Archiv der Kategorie: Feierabend! #40

Editorial FA! #40

Hier ist er, der erste Feierabend! des Jahres 2011. Und schon gibt es was zu feiern. Halleluja … die 40. Ausgabe. Heißt das jetzt, die Midlife-Crisis steht bevor? Nein, natürlich nicht. Wir werden höchstens reifer und die Texte immer länger.

Und es gibt noch mehr Gründe zum Anstoßen. Manche werden es für eine Ente halten, aber uns gibt’s jetzt ENDLICH wieder online unter www.feierabendle.net. Hier erfahrt ihr künftig mehr vom aktuellen Stand und könnt euch alle alten Hefte und Artikel runterladen. Was lange währt wird endlich gut 🙂

Und weil aller guten Dinge drei sind, klirren die Gläser auch noch für einen neuen Dreikäsehoch. Bei so viel notwendiger Sauferei müssen wir glatt auf unsere Gehirnzellen aufpassen, die ja weiterhin gute Artikel produzieren sollen. Naja, we­nigstens das aktuelle Heft ist dahingehend gesichert. Und unsere Verkaufstelle des Monats – die Vleischerei – hilft auch beim Katerabbau. Bis zum nächsten feierwürdigen Jubiläum ist nun aber erstmal bis September 2012 Zeit. Dann kann die Feierabend!-Redax nämlich ihr 10jähriges Bestehen feiern.

Euer Feierabend!

Ein teuflischer Pakt

Rücknahmeabkommen, Grenzkontrolloperationen, Kriminalisierung von Lebensrettern auf See, Misshandlung von Millionen illegalisierter Flüchtlinge aus Afrika in abgeschotteten Internierungslagern – all das gesponsert von der EU!

Dem Ideen- und Erfindungsreichtum von Kollaborationen und Mechanismen europäischer Migrationskontrolle sind keine Grenzen gesetzt. Vor tausendfachem Tod und beispielloser Grausamkeit verschließen westliche Mächte die Augen, denn mit den Despoten der nordafrikanischen Staaten ging man eine schamlose Komplizenschaft ein: Der amerikanische Gefährte liefert Waffen, der europäische Kamerad zerstört die nahöstlichen Volkswirtschaften durch seine Billigwaren. Dafür aber erhalten Schreckensherrscher Bares für ihr Rohöl sowie für die Garantie, eben jene „Ware“ Mensch nicht auszuliefern.

Meisterhaft hervor im Bruch aller Flüchtl­ingskonventionen tut sich dabei Italien. Nach dem Pakt mit dem Gaddafi schließt man ruhigen Gewissens das Auffanglager Lampedusa – und das Inselvolk widmet sich endlich wieder der Regeneration des Tourismus.

Die neuen, unvorhersehbaren Umbrüche im arabischen Raum zwingen nun aber zur Wiedereröffnung des Lagers, denn vor der „Tür Europas“ treffen stetig Tausende ein. In der Festung jedoch – wie sollte es anders sein – weiß man keine humane Antwort, sondern debattiert, beschließt und legitimiert lieber die Militarisierung und den Ausbau der Kompetenzen der Grenzschutzagentur FRONTEX an der nordafrikanischen Grenze.

Frei, sozial, ethisch, moralisch und men­schen­rechtlich – Worte die europäischen Strippenziehern im Halse stecken bleiben sollten!

(monadela)

Freiheitliche Denkanstöße

Einheitsdenkmal wird weiter geplant

Die Planungen für das künftige Leipziger „Freiheits- und Einheitsdenkmal“ (siehe FA! 32) nehmen langsam Gestalt an. So fand am 17. und 18. Februar 2011 eine „Expertenwerkstatt“ im Neuen Rathaus statt. Zu deren Beginn wurden die Ergebnisse und Vorschläge einer direkt vorangegangenen „Jugendwerkstatt zu den Botschaften des geplanten Leipziger Freiheits- und Einheitsdenkmals“ vorgestellt. Die anwesenden Experten empfanden diesen Beitrag nach eigenem Bekunden als „starken Denkanstoß“. Sie machten sich im Folgenden also diverse Gedanken, die wir euch hier nicht vorenthalten wollen (bei den kursiven Textstellen handelt es sich um Zitate*):

Gut zwanzig Jahre ist sie jetzt her, die Friedliche Revolution in der DDR. Immer wieder hatte sich der Wille zur Freiheit schon vorher artikuliert, aber 1989 brach er sich in einer Länder und Völker verbindenden Freiheitsbewegung endgültig Bahn. Und gerade die Leipzigerinnen und Leipziger waren ganz vorne mit dabei bei der Selbstbefreiung Ostmitteleuropas, der Wiedergewinnung der Freiheit nach innen und nach außen.

Dieser welthistorische Vorgang kann gar nicht oft genug gewürdigt werden – manch eine_r würde sonst vielleicht gar nicht merken, dass wir mittlerweile glücklich in der Freiheit, also der besten aller möglichen Welten angekommen sind. Und wer es gemerkt hat, könnte es eventuell wieder vergessen. Leipzig braucht also ein Denkmal. Nicht nur, um die Friedliche Revolution als Kernstück des zustimmungsfähigen Stranges deutscher Geschichte in Erinnerung zu halten. Sondern mehr noch, damit die Deutschen nicht aus lauter Vergesslichkeit wieder in alte Fehler verfallen und irgendwelchen nicht zustimmungsfähigen Herrschaftssystemen ihre Zustimmung geben.

Nun gut, Leipzig hat zwar schon zwei Einheitsdenkmäler – einmal die Palmensäule an der Nikolai­kirche, und dann noch dieses komische Ei auf dem Augustusplatz, bei dem keine_r so genau weiß, was es eigentlich symbolisieren soll. Aber auf Dauer ist solcher Kleinscheiß der Größe des Ereignisses nicht angemessen. Schließlich schuf die Friedliche Revolution nicht nur die Voraussetzungen für die Wiedergewinnung der Einheit Deutschlands und Europas. Nein, sie führte auch zur Beendigung des Weltkonfliktes, der das 20. Jahrhundert seit 1917 bestimmt hatte, also des von den Bolschewiken angezettelten „Welt­bürgerkriegs“, den z.B. der „Historiker“ Ernst Nolte so trefflich beschrieben hat. Dieser gut 70 Jahre andauernde Kampf zwischen dem Kommunismus und der freien Welt endete 1989. Die endgültige Niederschlagung der roten Pest war eine Sternstunde in der an Glücksfällen nicht eben reichen deutschen Geschichte.

So ein Augenblick des Glücks muss natürlich ausgekostet werden. Leipzig braucht jetzt also endlich ein richtiges, ein großes, ein standesgemäßes nationales Denkmal, das durch Standort, Gestalt und Aussagekraft über Leipzig hinausweisen und eine eigene Authentizität und Aura entwickeln wird. Diese Aura kommt nicht nur der örtlichen Baubranche zugute, sondern lockt auch Touristen an. Das Unterfangen dient also auch dem Erfolg des Standorts Leipzig auf dem freien Markt, für dessen Freiheit die Leipziger Bürgerinnen und Bürger sich 1989 aus ihrem Alltag heraus auf den Demonstrationen mutig in die Sichtbarkeit stellten.

Für die künstlerische Umsetzung dieses hehren Zweckes sind alle zeitgenössischen formalen und ästhetischen Mittel recht. Alle Richtungen der Bildenden Kunst sollen mit dieser Aufgabe angesprochen werden. Wenn sie sich angesprochen fühlen, dürfen sogar konzeptu­elle Kunst und partizipatorische Ansätze mithelfen, damit die nötige Einheit von Inhalt und Form im Spannungsverhältnis zwischen politisch-programmatischer Aufgabenstellung und kritischer künstlerischer Reflexion nicht verloren geht.

Das Span­nungsverhältnis spannt sich aber nicht nur zwischen Aufgabenstellung und Reflexion, sondern auch noch zwischen allerlei Sonstigem. So soll das Denkmal nicht nur einen von der Gegenwart aus gestalteten Erinnerungsprozess anstoßen, sondern auch die Erfahrungen aus der Friedlichen Revolution von der Vergangenheit über das Heute in die Zukunft transferieren, um so deren Lebendigkeit im „kommunikativen Gedächtnis“ in eine Nachhaltigkeit im „kulturellen Gedächtnis“ zu überführen. Lebendigkeit in Nachhaltigkeit umzuwandeln, das klingt nach einer heiklen Aufgabe. Hoffen wir mal, dass dabei niemand verletzt wird…

Die restlichen Forderungen, das Denkmal solle individuell erfahrbar sein und sich im Leipziger Stadtraum dauerhaft und präsent verorten, sind zum Glück leichter zu erfüllen. Für die dauerhafte Verortung dürfte es zum Beispiel schon ausreichen, wenn das Denkmal einfach dort bleibt, wo man es hingebaut hat.

Am Wilhelm-Leuschner-Platz also. Denn wenigstens die Frage nach dem Standort scheint mittlerweile geklärt zu sein. Der Platz ist derzeit zwar noch eine ungestalte, unwirtliche Freifläche, aber gerade deswegen ideal geeignet für die Erweiterung des öffentlichen Raumes mit dem über Leipzig hinausweisenden Stadtzeichen eines Freiheits- und Einheitsdenkmals. Jetzt muss nur noch geklärt werden, mit welchen künstlerischen Mitteln sich Authentizität und Aura der Friedlichen Revolution am besten sinnlich erfahrbar machen und nachhaltig im „kulturellen Gedächtnis“ verankern lassen. Es bleibt also spannend im Spannungsverhältnis von Aufgabenstellung und Reflexion…

(justus)

* Nachzulesen unter www.leipzig.de/de/buerger/newsarchiv/2011/Leipziger-Freiheits-und-Einheitsdenkmal-Ergebnisse-der-Expertenwerkstatt-vom-17-18-Februar-2011-19618.shtml

Fence Off

Kampagne gegen Nazizentrum

Es bewegt sich was in Lindenau: Leipziger Antifaschist_innen haben sich zusammengetan, um den im November 2008 eröffneten Nazistütz- und Treffpunkt in der Odermannstraße 8 zu beseitigen. Mit vereinten Kräften und der neu ins Leben gerufenen Kampagne Fence Off – Weg mit dem Nazizentrum in Leipzig, soll dies nun endlich gelingen. Den Kampagnenauftakt bildete am 24. Februar eine Demo mit ca. 180 Ak­ti­vist_in­nen durch die Leipziger Innenstadt, die jedoch – aufgrund der Nicht-Anmeldung – recht schnell und unter Schlagstockeinsatz wieder aufgelöst wurde. Weitere Aktivitäten sollen folgen, um das sog. „Bürgerbüro“ des NDP-Landtagsabge­ordneten Winfried Petzold, oder besser: den regional äußerst bedeutsamen Ver­an­staltungsort für Vernetzung, Schulungen und Konzerte der Freien Kräfte, NPD und JN, abzuwickeln. Ein regelmäßiger Update Ticker auf der Seite www.fenceoff.org informiert derweil über den Stand der Kampagnenaktivitäten und lädt zur Beteiligung ein.

Unerwartete Unterstützung zur Zielerreichung kommt derzeit aber aus einer ganz anderen Ecke: die Stadt selbst beantragte jüngst ein baupolizeiliches Verfahren gegen den Eigentümer der Odermannstraße (Steven Hahn), da die Recherchen der Leipziger Internet­zeitung (L-IZ) aufdeckten, dass an den regelmäßigen Veranstaltungen im „Bürgerbüro“ eine weitaus größere Zahl an Besucher_innen teilnahm, als die baurechtlich genehmigten 100 Hanseln. Eventuell droht der Odermannstraße nun ein Erlass zur Nutzungsunterlassung, der aber bestimmt mit einer Gegenklage beantwortet wird.

Die Fence Off-Initiative kann und wird sich deshalb nicht zurücklehnen, sondern vielmehr auf Aktivitäten auf der Straße und eine breite Beteiligung von Antifaschist_innen setzen, um ihr auf dem Infoblatt versprochenes Ziel zu erreichen „den Nazis kein Haus, keine Straße, keinen KIEZ [zu überlassen]. Ihre politischen Strukturen gehören zerschlagen, das Nazizentrum in der Odermannstraße abgerissen.“ Na hoffentlich gelingts!

(momo)