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Die Redaktion … hört

Vinyl, best sound since 1930, your local record dealer

Knacksen und Knistern, Rauschen und Springen. Das schwarze Gold klingt nicht immer sauber, aber das macht es nur umso menschlicher. Die Tiefe der Bässe, das durch die physischen Übergänge der Klangspitzen entstehende Wärmegefühl, das von Vinylliebhaber_innen immer wieder gelobt wird, die prinzipielle Haptik und eine Umdrehungszahl, die dem menschlichen Auge gerecht wird. Und immer wieder Unsauberheiten, die eine Anziehung ausstrahlen wie das ewige Versprechen von Freiheit.

Empfohlen sei exemplarisch der von DJ Premier produzierte Beat „Statik“, auf den Jeru the Damaja rappen darf. Die knisternde klAuslaufrille geloopt und mit schlichten Drums und Bass hinterlegt, ist eines der eindrucksvollsten Beispiele dafür, wie gut Staub klingen kann. Auf Vinyl!

shy

Los Fastidios

Los Fastidios ist eine Streetpunkband aus Verona, die im Jahr 1991 gegründet wurde. Ihre Musik setzt sich aus kraftvollen Hardcore und Oi Punk zusammen, aber auch die melodischen Einflüsse aus Rock ‘n Roll und Ska sind deutlich herauszuhören. Durch diese musikalische Vielfältigkeit und durch Texte in italienischer und englischer Sprache entstehen abwechslungsreiche Alben und Konzerte. Die Band bezieht in ihren Texten eine eindeutig linke Stellung. Themenschwerpunkte, die sie dabei aufgreift, sind hauptsächlich sozialkritische politische Themen und Fußball. Eine Band, die vom politisch aktiven Ska-Tänzer bis zum antifaschistischen Fußballfan alles abdeckt und sich zu einer meiner Lieblingsbands entwickelt hat.

Klaus Cancely

Astrid Lindgren

Ob Karlsson vom Dach, Lotta aus der Krachmacherstraße, die Brüder Löwenherz oder Mio, mein Mio. Alle Geschichten von Astrid Lindgren sind mir, wie so vielen, bekannt. Und immer noch schaffen es diese Geschichten mich mitzunehmen auf eine Reise weit weg von hier, der Realität. Wenn ich die Zeit über Bord werfe und pfeife: „Faul sein ist wunderschön!“

Vogel

Kythibong 10th Anniversary Compilation – „Décennie: Couverture“

Kythibong, was´n das? Antwort: ein sympathisches kleines Label aus Frankreich, das ebenso wie unsere Postille vor Kurzem gerade sein zehnjähriges Bestehen feierte. Dazu gibt´s eine Compilation mit einem ebenso einfachen wie bestechenden Konzept: 18 Bands (die meisten ziemlich unbekannt, dafür aber gut) sind hier versammelt und covern sich gegenseitig. Das Ergebnis ist stilistisch gemischt, zwischen elektronischem Vier-Vierteltakt und instrumentalem Gitarrengefrickel, dazu Indierock, hippiesker Folk, Pop mit komischen Geräuschen drin und vieles mehr. Durchgehend hörenswert und von vorn bis hinten unterhaltsam. Gibt´s auch zum kostenlosen Download unter www.kythibong.org/KTB31/KTB31.html

justus

Endlich Theater im Osten!

Initiative: Ost-Passage Theater im Entstehen

Ein Ort. Ein Gebäude. Viele offene Fragen. Enorm viel Arbeit. Kleinere und größere Sorgen. Eine spannende Suche. Ein sich entwickelndes Konzept. Verschiedene Persönlichkeiten, Mitwirkende. Unterschiedliche Meinungen, Geschmäcker, Vorlieben. Doch schließlich ein Konsens, eine Leidenschaft, auf der alles aufbaut: THEATER. Theater kann und muss so verschiedene Gesichter haben, wie die Gesellschaft aus unterschiedlichen Menschen besteht. Ein Theater, das sich an den Menschen orientiert, die um den Ort herum leben – den Nachbarn. Sie geben die Themen für die Stücke und bilden letztlich das Publikum. Ein Theater, das für die Nachbarschaft ausgelegt ist.

Nachbarschaftstheater eben. Das ist der Konsens der sieben Menschen, die in der Eisenbahnstraße aus dem alten Kinosaal im Gewölbedach über dem Aldi ein Theater machen, das neue Wege sucht: Das Ost-Passage Theater (OPT). Ich habe mich mit Zweien von den Sieben über das OPT unterhalten. Zuerst mit Matthias Schluttig:

Es geht um die Kunst

„Im Vordergrund stehen selbst erarbeitete Stücke, die von den Theatermachern des Hauses konzipiert und aufgeführt werden. 60% sollen sie im Spielplan einmal übernehmen. 40% sollen andere Gruppen, Künstler und auch Bands ausfüllen.“, stellt er sich vor. „Freiberuflich Theaterschaffende brauchen eine Struktur.“ Also gründet mensch ein eigenes Theater. Wobei die Kunst ebenso wichtig ist wie die Klientel, die Thema der Stücke sein soll. Eine Nische ist gefunden: Hier steht weniger das Ergebnis der Produktion im Vordergrund, als vielmehr der Prozess um die Theaterarbeit. „Die Theatermacher öffnen sich, probieren aus, geben viel Leidenschaft und Engagement rein. Aber sie nehmen schließlich auch immer etwas für sich wieder mit raus und lernen daran.“ Das OPT soll für Schluttig Soziokultur werden. Es geht nicht nur darum Kultur anzubieten, sondern auch das Publikum zu beachten und mit einzubeziehen – eben nicht nur als Publikum, sondern auch als Mitwirkende. So hat Schluttig schon einige Projekte initiiert und durchgeführt, die sich an bestimmte Zielgruppen (bspw. Arbeitslose) richtete.

Das inhaltliche Konzept wird intern stetig diskutiert. Aber Schluttig sieht das entspannt: „Gerade wird an vielen Ecken gleichzeitig gearbeitet. Das muss man dem Flow überlassen.“ Jetzt wird viel organisatorisches Geschick verlangt. Da ist es schwierig erst darauf zu warten, bis die Gruppe das inhaltliche Konzept ausformuliert hat. „Deswegen wird der Spielplan zu Anfang wahrscheinlich sehr projektorientiert sein – aus rein pragmatischen Gründen.“

Außerdem ist der Gruppe wichtig, dass das Konzept für neue Ideen offen bleibt. Somit kann es kein Ausschlussverfahren geben, bei dem es heißt: „Diese oder jene künstlerische Form wird es im Ost-Passage Theater nicht geben.“

Was ist das für ein Ort?

Der gefundene und perfekt erscheinende Ort ist ein alter Kinosaal – oder vielmehr die Schillerdecke desselben. „Wenn man da drin steht, sieht es aus wie in einem umgedrehten Schiff. Ein Schuhkarton mit Wölbung.“, beschreibt Schluttig den Raum begeistert. Es ist ein Aufführungsraum. Eine Unterteilung in mehrere kleine Probebühnen wird es nicht geben. Das beeinflusst natürlich auch den Spielplan. Für mehrere Projekte gleichzeitig sind die Probemöglichkeiten nicht vorhanden. „Mensch wird sich reinteilen müssen. Die Kapazitäten strukturiert nutzen.“

Die Idee, ein eigenes Theater als Nachbarschaftstheater zu gründen, bestand schon lange. Vor zwei Jahren fing dann die aktive Suche nach einem geeigneten Objekt an. Doch schließlich war es – wie so oft – der Zufall, der die Gruppe auf den alten Kinosaal brachte. Schluttig ging regelmäßig an dem Gebäude vorbei. Er wurde schließlich neugierig: „Da muss was drunter sein, unter diesem Kuppeldach.“ Er recherchierte, ob der Saal noch zu haben sei, wer ihn besitze und ob Möglichkeiten bestünden, das Objekt zu nutzen. Zuerst sah es leider gar nicht gut aus, da von der Volkssolidarität geplant wurde in dem Raum eine Art Seniorenzentrum zu integrieren. Doch der Plan scheiterte durch die unterschiedlichen Interessen von Stadt, Eigentümer und Volkssolidarität. Und so begannen also für das OPT die Verhandlungen mit dem Besitzer. Auch diese erwiesen sich leider immer wieder als schwierig. Denn „der ist natürlich Kapitalist, nicht einer von den ganz Schlimmen, aber dennoch mit gewissen Interessen.“ Trotzdem ist er der Idee gegenüber offensichtlich aufgeschlossen, obwohl bekannt ist, dass Theater nicht viel Geld einbringt. Schließlich befinden sich die beiden Parteien seit etwa zwei Wochen in der „heißen Phase“: Die Gespräche zur Nutzungsvereinbarung laufen und befinden sich im Endspurt. (Anm. d. Red.: Inzwischen sind die Nutzungsverträge unterschrieben und die Schlüssel wurden ausgehändigt) Somit steht einer inoffiziellen Eröffnungsparty für Freunde des OPT nichts mehr im Wege. Bis das Theater aber offiziell den Einlass öffnen kann, wird es noch dauern. Denn das Brandschutzkonzept ist noch nicht abgesegnet.

Aber Schluttig ist erfreut über die Resonanz, die die Gruppe jetzt schon bekommt. Obwohl sie doch noch gar nicht offiziell werben können. Menschen aus der Nachbarschaft kommen neugierig und aufgeschlossen auf die Gruppe zu. Außerdem bietet sich der Osten als Standort sehr gut an. Der Kiez entwickelt sich gerade besonders stark: „Das kann in Zukunft wie Plagwitz oder Schleußig werden. Und schließlich sind wir die ersten, die den alten Kinosaal entdeckt haben.“ Wie es sich entwickeln wird steht in den Sternen – auch das muss mensch dem Flow überlassen. Von dieser Gruppe, die einen ganz neuen Ansatz versucht und gleichzeitig ein so offenes Konzept hat, will ich noch eine Perspektive kennenlernen. Eine Ahnung davon bekommen, was das Ost-Passage Theater ist. Also habe ich mich mit Verena getroffen. Sie ist noch gar nicht so lange in der Gruppe aktiv, dafür aber schon stark involviert.

„Wir brauchen ein Theaterhaus, eine Spielstätte, um das Theater von der Hochkultur runter zu holen!“

Das ist Verenas Vision und Ansatz, warum sie sich für das Ost-Passage Theater engagiert. Sie sieht sehr viel Potenzial in der Idee „das Theater, aus einem soziokulturellen Blickwinkel betrachtet“ weiterzuentwickeln. „Gerade in Leipzig! In der Stadt wo Gentrifizierung ein großes Thema und gerade heute sehr stark erfahrbar ist.“ Verena denkt daran, wie sie einen Jungen kennengelernt hat, der wegen Mobbingerfahrungen nicht mehr zur Schule geht, sich dafür aber im soziokulturellen Wohnprojekt Erythrosin engagiert. Solchen Menschen soll das Theater auch eine Anlaufstelle bieten – ein neuer Ansatz für das Theater, dafür aber „kein Hipstergehabe“. Außerdem hat sie selbst als Jugendliche erfahren, wie hilfreich Theater für sie war, aus einer belastenden Lebenssituation herauszufinden. Sie gewann dadurch wieder Struktur und auch Freude am Alltag, das Leben ging wieder leichter.

„Leider gibt es ein Überangebot!“

Verena macht gerade ihren Master in Kulturwissenschaften. Mit dem OPT verbindet sie neben dem Spaß am Engagement auch eine Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen. Denn das ist sehr schwer: „Gerade in Städten wie Leipzig gibt es zig Theater, Schauspielgruppen und andere Möglichkeiten in Vereinen oder Clubs aktiv zu sein. Trotzdem und auch gerade deswegen braucht es neue soziokulturelle Projekte.“ Mensch muss an Problempunkten ansetzen. Es gibt einige solcher Projekte in Leipzig. Aber Theater wird selten angeboten, insbesondere mit einem solch stark künstlerischen Anspruch. Dabei ist die aufklärerische Arbeit und das Verständnis für die künstlerische Arbeit und für die Menschen, die Nachbarn, die damit unweigerlich verbunden sind, ebenso wichtig! Elemente des Streetworks sind also unabdingbar. Aber auch der künstlerische Prozess soll nicht zu kurz kommen! Verena versteht das OPT auch als einen Experi­mentierraum für Künstler. „Der kreative Prozess soll und muss gefördert werden!“ So will sie beispielsweise auch Schriftstellern Raum geben – eine Gruppe, die sehr wenig Aufmerksamkeit bekommt, gerade im Theater. Verena verspürt ein starkes Bedürfnis, aus einem sozialen Aspekt heraus künstlerisch-kulturell tätig zu sein. Darin steckt ein großes Potential: „Es sollen gemeinsame Lernprozesse über Kunst und Gesellschaft im links-politischen Rahmen entstehen.“, wünscht sie sich. „Das konventionelle Regietheater wird hinterfragt, wodurch Denk- und Handlungsstrukturen aufgebrochen werden. Neue Möglichkeiten und Alternativen werden gefunden und ausprobiert, die dem Bisherigen entgegengesetzt werden.“ Gerade neue Formen, wie beispielsweise die Performance, müssen eine Chance bekommen! Dabei bleibt aber das Konzept ungenau, das Detail fehlt: „Es muss schwammig sein! Ansonsten besteht ja die Gefahr des Ausschlusses!“ Dabei ist sie sich sicher, dass es verschiedene Gruppen mit verschiedener Ausrichtung geben wird. „Inwiefern diese aber miteinander Kooperationen eingehen, wird sich entwickeln und entwickeln müssen.“ Neben den Tätigkeiten im organisatorischen Bereich und Management will sie auch als Darstellerin in der Theater-gruppe tag, die diese Bühne nutzen wird, aktiv sein.

„Die Leute, die das Theater gerade aufbauen, kommen aus verschiedenen Richtungen. Das ist viel wert!“ Stark Theorieverhaftete sind ebenso vorhanden wie die Praxisorientierten. Und gerade das macht den Reiz der Gruppe aus. Hier zeigt sich nochmals: Es kann kein fertiges Konzept geben! „Das OPT ist wie ein roher Speckstein. Bei dem jeder und jede eine Feile hat und ein wenig dran arbeitet. Es kann jeder mitmachen. Zwischenzeitlich legt der eine oder die andere seine Feile mal zur Seite, jemand nimmt die Arbeit an anderer Stelle wieder auf. Wie die Form letztlich aussehen wird, ist ungewiss. Nur eines ist sicher: Schließlich soll ein Theaterhaus daraus geformt sein.“

Zwei Gespräche, die mir die Idee des OPT näher gebracht haben. Ich bin schon sehr auf den Moment gespannt, wenn es hinter den Kulissen heißt: „Alle Schauspieler zur Bühne, bitte! Noch fünf Minuten zum Vorstellungsbeginn! Noch fünf Minuten! Alle Schauspieler zu Bühne, bitte!“ Und vor den Kulissen: „Wir bitten Sie Ihre Handys nach der Vorstellung wieder einzuschalten.“ – obwohl: Wird es solch konventionelle Sätze in einem Theater wie dem Ost-Passage Theater überhaupt geben?

Vogel

Lokales

Minijob – Maxiverwertung

Minijob: Ein Wort, das jede_r schon mal gehört hat. Bei dem einer_m viele Stichpunkte einfallen, aber dennoch einige Fragen offen bleiben. Ganz kurz also erklärt was ein Minijob ist: „Minijobs sind geringfügige Beschäftigungen, bei denen die monatliche Verdienstgrenze bis zu 450 € beträgt.“ Das wäre ein Jahreseinkommen von 5.400 Euro. Wird diese Grenze überschritten, ist es kein Minijob mehr.

Die Idee, aus der sich der Minijob entwickelt hat, ist nach hinten los gegangen. 2003 im Rahmen der Hartz-IV-Gesetzgebung wurde das Minijob-Format weiterentwickelt, um arbeitslosen, aber „arbeitswilligen“ Bürger_innen ein Sprungbrett zu einer Festanstellung zu bieten. Dass sich diese Vision (zumindest für die Betroffenen) in einen Albtraum verwandeln würde, hatten einige Gewerkschaften schon vorausgesehen. So kam es dann auch, dass Vollzeitstellen eher ab- als aufgebaut wurden und heute jede_r fünfte Bürger_in in Deutschland einen Minijob ausübt – manchmal auch zwei oder drei. Dafür ist die (statistische) Arbeitslosenquote zurückgegangen – welch Erfolg!

So ein Minijob – wenn mensch sich länger mit dem Thema beschäftigt, fragt er_sie sich doch, ob es dabei überhaupt Vorteile für die Arbeitnehmer_innen gibt? So zahlt der_die Arbeitgeber_in pauschalisierte Abgaben an die Knappschaft, aber der_die Minijobber_in ist somit noch lange nicht sozialversichert. Viele Minijobber_innen wissen oft nicht, dass in einem Arbeitsverhältnis auch gewisse Regeln (Pflichten) bestehen, die der_die Arbeitgeber_in einzuhalten hat, wie bspw. Pausenzeiten. Oft spielt die Existenzangst der Arbeitenden eine Rolle. Das wiederum begünstigt Ausbeutung. Denn Arbeitgeber_innen wissen, was sie machen können. Vor allem mit oft jungen, unwissenden, kuschenden Arbeitnehmer_innen, die vielleicht wenig über Kündigungsschutz wissen oder Angst haben ihre Rechte einzufordern.

Die Kampagne Jung und Billig setzt sich genau dafür ein: Nicht-Wissende zu informieren. Sie ruft dazu auf, sich für die Rechte der Ar­beit­neh­mer_innen einzusetzen. Hinter der Kampagne steht die ASJ Berlin (Anarchosyndikalistische Jugend). Die Jugendgruppe, die im nahen Kontakt zur Gewerkschaft FAU (Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union) steht, hat sich über ein Jahr erst intern mit dem Thema beschäftigt, sich das Rechtswissen angeeignet und die Kampagne entwickelt. 2012 ist die AG dann mit den Ergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen und steht jetzt für Fragen und Kritik zur Verfügung. Inzwischen unterstützt auch die ASJ Leipzig die Kampagne. So plant sie, in näherer Zukunft Beratungsgespräche im Rahmen einer regelmäßigen Sprechstunde anzubieten. Jung und Billig über ihre Arbeit auf ihrer Internetseite: „Zur Durchsetzung der Forderungen setzen wir allein auf die Wünsche der betroffenen Personen, sie bestimmen die Vorgehensweise. Somit sind auch der Wahl der Kampfmittel keine kreativen Grenzen gesetzt, seien es Angestelltenversammlungen, Kund­gebungen, Arbeitsniederlegung oder die Sabotage des Betriebsablaufes. Bei der Planung, sowie bei der Durchführung werden wir zur Seite stehen. Es liegt an allen Minijobbenden selbst, den ersten Schritt zu tun, den Weg gehen wir gemeinsam. Time to organize!“

Auf ihrer Webpräsenz bietet die Kampagne eine breite Informationssammlung. Für Minijobbende gibt es die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen, auszutauschen und sich gegenseitig Mut zu machen. Außerdem lädt die Kampagne zu ihren Treffen in Berlin ein und gibt eine Kontaktmöglichkeit für etwas weiter entfernt Wohnende.

Da kann mensch nur gutes Gelingen und viel Erfolg fürs weitere Schaffen wünschen! Macht weiter so!

Vogel

www.arbeitsagentur.de/Navigation/zentral/Buerger/Arbeit/Minijobs/Minijobs-Nav.html

Soziale Bewegung

Ertrunken im Sumpf der Bürokratie

Wasserversorgung zwischen Menschenrecht und EU-Konzessionsrichtlinie

Es war das Jahr 2009. Ich, schnuckelige achtzehn Jahre alt, saß in der Politikstunde und setzte mich mit der UNO und der EU auseinander. Mit den vergehenden Stunden lernten wir die UN-Charta und so auch die Menschenrechte kennen. Naja, in der auch festgehalten ist, dass ein_e jede_r ein Recht auf Leben hat (Artikel 3) und auch auf Nahrung (Artikel 25) und in weiteren Artikeln ist indirekt erklärt, dass dem Menschen kein Wasser versagt werden darf. (1) Und ja, ich weiß, einen Artikel über Wasserprivati­sierung mit den Menschenrechten anzufangen ist viel­leicht polemisch und dennoch:

Ich war damals schon wütend, dass die Menschenrechte so oft missachtet werden. Und im gleichen Jahr lernte ich auch etwas über die „Neuen Kriege“ und „Konflikte um das blaue Gold“ mit Beispielen aus Nord- und Lateinamerika sowie Afrika und Asien. Doch dass man in der EU mal auf den Gedanken kommt, Wasser als eine Handelsware zu sehen und diese somit EU-weit zu privatisieren? Damit habe ich nie gerechnet – ich weiß, ich war naiv.

Aber wovon rede ich eigentlich? Viele von euch haben es wahrscheinlich schon mitbekommen. Das Thema wird viel diskutiert. Rund­mails, Social-Community-Netzwerke, verschiedenste Medien, Fernsehen – nein, eigentlich alle Medien haben in letzter Zeit davon berichtet: Die EU möchte neue Konzessionsregeln verabschieden, wodurch die Wasserversorgung angeblich für den (europäischen) Markt geöffnet würde. Und schon seien wir bei der Privatisierung: Der Preis würde steigen, die Qualität nachlassen – so zumindest die Prognosen und Erfahrungen aus Großbritannien, Portugal, sogar aus Berlin.

Kleine Hoffnungsfunken

Während ich für den Artikel recherchiere und mich frage, wie und was ich für eine politisch linke Leser_innenschaft schreiben soll, nimmt meine Enttäuschung über Politik und auch Gesellschaft stetig zu. Wie kann es seitens der Politik nur dazu kommen, eine Diskussion über Verkauf von Wasser überhaupt auch nur ansatz­­wei­se in Betracht zu ziehen? Und wie kann eine so große Gesellschaft (mich inbegriffen) nur still sitzen bleiben? Ja, die Industrie. Und ja, die Politikverdrossenheit. Ich weiß. Dennoch macht es mich wütend. So wütend, dass ich fluche, schimpfe und an Steine-werfen sowie an brennende Autos denke. Dabei bin ich dafür viel zu feige. Außerdem: Was hilft das gegen Was­serprivatisierung?

Dann re­cher­­­­chie­re ich leicht erhitzt wei­ter und ent­­­­decke kleine Hoffnungsfunken und Punkte, die mich neugierig machen.

Zunächst einmal ein sehr gelungener Auftritt von Erwin Pelzig in seiner Abend­sendung „Neues aus der Anstalt“. Der fränkische Kabarettist macht offensicht­­liche Schleichwerbung für right2water.eu/de, die europäische Bürgerinitiative gegen die Privatisierung von Wasser. Wobei er sein Vorhaben breit kommentiert. (2) Und auch die Sendung „Monitor“, vom WDR gesendet, hat schon vor Weihnachten auf die Bürgerinitiative hingewiesen. (3)

Außerdem denke ich an erwähnten Politikunterricht zurück und erinnere mich, dass ganze Dörfer protestiert haben gegen Stauseen und damit gegen die Wasserver­knappung bei den Menschen am Fluss unterhalb des riesigen Dammes. Ich suche nach Beispielen der Wasserprivatisie­rung in der Welt und stoße auf das „Blaue Wunder von Co­chabamba“. Durch eine Priva­tisierungswelle in ganz Lateinamerika in den 1990er Jahren kam es zu einer solchen des blauen Golds in der Andenstadt Cochabamba in Bolivien. Aguas del Tunari, Tochterfirma von International Water Ltd., erhöhte den Wasserpreis in wenigen Monaten um knapp 300%. Einige Bürger_innen konnten sich daraufhin kein Wasser mehr leisten. Es kam zum Aufstand, Generalstreik, Straßenblock­ier­ungen. Die Regierung konterte mit Waffen. Das bekannte Prozedere. Am Ende des „Wasserkrieges“ gab es weder die Privatisierung, noch einen weißen Präsidenten – aber auch einen Menschen weniger und viele Verletzte. (4)

So frage ich mich also, was wir aus Cochabamba lernen können? Na je­denfalls, dass wir, die Gesellschaft, Einfluss haben können. Aber muss immer Gewalt die Lösung sein? Ich mag doch nicht weh tun oder weh getan werden! So suche ich al­so nach Ak­tions­­mög­lich­­kei­ten und nach einer Ant­wort, wie wir aus unserem ver­meintlich „links-auf­geklärten“ Zir­kel auch auf „Noch-Nicht-Wissende“ und „Wenig-Informierte“ außerhalb unserer Nische oder Subkultur zugehen und aktiv sein können.

Was ändert sich eigentlich genau?

Zunächst einmal möchte ich noch mal auf die Konzessionsrichtlinie direkt zu sprechen kommen. Was ist das eigentlich genau? Eine Konzession? Eine Konzession ist lediglich „[d]ie Verleihung eines Nutzungsrechts an einer öffentlichen Sache durch die zuständige staatliche oder kommunale Behörde, z.B. die Überlassung eines Abbaurechtes für Rohstoffe.“ (5) Die Richtlinie ist also dafür da, Konzessionen besser zu strukturieren und eine Grundlage dafür zu schaffen, sie einfacher und womöglich schneller durchzuführen – dies auf juristischer Ebene. Was ist also die Gefahr der Konzessionsregeln? Was genau ändert sich zu der bisherigen Situation? Ich suche weiter und bemerke, dass sich an und für sich gar nicht so viel ändert. Durchaus gibt es schon eine Rechtsprechung des EuGH (Europäischer Gerichtshof). Auch jetzt schon können die Kommunen die Kon­zessionsvergabe euro­pa­­weit ausschreiben. Sie müssen es aber nur dann, wenn die Konzession an nicht-öffentliche Anbieter abgegeben werden soll: „Erst wenn sie sich entscheiden, die Leistung außerhalb ihrer eigenen Organisationsstruktur zu vergeben, ist die Beschaffung aus Gründen der Transparenz, der Nichtdis­kri­mi­nierung und des Wettbewerbs auszuschreiben.“ (6)

Der Entwurf der Konzessionsrichtlinien nimmt diese Rechtsprechung auf. So sind „die Vergaben von Aufträgen an verbundene Unternehmen, Gemeinschaftsunternehmen und bei anderen Beziehungen zwischen öffentlichen Stellen vom Ver­gaberecht frei[gestellt].“ (6) Sogar interkommunale Regelungen sind von der Ausschreibung ausgeschlossen. Das heißt, dass sich mehrere Gemeinden für die Wasserversorgung und -entsorgung zusammenschließen und mit öffentlichen Anbietern ohne Ausschreibung zusammenarbeiten dürfen, wie es in Hamburg beispielsweise der Fall ist. So weit ist alles gut, keine Änderung zur derzeitigen Situation. Dennoch ein ABER: In Deutschland ist die Wasserversorgung (zu großem Teil in öffentlicher Versor­gungsstruktur) meistens mit der Gas- und Stromversorgung (fast ausschließlich über den privaten Markt gesteuert) gekoppelt. Um nun also die bisherige Rechtsprechung des EuGH aufrecht zu erhalten, müssten diese von­einander ge­trennt und alle Anteile von privaten Unternehmen an den jeweiligen Stadtwerken wieder aufgekauft werden. Was wiede­rum einen enormen Aufwand und gleichzeitig eine Veränderung der bisher gut funktionierenden Trink­wasser­ver­sor­gung bedeutet. (6) So ist die Befürchtung der Kritiker berechtigt. Die Wasserversorgung steht also doch in Gefahr privatisiert zu werden – aus finanziellen und bürokratischen Gründen. Auch die Sorgen um die Qualität sowie um die Preise sind berechtigt. Zwar könnten sich die Kommunen gegen eine Qualitätsabnahme schützen, so die Befürworter der Konzes­sions­­richt­linie, da die Vergabe nicht gleich an den günstigsten Anbieter_in gehen müsse. Somit könnten die öffentlichen Träger auf Qualitätskriterien achten, sowie in die Ausschreibung klar definierte Forderungen aufnehmen. Auch die zeitlich begrenzte Kon­zessionsvergabe könnte als Schutz betrachtet werden. Aber letztlich zeigt die Erfahrung, dass private Unternehmen doch nur am Profit orientiert sind. Vertraglich festgehaltene Qualitätsstan­dards werden vermutlich entweder nicht gehalten oder aber der_die Steuer­zahler_in wird für dieses aufkommen und dann gleich zweimal bezahlen müssen: Die Instandhaltung als auch den Privatinvestor.

Außerdem: Schaut man sich die Lobby im Expert_innenrat und in Brüssel allgemein an, so findet mensch schnell viele Ver­treter_innen aus der Wasserbranche und angrenzenden Industriebranchen. (7) Die Lobby ist sehr stark und die Strukturentwicklung nicht absehbar. Die Gefahr, die viele Politiker_innen und Expert_in­nen sehen, dass die Konzession im Bereich Wasser in Zukunft an private Großkonzerne wie Veolia vergeben werden, ist also durchaus berechtigt. Ebenso ist die Befürchtung von Monopolisierung zu­mindest nachvollziehbar, auch wenn diese vermeidbar wäre. (8)

Da ich gerade so fleißig bin – nebenbei noch etwas zu einem der Profi­teure der Konzes­sionsrichtlinien. Der transnatio­nale Konzern Veolia, in Deutschland auch für den privaten regionalen Nah­verkehr be­kannt, groß geworden durch die Wasserindustrie, klagt gerade gegen den Film „Water makes Money“, der bei YouTube zu finden ist. Der Titel des Films sagt schon alles aus.

Aber das interessiert die Politiker_innen herzlich wenig. Immerhin 28 Abgeordnete des EU-Binnenmarktausschusses sind für die Richtlinien verantwortlich. Egal wie groß die Lobby ist: Als Bürger­_in­­nen der Europäischen Union haben auch wir die Möglichkeit ihnen unsere Meinung darüber kundzutun sowie an ihre Verantwortung uns gegenüber zu appellieren. In wieweit dies aber erfolgversprechend ist, wage ich zu bezweifeln.

Eine europaweite Bürgerinitiative im Kommen

So merke ich, dass die Sachlage des Entwurfs zur Konzessionsrichtlinie nicht ganz so einfach ist wie sie auf den ersten Blick scheint. Schade, dabei wäre es doch so schön, einmal ein Problem ganz einfach zu beheben und damit die Welt zu retten.

Aber wie kann mensch sich denn nun engagieren? Wie ich oben schon erwähnt habe, gibt es eine europäische Bürgerinitiative. Diese wurde von der Kampagne right2water gestartet. Eine wahrlich interessante Kampagne, die sich schon sehr lange mit dem Thema auseinandersetzt und fordert, dass die Wasserwirtschaft gänzlich von der Liberalisierungsagenda zu trennen ist. Hier steht das Recht auf Wasser an oberster Stelle. Zugang zu Trinkwasser und sanitärer Grundver­sorgung muss für alle gegeben sein, so right2water. Hinter der Kampagne stehen verschiedene europäische Verbände und Allianzen von zumeist NGOs und Gewerkschaften. (9) Inzwischen haben schon 1.121.465 EU-Bürger_innen (10) die Initiative unterstützt. Doch um ihre Forderungen vor das EU-Parlament bringen zu dürfen, damit dieses sich damit auseinandersetzt, müssen eine Million Unterschriften aus mindestens sieben Ländern zusammenkommen. Da ist es schon mal nicht schlecht über eine Million Unterschriften gesammelt zu haben, nur müssen es aus den sieben Ländern eben auch festgelegte Anteile sein. Darum strebt die Kampagne nun die Zwei-Millionen-Grenze an.

Schließlich bin ich zwar ein wenig enttäuscht darüber, dass die Medien eine verkürzte Darstellung der Sachlage vermitteln und nur wenig auf die Lobby eingehen sowie auf die derzeitige Regelung. Gleichzeitig merke ich aber, dass gar nicht so wenige still sitzen bleiben, dass durchaus Menschen aufspringen und sich wehren.

Mich beeindruckt es, dass es doch immer wieder Menschen gibt, die die Politik verändern wollen. Sie nutzen ihre par­tizipatori­schen Möglichkeiten, um Einfluss zu nehmen in einem Diskurs, der durchaus in den größeren Zusammenhang des kapitalistischen Systems gestellt werden sollte. Ohne müde und des Ganzen überdrüssig zu werden. Denn: Ja, es ist angenehmer politikverdrossen auf der Couch zu sitzen und es ist auch leichter Steine zu werfen, um dem Unmut Ausdruck zu verleihen. Als immer und immer wieder Energie zu schöpfen und der Ungerechtigkeit den Kampf anzusagen. Und das über diese wenigen, kleinen Möglichkeiten, die uns diese Form der Demokratie übrig lässt. So versuchen einige Stück für Stück auf die Revolution hin zu arbeiten. Während andere zuhause nichts-tuend auf diese warten.

Vogel

(1) Zur Erinnerung: amnesty.de/alle-30-artikel-der-allgemeinen-erklaerung-der-menschenrechte
(2) www.youtube.com/watch?v=1fGHNwhPlvs
(3) www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/1213/wasser.php5
(4) www.quetzal-leipzig.de/lateinamerika/bolivien/die-wasserkonflikte-von-cochabamba-und-el-alto-19093.html
(5) www.wikipedia.de
(6) www.vergabeblog.de/2013-02-05/der-entwurf-einer-konzessionsrichtlinie-als-gefahr-fr-die-deutsche-trinkwasserversorgung/
(7) ec.europa.eu/environment/water/innovationpartnership/pdf/EIP_water.pdf
(8) Wie vorher schon erwähnt, Preisdumping kann aus dem Weg gegangen werden. Vgl. auch (6)
(9) www.right2water.eu/de/node/85
(10) Stand: 16.02.2013, 22.35 Uhr

EU.ropa

Die Redaktion… liest:

Giovanni Francesi: „Tifare Contro“, 2010, Burkhardt & Partner

Giovanni Francesio summiert darin das wichtigste von über vier Jahrzehnten Ultrà-Kultur in Italien. Im Untertitel, „Eine Geschichte der italienischen Ultras“, wird deutlich dass er keinen Anspruch auf die absolute Wahrheit erhebt. Doch will er damit der Kurve selbst eine Stimme geben. Denn über Jahrzehnte bestand die veröffentlichte Meinung zur Ultrà-Bewegung ausschließlich aus Wortmeldungen von Soziologen, Politikern, Journalisten, Polizeioberen und Psychologen. Sie war vom eigentlichen Gegenstand weitgehend losgelöst und nur eine Analyse verkaufter Spekulationen, die im Vorurteil: „Gewalttäter, die mit dem Fussball nichts zu tun haben“, gipfelte. Ein interessantes Buch, um Verständnis für diese Art der Fankultur zu gewinnen. Jedoch darf man nicht den Fehler machen, den Inhalt der italienischen Bewegung eins zu eins auf die deutsche Bewegung zu projizieren.

Klaus Canzely

Marc Thörner: „Afghanistan-Code. Reportagen über Krieg, Fundamentalismus und Demokratie“, 2010, Nautilus

Diese Reportage des Journalisten Marc Thörner verdeutlicht vor allem Eines: Dass nichts gut ist, am Militäreinsatz in Afghanistan. Die sog. Aufstandsbekämpfung hat mehr mit der französischen Kolonialstrategie im Algerienkrieg gemein, als mit Friedensschaffung. Die Bundeswehr wird der Kom­­p­le­xi­t­ät des Konfliktes nicht gerecht, reproduziert statt dessen Kon­flikt­linien und befeuert die Spannungen im Land. Durch Gespräche mit Offizieren und Ein­heim­­is­ch­en auf seinen Reisen 2008 und 2009 deckt er zudem medial reproduzierte Falschaussagen der Bundeswehr auf.

momo

David Graeber: „Inside Occupy“, 2012, Campus Verlag

Ja, der ganze Occupy-Hype nervte irgend­wann, und diese doofen Guy-Fawkes-Masken als Symbol für Protest, Subversion & bla könnten gern mal wieder aus der Mode kommen. Zwar ist auch längst nicht alles richtig, was David Graeber hier so schreibt. Er kommt aber durch­aus sympathisch rüber und gibt (neben einigen eher länglichen Ausführungen z.B. zur Geschichte der Demokratie) viele geistreiche Bemerkungen und hübsche Anekdoten zum Besten. Unterhaltsam zu lesen ist das allemal.

justus

Martin Esslin: „Brecht – Das Paradox des politischen Dichters“, 1970, dtv

Mal ein antiquität’sches Stück. Diese Ausgabe, gut gebraucht beim Antiquar für einen Euro gekauft, gibt eine schöne Einführung in Leben und Werk Bertold Brechts. Zudem ist das 358 Seiten starke Buch ein Zeitzeugnis: In Zeiten des Kalten Krieges ein im Westen erschienenes Buch über einen Wahlossi-Kommunisten, der dort stark gefördert, doch auch kritisch beobachtet wurde.

Vogel