Archiv der Kategorie: Feierabend! #20

Editorial FA! #20

Da sind wir wieder, 15 Tage später als geplant, aber dafür mit altbekannter Rou­tine. Sechs Wochen sind dann doch verdammt knapp, um den ganzen logis­tischen Apparat des Feierabend! auf Touren zu bringen, unsere Lust und Inspiration mit einbegriffen. Nach wie vor sind wir deshalb darauf angewiesen, daß sich mehr Leute an dem Projekt beteiligen, auch wenn wir mit dem aktuellen Heft wieder einige neue Schreiberlinge be­grüßen können. Also Großstadtindianer dieser Welt, macht Euch auf …

Bei der Vorbereitung der Ausgabe 20 haben wir viel grundsätzlich über Inhalt und Form des Heftes nachgedacht. Die Gespräche waren wie immer hitzig, am Ende fruchtbar und mündeten prompt in zwei neuen Rubriken. Unter der Lupe wollen wir den Blick auf hiesige Projekte lenken und über Anspruch, Organisation und Geschichte informieren. Den Anfang macht ein lebensnaher Bericht über die Gieszerstraße 16. Desweiteren haben wir ein neues Forum für unsere LeserInnen konzi­piert, auf dessen Erfolg/Mißerfolg wir schon ganz gespannt sind.

Unser Plenum steht im übrigen jedem offen und kann bei Interesse jederzeit besucht werden (gelegentlich auch von Redak­tionsmitgliedern). Schreibt uns einfach flink eine Email an feierabendle@web.de und wir teilen euch den nächsten Termin mit.

Diesmal liegen auch die schon im letzten Heft erwähnten Broschüren zum Thema Genua‘01 mit bei.

Fäustlinge raus und ab in den Winter!

Eure Feierabend!-Redax

Leben, Lieben, Lachen, Selbermachen

Zur Frage der Selbstorganisierung des Projekts Gieszerstraße 16

Die Anfänge: Hausbesetzung als künstlerisches Mittel

Am 19. April 1997 besetzte eine Gruppe junger Menschen eine seit 6 Jahren leerstehende Villa in der Karl-Heine-Straße 4. Sie initiierten dies künstlerisch als ein Hochzeitsschauspiel zwischen ihnen als Bräutigam Arthur und der Villa Karla als Braut. Damit wollten sie ausdrücken, dass die Verbindungen zwischen Kunst und Wohnen mit Spaß an Verantwortung und Selbstorganisation sich nicht widersprechen. Karla bekam von ihrem Bräutigam Hände, Lippen, Herz, Adern, ein Antlitz aus Pappmachee, ein Hirn aus Watte und ein Lie­bes­ver­sprechen. Ihr gemeinsames Leben sollte auf Geben und Nehmen, Glück und Harmonie basieren. Kar­la gab Arthur den Raum, sich selbst zu realisieren und im Gegenzug wollte Arthur stets für Karla da sein, um sie vor Verwahrlosung und Verfall zu retten.

Dieser Ehe hat jedoch der Münchener Hausbesitzer und die sogenannte „Leip­ziger Linie“ der Stadt widersprochen, die nicht mehr sahen als eine illegale Hausbesetzung, welche unter keinen und sei es noch so gut gemeinten Umständen geduldet werden kann. Es kam zur Räumung von Karla durch ein riesiges Polizeiaufgebot. Die Scheidung war vollzogen, jedoch die Liebe blieb erhalten, sowie die Feststellung, dass für selbstorganisierte und -verwaltete Wohnfläche, Kunst und Projekte Raum gebraucht wird. Die hausbesetzenden KünstlerInnen trugen ihren Protest in die Öffentlichkeit. Zum Beispiel wurde vorübergehend das Gewandhaus mit Ketten versperrt, um in der Trauer einer verlorenen Liebe nicht alleine zu sein. Bis zu Konzertbeginn wurden die Karten­besitzerInnen mit kostenloser Straßen­kunst, Gauklern, Gesang, Bongo-Rhyth­men, Transparenten und Informationen abgelenkt. 1997 bis 1998 wurde weiterhin die heimlose Kunst mit vielen anderen kreativen Aktionen auf die Straßen der Innenstadt gebracht. Dieser Protest blieb nicht ohne Auswirkungen – der damalige Jugendamtschef Wolfgang Tiefensee räumte ein, dass die Stadt Leipzig zu Gesprächen über Ausweichprojekte bereit wäre.

Ein langjährig leerstehendes Industriegelände in der Gießerstr. 16 in Leipzig-Plagwitz wurde bald selbst gefunden und eine neue Liebe begann. Die Stadt Leipzig als Eigentümer war zu Gesprächen bereit und es kam zu Verhandlungen. Die ehemaligen hausbe­setzenden Künstler wurden zu Ini­tiatoren des Pro­jekts G16. Im April 1999 erhielten sie als Verein „Stadtteilförderung, Wohnen und Kultur e.V.“ einen einjährigen Besitz-Überlassungs­vertrag für dieses 3600 qm große Gelände mit alten Fabrikgebäuden, die teilweise unter Denkmalschutz stehen. Nachdem der Vertrag im April 2000 auslief, sprach das Grundstücks-Verkehrsamt eine weiter­führende Duldung aus und die Nutzung des Geländes für selbstorga­nisierte Wohn-, Kultur, und Werk­stattprojekte konnte weitergehen. Die Organisierung als e.V. war und ist eine vorteilhafte Voraussetzung für Verhandlungen und juristisches Instru­ment, um mit der Öffentlichkeit Kontakt zu halten. Nach innen fungiert sie jedoch nicht als direkter Vorstand, da angestrebt wird, Entscheidungen im Konsens zu treffen. Die Sanierung der Gebäude und der Erhalt der Projekte wurde ernst genommen. Dafür sind in der Ver­gangenheit Fördermittel von Bund und Europäischer Union beantragt und für einzelne Projekte auch bereitgestellt worden. Verhandlungen über den Besitzstatus mit der Stadt sind seit den Anfängen eines der größten Probleme des Projekts, welches bisher glücklicherweise noch immer geduldet wird. Wer heute 190.000 Euro der Stadt Leipzig für dieses Gewerbegrundstück bietet, kann morgen schon der neue Eigentümer sein. Die Zukunft bleibt also ungewiss.

Was bedeutet Selbstorga­nisation für die Gieszer 16? Ansprüche und Realität

Die G16 ist leider meist nur bekannt für ihre preisgünstigen abendlichen Kon­zertveranstaltungen, bil­ligen Getränke, großen Tanzflächen und erhöhten Sitzmöglichkeiten. Auf die Klobrillen sollte man sich zum späten Abend bzw. frühen Morgen aber nicht mehr setzen und festes Schuhwerk wäre auch angebracht. Das dämmrige, flackernde oder blitzend-grelle Licht lässt nicht immer zerschellte Bierflaschen erkennen. Der Kickertisch ist stets besetzt und das Warten auf die nächste Runde wird gerne durch das Schlürfen eines Cocktails verkürzt. Oft wird veganes Essen angeboten oder es gibt auch kleine Stände, wo Platten und CDs, Klamotten und Aufnäher erworben werden können. Doch welcheR abendliche BesucherIn denkt am nächsten Morgen daran, wer aufräumen wird oder fragt sich, ob es wohl einen Grund für die Veranstaltung gab? Wer schaut hinter die Kulissen?

Die G16 bezeichnet sich als „kulturelles Zentrum zur Förderung emanzipatorischer Gesellschaftskritik und Lebensart“. Es ist ihr Anspruch, Kunst und Kultur nicht kommerzialisieren zu wollen und ein selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Leben und Arbeiten umzusetzen. Die 14 BewohnerInnen und viele andere Nutzer­Innen organisieren und verwalten das Projekt in Eigeninitiative, freiwillig und unentgeldlich. Selbstorganisation heißt Verantwortung für­ein­ander und für das Projekt zu übernehmen und sich im Alltag zu unterstützen. Dies zielt auf ein praktisches Handeln mit möglichst weitgehender Eigen­ständigkeit gegenüber den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Im Kapitalismus bedeutet Selbstorganisation, sich der Verwer­tungslogik zu entziehen und aus eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten heraus zu überleben und zu agieren. Die G16 finanziert sich hauptsächlich über Spenden und häuft Geld nur an, um hoffentlich in naher Zukunft das Gelände von der Stadt kaufen zu können. In bürgerlichen Kreisen wird Selbstorganisation auch oft verklärt als Selbstständigkeit verstanden. Ziel eines selbstorganisierten Projeks ist jedoch mehr Miteinander, gegen den gesellschaftlichen Mainstream der Isolation, Entfremdung, Diskriminierung, Rollenzuschreibung und Aus­grenzung. Entscheidungen werden in freien Vereinbarungen getroffen, die ohne strukturelle und personale Zwänge zustande kommen. Selbstorganisation heißt, dass Menschen zum Zwecke der gegenseitigen Unterstützung und gemeinsamen Nutzung von Ressourcen zusammenkommen.

Diese Ansprüche stehen leider noch zu oft im Gegensatz zur Realität. Schnell bleiben viele anfallende Aufgaben am und um das Projekt an wenigen Leuten hängen. Theoretisch kann sich jedeR mal als BaumeisterIn, ManagerIn, Werk­statt­betreiberIn, VeranstalterIn etc. ausprobieren. Auf ein Spezialistentum, wo die eine Seite keine Ahnung hat, was die andere tut und mensch nur gegenseitig die Produkte konsumiert, kann verzichtet werden. Viele Aufgaben, die Selbst­disziplin erfordern, müssen erledigt werden. Ob Dächer reparieren, Wände neu ziehen oder ver­putzen, Räume be­heiz­­­­­­bar machen, Holz sägen und hacken, Bürokram und Schrift­­­­­­ver­kehr, Müll re­cy­­celn, Aufräumen … technische und strukturelle Maßnahmen sind grundsätzlich nötig, um den langfristigen Erhalt des Projekts zu sichern. Es ist kein Widerspruch, daran auch Spaß haben zu können, da keiner allein dasteht und notwendige Aufgaben gemeinsam erledigt werden können. Jedoch sind dies alles zeitaufwendige Arbeiten und für Genuß und Kreativität bleibt weniger Zeit. Daraus entstehen Schwierigkeiten, wenn es für bestimmte, immer wieder anfallende Aufgaben keine(n) Freiwillige(n) gibt. Sachen bleiben liegen und werden, wenn diese nicht direkt im Blickfeld stehen, auch leider schnell vergessen. Dann hat es auch ein Prinzip wie die gegenseitige Unterstützung schwer, dieses Defizit auszugleichen. Es werden noch viele fleißige Hände und Ideen gebraucht, die dieses riesige Projekt unterstützen. Auf der anderen Seite entsteht damit auch wie­derum folgendes Problem: Der Weg zu einer Übereinkunft wird schwieriger, je mehr Menschen an einer Entscheidung und Lösungsfindung teilhaben und noch schwieriger, wenn diese nach dem Konsensprinzip getroffen werden. Das heißt nicht, dass es un­möglich wird. Funktionierende Kommunikations- und Informations­strukturen würden den Prozeß, einen Konsens zu finden, erheblich vereinfachen. Leider werden Diskussionen von Einigen nur als ärgerlich und aufwendig verstanden. Schnell fällt mensch zurück in das Gefühl der Gleichgültigkeit und Kommunikation wird zum Meckern über Andere, über den Dreck überall, das Fehlen von An­sprech­par­tnern und Öffentlichkeitsarbeit. Vorwürfe sind schnell formuliert und Aus­einan­dersetzungen werden noch zu oft durch Rückzug oder Resignation umgangen.

„Das Leben ist ein Jammertal.“ Schluß damit! Die G16 feiert Ende April 2006 mit dem legendären, alljährlichen Festival ihren achten Geburtstag und es werden noch viele folgen. Schon so einige Projekte und Ideen haben die G16 verlassen, dafür haben sich neue etabliert und es wird auch weiterhin ständig ein Kommen und Gehen geben. Früher oder später passiert es dann schon automatisch, dass mensch erkennt, dass er oder sie mehr Gefühl für den Umgang mit z.B. Holz hat und andere haben eher „zwei linke Hände“. Manche können stundenlang Bücher lesen, am Computer arbeiten, Texte verfassen und andere gehen zur Probe. Doch die Bewohner- und Nutzer­Innen verbindet die Sorge, um den Erhalt von Freiraum im G16 Projekt und den Wunsch nach Geselligkeit und individueller Entfaltung.

Darum gilt wie so oft: Lassen wir uns nicht organisieren, sondern organisieren wir uns gelassen!

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+ + + Vorhandene und geplante Strukturen des Projekts G16 + + +

Die Werkstätten sind eines der wichtigsten Projekte, dass die praktische Selbsthilfe ermöglichen soll: Menschen können bauen, produzieren oder sich handwerklich betätigen ohne sich in den Kreislauf aus Geldverdienen und Konsum begeben zu müssen. Geräte, die nur ein paar Mal im Jahr benutzt werden, stehen hier allen zu Verfügung. So entstehen Begegnungen und Auseinandersetzungen, durch welche ein verantwortlicher Umgang mit Geräten und Werkzeugen geübt werden kann, die nicht im Besitz des Einzelnen sind. Aufgrund des bevorstehenden Umzugs, ist die Holz- und Bastelwerkstatt momentan nur für kleine Arbeiten benutzbar. In absehbarer Zeit wird diese dann in der ehemaligen Ruhebar, vom Innenhof begehbar, wieder für alle regelmäßig geöffnet haben. Die Fahrradselbsthilfewerkstatt scheint gerade nicht gebraucht zu werden und wurde bis auf weiteres (jemand müsste sich ans Herz fassen und dafür Ver­antwortung übernehmen) geschlossen.

Das Atelier bietet Platz für Ausstellungen von Text und Bild oder die Arbeit daran für verschiedenste Personen, Gruppen, Initiativen und Vereine.

Der Sport- und Bewegungsraum wird bisher genutzt von Leuten, die Breakdance (Die. und Do. 16 bis 18 Uhr) und K-Fu (Die. bis Do. 18:30 bis 20:30 Uhr) trainieren. Bei Interesse am Breakdanceworkshop oder an K-Fu kontaktiert Jana über 0176-23176595 und/oder kommt in der Gieszer zu den jeweiligen Zeiten vorbei. Nachdem sich die Akrobatikgruppe fast vier Jahre in der G16 getroffen hat, zieht diese nun über den Winter in die Südvorstadt, wo sie ihren Workshop weiter­führt. Bei Interesse könnt ihr superstine@web.de kontaktieren.

Das Lesecafé soll nach der Sanierung im vorderen Gebäude als Teil eines Tages­cafés untergebracht sein, welches die gemeinsame Bibliothek der Be­wohner­Innen des Projektes beherbergen und der Öffentlichkeit als Leihbibliothek sowie als Buch- und Infoladen dienen. Jeden Sonntag Nachmittag soll es dann auch wieder Kaffee, Kuchen und Lesungen geben.

Die Elektronik- und Multimedia­werkstatt (http://mme.gieszer16.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/HomePage) ermöglicht elektronische Vernetzung und Informationsaustausch. Alle Interessierten können die zur Verfügung stehende Technik (PCs, Multimedia für Video- und Audioschnitte, Scanner, Digicam) nutzen, um eigene Ideen zu verwirklichen. Bei Interesse ist Dirk euer Ansprechpartner und Montags von 15 –19 Uhr in der Werkstatt im Vorderhaus neben dem Umsonstladen zu erreichen. Über das Leipziger-Freifunk Netzwerk bekommt auch die G16 einen Zugang zum world wide web. („freifunk.net ist eine nicht kommerzielle, für jeden offene Initiative zur Förderung freier (Funk) Netze im deutschsprachigen Raum. freifunk.net ist Teil einer internationalen Bewegung für freie, drahtlose Funknetze auf Basis der Wireless Local Area Networks (WLAN). Ziel aller freifunk.net Aktivitäten ist die Verbreitung freier Netzwerke und die Förderung der lokalen sozialen Vernetz­ung. Neben Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung zum Thema Freie Netze sehen wir es als unsere Hauptaufgabe Anlauf- und Verteilstelle zu sein. Damit freie Netze entstehen, muss es einen Raum geben, wo sich Menschen treffen und austauschen können. Diesen wollen wir zur Verfügung stellen.“)

Die drei Musikproberäume, durch die Künstler in jahrerlanger Eigeninitiative aufgebaut, werden heute von ca. 50 MusikerInnen genutzt. An jedem ersten Sonntag im Monat findet das Proberaumplenum um 19 Uhr im Plaque, Industriestraße 97, statt.

Der Kostümverleih ist leider vorübergehend geschlossen. Nach der Neueröffnung stehen wieder allen die fast 200 Kostüme, die von Theatern und Oper gespendet wurden, zum Verleih bereit.

Der Recyclinghof ist von der Schraube bis zur Heizung mit Materialien aller Art gefüllt. Weil es entweder „modernen“ Standards nicht mehr genügt oder weil Ansprüche gestiegen sind, wird in der heutigen Wegwerfgesellschaft vieles vernichtet, was eigentlich noch eine längere Nutzungsdauer vor sich hätte. Schaut mal vorbei, ob auch für euch noch etwas zu gebrauchen ist.

Der erste richtige Umsonstladen in Leipzig wurde am 9. Oktober 2005 im Vorderhaus eröffnet. Alles, was nicht mehr gebraucht wird, aber noch funktioniert und weiterhin nutzbar ist, kann hierher gebracht werden, um von anderen dann wieder kostenlos mitgenommen zu wer­den, auch ohne etwas zu geben. Alles Weitere erfahrt ihr jeweils an jedem Montag und Donnerstag von 15 bis 20 Uhr vor Ort oder per Email: umladen@gmx.net oder schaut auf die Homepage: www.umsonstladen-leipzig.tk.

Die Veranstaltungsräume sollen meist unbekannten Gruppen, Bands und KünstlerInnen Auftrittsmöglichkeiten bieten. Die Räume stehen für alle, die Parties, Konzerte, Theaterauftritte, Performances, Lesungen und Vorträge etc. organisieren wollen, zur Verfügung. Die Kunst kann schön, hässlich, chancenlos, revoltierend, kritisch, politisch, tadelnd etc. sein. Zur Koordination der diversen Termine trifft sich eine VeranstalterInnengruppe jeden Dienstag um 20:30 Uhr im Büro im Vorderhaus, um selbst oder mit den jeweiligen VeranstalterInnen zusammen die Veranstaltungen durchzusprechen und umzusetzen. Bei Interesse kommt vorbei oder kontaktiert sie unter: v-gruppeG16@gmx.de.

Die privaten Wohnräume werden derzeit von 12 Erwachsenden, 2 Kindern und 10 Hunden genutzt, die Lust an einem selbstorganisierten Wohnprojekt haben. Derzeit und eigentlich immer aktuell ist das Bauen, Reparieren und Sanieren, wofür jederzeit noch fleißige Hände benötigt werden. Momentan wird an der Rekonstruktion des Daches, Ausbau des Backstage, der Wohnräume und am Umbau der ehemaligen Ruhebar zur Holzwerkstatt gearbeitet. Jeden Mittwoch um 20:30 Uhr findet das NutzerInnentreffen im Büro statt, welches Fragen, Probleme und Anliegen um das Projekt klärt und für alle offen ist.

 

Kommentar FA! #20

Der Herbst hat dieses Jahr eine gute Miene abgegeben. Warme, klare Tage mit viel Licht. Ein wahrer Balsam für die Seele. Wenn die Natur sich so unschuldig gibt, uns anlächelt und unsere Geister inspiriert, mit den verführerischen Düften des Ursprünglichen, Verwurzelten, Geborgenen, uns mit ihren sanften Winden berührt, dann neigen wir ihr zu und versuchen all das Politische, Kulturelle, Gesellschaftliche, Geschäftig-Geschwätzige um uns herum zu vergessen. Fern fühlen wir uns dann aller Entwicklung und Geschichte, geborgen in der Unbeweglichkeit des Moments. Wir senken den Blick, schließen die Augen und horchen in uns hinein, hören nur auf die Harmonien, die der natürliche Einklang erzeugt.

Doch halt, können wir es uns denn leisten, wegzusehen? Den Blick vom and’ren abzuwenden? Mag diese herbstlich natürliche Selbstversenkung auch die Quelle neuer Kräfte sein, die Triebfeder der Geschichte ist sie nicht.

Sehen wir also von dieser anrührenden Naturbetrachtung ab und wenden uns den politischen Realitäten zu. Hierzulande droht nach dem Deutschen Herbst nun ein Deutscher Winter. Mit Eiswasser für mutige Atomenergie-GegnerInnen, mit frierenden MigrantInnen, die Deutschlands billigste Rundum-Propaganda verteilen, mit zitternden Bettlern in den Straßen, unbeheizten Wohnungen, Lohnkürzungen, Arbeitsplatzverlusten und mageren Gabentischen. Mit Politiktheater, Unsicherheit und Zukunftsängsten. Mit hohlen Phrasen vom Sockel der Macht und dumpfen Parolen aus dem Bauch der Ohnmächtigkeit Marke „Du bist Deutschland“. Die Abwesenheit der Utopien schmerzt. Fast möchte mensch bei dem Gedanken in die Natur zurückversinken, sich doch ein wenig jener absonderlichen Vision anschmiegen: Verweile doch im Augenblick, Du bist so schön! Trotzdem: Nach Sturm und Drang und jenen Glaspalästen Deutscher Klassik kommt die Geschichte, unweigerlich, mit und gegen die Natur. Es liegt an uns, an unserer Geselligkeit, sie zu gestalten.

clov

Wagentage Frankfurt 2005

Die Bauwagenszene rockt. Für Freiräume und alternative Lebensgestaltung zu kämpfen, heißt für die BewohnerInnen und Fans der zahlreichen bundesweiten Bauwagenplätze auch, sich einmal im Jahr zu treffen und die eigene Existenz zu zelebrieren.

„Be on time once in your life!“ Der schmis­sige slogan der “Pünktlich sein”- Aktion des Jahres 2003, diesmal auf englisch als Diskostrahler – gutgefüllte Tanzhütte, hoch­be­liebtes Flaschenbier, Lagerfeuer, Bierbänke, Hundemeuten, Bauwägen.

Was so intensiv die Atmosphäre eines herz­haften Alternativ-Festivals verströmt und bei Beobachtern den sofortigen Wunsch des Dazugehörens auslöst, ist das dies­jährige bundesweite Treffen der Bauwa­gen-Szene in Frankfurt am Main. Das Ge­län­de des hiesigen Wagenplatzes „Borsig“ befindet sich gegenüber einer dieser be­lieb­ten Autohaus-Einbauküchen­center-Gegenden, allerdings ohne dass man die recht lebensfeindliche Nachbar­schaft auf dem Platz wahrnehmen würde. Mit ge­schätz­ten 80 Wägen ist er groß genug, um einen eigenen Mikrokosmos zu bilden, der sich eindrucksvoll von der Frankfurter Vor­ort-Idylle absetzt. Das kontrastierende Ambiente bewundert man am besten vom Dach des nebenstehenden Parkhauses aus, bevor die Security auf­taucht.

Doch das dreitägige Getue auf dem auch sonst recht lebendigen Areal ist mehr als Schulterklopfen mit alten Freunden, Bierkonsum, Punkrock und Austauschen der unvermeidlichen Basteltipps betreffs Schrauberei an Kraftmaschinen oder Im­pro­vi­sations-Ökotechnik. Obwohl auch für die Bauwagenszene das Abfeiern der eigenen Identität im Vordergrund steht, gelingt es ihr im Vergleich zu den meisten anderen Subkulturen, eine gemeinsame Handlungsfähigkeit zu organisieren.

Auf einem gemeinsamen Städteplenum wird die Lage der jeweiligen Bauwagen­plätze besprochen. Ansätze von lokalen Kam­pag­nen werden vorgestellt und Termine für Aktionen und Demos rumge­reicht. Auf dem Finanzplenum wird der eindrucksvolle Stand des gemeinsamen „Krötenkontos“ vorgestellt und die weitere Verwendung des Geldes diskutiert, das ursprünglich als eine Art Prozesskos­tenversicherung gedacht war. Unter­stützung für alternative Projekte soll jetzt auch auf logistischer Ebene möglich werden. Kooperation mit dem Freiburger Mietshäuser-Syndikat ist darüber hinaus angedacht, um das Kapital politisch besser zu nutzen.

Schließlich haben die mehr und weniger kampferprobten Wagenleute trotz allen Plena und Konzerta noch die Chance, sich gegenseitig bei einer wilden Stadtrallye („tour l’armour“) zu befehden. Mit pompösen LKWs durch den Frankfurter Be­rufs­verkehr hupen und komische Aufgaben erfüllen. Durch die Kinder­geburtstagsatmosphäre angestachelt sind einige Teilnehmenden allerdings nicht mehr in der Lage, sich an irgendwelche Regeln zu halten. Zu größeren Verle­tzungen kommt es trotzdem nicht.

Bei einer berauschenden Siegesgala werden schließlich die Gewinner bekannt gege­ben: Das Leipziger Team „Fock off“ ge­winnt den Kreativpreis im Goldrahmen, „Follafiat“, auch Leipzig, immerhin einen Trostpreis. Die imposanten Trophäen sind seitdem in der Fockestraße (Montags Volxküche) zu bewundern!

soja