Archiv der Kategorie: Feierabend! #15

NeuBekanntes von der LVB

Wie die LVZ (10. 9. und 11./12.9.) berichtete, gab es Streit um die Verhandlung zwischen den LVB und deren Betriebsrat. Die LVB sind neben den Stadtwerken und den kommunalen Wasserwerken Teil der Leipziger Versorgungs und Verkehrsgesellschaft (LVV), eine Managementholding (Umsatz ca. 700Mio €), die der Stadt Leipzig gehört. Die LVB haben ca. 15 Subunternehmen und sind an anderem Unternehmen beteiligt (z.B. mit 20% am Mitteldeutschen Verkehrsverbund, siehe auch lvv.de). Die LVB will mindestens 20 Mio € Personalkosten sparen. Die Stadt Leipzig hat der LVB mehr Zuschüsse zugesagt, als die LVV tatsächlich an sie zahlt (LVZ 14.9. und 17.9.).

Die Subunternehmen sind ein Mittel, um die Fahrer/innen zu entsolidarisieren und den Lohn zu drücken. Bei den erwähnten Verhandlungen ging es um die Löhne der Kernbelegschaft der LVB. Die Geschäftsführung (der ein ehemaliger Gewerkschaftsfunktionär vorsteht) drohte mit der Auslagerung der Fahrer/innen in ein weiteres Subunternehmen. Diese bedienen sich oft vom Arbeitsamt geförderter Fahr/innen mit befristeten Verträgen, die nach Ablauf der Förderung durch neue, geförderte, Fahrer/innen vom Arbeitsamt ersetzt werden.

Der Unmut unter den Fahrer/innen ist groß. So soll es Forderungen an ver.di nach einem Warnstreik und eine Versammlung gegeben haben. Doch es gibt keinen Kontakt zwischen den Fahrer/innen der Kernbelegschaft und den Subunternehmen. Die Strategie der LVB funktioniert. Ein Gespräch des FA! mit Fahrer/innen der Kernbelegschaft ergab, dass die Fahrer/innen, sowohl über Geschäftsleitung als auch über Betriebsrat und Gewerkschaft verärgert sind. Sie beklagen die Entsolidarisierung durch die Teilung der LVB, doch auf Nachfrage, was sie dagegen unternehmen, reagierten sie mit einem Schulterzucken und sagten, wir sollen doch selbst mit den Fahrer/innen der Subunternehmen reden. Abwarten und Teetrinken scheint ihre Devise zu sein. Doch wer soll sich für die Fahrer/innen einsetzen, wenn sie es nicht tun? Wo sie doch selbst sagen, dass von Betriebsrat und Gewerkschaft nichts zu erwarten ist.

Ver.di protestierte gegen die Einigung. Vor allem aus Eigeninteresse. Ihr Ausschluß von den Vorverhandlungen stellt einmal mehr ihre Funktion als Vermittlerin zwischen Arbeiter/innen und Unternehmen in Frage. Selbst konstruktiver Teil der kapitalistischen Gesellschaft, erweist sich ver.di exemplarisch für die Gewerkschaften wie gewohnt als handzahm und verzichtete selbst auf einen Warnstreik.

So zeigt sich einmal mehr das gewohnte Bild: das Kapital drückt den Lohn, Betriebsrat und Gewerkschaft fungieren als bloße Institutionen der Vermittlung und die Arbeiter – obwohl von den Funktionären enttäuscht – wissen nicht was sie machen sollen und hoffen jede/r still für sich, dass es ihnen individuell nicht allzuviel schlechter gehen wird. Von der Einsicht, dass letztlich ihrer einzige Hoffnung im gemeinsamen Kampf gegen das Kapitalverhältnis selbst liegt, und dass dieser Kampf mit der Einmischung in die eigenen Belange beginnt, sind die Fahrer/innen der LVB derzeit weit entfernt.

v.sc.d/AE

Lokales

Ha,ha,ha – Antifa!

Nach dem ereignisreichen 03.10.2004 ließen sich viele antifaschistisch Bewegte nicht so provokant auslachen und folgten zahlreich dem Aufruf zu einer Strategiediskussion am 20.10. ins Leipziger Volkshaus. Konkreter Anlaß war dabei eine in der jungle world geführten Diskussion um eine Parole des Leipziger Bgr: „Antifa heißt ausschlafen!“. Doch die 150-200 sich dicht in den Saal drängenden, größtenteils jungen Leute warteten geduldig stöhnend, aber umsonst auf Impulse vom Podium, auf und von dem kein Funke übersprang. Die anschließende offene Diskussion war dann auch nach zwei Meldungen beendet: Hier gab es keinen Dis­kussionsbedarf! Dabei hätte es schon einige Fragen gegeben: Gilt das Gegenwehr-Konzept nur für „Nazinazis“ (O-Ton Bgr) oder auch für den Bäcker von Nebenan, den grünen Freund und Helfer, den Arbeitergeber? Oder: Wie soll denn die bürgerliche Gesellschaft bekämpft werden, wenn mensch nicht die modernen Agenten ihrer Reproduktion (Staat und Kapital) angreift? Nur durch die radikale Kritik ihrer Ideologien? Bei soviel Unklarheiten kann uns nur ein heißer Antifa-Winter bevorstehen. In diesem Sinne: Fight fascism, beat capitalism!

clov

Antifaschismus besitzt trotz all dieser Einwände eine konkrete Berechtigung – nur nicht im Sinne der meisten Antifa-Gruppen. Auch nach dem von der Bundesregierung proklamierten Antifa-Sommer 2001. Die Berechtigung besteht einerseits darin, sich gegen Angriffe zur Wehr zu setzen, und andererseits die bürgerliche Gesellschaft (und nicht etwa den Staat oder das Kapital) als den Nährboden für faschistische Ressentiments zu bekämpfen. Darüber hinaus hätten sich AntifaschistInnen in Deutschland mit der NS-Zeit und den post-nazistischen Kon­tinui­täten zu beschäftigen.“
(Aus dem Bgr-Beitrag unter: jungle-world.com/seiten/2004/40/4053.php)

Lokales

Romanes eunt domus* – Römer geht nach Hause!

Am 29.10. 2004 unterzeichneten die Regierungschefs und Außenminister der 25 Mitgliedsstaaten sowie die der drei Beitrittskandidaten Türkei, Rumänien und Bulgarien den aktuellen Entwurf für eine Europäische Verfassung. Das Ver­trags­werk tritt am 1. November 2006 in Kraft, wenn es bis dahin von allen 25 Staaten, die der EU angehören, ratifiziert ist, andernfalls zu Beginn des zweiten Monats nach der letzten Ratifikation. Neun Staaten, darunter Frankreich und Großbritannien, haben eine Volksabstimmung zur Ratifizierung angekündigt. In Deutschland ist damit nicht zu rechnen. Daß die Wahl für die historische Unterzeichnung wiedermal auf Rom fiel, sollte wohl zum einen auf die „Römischen Verträge“ von 1957 verweisen, zum anderen wie ’57 auf die Nähe zum antiken Römischen Imperium. Dagegen hat man nur einmal mehr den Gastgeber, italienischen Regierungschef und Neofaschisten Silvio Berlusconi hofiert. „Römische Verträge“ und „Römisches Imperium“ als tragende Säulen der Europäischen Verfassung?

Die „Römischen Verträge“ von 1957 bezeichnen zwei Rechtsschriften: Den EG-Vertrag und den EAG-Vertrag. Der letztere besteht vorwiegend aus Vereinbarungen zum gemeinsamen Umgang mit Atomwaffen und dem dazugehörigen Material. Ersterer ist ein revidierte Fassung des zuvor gescheiterten EVG-Vertrages – der in erster Linie verteidungspolitische (militärische) Vereinbarungen enthielt – und auf dem Hintergrund des aufziehenden „Kalten Krieges“ zu verstehen ist. Eine einheitliche Zollpolitik sollte den Mitgliedsstaaten eine grenzübergreifende marktwirtschaftliche Konkurrenz und damit den entscheidenden Vorsprung (durch größeres Wachstum) vor den anderen europäischen Staaten sichern. Kontrollierter Waffenhandel und eine Wir-gegen-die-Anderen-Mentalität sind also ein Moment der beschworenen Tradition. Die Macht übers Mittelmeer, autonome Provinzen und eine Zentralverwaltung die anderen?

Jenseits des symbolischen Gehalts sollte der Vertragstext der Europäischen Verfassung jedoch nicht überschätzt werden. Neben einigen schwammigen idealistischen Begriffen, enthält die Verfassung vor allen Dingen, Rechtsvorschriften zur Gliederung und Ausdifferenzierung der Europäischen Institutionen und Machtapparate. Mit dieser „Staatsbegründung“ auf Europäischer Ebene vollziehen die involvierten Nationalstaaten lediglich die nachträgliche Legitimation ihres transnationalen politischen Handelns: Grenzübergreifende Zuwanderungskontrolle und Kriminalitätsverfolgung, Zentrali­sierung der Märkte für Arbeit/Ware/Geld, gemeinsame Militarisierung, Synchroni­sierung der Ausbildung – alle diese seit vielen Jahren sich vollziehenden Europäischen Entwicklungen, die 1990 einen enormen Schub erhalten haben, dienen nur dem einen Ziel: Durch verstärkte Konkurrenz innerhalb des so geeinten Europäischen Wirtschaftsraumes ein höheres Wachstum der Wirtschaften zu erzielen, um auf dem „Weltmarkt“ andere auszustechen. Das heißt für den/die EuropäischeN BürgerIn und für die außereuropäischen KonkurrentInnen mehr Druck „von oben“, sprich sinkende Chancen überhaupt seine/ihre Arbeitskraft verkaufen zu können. Dabei war es der parlamentarischen Politik seit je her gleich, dass viele Menschen sich diesem Druck überhaupt nicht gewachsen fühlen, ebenso wie die Erkenntnis, dass ein volkswirtschaftliches Wachstum noch überhaupt nichts über dessen Verteilungsmöglich­keiten aussagt. Eins ist jedenfalls klar: Die Unterzeichnung der Europäischen Verfassung ist der Auftakt einer Geschichte, an deren Ende nur der Reißwolf stehen kann, hoffen wir, dass es eine kurze Geschichte wird!

clov

*…?…. … ?? Schon klar!
Filmtipp: Monty Python „Das Leben des Brian“

EU.ropa

Castoralarm!

Die Hoffnung, die mensch am Sonntagmorgen (07.11.2004) noch in den Widerstand auf französischer Seite setzte, wurde jäh erschüttert, als die Nachricht durchsickerte, der Castorenzug hätte einen französischen Aktivisten überrollt und getötet. Auch wenn bei dem gewaltfreien Widerstand gegen die Atommülltransporte immer wieder das Leben aufs Spiel gesetzt wird, damit hatte niemand gerechnet. Der Castorenzug rollt mit 100 h/km (!!!) über die Gleise, sieht die DemonstrantInnen zu spät und verletzt einen tödlich. Keine Polizei, keine Aufklärung und Abschirmung, kein noch so modernes Überwachungs- und Kontrollgerät konnten das verhindern. Dabei handelte es sich um den gefährlichsten Transport, den mensch sich überhaupt denken könnte.

Mit den kritischen Stimmen der französischen Presse bleibt deshalb zu fragen: Was wäre eigentlich passiert, wenn anstelle des Demonstranten ein Baum oder irgendetwas anderes auf der Strecke gelegen hätte und der Zug wäre entgleist? Und warum gibt es in der französischen Regierung und in den Köpfen der vielen Menschen auf beiden Seiten der Grenze noch immer diese schier unerträgliche Ignoranz gegenüber den für alle viel zu hohen Risiken atomarer Kernkraft und deren Entsorgung!? Umdenken. Aktiv werden. Abschalten. Mit dem Widerstand stirbt auch die Hoffnung auf eine von der Atomkraft befreite Welt!

clov

Bewegung

Kleines 1×1 für’s Amt

Formloser Antrag genügt! Anspruchsberechtigt ist mensch ab dem Zeitpunkt, an dem die Behörde von der Notlage des Betroffenen erfahren hat, d.h. für den Anfrag genügt es völlig, einen formlosen Antrag einzureichen. Drauf gehört der Name und Adresse und dass mensch Arbeitslosengeld beantragt. Die fehlenden Informationen (bzw. das Ausfüllen des Antrages) fordert das Amt dann später.

Nicht alleine auf das Amt gehen Nehmt Euch eine Begleitperson mit, jemanden dem ihr vertraut oder noch besser einen Experten (Sozialarbeiter, jemanden von der Erwerbsloseninitiative etc…)

Vorteil: Ihr fühlt Euch sicherer gegenüber dem Bearbeiter auf der anderen Seite des Schreibtisches; nicht zu unterschätzen: Ihr habt einen Zeugen für das Gespräch; wenn es Euch die Sprache verschlägt, kann Eure Begleitung vielleicht einspringen …

Auf Schriftform bestehen Alle Entscheidungen des Amtes sind der so genannte Verwaltungsakt. Dieser muss in Schriftform erfolgen und mit der Rechtsgrundlage der Entscheidung versehen sein. Nur mit diesem Schriftstück habt Ihr eine Chance, eine Entscheidung des Amtes anzufechten, also Widerspruch einzulegen.

Fristen beachten Achtet auf vorgegebene Termine und Fristen! Habt ihr einen Termin verschwitzt oder fristgemäß einzureichende Unterlagen nicht abgegeben, wird gerne das Mittel der „fehlenden Mitwir­kungspflicht“ angewandt. Im Klartext: Reduzierung oder Sperrung der Leistung.

Wenn Euch eine Entscheidung des Amtes seltsam vorkommt oder Ihr anderer Meinung seid: Widerspruch innerhalb von 14 Tagen formlos einlegen. Und:

Experten fragen! In jedem Stadtteil findet ihr Experten, die sich (kostenlos) eure Anträge anschauen: Sozialarbeiterbüro, Er­werbs­loseninitiative, politische Gruppen…

Lieber weniger Daten angeben Eine Emailadresse oder Telefonnummer sind für die Berechnung des Bedarfes nicht notwendig. Punkt. Außerdem steht ihr so nicht rund um die Uhr zur Verfügung. Wenn mensch mal zwei Tage weg will aus der Stadt und die Einladung zum Amt nur mit dem Postweg kommen kann…

sozialreform

Anträge, Anwälte & Aktionen

Tausende zukünftiger Bezieher des Arbeitslosengeldes II – 66.000 sollen es allein in Leipzig sein – haben in jüngster Zeit persönliche Einladungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) erhalten. Das Behördenschreiben ist allerdings genau zu lesen! Fehlt die Rechtsfolgenbelehrung, oder soll es nur um den Antrag gehen, muss man den Termin nicht wahrnehmen. Ansonsten ist man aufgrund der „Mitwirkungspflicht“ gezwungen, im Amt aufzukreuzen … den Antrag muss man aber bis 3. Januar nicht abgeben. Wenn man dann im Büro steht und sie nur eines wollen – die Daten – dann gibt es allerlei Möglichkeiten: man habe noch ein paar offene Fragen; einige Belege würden noch fehlen; oder aber der Antrag liegt zwecks Prüfung noch bei meinem Anwalt – je nachdem, wie man dem/der Sach­bearbeiterIn (SB) gegenüber auftreten will. Ratsam ist es, als Zeugen eine Begleitung mitzunehmen, etwa falls der/die SB mit Sanktionen oder Verschleppung droht… „Sollten Sie diesen Termin nicht einhalten wollen, oder zeitlich verschieben wollen, kann seitens der Agentur für Arbeit Leipzig möglicherweise eine rechtzeitige Auszahlung der zustehenden Leistungen ab Januar 2005 nicht gewährleistet werden. Darüber hinaus werde ich Ihre Arbeitslosenhilfe einstellen, solange Sie Ihre Antragsunterlagen nicht eingereicht haben.“ (Einladung der BA)… solche Maßnahmen haben keine rechtliche Grundlage und dienen allein der Einschüchterung! Sie geben im übrigen auch genügend Stoff für eine Klage wegen Nötigung.

Wenn sich solch sinnlose Vorladungen häufen, ist davon auszugehen, dass die SB noch freie Ressourcen haben – also ruhig noch ein paar Einmalbeihilfen beantragen, dann erledigt sich das „Problem“!

Zudem kann eine übereilte Antragsabgabe mehr schaden als nützen: Ändern sich Einkommens-, Vermögens- oder Wohnverhältnisse bis Anfang 2005, so ist jeder Antragsteller verpflichtet, der BA das unverzüglich mitzuteilen. Wird dies versäumt, bekommen die Betroffenen die starke Hand der Agentur zu spüren – von Kürzungen bis hin zu Betrugsanzeigen. Erfahrungen zahlreicher Erwerbsloseninitiativen zeigen, dass die BA anzweifelt, dass das aktenkundig gewordene Geld aufgebraucht wurde, und Betrug unterstellt, d.h. Sanktionen verhängt. Das ist umso gravierender, da die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ab 1.1.2005 gesetzlich abgeschafft wird!

Wer meint, der frühe Vogel kriegt zuerst den Wurm, mache sich klar oder frage noch mal beim „Fallmanager“ nach: die heute abgegebenen Anträge sind nicht etwa bearbeitet worden, sondern landeten erstmal auf Halde, Schicht um Schicht. Denn die Software war erst Ende Oktober einsatzbereit – Ende September (LVZ, 29.9.) hatte es noch der 18. sein sollen, Ende August war der 4. Oktober geplant! Der Druck zur Abgabe, den die BA jetzt per Vorladung und über die Medien ausübt, dient der planmäßigen Umsetzung von Hartz IV.

Dem Vorschlag des Arbeitslosensyndikats Köln zu folgen, die Anträge erst am 6.12. abzugeben – und zwar gemeinsam! – wäre eine politische Demonstration und würde klarmachen, dass auch die Erwerbslosen keine bloße Verschiebemasse sind. Ziviler Ungehorsam als Ausdruck des Widerwillens, eine erste kollektive Aktion der Betroffenen, der weitere folgen könnten. Genau das scheint die BA mit den sinnlosen Vorladungen verhindern zu wollen – und das Muffensausen scheint groß zu sein, denn zu einem Treffen des „Erwerbs­losen­syndikats Leipzig“, für das auch vor dem Arbeitsamt Flugblätter verteilt wurden, gesellte sich am 5. Oktober auch der Pressesprecher der BA Leipzig, Hermann Leistner!

Erst versuchte er, sich einzuschmeicheln, denn er habe ja nichts gegen die Aktion und: „Ich wäre der Erste, der den Laden [die Arbeitsagentur] dicht macht.“ Aber die BA sei ja nur Organ der Politik und habe für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen – das ist der Kern der Panikmache, die auch von der LVZ getragen wird! In unserem Interesse ist es nicht, dass die Reform glatt durchgeht – und wenn die Regierung sich selbst ein Bein stellt (Software), wie können wir da abseits stehen? Stellen wir ihr das zweite! Lassen wir uns nicht kirre machen, eine „verspätete Abgabe“ (BA-Chef Leipzig Meyer, LVZ, 6.10.) ist nicht die Abgabe im Dezember. Nicht wir schaden uns mit einer späten Abgabe, sondern die BA gerät in Zugzwang sobald ihr die Notlage bekannt wird – dazu reicht auch ein formloser Antrag. Interne Arbeitsanweisungen geben jedenfalls an, dass im Januar „Abschlagszahlungen“ geleistet werden sollen, wenn die Anträge nicht bearbeitet werden können. Das bestätigte BA-Chef Weise auch gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Es liegt nicht im Ermessen der Agentur, wann sie das Geld auszahlt. Nicht vergessen sollten wir, dass es auch Ziel des Antrags ist, Leute aus der Stütze zu drängen!

Informiere Dich gut, was Du ausfüllen musst – nur das nötigste! (z.B. nicht Telefon/Email) – und was datenschutzrechtlich umstritten ist. Prinzipiell gilt: so wenige Infos wie möglich rausrücken, und: alles schriftlich.

A.E.

Infos im Netz: www.fau.org, www.bag-shi.de (Frankfurt), www.harald-thome.de (Wuppertal), www.machtlos.org (Leipzig)

sozialreform

Aufruf „Agenturschluss“

Wenn am 1. Januar 2005 die neuen Hartz-Gesetze in Kraft treten sollten, rufen wir dazu auf, die »Arbeitsagenturen« und »Personal Service Agenturen« (PSA) bundesweit zu schließen. Am ersten Werktag des neuen Jahres, am Montag, den 3. Januar 2005, werden wir den Start von »Hartz IV« stoppen.

Wir werden in Form von Besetzungen, Blockaden oder Versammlungen in den Ablauf der Erwerbslosenbürokratie eingreifen. Wir wollen die Nötigung und Beschneidung unseres Lebens anhalten und einen Raum schaffen für den Ausdruck unserer Ängste, unserer Wut und unserer eigenen Vorstellungen von einem würdigen Leben. Ob wir mit den jetzt stattfindenden Demos, Kundgebungen und Aktionen die notwendige gesellschaftliche Kraft entfalten, damit die Regierung die »Hartz-Gesetze« zurücknimmt, wissen wir nicht. Unsere Wut und unsere Phantasie sind aber noch lange nicht aufge­­braucht. Wir rufen besonders zur Teilnahme an der Arbeitsagentur-Aktions­woche vom 2. bis 5. November und zur bundesweiten Großdemon­stration an der Zentrale der »Bundesagentur für Arbeit« am 6. November in Nürnberg auf.

Selbst wenn die »Hartz-Gesetze « Alltag werden, wird der soziale Protest und Widerstand dagegen nicht zu Ende sein. Es sind schon andere Gesetze wieder gekippt worden. Weisen wir das gesellschaftliche Elend, das uns jetzt versprochen wird, zurück. Erinnern wir uns an die erfolgreichen Proteste gegen die Einführung einer Kopf-Steuer in England Anfang der 90er Jahre. Die massenhafte Aufkündigung des »sozialen Friedens« brachte das Gesetzesvorhaben seinerzeit zu Fall.

Viele Menschen begreifen, dass der Angriff auf uns und unsere Bedürfnisse gleichermaßen für Erwerbslose wie für Lohnarbeitende gilt.

Für diejenigen, die lohnarbeiten, als Erpressung zu Mehrarbeit und Lohnverzicht.

Für diejenigen, die erwerbslos sind, als Leistungskürzung und Zwang in Billigjobs. Immer mehr Aufwendungen für Renten- und Krankenversicherung kommen für alle dazu. Dass ausgerechnet die großen Sozialverbände wie Caritas, Diakonie oder AWO von der Einführung der nur symbolisch entlohnten Zwangsarbeit für »Arbeitslosengeld-II-BezieherInnen« profitieren wollen, macht sie zu klaren Gegnern im Widerstand gegen die »Hartz-Gesetze«. Im gemeinsam und gleichzeitig erlebten Alltag der Bedrohung mit Arbeit und Arbeitslosigkeit gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Erwerbstätigen und Erwerbslosen. Darin liegt aber auch die Möglichkeit, im Protest und Widerstand, nicht nur gegen die »Hartz-Gesetze «, zusammen zu kommen.

Im aktuellen Umbau des Sozialstaates verschiebt sich die Aufgabe der neuen »Agenturen für Arbeit«. Im Leitbild der »Verfolgungsbetreuung« tritt die Zielrichtung der Kontrolle und Ausübung von Zwang gegenüber den erwerbslosen »KundInnen « deutlich hervor und die Förderung und Beratung in den Hintergrund. Wenn die »Arbeitsagenturen« zur »Arbeitspolizei« werden, stellen wir ihre Existenzberechtigung in Frage.

In diesem Sinne soll die Schließung der »Arbeitsagenturen« durch unsere Aktionen auch die Forderung nach der Auflösung dieser Behörde ausdrücken. Was konkret am 3. Januar 2005 in den »Arbeitsagenturen« und »PSAs« passieren wird, ist abhängig von den Menschen vor Ort, von ihrem Zorn und von dem, was sie sich zutrauen. Unser Ziel ist es, uns in den Ämtern zu versammeln, den Betrieb lahm zu legen und dort zu protestieren und zu diskutieren. Dabei können die Beschäftigten der Arbeitsämter mit einbezogen werden. Sollten wir vor verschlossenen Türen stehen, haben wir ein Teilziel erreicht und können uns überlegen, ob und wie wir uns Zutritt verschaffen. Wir haben mehr vom Leben – als von der Arbeit!

www.labournet.de

sozialreform

Wilder Streik bei Opel in Bochum

Sieben Tage lang, vom 14. bis zum 20. Oktober, haben die ArbeiterInnen der Bochumer Opel-Werke die Produktion lahmgelegt. Mit ihren Aktionen haben sie auch die Teileauslieferung für vier weitere europäische Opel-Werke verhindert und damit die Produktionsketten völlig durcheinander gebracht. Im größten "wilden Streik" seit dreißig Jahren haben die ArbeiterInnen tagelang dem Dauerfeuer und den Einschüchterungen von Bossen, Politik, IG Metall und Betriebsrat widerstanden, die sie mit allen Tricks unbedingt dazu bringen wollten, die Produktion wieder aufzunehmen. Letztlich haben sich die erfahrenen und professionellen Abwiegeler und Abwickler aus den Reihen des DGB mit ihren Manipulationen erst einmal durchgesetzt. Trotzdem aber haben die ArbeiterInnen in Bochum mit ihren Aktionen gezeigt: es geht was und es geht so, dass es richtig weh tut!
Die Stimmung am Wochenende
Leute aus mehreren Gruppen der FAU waren in den letzten Tagen bei Opel in Bochum vor Ort, um Solidarität zu zeigen, mit den ArbeiterInnen zu diskutieren und zu erfahren, wie wir den Kampf unterstützen können. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass bei vielen ArbeiterInnen ein tiefes Mißtrauen nicht nur gegen die Politiker sondern auch gegen die Gewerkschaft und den Betriebsrat besteht, die zwar vordergründig den dicken Heinz markieren aber gleichzeitig versuchen, mit allen Mitteln auf ein Ende des Produktionsstopps hinzuwirken. Gerüchte und offensichtlich ganz gezielt gestreuten Falschinformationen von Seiten der Meister und der Funktionäre gaben sich die Hand.
Trotzdem war die Entschlossenheit groß, sich nicht auf irgendwelche nichtssagenden Versprechungen einzulassen und stattdessen das einzige Druckmittel, die De-Facto-Blockade der Teileauslieferung u.a. für Antwerpen und Rüsselsheim, in der Hand zu behalten. Auf der anderen Seite war aber auch durchaus eine steigende Unsicherheit spürbar, wie es weitergehen soll, wenn man nicht nur die Geschäftsleitung sondern auch den Betriebsrat und die Gewerkschaft gegen sich hat.
Dienstag – Die Inszenierung sickert durch
Gegen Abend sickerte durch, wie Betriebsrat und Gewerkschaft die Belegschaftsversammlung am nächsten Tag organisieren wollen. Weitab vom Werk, mit lediglich zwei Redebeiträgen, in denen Stimmung für die Wiederaufnahme der Produktion gemacht werden soll und ohne jede Möglichkeit der Diskussion. Stattdessen: Geheime Abstimmung über das Ende der Kampfmassnahmen. Einige haben Tränen in den Augen vor Wut und Enttäuschung, andere lachen und wollen diesem Gerücht nicht glauben. "Das war es dann wohl!" meint jemand.
Mittwoch – Alles unter Kontrolle
Schnell zeigt sich, dass die Informationen vom Vorabend kein Gerücht sondern Fakten waren. In der viel zu kleinen Halle auf dem Podium sitzen der BR-Vorsitzende Hahn und der IG Metall-Funktionär Hinse. Um das Podium Trauben von Werkschutz und Security. Security auch am Eingang. Sie machen rigide Kontrollen, wer raus geht rauchen, kommt nicht wieder rein. In den vorderen Reihen hauptsächlich Gefolgsleute des Betriebsrats. Reden dürfen nur die beiden Funktionäre. Danach wird sofort der vorbereitete Antrag den sie zur Abstimmung vorgelegt. Der läuft auf eine glatte Erpressung der Belegschaft hinaus: "Soll der Betriebsrat die Verhandlungen weiterführen und die Arbeit wieder aufgenommen werden? Ja oder nein?" Viele müssen drei mal überlegen, bis sie verstanden haben, was passiert. Weitere Verhandlungen nur, wenn die Belegschaft vor Gewerkschaft, Betriebsrat und Bossen kuscht und ihr einziges Druckmittel aus der Hand gibt.
Die Abstimmung ergibt eine Mehrheit für die Wiederaufnahme der Produktion. Rund 4.600 ArbeiterInnen sind dafür, knapp 1.800 dagegen. Ausserdem gibt es eine Menge Enthaltungen und ungültig gemachte Stimmzettel. Viele sind erst gar nicht zu dieser Farce erschienen. Die IG Metall wird später am Tag die Falschinformation verbreiten, es hätten sich 6.400 Arbeiter für die Wiederaufnahme der Produktion ausgesprochen, die dann auch sofort von eingen Nachrichtenagenturen aufgegriffen und verbreitet wird. Scheinbar ist den hauptamtlichen Abwicklern nicht so recht geheuer, dass trotzdem immer noch rund ein Drittel der ArbeiterInnen die Aktionen fortsetzen wollten. Obwohl sie dann keinen Pfennig Kohle gesehen hätten und mit Sicherheit die Repressalien eingesetzt hätten.
Und jetzt?
Über das, was jetzt kommt, herrscht absolute Unsicherheit. Die Stimmung ist mies, die Belegschaft gespalten. Also genau das, was die professionellen Verhandler brauchen, um Belegschaften halbwegs ungestört abwickeln zu können. Es kann aber auch sein, dass es bei einem absehbaren miesen Verhandlungsergebnis wieder zu spontanen Aktionen kommen wird. Dass sie das können, haben die ArbeiterInnen ja gerade gezeigt. Beim nächsten Mal wird allerdings die Werksleitung besser vorbereitet sein. Nachdem sie davon überrascht worden ist, wie schnell ihre "atmende Fertigung" auf europäischer Ebene soeben den Keuchhusten bekommen hat, wird man versuchen, in den nächsten Wochen Lager anzulegen, um einen erneuten Produktionsstillstand ins Leere laufen zu lassen. Manche Chancen bekommt man nur einmal und dann so schnell nicht wieder.
Das hat gesessen!
Eines jedenfalls haben die 7 Tage von Bochum gezeigt. Die Angst vor einem Wilden Streik, vor einem eventuellen Kontrollverlust der Befriedungsagenturen Betriebsräte und sozialpartnerschaftlicher Gewerkschaft sitzt tief bei Wirtschaft, Politik und veröffentlichter Meinung. Jede Regung hinter und vor den Toren der Bochumer Fabriken war tagelang Topthema in den Medien, Gegenstand von Eilmeldungen, wütendem Gekeife der Arbeit"geber"verbände, Erklärungen von Ministern und Parlamenten. Die Bochumer Opel-ArbeiterInnen haben mit ihrer Aktion ans Licht gebracht, was tatsächlich wehtut und wovor das System Angst hat. Direkte Aktionen mit konkreten Störungen des reibungslosen Betriebes. Nicht zuletzt deswegen haben viele Leute voller Hoffnung nach Bochum geschaut und tun es immer noch. Weil noch nicht aller Tage Abend ist.

Hinweis: Den Text haben wir von www.fau.org gezogen, er wurde von FAUistas aus dem Ruhrgebiet verfasst.