WENDEBECKEN 2004: Deutsche Polizei auf dem Vormarsch

oder: Die Gewalt geht vom Staate aus!!   

Am 08. September 2004 umzingeln 1400 schwer bewaffnete Polizeikräfte das als Wendebecken bekannte Areal zwischen dem Lager der Staatsoper und einer Parzelle des Gartenbauamtes in Hamburg/Barmbek, unter dem Vorwand, nur einen Befehl auszuführen. Genauer einen Räumungsbefehl, der auf dem politischen Willen des städtischen Parlaments fußt und der repressiven Linie seiner Prota­gonis­tInnen folgt. ‚Egal’, denkt sich der gemeine Polizist, der da am frühen Morgen sauer aufstoßend durchs Gestrüpp in das Gelände eindringt, ‚Befehl ist Befehl und Recht ist Recht’. Wie lautete die Begründung für die Räumung noch mal? Ach ja, auslaufender Mietvertrag und Grünfläche geplant. Zwar gibt es noch keinen Finanzierungsplan, aber der politische Wille bestehe schon. Alles klar!? Die Stadt will eine noch zu fi­nan­zierende Grünfläche anstelle eines kostenfreien Wa­genplatzes Wendebecken; beschauliche Blümchen anstelle eines alternativen soziokulturellen und politischen Zentrums. Wieso? Weshalb? Warum? – niemand aus dem riesigen Überfallkommando stellt sich an jenem Morgen diesen Fragen.

JedeR der Beamten rechnet scheinbar mit erbittertem Widerstand, anders sind Aufwand und Ausrüstung nicht zu erklären. Und was war da nicht alles an Vorbereitungen auf der Gegenseite gelaufen. Eine Aktionswoche seit dem Auslaufen des Mietvertrages am 31.08.2004 mit Soli-Veranstaltungen, Kulturprogramm, Demonstrationen, Protestaktionen und der Besetzung des Nachbargrundstücks. Aufrufe, Briefe, Stellungnahmen. Die ent­schei­dungstra­genden Parla­men­ta­rierInnen haben sich derweil auf die andere Seite gedreht und mü­de gegrunzt: Wir halten an unserer Linie fest (siehe Wohnwagengesetz). Auslauf des Nu­tzungsvertrages. Räumung. Ersatz gibt es nicht. Verhandlungen? Später … vielleicht. Genug Fruststau also, um … – der gemeine Polizist tastet unruhig nach den Waffen, während er zusammen mit einer Hundertschaft über eine Mauer vorrückt.

Wenig später. Einige Grünbehelmte popeln am verbarrikadierten Haupttor. Hunderte stehen ratlos davor und auf dem ganzen Platz. Höhere Beamte markieren gerade einen Wagen mit Eins – wie ers­ter Abtrans­port. An­stelle dass die städtisch beorderte Staatsmacht mit­ten in einem Bürgerkrieg steht, wie ihr Aufzug suggeriert, befindet sie sich in einem Laboratorium des gewaltfreien Widerstands. Eine Ankettung auf einem riesig ho­hen und wack­ligem Turm, zwei direkt am Tor. Eine in Fässer einbetonierte Menschenkette vor einem gekreuzten Wagen. Zwei weitere, einzelne Einbetonierungen auf dem Platz. Zusätzlich zwei Tripods (1) und eine Ankettung in einem Baum. Aber die Überraschung ist nur von kurzer Dauer. Alltag. Routine. Es ist zu bezweifeln, dass eineR der BeamtInnen vor Ort nur einen Moment über den Mut und die Entschlossenheit der Bewohner und Bewohnerinnen des Wendebeckens nachgedacht hat. Daß diesem ein ernstzunehmendes Bedürfnis zu Grunde liegen könnte, hat wohl keineR in Erwägung gezogen. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Die beiden am Tor wurden schnell losgelöst und verhaftet, der Turm erstürmt, die Tripods fasst umgekippt, bei dem schließ­lich erfolgreichen Versuch dutzender Beamter, sich der ausharrenden Menschen dort zu bemächtigen. Die Einbetonierten wurden teilweise aufgebohrt, teil-weise mitsamt dem Betonfaß aufs Nachbargelände transportiert. Einigen Ärger machte noch der Mensch im Baum, der nur unter Einsatz seines Lebens und rüdester Methoden „befreit“ werden konnte. Am frühen Nachmittag rollten die ersten Wagen vom Gelände. Zu ihrer letzten Fahrt. Adieu Wendebecken, das war’s dann wohl. Und ein Hoch auf die beschaulichen Blümchenwüsten!

Die Soli-Protest-Demonstration mit ca. 1000 TeilnehmerInnen am Abend verläuft unter dem Eindruck des massiven Polizeiaufgebotes ohne größere Zwischenfälle.

clov

Mehr Infos unter:
www.wendebecken.org
www.de.indymedia.org
www.bambule-hamburg.de
www.squat.net/de/

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