… fixed
Wie es sich für ordenliche anarchistische Hipster in Hypezig gehört, fahre ich ein Fixie. So ein Fahrrad mit starrem Gang, Ihr wisst schon. Kein Leerlauf, kein Rücktritt. Da kann ich an der Kreuzung stehend auf dem Rad balancieren und den ganzen zurückgebliebenen Normalos zeigen, wie cool ich bin. Oder mir von zugezogenen Teens Respekt zollen lassen, wenn ich an ihren Bremsmanövern und Beschleunigungsversuchen vorbeiziehe und auf die Frage „Ist das auch ein Fixie, Digger?“ mit ebensolchem Bremsmanöver antworten kann, so dass ich auch da ein ehrenvolles „Cool, Digger!“ als Anerkennung erhalte. Hach ja… Fixie fahren ist eben weitaus mehr als ein runder Tritt und das Einswerden der Beine mit den Pedalen, des Körpers mit dem Rad. Es ist Lifestyle, purer Lifestyle. Auch mit dem Flat Bar werde ich mich noch anfreunden, die passenden Karten für meine Rückgradspeichen suche ich noch. Soll ja schön individuell sein, so ein Fixie. Mich repräsentieren und meinem höchsteigenen Subjekt Geltung verschaffen in der Welt der Uniformitäten. Ich fahre Fixie, also bin ich ich.
(shy)
…nicht Fahrrad
Von meinen lieben Mitanarchist_innen beim Feierabend! bin ich mittlerweile ein paar Mal gefragt worden, warum ich zur Überbrückung der Distanzen zwischen Redaktions- und Wohnraum denn nicht ein Fahrrad nehme, die Strecke zu Fuß zurück zu legen, dauere doch zu lange und sei bestimmt recht anstrengend. Und mit beidem haben sie recht! Doch irgendwie gefällt mir das Laufen. Es ist meditativ. Oder um es mit Milan Kundera zu sagen, man spürt sich selbst, Alter und Gewicht.
(carlos)
… ab auf Literatur!
Ich weiß nicht, seit wann es so ist. Früher konnte ich mich nie wirklich dazu aufraffen, ein paar Seiten Belletristik am Stück zu lesen. Je älter ich werde, desto mehr scheint sich dies zu ändern. Es liegt nicht mal am Inhalt der Bücher, denk ich. Was mich mehr interessiert, ist der Stil, in dem das Werk geschrieben wurde. Metaphern, Allegorien, Bildnisse, wortgewaltige Reden, inspirierende Formulierungen, flinke und scharfe Witze und seltene Begriffe, die man sonst nie oder nur kaum im Leben so hört. Insgeheim suche ich wohl immer nach Inspiration. Die Sprache erscheint mir wie ein riesiges Kochbuch, aus dem wir meist nur die simpelsten Nudel- und Reisgerichte nutzen. Ein gutes Buch ist da wie ein Besuch in das feine Nobelrestaurant. Und danach denkt mensch sich: Kann ich das nicht auch vielleicht? Manche mögen mit meinen Gedanken nichts anzufangen wissen. Was spielt es für eine Rolle, wie man sich im Alltag ausdrückt? Wäre es nicht lächerlich, wenn sich Menschen so hochgestochen und langatmig ausdrücken würden, wie sie dies teilweise in der Literatur machen?
Vielleicht, aber ich glaube doch, dass sprachliche Kreativität ungemein wichtig ist. Ich denke, dass in seiner Sprache jeder ein kleiner Künstler sein kann! Vielleicht hat man zu unruhige Hände für das Malen und Zeichnen, zu wenig Geld und Zeit um Musik zu lernen oder zu wenig Geschick und räumliches Verständnis, um sich Faltarbeit wie Origami zu widmen. In seiner eigenen Gedankenwelt kann mensch hingegen immer rumstöbern und neue Assoziationen ausgraben, wie in einer frischen Goldgrube, um seinen Gedanken und Gefühlen die richtige Form zu geben. Die demokratische Kunst überhaupt, könnte mensch meinen. Die Dichtung gehört ja auch zu den ersten Künsten, die in der Antike bereits einige ihrer Höhen erklommen hat. Aber ach Gott, Gefühle! Die empfindet mensch ja heute als eher nervig und störend (die eine Bevölkerungshälfte wohl mehr als die andere). Vielleicht dichtet mensch heute deshalb ja nicht mehr so gern. In meiner Schulzeit hat glaub ich nie irgendjemand freiwillig gern gedichtet und es dann auch noch vorgetragen. Durch Wortwahl und Ausdrucksweise entblößt mensch sich ja vielleicht mehr als durch das Abfallen seiner Kleider. Gefühle, die Schamteile des Menschen?
(alphard)
… frei Bahn und aus der Haut
Man geht durch die Straßen, setzt sich in die Bahn und plötzlich ist die Batterie des MP3-Players alle. Auf einmal ist man mittendrin im alltäglichen Wahnsinn, und nicht nur die beißenden Gerüche fallen einem stärker auf und lassen leichte Übelkeitsgefühle entstehen, sondern ebenso kommt hinzu, dass man sich der laufenden Gespräche der Mitfahrenden nicht weiter des Hörens entziehen kann. Von rassistischen Äußerungen bis kruden, nach Mobbing mutenden Sprüchen von Halbwüchsigen ist die ganze Palette vorhanden. Ganz zu schweigen von Eltern, die die Versuche ihrer Kinder, Aufmerksamkeit zu bekommen, ignorieren oder gar niedermachen. Vor ein paar Tagen las ich einen Spruch, an den ich mich nicht mehr zur Gänze erinnern kann, aber er ging in etwa so: „Deutschland definiert: Alle sitzen in der Bahn und gucken grimmig. Ein Kind lacht. Die Eltern schimpfen, bis es genau das Gleiche macht.“ Erstaunlich passend, wenn man sich die Leute in der Bahn betrachtet. Ein paar Haltestellen weiter steigen dann Kontrolleure hinzu und man macht, dass man schleunigst aus der Bahn kommt. Skeptisch hinterher guckend zücken sie bereits ihr Scan-Gerät.
Aus der Bahn raus überlegt man, auf die nächste zu warten oder einfach den Weg zu Fuß fortzuführen. Die Entscheidung geht zum Laufen.
Als es nach wenigen Minuten zu regnen beginnt, stellt man sich dann schon die Frage, ob das jetzt ernst gemeint ist. Aber wie auch immer, es ändert ja nichts. Eh man sich versieht, fährt dann ein Auto in gefühlter Höchstgeschwindigkeit durch eine durch ein Schlagloch entstandene Pfütze. Klasse. Aber weiter. Noch im Tran bemerkt man nicht, dass ebenfalls mit hoher Geschwindigkeit hinter einem ein Fahrrad anrollt und so knapp vorbei fährt, dass man fast noch hin fällt und bei dieser Gelegenheit tritt man dann gleich noch selber in eine Pfütze und man beginnt zu überlegen was zur Hölle man denn falsch gemacht hat. Entnervt kommt man dann seinem Ziel näher und bemerkt, dass man wohl den Schlüssel vergessen hat, und ein pöbelnder Mensch, der augenscheinlich mit einem Alkoholproblem zu kämpfen hat, plärrt einen sinnentleert voll. Erfolgreich entkommen geht man nun Nummern im Handy durch, um aus der entstandenen Misere zu entkommen. Es regnet noch immer, mittlerweile aber als leichter Nieselregen, doch nun kommt noch ein toller Wind hinzu. Ans Handy scheint keiner zu gehen. Gut, dann eben zurück. Diesmal aber wieder mit der Bahn. Ja – Glück gehabt, da kommt sie bereits. „Endlich mal was Gutes“, denkt man sich, um sich etwas zu beruhigen, und lässt sich erleichtert auf den Sitz fallen. Den Kopf ans Fenster gelehnt und mit zynischem Lächeln über den bisherigen Tag, als vom hinteren Ende der Bahn ein Mensch auftauchte. Ein Mensch, den man bereits am gleichen Tag gesehen hat. Doch nicht auf den Menschen achtet man, nein. Denn er hält ein Gerät in der Hand, und feist grinsend kommen die Worte: „Fahrausweis bitte“ über seine Lippen.
(R!)
….weeeeiiiit weg.
Auch wenn ich aus Teilen der Redaktion dafür kritisiert werde, dass es inhaltlich falsch ist, vom Fahren zu sprechen, wenn ich doch nach Indien fliege, schreib ich hier jetzt trotzdem weiter.
Denn ich fahr mit einem modernen Luftschiff namens Flugzeug.
Viel spannender als die korinthenkackerische Begrifflichkeit ist aber derzeit mein Gefühl zur bevorstehenden gut drei Monate dauernden Reise. Gute Frage. Im Moment wird mögliche Vorfreude durch den Stressfaktor verhindert. Zu viele Punkte auf der ToDo-Liste, die vorher abgehakt werden müssen, damit es endlich losgehen kann. Aber irgendwie ist dieses Gestresstsein auch nicht wirklich ein neues Gefühl, wenn ich so an meinen Alltag denke…
Wenn ich dann doch mal Zeit habe, über Indien zu sinnieren, dann fällt mir auf, dass ich eigentlich gar nicht groß weiß, was mich erwartet. Aber ich freu mich trotzdem darauf. Oder gerade deshalb? Warum – weil ich Fernweh habe. Weil ich raus will. Weil ich neugierig bin. Weil mich fremde Welten interessieren und faszinieren. Angst hab ich eigentlich nur vor mir selbst: dass ich schlecht damit klar komme, mitunter viel krasse Armut zu erleben und gleichzeitig vielfach meinen Stempel als reiche Weiße zu bekommen. Damit umzugehen und sich selbst treu zu bleiben wird eine Herausforderung. Aber daran kann ich wachsen. Ja, ich freu mich darauf nach Indien zu fahren.
(momo)