in der bürgerlichen Ideologie überhaupt das Recht) auf ein gutes Leben. Wer nicht kräftig strampelt, verliert das Gleichgewicht und fällt auf die Nase. Und wer unten liegt, darf kein schönes Leben haben. Wenn sie_er‘s doch hat, ist sie_er faul, ein Schmarotzer_in oder eine linke Zecke.

An dieser Stelle kommt auch wieder der Zusammenhang zur echten, sportlichen Fortbewegung, zum Laufen zustande. Körperliche Fitness, welche durch den Sport erreicht werden soll, kann nämlich wunderbar in mehr Arbeit umgesetzt werden. Menschen, die nicht für ihre Gesundheit sorgen, leisten weniger und beanspruchen evtl. noch Geld von der Krankenkasse, sind also ebenfalls „Parasiten“. In dieser Ideologie wird der eigene Körper letztendlich der freien Entscheidung des Individuums entzogen und dem gesellschaftlichen Interesse unterstellt. Er wird zum „Corpus Delicti“.

Da ich diese bürgerlichen Wertvorstellungen ziemlich scheiße finde und ich beim Nachdenken über all das sowieso jede Lust auf Fortbewegung, und zwar sowohl im physischen, wie auch im gesellschaftlich-bürgerlichen Sinne, verloren habe, bleib ich heute lieber sowohl auf meinem physischen, als auch auf meinem sinnbildlichen kapitalismuskritischen Sofa liegen und genieße den Stillstand.

trk