Die Redaktion … fühlt

INNEN sein. innen SEIN

Wenn ich an fühlen denke, steckt da für mich meine ganze Welt drin. Ich finde, Gefühle sind etwas ganz wunderbares. Ich ziehe das Fühlen dem Denken vor. Denken strengt mich an, denn das impliziert bei mir, dass ich auch Taten folgen lassen muss. Im Fühlen aber bin ich weich und fließend. Und mit allem was ist oder nicht ist, was dem Fühlen folgt oder nicht folgt, bin ich milde und gnädig zu mir, denn es ist ja mein Gefühl. Mein tiefes Inneres – und da drinnen in mir ist alles erlaubt und alles herzlich willkommen.

Wenn ich an Fühlen denke, denke ich auch daran, mit mir im Kontakt zu sein, mit dem zu sein, was für mich zählt. Und ich denke an Wachsen. Insbesondere in den Momenten, in denen Gefühle wie Schmerz, Enttäuschung, Trauer, Ungeduld oder Wut da sind, versuche ich (mal mehr mal weniger, aber dafür immer besser) diese bewusst wahrzunehmen. Sie wahrzunehmen, indem ich sie einfach nur benenne. Und zwar ohne sie gleich zu bewerten oder, was mein Kopf sehr oft versucht, sie zu kategorisieren und den Ursprung erklärbar machen zu wollen. Und das bedeutet für mich, meine Gefühle weder festhalten zu wollen – also mich in meinem Schmerz baden, noch, sie wegzudrücken und zu ignorieren im Sinne davon, dass es ja wenn ich es mal ganz objektiv und nüchtern betrachte, schon gar nicht so schlimm ist. Bei dieser Art von Innenschau, zumindest zu den Zeitpunkten, wo mir das gelingt, spüre ich, dass daraus Entwicklungsschritte erwachsen. Im Rückblick zumindest fühlt es sich so an, Dinge zu mir genommen zu haben und zwar so wie sie waren – weder verharmlosend noch dramatisierend. Und damit fühlt es sich an, dass ich selbst die Verantwortung für mein Leben übernehme. Ich projiziere und leugne nicht und will auch nicht festhalten, was doch gerade so schön ist. Vielmehr stelle ich mich dem, was genau im Hier und Jetzt, in diesem Moment in mir ist und wachse daran, dringe in tiefe Schichten meines Selbst vor und erlebe dabei ganz bizarrerweise auch, dass ich mehr bin als meine Gefühle.

Und indem ich meinen Gefühlen so unbewertet in die Augen blicke, sie versuche einfach nur wahrzunehmen, schärft sich in mir die Gewissheit, dass ich so wie ich bin, mit all diesen meinen Gefühlen, genau richtig bin und das alles in mir sein darf. Das da drinnen, in meinem Fühlen, eine Welt – und zwar meine ganze Welt – liegt. Und der Welt da draußen, darf ich mich und meine Themen, mein Innenleben zumuten, ich darf meinen Raum haben. Das wiederum lässt mich eigenverantwortlich in meine Kraft kommen und Situationen nehmen wie sie sind. Und indem ich das tue, im besten Falle natürlich mit liebevollem Blick auf mich selbst, komme ich irgendwann ganz bei mir an und sehe immer klarer, wozu mich das Leben ruft. Ich wachse in die Person hinein, die ich bin.

Mein Blick wird frei von dem, was ich nicht habe, und geht zu dem, was ich alles habe. Er lässt mich erkennen, das ganz egal welcher Schmerz da auch war, ich alles mitbekommen habe, was ich brauche. So wachse ich in die Tiefe und stoße auf das wertvollste, das ich habe – meine Liebe.

mona d

…dieses und jenes

Gefühle sind ja ihrem Wesen nach unbeständig, unklar und fließend. Doch im Moment fühle ich mich tatsächlich verunsichert, oder besser: irritiert. Es flimmert in meinem Blick, immer mehr, je länger ich auf die Buchstaben hinstarre. Ich schließe mein eines Auge. Mit dem anderen peile ich über die Nasenspitze weg, zögere kurz, ehe ich dem Monitor links und rechts ein paar hinter die nicht vorhandenen Ohren gebe. Jetzt geht es besser, ich atme auf. Nur ein technischer Defekt, mit meinen Augen ist alles okay. Da kann ich ja weiter über Gefühle schreiben…

Männlich sozialisierte Wesen wie ich haben damit ja so ihre Probleme. Am einfachsten wäre es wohl, ich würde die Frage nach meinem Innenleben so beantworten wie Nelson, der hässliche Junge bei den Simpsons – mit einem mürrischen Achselzucken und den Worten: „In mir sind Gedärme.“ Das stimmt natürlich, technisch gesehen, ist eben nur ein wenig unterkomplex. Ich könnte auch heucheln und behaupten, dass ich gerade unheimlichen Zorn in mir fühle. Ja, Zorn! Einen rechtschaffenen Zorn natürlich, gegen Kapitalisten und Kriegshetzer, sowieso gegen Neonazis und die allgemeine Gesamtscheiße.

Aber wenn ich ehrlich bin, dann bin ich gerade mal überhaupt nicht zornig. Viel eher schon ist es ein leichter Weltschmerz, ein sanftes Gefühl von ennui (um es mal so schön frankophil bzw. frankophon zu formulieren), das mich da von innen her anrührt. Nein, ich bin nicht traurig – das Gefühl ist eigentlich ganz angenehm. Ein Gefühl von Herbst und milder, in Eichenholz gereifter Melancholie, wie sie mich regelmäßig befällt, wenn ich so rumsitze und darüber nachdenke, dass ich nun schon gut dreißig Jahre meiner Lebenszeit ziemlich zweckfrei verplempert habe. Ganz angenehm soweit. Ich sollte wohl noch mehr Schnaps trinken und mich mehr mit meinen Gefühlen beschäftigen, um auch die verbleibende Lebenszeit noch gut über die Runden zu bringen.

justus

Was fühlen…

…und wann?

Ich nehme einfach die jetzige Situation.

Ich schreibe einen Artikel für den Feierabend! und fühle Angst.

Wird der Artikel gefallen? Oder wird er zerrissen?

Er wird sicher zerrissen, antworte ich mir. Ich kann das doch nicht richtig. Mit Sicherheit bin ich nicht gut genug.

Schluss jetzt! Mach halt. Keine Angst, das wird schon, schließlich ist ja auch keiner perfekt und selbst wenn etwas geändert werden muss – passt schon. Aber doch bleiben die Zweifel und die machen es nur noch viel schwerer. Ich mache es mir quasi selber schwer. Jedes Wort wird mehrmals unter die Lupe genommen, bis es passen könnte und immer noch, bei all der „Sicherheit“ die ich langsam bekomme. Im Hinterkopf bleibt sie, diese Unbestimmte Versagensangst. Es bleibt nur dagegen anzukämpfen. Einfach schreiben. Reinhängen, denken.

Langsam wird es besser. Ich sehe was ich geschafft habe und werde ruhiger. Lese und lese dennoch immer wieder alles durch. Vielleicht ist es das, was mir die Sicherheit gibt. Ich kann es vielleicht ja doch und mach mich nur klein. Also nochmal, sage ich mir – reiß dich zusammen!

Aber die Anderen werden bestimmt viel tollere Texte haben, da kann ich ganz klar nicht mithalten.

Das Gerüst beginnt wieder zu brechen, doch nicht ganz. Immer wieder muss ich mich selber beruhigen und es funktioniert. Er ist fast fertig, der Artikel. Es wird leichter. Innere Euphorie beginnt aufzukeimen. Ich habe den Kampf mit mir gewonnen.

…Es folgt der Moment des Absendens und die Kritik der restlichen Redaktion. Der Puls steigt – was wird passieren? Die Gedanken überschlagen sich nun wieder. Aber sei es drum.Ich habe es gemacht, habe meinen Arsch hoch bekommen und geschrieben.

Und da ist es doch wie bei allem. Wir müssen es probieren, denn wenn wir das nicht machen, dann wird die Angst nie überwunden, dann bleiben wir stehen und entwickeln uns nie weiter. Also Mut zum Streit mit sich selber.

R!

Gefühlsexpertin?

Eigentlich halte ich mich ja voll für die Gefühlsexpertin: ich nehme sie bei mir und Anderen oft wahr, kann sie einordnen, reflektieren, analysieren und über Ursachen und Wirkungen philosophieren. Ständig umgeben von meinen Gefühlen, die zwischen Bergen und Tälern des Lebens wandern, machen sie mir das Leben mal leicht, mal schwer. Unbemerkt bleiben sie nur, wenn sie auf gerader Strecke laufen. Das gibt dann zwar meinem rationalen Ich mehr Raum, ist aber eigentlich auch ziemlich langweilig.

So und jetzt zum „eigentlich“ – denn eigentlich mach ich mir da auch ganz schön viel vor, mich selbst als Gefühlsexpertin zu sehen: Denn ich sehe meist nur, was ich sehen will – Negatives blende ich auch gern mal aus, wenns nicht passt oder rede es mir schön. Reflexion wird schnell zur Grübelei und die Analyse von Ursache und Wirkung verhindert vor allem eines: sie einfach mal anzugehen. Mal spontan so zu handeln, wie das Gefühl signalisiert. Nicht darauf zu achten, ob es jetzt in den Kontext passt, oder irgendwen verletzt, oder mich in komisches Licht stellt, oder die Situation ungünstig beeinflusst. Gefühle fühlen ist das eine – danach zu handeln etwas anderes. Gerade diese zweite Kunst ist noch mein Lernfeld. Aber es geht voran 🙂

momo

GEFÜHLE…

Echt jetzt? Muss ich wirklich über GEFÜHLE schreiben. Blöder B…m… Na ja, besser als über GEFÜHLE sprechen zu müssen. Da das hier ein politisches Heft ist, könnte ich ja mal erkunden, was mich da so umtreibt. Wie wäre es mit Empörung über gewisse soziale und politische Verhältnisse? Empört bin ich über die weit verbreitete Sinnfreiheit medialer Berichterstattung. Aktuelles Beispiel: Skiunfälle. Tragisch ja, aber muss das zwei Wochen lang auf Titelseiten prangen, nur weil es dem Schumi passiert ist?

Erschüttert war ich in letzter Zeit auch angesichts der rassistischen Ressentiments, die mal wieder verstärkt in der Mitte der Gesellschaft aufschwappen und sich in der aktuellen Diskussion um Flüchtlinge und Asylsuchende in Leipzig und Umland manifestieren.

Und einfach angepisst hat mich neulich ein Gespräch mit jemanden, der sich hauptberuflich als Sohn bezeichnete und dessen großes Lebensziel es ist, eine Menge Geld zu haben und sich ein schickes Auto zu kaufen, weil das ja schon irgendwie cool wäre. Idiot.

Aber wohin führt die Erkundung solcher GEFÜHLE? Im schlimmsten Fall lediglich zu einer Diskussion über diese GEFÜHLE. Mit etwas Glück aber auch zum Erkennen von Missständen und zum Drang, etwas daran zu ändern: Die sinnfreie Berichterstattung lese ich einfach nicht mehr und mache stattdessen meine eigene Zeitung. Den Alltagsrassismus akzeptiere ich nicht und gehe auf die Strasse oder werde aktiv in Initiativen, die versuchen das Leben der Asylsuchenden in den Unterkünften zu verbessern. Kapitalistische Lackaffen argumentiere ich nieder und verbreite den Gedanken von sozialem und bewusstem Konsum.

Was zu sagen bleibt: Gefühlt ist schon halb gekämpft. Also los rein ins erste Haus… Geschichte wird gemacht, es geht voran, es geht voran.

wanst

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