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Für eine umfassende Arbeitszeitverkürzung

Die Gesellschaft ist nicht mehr in der Lage, allen Menschen Arbeit zu geben. Die durch die Arbeitslosigkeit drohende Verarmung wird voll und ganz auf die Erwerbslosen abgeschoben. Manager und Funktionäre aus Wirtschaft und Politik überziehen die Arbeitslosen mit einer beispiellosen Verleumdungskampagne. Die Arbeitslosen allein treffe die Schuld an ihrer Arbeitslosigkeit. Sie seien faul und sollen sich endlich Arbeit suchen. Mit Kürzungen der Arbeitslosen- und Sozialleistungen durch Hartz und Agenda 2010 wie in der BRD sollen sie wieder zur Arbeit getrieben werden. In Wahrheit verschleiern die Manager und Funktionäre hiermit nur ihre tatsächliche Rolle. Die wahre Ursache der sich anbahnenden wirtschaftlichen Katastrophe ist: Die Überproduktion! Trotz ca. 10% Arbeitslosigkeit + 5% Dunkelziffer in Mitteleuropa ist es das größte Problem der Wirtschaft, mit den Bergen an Überproduktion fertig zu werden. Jeder weiß von den Butter-, Käse-, Fleisch- und Obstbergen oder den Weinseen, die jährlich vernichtet werden. Die Bauern erhalten inzwischen sogar so etwas wie einen Grundlohn für die Nichtbestellung ihrer Felder, wobei die Stillegung der Agrarflächen mit einem riesigen Aufwand über Satellit überwacht wird.

Warum müssen wir trotzdem immer länger arbeiten?

Die Ursache liegt in den Mechanismen der Marktwirtschaft begründet. Der Preis jeder Ware wird durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt und menschliche Arbeit ist heute nichts weiter als eine Ware. Arbeitskräfte sind weltweit im Überfluß vorhanden, weshalb überall ein Preisverfall für Arbeit zu beobachten ist. Lebensmittel und industrielle Güter werden hingegen durch die Vernichtung der Überproduktion oder durch Massenarbeitslosigkeit künstlich verknappt. Hiermit werden die Preise für Lebensmittel und industrielle Güter hoch gehalten. So kommt es, das wir bei sinkenden Löhnen zur Bestreitung unserer steigenden Lebenshaltungskosten immer länger arbeiten müssen. Deshalb werden bei steigender Arbeitslosigkeit immer weniger immer mehr arbeiten müssen.

Wer hat ein Interesse an langen Arbeitszeiten?

Für die Unternehmen ist die menschliche Arbeitskraft lediglich eine Ware, die als Produktionsfaktor wie ein beliebiger Rohstoff behandelt wird. Hiermit sind lange Arbeitszeiten lediglich eine Folge der billig gehaltenen Lohnarbeit, wobei beide Faktoren das Überangebot an Arbeitskräften und damit die Arbeitslosigkeit weiter verschärfen. Daß sich die Politik jetzt zur Überwindung der Arbeitslosigkeit an die Unternehmen wendet, ist in dieser Hinsicht nur noch blanker Zynismus. Maßnahmen wie die Agenda 2010 in der BRD sind mit dieser Sicht nur noch ein scheinheiliger Verrat der Politiker an der arbeitenden Bevölkerung. Ihr Ziel ist, per Gesetz das Einkommen der Arbeitnehmer im Sinne der Unternehmen auf 65% des jetzigen Wertes zu drücken. Zukünftig muß jeder nach 6 Monaten Arbeitslosigkeit einen Job auf dem Niveau von 65% seines letzten Monatsgehaltes annehmen, da sonst seine Bezüge gestrichen werden. In diesem Zusammenhang sollen die Kürzungen der Arbeitslosen- und Sozialleistungen einen gnadenlosen Kampf um die verbliebenen Arbeitsplätze durch Lohndumping entfesseln. Bezweckt wird ein beispielloser Preisverfall für menschliche Arbeitskraft. Denn durch die Kürzungen sind die Menschen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes gezwungen, um die wenigen verbliebenen Arbeitsplätze zu konkurrieren. Und im Juli 2004 standen den 4.359.000 Erwerbslosen in der BRD gerade mal 296.600 offene Stellen gegenüber.

Weltweite Lösungen sind nötig!

Zum Zweck der eigenen Gewinnvergrößerung schüren multinationale Unternehmen die Wut auf Randgruppen der Gesellschaft oder ausländische Mitbewohner. In allen Staaten heißt es, die Ausländer nähmen die Arbeitsplätze weg. Die Menschen der verschiedensten Nationen müssen sich anhören, daß sie immer noch billiger arbeiten müssen. Weltweit findet ein Wettlauf bei den Kürzungen der staatlichen Sozialleistungen als Reaktion der Kürzungen in den reichen Industrienationen statt. Denn alle wollen durch niedrigere Lohnkosten für multinationale Unternehmen attraktive Bedingungen und Arbeitsplätze im eigenen Land schaffen. Doch für gut organisierte Konzerne, wie etwa der Maschinen- und Anlagenbauriese Asea Brown Boveri (ABB), gehört es in der Zwischenzeit zum Standard, im Bedarfsfall die Herstellung jedes Produktes oder Einzelteils binnen weniger Tage von einem Land ins andere zu verlegen. Ein Widerstand kann also nur auf internationaler Ebene mit der Überwindung aller nationalen und ethnischen Grenzen Erfolg haben. Alles andere führt in die Sklaverei.

Schluss mit dem Unsinn!

Wir fordern das Ende der Vernichtung der Überproduktion und die kostenlose Freigabe derselben an die Bevölkerung, denn die Produktion dieser Waren wurde überwiegend über unsere Steuergelder bezahlt. Sie gehören uns allen. Zukünftig soll die Produktion auf die Bedürfnisse der Menschen hin erfolgen. Unter Einbeziehung des 15%-igen Arbeitslosenpotentials sollen alle Menschen, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind, wieder mitarbeiten dürfen. Von der entstehenden Überproduktion sollen sich alle kostenfrei bedienen. Sollte sich aus der zu erwartenden Überproduktion ergeben, daß Geld als Tauschmittel unnötig und überflüssig wird, so fordern wir auch dessen Abschaffung. Wir müssen nur bereit sein, Produktion und Verteilung weltweit nach den Bedürfnissen der Menschen zu organisieren. Wohlstand und Bildung könnten zum Menschenrecht erklärt werden und die Menschen könnten bei einer am Bedarf orientierten Produktion darüber nachdenken, wieviel der heutigen Lohnarbeit tatsächlich sinnvoll ist und wie die Arbeitszeit umfassend verkürzt werden kann.

Wieviel Arbeit wird mit dem Ende von Geld- und Warenwirtschaft übrigbleiben?

Wie kann der güterwirtschaftliche Gegenwert der Lohnarbeit exemplarisch am Beispiel der BRD bestimmt werden? Schon die Zahlen aus dem Statistischen Jahrbuch von 1988 zeigten die geringe Menge der notwendigen Arbeit, die auch heute für den von uns gewohnten Luxus und Lebensstandard ausreichen wird. Die notwendige Arbeit umfaßt hier die Sozialleistungen, Produktions- und Verteilungsarbeiten. Zum Sozialwesen gehören u.a. die Bereiche: Gesundheits- und Veterinärwesen, Reinigung usw. Zur Produktion gehören: Land- und Forstwirtschaft, Tierhaltung und Fischerei; Energie- und Wasserversorgung sowie Bergbau (Arbeiter); Verarbeitendes Gewerbe (Arbeiter); Baugewerbe; Angestellte aus Energie- und Wasserversorgung sowie dem Verarbeitenden Gewerbe. Das sind Meister, Techniker, Ingenieure sowie die Angestellten, die zur Arbeitsorganisation notwendig sind. Zur Verteilung gehören: Verkehr und Nachrichtenübermittlung. Mit den Erwerbstätigenzahlen aus dem Statistischen Jahrbuch zu den aufgezählten Wirtschaftsbereichen kommen wir auf etwa 18 Stunden pro Woche.

Diese 18 Stunden klingen zwar schon recht gut, aber mehr als ein Anfang sind sie nicht, denn auch die Lebensdauer unserer Gebrauchsgüter ließe sich mit Leichtigkeit um ein Vielfaches erhöhen. Es liegt nahe, daß dies gerade die Menschen einer herrschaftsfreien Gesellschaft tun werden, weil sie ihre Güter für ihren eigenen Bedarf herstellen. Denn kein Mensch besitzt ein Interesse, für den Schrottplatz zu produzieren. In der heutigen Konsumgesellschaft hingegen werden zur Aufrechterhaltung des Waren-Geld-Kreislaufes selbst die Gebrauchsgüter auf die Ebene der Verbrauchsgüter abgestuft. Ihre Lebensdauer wird erheblich verringert, indem entweder bewußt Sollbruchstellen eingebaut oder Fertigungstechniken nicht verwandt werden, die ihre Lebensdauer erheblich verlängern würden. Folgende Beispiele:

1. Glühbirnen. Ihre Lebensdauer kann auf ein Menschenalter ausgedehnt werden.

2. Glas. Es wird schlagfest durch langsames Abkühlen.

3. Autos. Eine Fahrzeugkarosserie aus rostfreiem Blech hält mindestens 200 Jahre.

Aus der Langlebigkeit der Gebrauchsgüter folgt, weniger Güter müssen hergestellt werden. Das heißt: weniger Fabriken; weniger Rohstoffverbrauch; weniger Arbeit.

Weiter könnte durch die gezielte Verwendung von Mischtechniken z.B. die Lebensdauer von Explosionsmotoren auf etwa 150 Jahre ausgedehnt werden. Verwenden wir nun Wasserstoff als Energieträger, so können wir auch die umweltfreundlichen Wasserstoffmotoren in unseren Autos oder in unseren Kraftwerken zur Gewinnung der Elektrischen Energie einsetzen. Wasserstoff kann in den Wüsten der Erde in Wind-, Aufwind- und Sonnenkraftwerken gewonnen werden. Wasserstoff als Energieträger steht uns also in unbegrenzten Mengen zur Verfügung, womit wir auch das heutige Energieproblem gelöst haben. Das heißt, daß wir nicht nur weniger arbeiten, sondern auch auf dem besten Wege sind, unsere Umweltprobleme zu lösen. Und zwar mit einer etwa 12 Stunden umfassenden Arbeitswoche bei erheblich besseren Arbeitsbedingungen für jeden von uns, wenn wir die Produktion auf die Langlebigkeit der Gebrauchsgüter ausrichten.

Gehen wir davon aus, daß sich die Mitglieder einer herrschaftsfreien Gesellschaft von den von ihnen gemeinsam hergestellten Gütern nach ihren materiellen Bedürfnissen befriedigen – und daß die durchschnittliche Arbeitsmenge um 3/4 sinken wird, dann entfällt praktisch die Rush-Hour. Denn jeder wird da arbeiten, wo er wohnt und nicht mehr längere Fahrwege für eine besser bezahlte Arbeit in Kauf nehmen. Das heißt, die langen Fahrwege zur Arbeit werden entfallen.

Aber nicht nur die langen Arbeitswege, sondern auch die heutige Urlaubsindustrie wird entfallen. Denn wenn die Arbeitsmenge auf 1/4 des heutigen Wertes sinkt, werden die Menschen in Ruhe das Land bereisen und dort verweilen und mitarbeiten, wo es ihnen gefällt. Das heißt, wenn sie das wollen. Insgesamt bedeutet der Wegfall der Rush-Hour und der Urlaubsindustrie:

==> Weniger Transportmittel,

==> weniger Fabriken,

==> weniger Straßen und somit

==> weniger Arbeit,

wobei unter diesen Gesellschaftsbedingungen nach unseren Berechnungen nur noch 10 Stunden pro Woche gearbeitet wird.

Auf die Rohstoffeinsparungen, den Umweltschutz und die Steigerung der Lebensqualität brauchen wir an dieser Stelle wohl nicht in besonderem Maße hinweisen. Die Folgen unserer bisherigen Überlegungen für die Energiewirtschaft liegen klar auf der Hand: Langlebige Güter, Einsparungen bei den Transportmitteln, weniger Straßen, weniger Fabriken sowie Energieeinsparungen in den Haushalten und bei anderen Kleinverbrauchern bedeuten weniger Energieverbrauch und somit weniger Arbeit in der Energiewirtschaft. Insgesamt bedeutet dies mit den Zahlen aus dem Statistischen Jahrbuch, daß ca. 9 Stunden pro Woche gearbeitet wird.

Berücksichtigen wir, daß in der alten BRD von 61,5 Mio. Menschen nur 30 Mio. zum Erwerbstätigenpotential gehören. Viele Nichterwerbstätige würden liebend gern 10 Stunden pro Woche arbeiten, um ihrem Leben wieder einen Inhalt und ein Ziel zu geben. Mit ihnen werden 41,8 Mio. Menschen erwerbstätig sein. Das sind 2/3 der Bevölkerung der alten BRD, wobei nun jeder der 41,8 Mio. Erwerbstätigen nur noch 7 Stunden pro Woche arbeiten darf.

Beziehen wir nun die Möglichkeit der Vollautomatisierung mit ein, so stehen jedem von uns nur noch etwa 5 Stunden Arbeit pro Woche zu. Eine derartig niedrige Wochenarbeitszeit wird eine tiefgreifende Gesellschaftsumwälzung hervorrufen, in der unser Verhältnis zur Arbeit und zum Menschen einer grundlegenden Veränderung unterworfen ist. Spätestens mit 5 Stunden Arbeit pro Woche verliert die Arbeit ihre Zwanghaftigkeit. Unsere angeborene Ruhe- und Rastlosigkeit wird uns antreiben, sich mit den Dingen zu beschäftigen, die Spaß machen. An diesem Punkt angelangt, ist zu erwarten, daß die Arbeit in einer herrschaftsfreien Gesellschaft allein aus dem Bedürfnis des Menschen nach einer sinnvollen Tätigkeit erledigt und sie deshalb nicht mehr als Arbeit empfunden wird. Hiermit haben wir die Null-Stunden-Woche erreicht.

Darwin Dante

darwin_dante@hotmail.com

Ausführlicher im Internet: www.5-stunden-woche.de

soziale utopie

selbst ist der text

(spätfolgen von 12 jahren deutschunterricht)

es war einmal ein text. er begann mit einer einleitung. die einleitung bestand aus drei sätzen. doch sie wuchs weiter und weiter. nach dem vierten satz beschloss sie langsam aber sicher in der hauptteil überzugehen.

auch der hauptteil fing klein an, aber er hatte den vorteil sich auf die einleitung beziehen zu können und enthielt erstmals nebensätze, die mit einem komma vom restlichen satzgebilde abgetrennt wurden. das machte es wesentlich schwerer die sätze zu zählen. also beschloß der hauptteil nur die satzgebilde zu zählen, die zwischen den punkten standen. er enthielt jetzt schon drei punkte, also drei ganze satzgebilde. die einleitung hatte fünf punkte enthalten, der hauptteil bestand allerdings aus einer größeren anzahl von wörtern und buchstaben als die einleitung. er war jetzt schon über 500 buchstaben und 92 wörter lang. zusammen mit der einleitung und der überschrift ergab sich nun eine anzahl von über 150 wörtern. der hauptteil hielt dies für völlig ausreichend und überließ dem schluss den rest.

der schluss fasste noch einmal zusammen, dass es sich um einen relativ langen text gehandelt hatte. die überschrift hatte aus vier wörtern bestanden und der text ergab mit dem schluss eine runde sache aus genau 200 wör­tern.

dan

Lyrik & Prosa

Ökomacht?

Wer sich am 7.6. gegen 18 Uhr der Nikolaikirche näherte, um an der geplanten Montagsdemonstration gegen Sozialabbau teilzunehmen, mag sich verwundert die Augen gerieben haben. Schließlich waren dort mit der SPD und den Grünen ausgerechnet jene zwei Parteien mit Ständen präsent, die als Bundesregierung den Abbau der sozialen Sicherungssysteme maßgeblich vorantreiben. Wie sich herausstellte, war jedoch gar nicht die Montagsdemonstration der Grund ihrer Anwesenheit. Vielmehr waren sie der Einladung eines Bündnisses gegen Genfood gefolgt, welches wohl maßgeblich vom Ökolöwen initiiert wurde – zumindest war der dritte Stand von diesem. Sein Redner wies dann per Megafon darauf hin, wie wichtig es doch wäre, sich an den kommenden Wahlen zu beteiligen. Gerade bei den Europawahlen gälte es, durch das Kreuz an der richtigen Stelle das alte Europa zu stärken, damit es dem Druck der USA, genmanipulierte Nahrungsmittel zu erlauben, widerstehen könne. Nun mag es gute Gründe geben, skeptisch gegenüber Genfood zu sein. Wer aber wie hier geschildert argumentiert, treibt den EU-Nationalismus, der sich wesentlich aus einer Abgrenzung zu den USA definiert, voran. So macht mensch sich zum nützlichen Idioten der europäischen Großmachtspolitik, die sich auf Grund der relativen militärischen Schwäche im Vergleich zu den USA noch auf deren moralischen Diskreditierung verlegen muss und sich deshalb offenbar nicht nur als Friedens-, sondern auch als Ökomacht darstellt. Übrigens: Die Montagsdemonstration wurde von Winfried Helbig, der sie für das Sozialforum Leipzig angemeldet hatte, abgesagt, weil er sich nicht in die Nähe von SPD und Grünen bringen lassen wollte … immerhin ein Lichtblick an diesem Abend.

j.e.mensch

Lokales

German Fall and Raise: NPD

Ein Hoch auf die deutsche Verfassung! Ein Hoch auf die deutsche Parlamenterei! Ein Hoch auf die Partei-VergeigerInnen! Nach­dem sie in einer „antidemokratischen“ Anwandlung ihre faschistischen GenossInnen von der NPD kurzerhand verbieten lassen wollten – was bekannter­maßen gründlich schief ging – steht die NPD heute besser da, als je zuvor. In Sachsen auf Augenhöhe mit der SPD. Was als Schlag gegen die Organe der faschistischen Bewegung in Deutschland geplant war, wuchs zu einem riesigen PR- und Propa­ganda­forum für die NPD und die rechte Szene aus, bewirkte Solidaritätsadressen. Wenn DVU- und NPD-Kader neuerdings tönen, sie würden auf einer gemeinsamen Liste für die nächste deutsche Bundestagswahl kandidieren, spricht das für neues Selbstvertrauen und neue Einigkeit.

Daran ist nicht so sehr schlimm, daß Parla­mentarierInnen eventuell mit solchen Dumpfbacken gemeinsam in der Mensa sitzen müssen, sondern vielmehr, daß über den Fond für „Wahlkampfkosten­rücker­stat­tung“ riesige Geldsummen zurück in die rechten Strukturen fließen. Manche Par­tei findet das wohl auch gar nicht so schlecht. Kann man doch jetzt, wo rechtsextreme Positionen wieder offiziell präsent sind, erneut offensiv rechte Themenfelder besetzen und sich dabei nach dem Motto auf die Schulter klopfen: „Wir graben denen schon das Wasser ab!“. Derweil sind die Wahlerfolge der rechten Parteien längst nicht mehr allein aus dem Protestpotenzial zu erklären. Vielmehr hat gerade die SPD mit ihrer nationalistischen „Wir-alle-in-einem-Boot“-Rhetorik, in Zu­sam­men­hang mit dem verstärkten ökonomischen Druck auf die deutsche Volkswirtschaft, mit der sogenannten „Faulenzer“-Debatte und dem weiterhin skrupe­llosen Umgang in der MigrantInnen-Frage, verschiedene ideologische Versatzstücke geliefert, die im Zusammenhang mit der unbewältigten, vielleicht unbewältig­baren Vergangenheit des deutschen Staatsapparats auf breite Empfänglichkeit innerhalb der Bevölkerung deutscher Nation stoßen. Diese rechtskonservative Gemengelage erleichtert es faschistischen Kadern und ihren Orga­nisa­tionen, Junge und Alte, Männer und Frauen zu rekrutieren. Eine sehr bedenkliche Entwicklung, die nur ihre Spitze in den verstärkt aufkommenden anti­ameri­ka­nischen, antiisrae­lischen bis antisemitischen Ressentiments findet.

Die jüngsten Wahlergebnisse in Sachsen und Brandenburg und der Einzug der NPD in die Landtage sind also bei weitem nicht so unvermutet und unerklärlich – aber auch lange nicht so gefährlich, daß jedermensch jetzt zur nächsten Wahlurne rennen muß! Die Parlamen­tarier­Innen sollen sich mal ruhig mit diesen Hohlköpfen auseinandersetzen! In Sachsen-Anhalt hatte sich ja die inkompetente DVU-Fraktion quasi selbst zerschlagen. Gefährlich dagegen sind die gewaltbereiten Gruppen und Kameradschaften, gefährlich ist ihr ideologischer Rückhalt, vor allen in den ländlichen Gegenden, gefährlich sind die gesellschaftlichen Ursachen, auf denen der alte wie der neue Faschismus fußt!

clov

NazisNixHier

Editorial FA! #12

Hier ist er – der Platz im Heft, an dem mensch auch mal der Erleichterung Luft machen kann, dass der Frühling endlich da ist! Leider wurden Initiativen zur Einrichtung einer entsprechenden Rubrik für solche Gefühlsaufwallungen bisher immer erfolgreich abgeschmettert. Wer beim FA! mit Herzzerriss&Emotionalien kommt, muss ein Gedicht draus machen …oder halt das Editorial schreiben.

Ansonsten kann es dann schon mal passieren, daß so ein Text einfach im „Making Of…“ landet. Auf alle Fälle ist es höchste Zeit, die in den letzten Monaten teilweise etwas eingemotteten bzw. aus klimatischen Gründen nur konspirativ als Unterwäsche getragenen FA-Ripphemden wieder an den Start zu bringen. Clov&lydia recherchieren jetzt regelmäßig bei befreundeten Frührentnern in Stötteritzer Schrebergärten, Kater Murr streunt wieder unter­nehmungslustig durch die Südvorstadt und hat wie in jedem Frühjahr einen fetten Grundsatzkastrationsdiskurs am Hals und verdünnisiert sich lieber nach Süden. Redaxtreffen können wieder in un­gezwungener Atmosphäre auf einer IKEA-Decke im Auenwald stattfinden, ohne dass man sich gleich diverse Unterleibskrankheiten, für die auch wir noch viel zu jung sind, einfängt. Kurz – es weht ein angenehm lauer, aber frischer Wind durch die monatelang vermieften Redaktionsflure&-hirne.

Falls ihr dieses Heft nicht wie gewohnt von dem emsigen kao im Handverkauf oder anders aufgedrängt bekommt, so hat das hauptsächlich damit zu tun, dass auch wir uns teilweise aus dem Staub gemacht haben werden, um u.a. am emsigen Treiben im wilden Osten teilzunehmen. Grosse Dinge werfen, anläßlich der EU-Osterweiterung am 1. Mai, ihre was auch immer von dort herüber und voraus. Allerdings wollen wir uns nicht so sehr auf die institutionelle Ebene einlassen, sondern werden wieder meist aus dem Alltag der Leute dort plaudern. Desweiteren haben wir uns auch nicht nur auf die aktuellen Beitrittsländer beschränkt. Aufgrund des völlig unerwartet massenhaft eingegangen Materials zum Thema blieb uns sogar nichts mehr anderes übrig, als einen Teil des aktuellen incipitos anzumieten.

Der im letzten Heft so ausführliche behandelte Studistreik ist Mitte April nicht fortgesetzt worden. Das Streikkomitee macht jedoch weiter – und wir bleiben für Euch und uns dran. Auch gibt es Zuwachs bei den Rubriken. In unregelmäßigen Abständen, wird uns ein gewisser Albrecht Pallutke mit seinen, meist zu nächtlicher Stunde entstandenen, Gedanken zur Lage der Welt bedrücken.

Imbiss… ääh…Verkaufsstelle des 1½monats ist das Bistro-Delal – manchem vielleicht auch noch bekannt als der Imbiss-Irak. So ein neues Wetter macht bekanntlich auch Lust auf manches neue – so auch auf einen neuen Namen. Schon wieder eine Dönerbude, schon wieder ein Glatzkopf wurde im Redaktionskindergarten gemosert. Na und… wir haben jedenfalls keine Angst vorm Dönermann!

Für die Diktatur bereit

Zum Naziaufmarsch am 1. Mai in Leipzig

Antifaschismus ist keine besonders revolutionäre, ja nicht einmal speziell linke Angelegenheit. Warum bekommt dann der Naziaufmarsch am 1.Mai in diesem Heft einen so großen Platz eingeräumt? Er wäre doch bestenfalls eine Kurzmitteilung wert, à la „Am 1.Mai wollten einige hundert Nazis durch Leipzig marschieren. Tausende Menschen schickten sie dahin, wo der Pfeffer wächst“. Punkt. Fall erledigt. Doch so ist es nicht passiert, weshalb es angebracht ist, ein paar mehr Worte zu verlieren.

Es hatte sich tatsächlich ein buntes Völkchen von über tausend Menschen zusammengefunden, die der Meinung waren, einen Naziaufmarsch könne man nicht hinnehmen. Am Augustusplatz setzten sich die ersten Leute auf die Kreuzung. Doch dann tauchte Pfarrer Führer auf, mit einem Pappkreuz, auf dem „keine Gewalt“ stand. Sich als Vertreter der Anwesenden begreifend, handelte er mit der Polizei eine Demonstration zum Völkerschlachtdenkmal aus. Die Route überdeckte sich mit der der Nazis und die Demo sollte den Rechten vorangehen.

Bereits nach wenigen Metern zeigte sich, daß es dem Pfarrer und mit ihm vielen weiteren nicht darum ging, den Nazis entgegenzutreten, sondern nur darum, den Schein zu waren. Als die Polizei einen Demoteilnehmer aus dem Zug herausgriff, blieben Leute stehen, um nicht eher weiterzugehen, bis der Gefangene wieder frei wäre. Doch Herr Führer, seine ewige Wahrheit vor sich hertragend, schritt weiter voran, als wollte er die Strecke für die Nazis segnen. Es hätte ihn wohl nicht gestört, hätte die Polizei nach und nach alle Demoteilnehmer/innen in Gewahrsam genommen und wäre er allein am Völkerschlachtdenkmal angekommen.

Auch viele andere wollten weitergehen, um die Polizei nicht zu provozieren, anstatt sich für den Gefangenen einzusetzen. Schließlich wurde dieser nach einigen Minuten freigelassen und der Zug bewegte sich weiter. Durch eine Bummeltaktik und kleine Konflikte zwischen Demonstrant/innen und Polizei, zog sich der Demozug in die Länge. Als die nachfolgende Nazidemo in Sichtweite gelangte, blieb der hintere Teil der Demo auf der Kreuzung Prager Straße/Rie­beck­straße stehen, um die Route zu blockieren.

Die Polizei forderte – wenig überraschend – die Leute auf, die Kreuzung zu räumen. Keine der anwesenden Organisationen, Parteien, Gewerkschaften, Anti-Rechts-Bündnisse oder auch nur ein/e Vertreter/in unterstützte den Blockadeversuch. Im Gegenteil. Es wurde alles unternommen, um die Blockierer/innen von ihrem Vorhaben abzubringen. Ein Anti-Rechts-Bündnis benutzte dazu sogar Polizeilautsprecher. Doch manche Leute waren nicht bereit, den Nazis freiwillig Platz zu machen. Dann folgte – wieder wenig überraschend – eine Polizeistandardprozedur.

Auf der Kreuzung befanden sich vielleicht etwas mehr als hundert Leute, davon bildeten ein paar Dutzend auf der Prager Straße eine Kette. Es waren keine besonderen Leute, bunt zusammengewürfelt und unorganisiert. Ein paar junge Punks, ein paar ohne besondere Kennzeichen. Sie waren völlig chancenlos, der Polizei, die mit mehreren Wasserwerfern vor Ort war, auch nur eine Minute lang standzuhalten.

Der Einsatzleiter ging vor, als hätte er die aufgeschlagene Dienstvorschrift vor sich liegen. Nach dreimaliger Aufforderung den Platz zu verlassen und der Ankündigung „einfache Gewalt“ und Wasserwerfer einzusetzen, drängte die Polizei unter Einsatz von Fausthieben, Tritten und Püffen die Leute vom Platz. Dennoch war es den Demonstrant/innen gelungen, die Nazis durch ihre Blockade für eine Weile zu stoppen.

Wie hätte denn aus einer bürgerlich liberalen Sicht in dieser Situation der Aufmarsch gestoppt werden können? Zum Beispiel, in dem die komplette Demo auf der Route stehengeblieben wäre. Die Polizei wäre wahrscheinlich froh gewesen, einen guten Grund zu finden, die Nazis wieder heimzuschicken. Die Vorkontrollen deuteten darauf hin. In den städtischen und sächsischen Behörden hätte sicher jemand mit Verweis auf die demokratische Breite des Widerstand gegen den Aufmarsch die Verantwortung übernommen, die Blockade nicht zu räumen.

Am Ende wären alle über ihre Courage und die allgemeine Demokratiefähigkeit froh gewesen, die verschiedenen Vertreter hätten sich gegenseitig auf die Schulter geklopft, Leipzig erneut als „Heldenstadt“ gefeiert und die Mündigkeit der Bürger gelobt. Der Feierabend! hätte sich auf die bereits erwähnte Kurzmitteilung beschränkt.

Aus liberaler Sicht ist es weder Aufgabe der Polizei noch der Justiz einen Naziaufmarsch zu verhindern. Es ist die Aufgabe der sogenannten mündigen Bürger. Doch die waren am 1.Mai bis auf wenige Ausnahmen weit und breit nicht zu sehen. Statt dessen Untertanengeist und mehr vorauseilender Gehorsam, als der Polizei lieb war.

Der Herr Pfarrer hatte irgendwie „übersehen“, daß ein Naziaufmarsch an sich schon Gewalt ist und der galt es entgegenzutreten. Die Parteienvertreter/innen hatten „übersehen“, daß es keine nichtge­nehmig­ten Demonstrationen gibt. Denn das Grundgesetz (Artikel 8) gewährt Versammlungsfreiheit. Die Behörden genehmigen also keine Demonstrationen, sie können sie allenfalls einschränken oder verbieten. Letzteres nur in Ausnahmefällen. Eben das hatte Bürgermeister Tschense „übersehen“, als er die Gerichte für das Stattfinden des Naziaufmarsches verantwortlich machte.

Anstatt den Aufmarsch wirklich zu verhindern, suchte man zahlreiche Ausflüchte. Von symbolischen Erfolgen war die Rede, davon, daß durch eine Blockade die Nazis gewinnen würden, daß es doch mehr Gegendemonstrant/innen gewesen wären und so weiter. Rhetorik und Redegewandt­heit ersetzten Mündigkeit und Courage. Von einem bürgerlich-liberalen Verhalten keine Spur. Im Geiste sind viele Vertreter/innen von Staat und Organisationen für die Diktatur bereit.

Die 68’er haben gezeigt, daß auch militante Konflikte innerhalb eines demokratischen Staates diesen Staat modernisieren können. Ehemalige Straßenkämpfer und Anwälte der RAF sind jetzt Minister. Bei diesen Konflikten wurde die Grenze Legalität teilweise überschritten, ohne das dadurch die bürgerliche Demokratie Schaden genommen hätte.

Wir leben in einer Zeit, in der der Druck von Staat und Kapital auf die Lohn­abhängigen stark erhöht wird. Der mündige Bürger, für den es legitim ist, die Grenzen der Legalität unter gewissen Umständen auch mal zu überschreiten, ist dann ein Risiko. Im ersten Quartal dieses Jahres betrug beispielsweise das Wirtschafts­wachstum 1,5% gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres. Dieses Quartal war aber auch um einen Tag länger. Wäre es genauso lang gewesen, wie das entsprechende Vorjahresquartal, hätte das Wirtschaftswachstum 0,7% betragen. Proteste, die sich nicht auf Symbolik oder Rhetorik beschränken und etwa mit Streiks verbunden sind, bilden eine ernsthafte Gefahr für die Wirtschaft, sprich das Kapital.

Eine noch größere Gefahr entsteht dann, wenn der mündige Bürger durch sein eigenständiges und kritisches Handeln erkennt, daß er oder sie in einer Klassengesellschaft lebt, die auf Ausbeutung der Arbeit der Lohnabhängigen beruht. Dann könnte er/sie sich zum klassenbewußten Proletarier wandeln, der es legitim findet, sich gegen Ausbeutung durch das Kapital an sich zu wenden. Dann doch lieber eine Diktatur.

Das wußte auch schon Leipzigs ehemaliger Oberbürgermeister Carl F. Goerdeler. Goer­deler war zwischen 1933 und 1937 Mitglied der Regierung Hitler, ein Gegner der Gewerkschaften und des von Hitler geschlossenen deutsch-polnischen Frie­dens­abkommens, bekennender Antisemit und ein Gegner der Demokratie. Er versuchte nach der Landung der Alliierten in der Normandie im Jahre 1944 durch einen Putsch gegen die Nazis, den zweiten Weltkrieg für Deutschland zu retten. Dafür wurde ihm in Leipzig ein Denkmal gesetzt.

Der mündige Bürger ist der Held der liberalen Ideologie und doch für den realen kapitalistischen Staat ein ständiges Risiko, welches insbesondere in Krisenzeiten nicht erwünscht ist.

Noch ein Wort zur Ex-Berufs-Antifa. Es ist klar, Arbeit ist Scheiße. Doch warum Ihr mit Eurem Beruf Euren Antifaschismus abgelegt habt, ist unverständlich. Nein, es gibt keine Verpflichtung, ständig irgendwelchen Dumpfbacken hinterherzujagen, auch keine moralische. Bedenklich ist nur das kollektive Wegbleiben. Ist es Euch keine Herzensangelegenheit mehr Nazis in die Schranken zu weisen? Oder schafft ihr es ohne Aufruf nicht mal mehr bis auf’s Klo?

Fazit ist, daß an diesem Tag nur Wenige beherzten Antifaschismus gezeigt haben. Und die haben dafür ein blaues Auge oder ein Anklage wegen Beleidigung riskiert. Die meisten Demonstrant/innen sind vor den Nazis davongelaufen.

v.sc.d

Lokales

Der AZ-Wagenplatz in Osnabrück

Geschichte & aktuelle Entwicklungen

Der AZ-Wagenplatz Osnabrück besteht seit nunmehr über 2 Jahren. Entstanden ist er aus der Hausbesetzung für ein Autonomes Zentrum (Koksche Strasse 1.Mai 2002). Nachdem das Haus geräumt wurde und mehrere Leute auf der Straße standen, bot die Stadt den Ex-BesetzerInnen ein kleines Areal in der Nähe eines städtischen Jugendzentrums übergangsweise an. Hier wurden die ersten Bauwagen aufgestellt, jedoch kam es dort im Juni 2002 zu einem brutalen Angriff von über 30 Nazis/rechten Hooligans, wobei nur durch entschlossene Gegenwehr der Bewoh­nerInnen (und FreundInnen) Zerstörungen verhindert werden konnten.

Aufgrund der Sorge der AnwohnerInnen ein Vorfall dieser Art könnte sich wiederholen musste die Wagenburg zum Fürste­nauer Weg umziehen. Der Fürstenauer Weg liegt am nördlichen Rande der Stadt, ohne Strom und Wasser, zwischen Müllkippe, Klärwerk und bald auch einer Müll­verbrennungsanlage.

Dennoch bildete sich hier bald ein buntes Leben heraus. Immer mehr Aktivis­tInnen verzichteten auf das Leben in einer Wohnung und entschieden sich fürs Bauwagenleben. Auch konnten einige Menschen hierdurch von der Obdach­lo­sig­keit bewahrt werden. Zeitweilig wohn­ten hier über 25 Personen.

Zu betonen ist, dass der AZ-Wagenplatz die Zwischenlösung für ein Autonomes Zentrum darstellt. In diesem Sinne wurde auch ein großes Zirkuszelt gekauft, in welchem seit 2 Jahren vielfältige Veranstaltungen stattfinden (Theater, Konzerte, Lesungen, Politprogramm). Höhe­punk­te waren ein großes Fußballturnier, das bundesweite Vorbereitungstreffen für die Anti-Lager-Action-Tour 2004 sowie verschiedene zum Teil hervorragend besuchte Konzerte. Auch stellt der AZ-Wa­gen­platz Plenumsgrundlage für mehrere autonome Gruppen dar.

Den ersten Räumungstitel erhielt der Wa­gen­platz bereits im Oktober 2003, öffentlich wurde dem etwas entgegengewirkt, indem kurz zuvor offizielle Wagentage mit einer einigermaßen großen, kraftvollen Demo durchgeführt wurden. Gegen den Räumungstitel wurde vor dem Verwal­tungs­gericht Klage eingereicht, diese hatte letztlich aufschiebende Wirkung.

Damit ist es jetzt wohl allerdings vorbei. Zum 31.10. muß der AZ-Wagenplatz, geht es nach der Meinung einiger Starrköpfe der lokalen CDU/FDP, gehen. Eine fundierte Begründung dafür gibt es nicht (lediglich Hinweise auf Baunutzungsver­or­dnung und Flächennutzungsplan), Argumente ob der Zerstörung der un­kom­mer­ziellen, alternativen Kultur, der sozialen Funktion des AZ-Wagenplatzes werden schlichtweg ignoriert. Alternativen sind noch völlig unklar, ein vernünftiges Autonomes Zentrum nicht in Sicht.

Aus diesem Grunde wurde in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober das Luther-Haus in der Jahnstraße besetzt. Die symbolische Aneignung des leerstehenden Hau­ses zu sozialen Zwecken wurde aller­dings nach kurzer Dauer beendet. Ein leider allzu aufmerksamer Bürger berichtete der Polizei „von einer größeren Gruppe Rucksäcke tragender Jugendlicher, wel­che ins Luther­haus eingestiegen seien“.

Annähernd 40 PolizistInnen ,welche aus dem gesamten Landkreis zusammengezogen wurden, beendeten die Besetzung gegen 5.30. Sie zerschlugen die Eingangstür und die 16 BesetzerInnen wurden zur ED-Behandlung auf die Polizeiwache am Kollegienwall gebracht. Anzeige wegen „schweren Hausfriedensbruches“ wurde gestellt.

Zeitgleich machten sich einige weitere emsige NachtaktivistInnen mit diversen Zugmaschinen und Bauwagen auf den Weg, um einen neuen Wagenplatz zu besetzen: ein sich unweit des AZ-Wagenplatzes befindliches neues Areal. Was nicht gewusst werden konnte, die Stadt (als Eigentümer) hatte dieses dem in Osnabrück stationierten britischen Militär verpachtet. Militärpolizei stattete den neuen Be­woh­nerInnen einen Besuch ab, nach 2 Tagen mussten die Bauwagen zurück zum Fürstenauer Weg. Die Neue Osnabrücker Zeitung titelte „Autonome gehen britischen Panzern aus dem Weg“. Einen Tag später gleich wieder eine neue symbolische Besetzung. Mehrere LKW und Bauwagen besetzten für einige Stunden das symbolträchtige, brachliegende Areal des ur­sprüng­lich okkupierten Hauses an der Kokschen Straße.

Der Räumungstermin rückt näher, es wird ernster. Achtet auf Ankündigungen.

(Ein Beitrag der befreundeten Redak­tion der alternativen Osnabrücker Zeitung Die Zwille)

mehr Infos unter:
www.azwp.de.vu

Freiräume

Mit Zelten gegen Grenzen

Iranische Flüchtlinge protestierten mit Mahnwachen gegen die Asylpolitik

AsylbewerberInnen sind sowohl in den Heimat- als auch in den Fluchtländern Repression, Unterdrückung und Diskriminierung ausgesetzt.

Am 9. März begannen in Leipzig und Frankfurt am Main Mahnwachen gegen die Flüchtlingspolitik der BRD und EU. Mit den zehntägigen Mahnwachen woll­ten wir einerseits erreichen, dass sich die Menschen mit der bedrückenden Situa­tion der Flüchtlinge in Deutschland und der Menschen in der islamischen Republik Iran auseinander setzen. Andererseits wollten wir damit gegen den ständig zunehmenden psychischen, sozialen und finanziellen Druck auf Asylanten und Flüchtlinge protestieren.

Die Anzahl der iranischen Asylsuchenden in den westlichen Ländern hat sich nach der iranischen Revolution im Jahre 1979 bis jetzt permanent vermehrt. Aber die aktuell sinkende Quote der Anerken­nungen von Asylbewerbungen für die iranischen Hilfesuchenden steht im ekla­tan­ten Widerspruch zur Situation im Iran. Außerdem haben die westlichen Regie­run­­gen – wie die deutsche, französische, australische, spanische, britische u.s.w. – in den letzten Jahren die Situation für die Asylanten immer mehr verschlechtert. In manchen Ländern ist nur der Name des Asylrechts geblieben.

Besonders schwierig ist die Lebens­situation der nicht anerkannten AsylbewerberInnen: die obliga­torische Unterbringung in den Asyl­bewerberheimen, die Spannungen zwischen den Menschen verschie­dener Herkunft verursacht, die Ernährung durch Essenspakete („es­sen alles was vom Amt kommt“, manchmal verfaulte Lebensmittel und teurer als in den Supermärkten), die niedrigen Taschengelder (monatlich 40 Euro für Zugelassene, 10 Euro für Gedul­dete, dies sind verschiedene Stufen der Aufenthaltsgenehmigungen), einge­schrän­kter Zugang zu medizinischer Behand­lung, keine Bewegungsfreiheit und Arbeitsberechti­gung etc. Das ist unsere Situation hier.

Die Lage und die rechtliche Situation der AsylbewerberInnen aus dem Iran wird überdies dadurch erschwert, dass der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten gegen die Mehrzahl der Anerkennungen Rechtsmittel einlegt und auch in laufenden Verfahren nicht die Praxis im Umgang mit Menschen im Verfolgerland, sondern die herrschende Meinung über die Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland zur Beherbergung von Hilfesuchenden in den Fokus des Verwal­tungs­handelns schiebt.

Während der Mahnwache haben die Protestierenden mit Leipziger Passanten gesprochen und ihnen ihre Situation und ihre Forderungen erläutert. Es wurden mehr als 600 Unterschriften zur Unterstützung gesammelt. Viele der Passanten wussten überhaupt nicht, unter welchen schweren Bedingungen die Flüchtlinge in Deutschland leben. Die Protestierenden haben bei Minusgraden abwechselnd in einem großen Zelt auf dem Leipziger Augustusplatz übernachtet. Es gab außerdem eine Ausstellung mit Fotos und Plakaten, die die bedrückende Situation der Arbeiter, Studenten, Frauen, Minderheiten und Andersdenkenden darstellte.

Eine Petition sowie ein offener Brief wurden an Adressaten wie das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, die Verwaltungsgerichte in Sachsen, verschiedene Parteien und andere zuständige Ämter und Beratungsstellen gesendet. Es gibt aber immer noch keine Antwort.

ein Beteiligter

Inhalte der Forderungen:

1. Eine Anerkennungspraxis, die sich an der massiven Verletzung der Menschen­rechte im Iran orientiert.

(Die Anerkennungsquoten für den Iran sind in den vergangenen Jahren gesunken, ohne dass sich die Situation im Iran verbessert hat.) Abschaffung des Bundes­beauftragten für Asylange­legenheiten, der gegen die Mehrzahl der Anerkennungen Rechtsmittel einlegt.

2. Kostenlose Rechtsvertretung im Asylverfahren.

3. Ein Abschiebestopp für Asylbewerber aus Ländern wie dem Iran, in denen gewaltsame Ausein­andersetzungen an der Tages­ordnung sind.

4. Abschaffung der Regelungen über „sichere Drittstaaten“ im deutschen und europäischen Asylrecht.

5. Unterbringung in Wohnungen, Leistungen in der Regel als Bargeld, Bewegungsfreiheit, freie Arztwahl und medizinisch nötige Behandlung, Arbeitsberechtigung.

6. Eine Stichtagsregelung für alle seit längerer Zeit ohne einen sicheren Aufent­halt lebende Asylbewerberinnen und Asylbewerber, mit dem Ziel der Erteilung eines verfestigten Aufenthaltsstatus.

weitere Informationen beim Flüchtlingsrat: fr@fluechtlingsrat-lpz.org

Lokales

Der Alptraum ist aus

Kleine Hommage an die Anti-Olympische Bewegung

Mittwoch, 18.05. 13.30 Uhr, Leipzig – Gleichzeitig mit der Verkündung der Frohen Botschaft vom Ausscheiden der „Heldenstadt“, gibt das Antiolym­pische Komittee Leipzig (AOK) seine Auflösung bekannt. Die Story einer kleinen aber feinen Bewegung, die im Laufe ihrer kurzen Geschichte nicht nur von Seiten der Obrigkeit ignoriert und ab und zu bekämpft wurde, geht zu Ende.

Olympia war kein eingrenzbares „Böses“, gegen das sich eine Bewegung mit Hilfe liberaler Öffentlichkeit hätte wenden können, wie etwa Nazis oder Atomkraft. Olympia war ein tausendfach definiertes Ziel der bürgerlichen Gesellschaft selbst. Der „Leipziger“ im Besonderen und der „Deutschen“ im Allgemeinen.

Spätestens nach der Pro-Olym­pia-Demo des Herrn Führer und der bitteren Erkenntnis, wirklich die komplette selbsternannte „fa­mi­ly“ gegen sich zu haben, lag es nahe, das „Volk“ seiner eigenen Dummheit zu überlassen und sich um anderes als Sport- und Standortkritik zu küm­mern.

Die glor­rei­che Selbst­sicht des AOK-Plakats zur bun­des­wei­ten De­mo am 15. Ma­i, wo ein tri­umphaler Anti-Olympia-Drache den bösen Leip­zig2012-Wurm bezwingt, lag jedenfalls daneben. Passender wäre ein AOK – Don Quijote im heldenhaften aber aussichtslosen Kampf gegen die Leipziger Windmühlen gewesen.

Viele kritische Menschen gelangten während der langen Leipzig-Jubel-Kam­pagne zur makaberen Einsicht, dass sich eine lokalpatriotische Öffentlichkeit nicht überzeugen, aber provozieren lässt. Deshalb gab es während der „heißen Phase“ unmittelbar vor der Entscheidung kei­nen Anti-Olympia-Info­stand im Zentrum, dafür aber nächtliche Aktiv-Spa­ziergänge, um die Stand­ort­politiker mit „Na­del­stichen“ (AOK) zu traktieren.

Durch die sportliche Grund­stim­mung in der Stadt lag es nahe, den anti-olympischen Aktivismus als sportlichen Wettkampf („wir gegen die“) zu begreifen. Die Stadt nahm die Herausforderung an und schickte täglich früh am Morgen ein Sonderkommando der „Blau-Gelben Engel“ zum Übermalen entsprechender Graffiti los. Etwas anderes als blaue one-family-Fahnen sollte nicht zu sehen sein. Andere Leute verlegten sich auf den „Laufe für Leipzig“-Staffellauf, um den Olympia-Stab zu entführen. Nächtelanges Auf-der-Lauer-Liegen und die dauernde Frage, ob es politisch korrekt ist, im Park Leute zu überfallen, führten dann aller­dings doch nicht zum Erfolg.

Was dann folgte, war die bundesweite Demo. Mit Spannung erwarteten viele einen Krawall im Connewitzer Silvester-Stil, oder befürchteten Polizeiübergriffe, was dann aber komplett ausblieb. Im Anschluss ließ sich sogar noch die Pro-Olym­pia-Bühne am Augustusplatz be­setzen, wo laut LVZ „Tausende Leipziger“ gegen „ca. 300 Kritiker“ demonstrierten. Quoten wie in alten Zeiten.

Wenn die Anti-Olympische Bewegung auch klein war – eine große Tragikomik hatte sie auf jeden Fall. Und einen grandiosen Abschluss. – Während sich die Vorzeige-LeipzigerInnen am 18. Mai weinend in den Armen lagen (möglicher­weise um aufs LVZ-Titelbild zu kommen), ließen andere die Sektkorken knallen. Abends sammelte sich am Connewitzer Kreuz eine spontane Party, die sich später an den Südplatz verlagerte, um bis tief in die Nacht mehr oder weniger sportlich die Kreuzung zu besetzen.

Wenn es auch nicht die großartige Bewegung war, die uns das Happy End schenkte, sondern fehlende Leip­­ziger Ho­tel­betten – gewonnen haben am Ende WIR. Es war eine gran­diose Party.

soja

Lokales

WENDEBECKEN 2004: Deutsche Polizei auf dem Vormarsch

oder: Die Gewalt geht vom Staate aus!!   

Am 08. September 2004 umzingeln 1400 schwer bewaffnete Polizeikräfte das als Wendebecken bekannte Areal zwischen dem Lager der Staatsoper und einer Parzelle des Gartenbauamtes in Hamburg/Barmbek, unter dem Vorwand, nur einen Befehl auszuführen. Genauer einen Räumungsbefehl, der auf dem politischen Willen des städtischen Parlaments fußt und der repressiven Linie seiner Prota­gonis­tInnen folgt. ‚Egal’, denkt sich der gemeine Polizist, der da am frühen Morgen sauer aufstoßend durchs Gestrüpp in das Gelände eindringt, ‚Befehl ist Befehl und Recht ist Recht’. Wie lautete die Begründung für die Räumung noch mal? Ach ja, auslaufender Mietvertrag und Grünfläche geplant. Zwar gibt es noch keinen Finanzierungsplan, aber der politische Wille bestehe schon. Alles klar!? Die Stadt will eine noch zu fi­nan­zierende Grünfläche anstelle eines kostenfreien Wa­genplatzes Wendebecken; beschauliche Blümchen anstelle eines alternativen soziokulturellen und politischen Zentrums. Wieso? Weshalb? Warum? – niemand aus dem riesigen Überfallkommando stellt sich an jenem Morgen diesen Fragen.

JedeR der Beamten rechnet scheinbar mit erbittertem Widerstand, anders sind Aufwand und Ausrüstung nicht zu erklären. Und was war da nicht alles an Vorbereitungen auf der Gegenseite gelaufen. Eine Aktionswoche seit dem Auslaufen des Mietvertrages am 31.08.2004 mit Soli-Veranstaltungen, Kulturprogramm, Demonstrationen, Protestaktionen und der Besetzung des Nachbargrundstücks. Aufrufe, Briefe, Stellungnahmen. Die ent­schei­dungstra­genden Parla­men­ta­rierInnen haben sich derweil auf die andere Seite gedreht und mü­de gegrunzt: Wir halten an unserer Linie fest (siehe Wohnwagengesetz). Auslauf des Nu­tzungsvertrages. Räumung. Ersatz gibt es nicht. Verhandlungen? Später … vielleicht. Genug Fruststau also, um … – der gemeine Polizist tastet unruhig nach den Waffen, während er zusammen mit einer Hundertschaft über eine Mauer vorrückt.

Wenig später. Einige Grünbehelmte popeln am verbarrikadierten Haupttor. Hunderte stehen ratlos davor und auf dem ganzen Platz. Höhere Beamte markieren gerade einen Wagen mit Eins – wie ers­ter Abtrans­port. An­stelle dass die städtisch beorderte Staatsmacht mit­ten in einem Bürgerkrieg steht, wie ihr Aufzug suggeriert, befindet sie sich in einem Laboratorium des gewaltfreien Widerstands. Eine Ankettung auf einem riesig ho­hen und wack­ligem Turm, zwei direkt am Tor. Eine in Fässer einbetonierte Menschenkette vor einem gekreuzten Wagen. Zwei weitere, einzelne Einbetonierungen auf dem Platz. Zusätzlich zwei Tripods (1) und eine Ankettung in einem Baum. Aber die Überraschung ist nur von kurzer Dauer. Alltag. Routine. Es ist zu bezweifeln, dass eineR der BeamtInnen vor Ort nur einen Moment über den Mut und die Entschlossenheit der Bewohner und Bewohnerinnen des Wendebeckens nachgedacht hat. Daß diesem ein ernstzunehmendes Bedürfnis zu Grunde liegen könnte, hat wohl keineR in Erwägung gezogen. Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Die beiden am Tor wurden schnell losgelöst und verhaftet, der Turm erstürmt, die Tripods fasst umgekippt, bei dem schließ­lich erfolgreichen Versuch dutzender Beamter, sich der ausharrenden Menschen dort zu bemächtigen. Die Einbetonierten wurden teilweise aufgebohrt, teil-weise mitsamt dem Betonfaß aufs Nachbargelände transportiert. Einigen Ärger machte noch der Mensch im Baum, der nur unter Einsatz seines Lebens und rüdester Methoden „befreit“ werden konnte. Am frühen Nachmittag rollten die ersten Wagen vom Gelände. Zu ihrer letzten Fahrt. Adieu Wendebecken, das war’s dann wohl. Und ein Hoch auf die beschaulichen Blümchenwüsten!

Die Soli-Protest-Demonstration mit ca. 1000 TeilnehmerInnen am Abend verläuft unter dem Eindruck des massiven Polizeiaufgebotes ohne größere Zwischenfälle.

clov

Mehr Infos unter:
www.wendebecken.org
www.de.indymedia.org
www.bambule-hamburg.de
www.squat.net/de/

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