Schlagwort-Archive: 2005

Editorial FA! #19

Sommerloch vorbei! +++ Dritter Geburts­tag vom Feierabend! + viele sind von uns gegangen: kao dawn lilo v.sc.d lllydia soja bäh + Hoch die Flaschen! +++ Immer gerne Frisch­fleisch für die Redaktion + VegetarierInnen auch + VeganerInnen? Na gut + Hauptsache schwindelfrei + unser Büro ein Heißluftballon + nicht wie labournet.de und antiatomaktuell + noch nicht +++ Merke: 3. Oktober gibt’s auch dieses Jahr. + zahlreich gegen Nazis! +++ Schildkröte Rezi noch im Urlaub + Als Vertretung, ihre Tante von der Bord­steinkante +++ Im Heft überall Staatskritik + welche Krise? +++ Ausserdem: dünne Beilage + Repression nach Genua ’01 + selbstorganisierte Produzenten & Ange­klagte + Grund genug + ausnahmsweise +++ unsere neue e-mail:

feierabendle@web.de + jetzt aber wirklich + time out fuer hotmail.com ++++++ Viel Spass beim Lesen und feste Briefe schreiben. Redax.

Editorial FA! #20

Da sind wir wieder, 15 Tage später als geplant, aber dafür mit altbekannter Rou­tine. Sechs Wochen sind dann doch verdammt knapp, um den ganzen logis­tischen Apparat des Feierabend! auf Touren zu bringen, unsere Lust und Inspiration mit einbegriffen. Nach wie vor sind wir deshalb darauf angewiesen, daß sich mehr Leute an dem Projekt beteiligen, auch wenn wir mit dem aktuellen Heft wieder einige neue Schreiberlinge be­grüßen können. Also Großstadtindianer dieser Welt, macht Euch auf …

Bei der Vorbereitung der Ausgabe 20 haben wir viel grundsätzlich über Inhalt und Form des Heftes nachgedacht. Die Gespräche waren wie immer hitzig, am Ende fruchtbar und mündeten prompt in zwei neuen Rubriken. Unter der Lupe wollen wir den Blick auf hiesige Projekte lenken und über Anspruch, Organisation und Geschichte informieren. Den Anfang macht ein lebensnaher Bericht über die Gieszerstraße 16. Desweiteren haben wir ein neues Forum für unsere LeserInnen konzi­piert, auf dessen Erfolg/Mißerfolg wir schon ganz gespannt sind.

Unser Plenum steht im übrigen jedem offen und kann bei Interesse jederzeit besucht werden (gelegentlich auch von Redak­tionsmitgliedern). Schreibt uns einfach flink eine Email an feierabendle@web.de und wir teilen euch den nächsten Termin mit.

Diesmal liegen auch die schon im letzten Heft erwähnten Broschüren zum Thema Genua‘01 mit bei.

Fäustlinge raus und ab in den Winter!

Eure Feierabend!-Redax

Kommentar FA! #20

Der Herbst hat dieses Jahr eine gute Miene abgegeben. Warme, klare Tage mit viel Licht. Ein wahrer Balsam für die Seele. Wenn die Natur sich so unschuldig gibt, uns anlächelt und unsere Geister inspiriert, mit den verführerischen Düften des Ursprünglichen, Verwurzelten, Geborgenen, uns mit ihren sanften Winden berührt, dann neigen wir ihr zu und versuchen all das Politische, Kulturelle, Gesellschaftliche, Geschäftig-Geschwätzige um uns herum zu vergessen. Fern fühlen wir uns dann aller Entwicklung und Geschichte, geborgen in der Unbeweglichkeit des Moments. Wir senken den Blick, schließen die Augen und horchen in uns hinein, hören nur auf die Harmonien, die der natürliche Einklang erzeugt.

Doch halt, können wir es uns denn leisten, wegzusehen? Den Blick vom and’ren abzuwenden? Mag diese herbstlich natürliche Selbstversenkung auch die Quelle neuer Kräfte sein, die Triebfeder der Geschichte ist sie nicht.

Sehen wir also von dieser anrührenden Naturbetrachtung ab und wenden uns den politischen Realitäten zu. Hierzulande droht nach dem Deutschen Herbst nun ein Deutscher Winter. Mit Eiswasser für mutige Atomenergie-GegnerInnen, mit frierenden MigrantInnen, die Deutschlands billigste Rundum-Propaganda verteilen, mit zitternden Bettlern in den Straßen, unbeheizten Wohnungen, Lohnkürzungen, Arbeitsplatzverlusten und mageren Gabentischen. Mit Politiktheater, Unsicherheit und Zukunftsängsten. Mit hohlen Phrasen vom Sockel der Macht und dumpfen Parolen aus dem Bauch der Ohnmächtigkeit Marke „Du bist Deutschland“. Die Abwesenheit der Utopien schmerzt. Fast möchte mensch bei dem Gedanken in die Natur zurückversinken, sich doch ein wenig jener absonderlichen Vision anschmiegen: Verweile doch im Augenblick, Du bist so schön! Trotzdem: Nach Sturm und Drang und jenen Glaspalästen Deutscher Klassik kommt die Geschichte, unweigerlich, mit und gegen die Natur. Es liegt an uns, an unserer Geselligkeit, sie zu gestalten.

clov

„Das Geheimnis von LE“

Wie die inszenierte Doku den Umgang mit Leerstand thematisiert

 

Klingt ja eher wie ein Ausverkauf, dieser Titel. Da kommt eine Künst­lerin angereist und will einen Film über Leipzig drehen, ist ja so eine span­nende Stadt. Und dann will sie diese Span­nung festklopfen, das Brachen­geflüster gar ins Kino bringen?

Die Hamburgerin Anke Haarmann war von der Galerie für zeitgenössische Kunst Anfang 2004 direkt beauftragt worden, „ein künstlerisches Projekt über schrum­pfende Städte in Ostdeutschland zu realisieren“. Die GfzK beteiligt sich, zusammen mit der Stiftung Bauhaus Dessau und der Archi­tekturzeitschrift archplus, an einer Initiative der Kultur­stiftung des Bundes namens „Schrump­fende Städte“. Diese shrinking cities widersprächen „dem seit der Indust­ri­ellen Revolution gewohnten Bild der ›Boom­town‹, einer von stetigem wirt­schaft­­lichen und demographischen Wachs­tum gepräg­ten Großstadt, sie provozieren aber ebenfalls ein Umdenken im Hinblick auf tra­di­ti­onelle Vorstellungen der europä­ischen Stadt und auf die zukünftige Ent­wick­lung urbaner Welten.“ (1) Verschie­dene wissenschaftliche und Kunstprojekte, u.a. in Detroit, Manchester, Ivanovo, aber auch Halle, wollen dokumentieren und kul­turelle Perspektiven entwickeln. Dabei entstand aus die­sen Arbeiten u. a. eine gleich­­namige Aus­stellung, die bald eröff­net wird. (2)

Leipzig sei Boomtown und Leerstands­gebiet zugleich – diese Spannung interes­siere Anke Haarmann besonders. Zusam­men mit der Dresdner Filme­macherin Irene Bude ging sie also auf die Suche nach Per­sonen und Gruppen in ver­schie­denen Vier­­teln, mit denen sie zusammen dann sieben verschie­dene Episoden entwickel­ten: vom Idealtyp Waldstrassenviertel zum Härtefall Ost, über das Wintergarten-Hoch­haus, den Bunten Garten, das Wohn­pro­jekt Gieszer 16, die Fein­kost und den Brühl. Im Osten wurden be­we­gen­de Pro­jekte entdeckt: eine Nachbar­schafts­werkstatt und eine leider nur einjährige Bepflanzung eines Hinterhofes mit Grün­kohl, der dann in einem Hap­pen­ing vom Kollektiv geerntet, gleich zubereitet und kostenlos ausgeteilt wurde. Im Winter­gar­tenhochhaus posierte man hingegen sehr bürgerlich und schwel­gte in Erinne­run­gen an verschiedene Besiedlungsver­suche des Hauses durch die LWB: Die Jun­kies und harten Sozialfälle seien schlimm ge­we­sen, als dann aber die „Spätaussiedler“ ins Haus kamen, sei es besser geworden, die konnten ja wenigst­ens noch ein Stück­chen Deutsch.

Nach dem Prinzip der Spiegelung zeigte die folgende Episode die „Bunten Gärten“ in Anger-Crottendorf, in denen vom „brücken­schlag e.V.“ MigrantInnen­integration in natura betrieben wird: Scha­fe, türkisch-deutscher Salatzucht­versuche, Hilfe bei Ämter­gängen und Arztbesuchen.

Daß es in Leipzig einmal die Welt­haus­­besetzer­­spiele gegeben hat, erfährt man dann von zwei Comicfiguren, die in der Erinnerung an die Hochzeit von Arthur und Karla (siehe S.14f) schwelgen (mit Originalvideoausschnitten!) und sich dann von der G16 aus zu einer sehr ab­strak­ten Rettung der „Frischkost“ aufma­chen. Am Ende hört man noch das senti­men­tale Dona nobis pacem auf der Geige eines Ex-Bewohners der abzureißen­den Brühl-Hochhäuser.

Ein ziemliches Sammelsurium also. Die gestellten Szenerien, gezeichnete Elemente und die prekären Realitäten vermischten sich in diesem Stündchen Film eher ins Graue. Keine Hintergrundinformationen, keine Konfrontationen und die halbherzig aufgenommenen Porträts zeigten kaum Authentizität. Die gewollte Inszeniertheit und eine gewisse Beliebigkeit bei der Aus­wahl der Szenerien verspielten leider das Existentielle des Themas.

Sind alternative Projekte und Hausbe­setzun­gen eine Medizin gegen Leerstand?

In der dem Film folgenden Podiums­dis­kus­sion zwischen einer Stadtplanerin, zwei Ver­tretern der „Hausbesetzerszene“ (Birgit und Karo aus der G16), einem Ex-Fein­kost-Mitbetreiber (Thomas Pracht) und einem „Quartiersmanager“ (jemand, der leer­stehende Häuser vermittelt) wollte man dann für die Unkonkretheiten des Fil­mes entschädigt werden. Leider moder­ier­te die Frau von Radio Blau aber immer schön an den Grenzlinien des Themas vor­bei, stellte ewig lange Fragen für ihr Radio und das Publikum war relativ gefrustet. Da sprang die Künstlerin selbst einmal für die Spannung in die Presche und fragte nach den bestehenden „Verun­mög­lichun­gen“ verwaltungs­technischer Art, die Bra­chen­nutzung erschwere und politisch zu be­wer­ten wäre.

Die Stadtplanerin hingegen mahnte im­mer wieder an, dass Häuser nicht einfach besetzt werden könnten und gut, ihre In­standhaltung wäre sehr aufwendig und meis­tens könnten die NutzerInnen sich dies nicht vorstellen, geschweige denn rea­lisieren. Von der G16-Seite wurde dann noch betont, daß sie keine politi­schen Ver­treter ihres Anliegens bräuchten, wie die Stadt es gerne hätte, die verschie­dene Teil­neh­mer­Innen des Projektes nicht als Ver­hand­lungspartner akzeptiere. Eine poli­tische Konformität sei eben nie angestrebt wor­den. Damit traf sie den Nagel auf den Kopf und formulierte endlich, was keine intel­lektuelle Auseinan­der­setzung der Welt überwinden kann – den Widerspruch zwi­schen den „Besit­zern“ und den Besetzern. Am 27.11. läuft „Das Geheimnis von LE“ zum Vormittags­brunch in den Passage Kinos, am 25.01.06 in der NaTo. Wo Platz ist, soll auch Leben möglich sein!

 

clara

(1) www.gfzk.de
(2) 26.11.05-02.02.06, GfzK, Karl-Tauchnitz-Allee

Lokales

Duldung bis zum Tod

Iranischer Migrant gestorben • Proteste geplant

In Feierabend! #18 („Kein Status – Hilfe zu spät“) berichteten wir über den 26-jährigen Mojtaba aus dem Iran, dessen Asylantrag abgelehnt wurde und der nur mit einer „Duldung“ in Leipzig lebte.

Als mehrjähriger BILD-Zeitungs-Ver­käufer war er täglich frühmorgens bei jedem Wetter stundenlang auf den Beinen und oft erkältet. Bei seinen Arztbesuchen wurde er mehrfach ohne Behandlung wieder nach Hause geschickt; selbst dann arbeitete er weiter, um seinen Job nicht zu verlieren. Viel zu spät und erst nach unterstützenden Protesten von seinen Freunden wurden seine Beschwerden ernst genommen und er schließlich in die Notfallaufnahme des Uniklinikums eingewiesen. Dort fiel er ins Koma und konnte nur noch per Maschine am Leben gehalten werden. Sein Zustand ver­schlimmerte sich dramatisch, seine Lungen und sein Gehirn versagten. Aufgrund dessen wurden die Maschinen am Samstag, den 15.10.05 abgestellt. Seine unsichere soziale Stellung, das Bagatellisieren seiner Erkrankung, aber vor allem die miserablen Arbeitsbedingungen haben ihn das Leben gekostet.

Dies wollen seine Freunde und Bekannte nicht einfach so kommentarlos hin­nehmen – sie wollen nun nicht nach dem Motto „so was passiert halt“ zum Alltag übergehen. Mojtaba ist keine Aus­nahme! Sein un­nötiger Tod verdeutlicht dra­matisch die allgemein schlechte Situation der MigrantInnen. Die Em­pörung darüber soll öffentlich zum Ausdruck gebracht werden.

Alle, die sich in dieser Sache engagieren wollen, können sich zur Kontaktaufnahme an die FAU Leipzig (fau-leipzig@gmx.de) wenden oder in der Libelle * Kolon­nadenstr.19 * 04109 Leipzig nachfragen.

Augen auf beim Ein-Euro-Jobben!

Alle, die eine „Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung“, auch bekannt als „Ein-Euro-Job“, von der Arbeitsagentur zugewiesen bekommen, sollten sich das entsprechende Schreiben vorher ganz genau ansehen.

Es könnte nämlich sein, dass die Zu­weisung rechtswidrig ist. Und wer will sich den schon in den illegalen Arbeitsmarkt vermitteln lassen?

Unverzichtbare Voraussetzung für die Legalität ist die vorherige genaue Fest­legung des zeitlichen Umfangs, der zeitlichen Verteilung, Art der Tätigkeit, sowie Höhe der Aufwandsentschädigung durch das Jobcenter.

Zu unbestimmt ist in der Rechtsprechung nach dem Bundessozialgerichtshof (BS­GH) bspw. die Aufforderung, „sich stundenweise in der Hausaufgabenhilfe zur Verfügung zu stellen“ oder die bloße Festlegung einer Höchstgrenze „bis zu x Stunden die Woche“.

Der BSGH meinte weiterhin, dass die Ein-Euro-Jobber in spe bei der genauen Bestimmung des Wie, Wann und Wo ein Wörtchen mitzureden haben. Das heißt, es muß für die Betroffenen erkennbar und einschätzbar sein, ob das Angebot als zusätzliche Arbeit im öffentlichen Interes­se angemessen, erforderlich und geeignet ist, um die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erreichen zu können. Eine nachträgliche Regelung ist unzulässig.

Das Ganze soll außerdem noch auf die spezifischen Fähigkeiten des Betroffenen bezogen sein: ob die Arbeitsgelegenheit „angemessen, erforderlich und geeignet ist, um die Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt erreichen zu können“ sollte darum erst nach Profiling und genauer Eingliederungsvereinbarung entschieden werden.

Sind diese Punkte nicht erfüllt, dürfen solche rechtswidrigen Beschäftigungen sofort abgebrochen werden, ohne dass daraus Leistungskürzungen erwachsen dürfen.

So sehr sich mancher unter uns auch Arbeitsgelegenheiten wünschen mag, es sei daran erinnert, dass diese Jobs reguläre Arbeitsverhältnisse nicht verdrängen oder zu Wettbewerbs­nachteilen für die Wirt­schaft führen sollen. Also: nicht sofort zugreifen, es könnte den Aufschwung blockieren und der erste Schritt in die Illegalität sein.

hannah

[AZ. L 5 B 161/05 ER AS – LSG Hamburg – Beschluss v. 11.07.2005 so auch: S 37 AS 4801/05 ER – SG Berlin – Beschluss v. 18.07.2005 – aufgrund von AZ. 5 C 35.88 – BVerwG-Urteil v. 4.6.1992]

Der Fall Smosarski

Internationale Solidarität gegen Polizeiwillkür in Polen

Andrzej Smosarski ist in der anarcho­syndikalis­tisch orientierten „Czerwony Kollektyw – Lewicowa Alternatiwa“ (Rotes Kollektiv – Linke Alternative) aktiv und nahm im Dezember 2000 an der Demon­stration der Krankenschwestern- und Hebammengewerkschaft in Warschau teil, bei der seinen Anfang nahm, was sich dann fünf Jahre hinschleppen sollte – versuchte Hilfeleistung, Anklage, Verurteilung, Berufung, Solidarität…

Das CK-LA schilderte die Ereignisse am 12.12.2000 folgendermaßen: Nach der Auflösung der Demonstration wurde eine Gruppe von Demonstranten, in der sich auch Andrzej befand, von einer Polizei­kette umzingelt. Dabei bemerkte er, dass eine der Frauen dringend medizinische Hilfe benötigte. Trotz seiner Bitten lehnten die Polizeibeamten es ab, die Frau zu den in der Nähe stehenden Kranken­wagen durchzulassen. Daraufhin drückte sich die Gruppe von Demonstranten, in der sich auch Andrzej befand, durch die Polizeikette und bemühte sich um Hilfe für die kranke Frau. Dafür wurde er zusammen mit einem anderen Menschen wegen Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten durch einen Tritt in Höhe des Brustkorbs angeklagt, obwohl nichts dergleichen stattgefunden hatte. In seiner Gegenwart sprachen die Polizisten die­se Version der Ereignisse ab.

In dem darauffolgenden Prozess in Warschau wurde Smosarski zu 3000 Zloty plus 800 Zloty Gebühren (um die 1000 Euro) oder wahlweise 100 Tagen Ge­fängnis verurteilt.

Dagegen hat das CK-LA für den 26. 09.2005 im Vorfeld des Berufungstermins polenweit, aber auch international zu Protesten aufgerufen. In Warschau fand eine Kundgebung mit 50 Teil­nehmer­Innen statt, in anderen polnischen Städten wie Bialystok, Szczeczin oder Gdansk bewegten sich die Teilnehmerzahlen zwischen zehn und zwanzig.

Auch in Leipzig forderten ab zwölf Uhr ein gutes Dutzend DemonstrantInnen der Freien ArbeiterInnen-Union zuerst im und dann vor dem Polnischen Generalkonsulat in der Trufanowstrasse den Freispruch von Andrzej Smosarski. Ein Beteiligter be­richtete gegenüber Feierabend!: „Der Eingang stand zur Sprechstunde offen, also stürmten wir mit zehn Leuten rein und konfrontierten die Diplomaten damit, ihre Regie-rung über unsere Forderungen zu infor­mieren. Nach einem kurzen Ge­spräch verließen wir das polnische Hoheitsgebiet und führten eine spontane Kundgebung durch, während die Di­plomaten aus Angst das Eingangstor abschlossen und uns mit der Polizei drohten. Wir warteten noch bis 13 Uhr auf die Polizei, die jedoch nicht kam, und zogen dann zum Pol­nischen Institut am Markt, um dort Infos zu verteilen.“

Außer in Leipzig kam es auch in Stock­holm (Schweden), Valladolid (Spanien) und Frankreich zu Solidaritätsaktionen. Trotz der Proteste wurde die Berufung abgelehnt. Das CK-LA hat weitere Ak­tionen angekündigt.

KFM

…mehr auf www.smosarski.pl

Kameradschaften ins Wasser fallen lassen

Nachbetrachtung zum Naziaufmarsch am 1. Oktober in Leipzig

Es war ein ganz schön verregneter Samstag und man hätte sich wahrlich angenehmere Tä­tigkeiten vorstellen können, als bei ge­fühlten fünf Grad und strömendem Re­gen einen Naziaufmarsch zu verhindern. Das Wetter griff ein wenig in die Ge­stal­tung der Gegenaktionen ein; so kam es we­gen der nassen Strassen nicht zur an­ge­kündigten Sitzblockade. Blockiert wurde dennoch, weswegen Christian Worch und seine ca. 150 KameradInnen kurz nach 17 Uhr unverrichteterdinge den Heimweg an­treten mussten, ohne einen Meter der eigentlichen Marschroute nach Connewitz ge­laufen zu sein – sehr ärgerlich, wo doch be­reits in der Nacht zum 1.10. die Ka­meradschaftsseiten freier-wider­stand.net und fw-sued.net von Antifas gehackt und zahlreiche em­pfind­liche Daten auf indy­media veröffentlicht worden waren. (1)

Der Tag hatte mit einer etwa 300-leute-starken linksradikalen Demonstration durch die Südvorstadt begonnen, zu der BgR (Bündnis gegen Realität), LeA (Leipziger Antifa) und das Jugendcafé to­morrow unter dem Motto „Wer Deutsch­­­land liebt, den können wir nur hassen“ (2) auf­gerufen hatten. Nicht ganz un­um­stritten war bei einigen Teil­nehmer­Innen die von den OrganisatorInnen an­ge­dachte an­tideutsche Ausrichtung, die nicht nur im Motto deutlich wurde, sondern auch schriftlichen Spruch­vor­schlägen wie „Deutschland von der Karte streichen – Po­len muß bis Frankreich reichen“, die sich neben intellektuelle Kleinode wie „Hurra, hurra – die Antifa ist da“ reihten. Eine Minderheit der Demonstrierenden wäre aber vermutlich zu einem Diskurs über die Intentionen von LeA und BgR gar nicht mehr in der Lage gewesen, denn be­reits zu diesem Zeitpunkt war bei manchen reichlich Alkohol im Spiel.

Nach dem Ende der Demo zogen die meis­ten relativ geschlossen in Richtung List­platz, dem geplanten Startpunkt der Nazis, an dem sich bereits etwa 200 Menschen ein­gefunden hatten, um die Naziroute zu blockieren. Die Blockade am Listplatz schwoll in den folgenden Stun­den auf etwa 800 bis 1.000 Menschen an, die damit unter an­derem dem Aufruf des „Sitzen­blei­ben“-Bündnisses (3) folgten, das im Vor­feld offensiv zu einer Sitz­blockade am Nazi­startpunkt aufgerufen hatte. Das Bündnis begründete sein Vorhaben damit, dass es einerseits nicht ausreiche, sich an sym­­bolischen Aktionen zu beteiligen, dass aber andererseits dezentrale Aktionen nicht für alle in Frage kämen, die effektiv et­was gegen Nazi­aufmärsche tun und deren Verhinderung auch gegen die Staatsmacht durchsetzen wollten. Am 1. Ok­tober scheint dieses Konzept jedenfalls dank günstiger Um­stände umgesetzt worden zu sein. Auto­nome, Studierende, Schüler­Innen, Punks, aber auch einige äl­tere Leute und Familien ließen sich auf eine gemeinsame friedliche Aktion ein, hör­ten per Lauti ein wenig Radio Blau, (ein freies und selbst­or­ganisiertes Ra­dioprojekt) und lauschten den diesmal besser funktionierenden Info-Durchsagen; ei­nige beschäftigten sich leider wiederum sehr exzessiv damit, Bier zu trinken. Und nach vier Stunden wurden die wenigen ein­getroffenen Nazis schließ­lich wieder nach Hause geschickt. Eine Eskalation blieb diesmal auch deshalb aus, weil die Po­lizei es unterließ, am Listplatz einen Räumungsversuch zu unternehmen, und so wurde es denn am Ende ein geruhsamer Nach­mittag, für den die Polizei von vielen Sei­ten gelobt wurde, allerdings nicht von allen. Schließlich hatte es bereits im Vor­feld eine wahre Pro­pa­gan­da­schlacht gegeben:

Polizei-PR

Sachsens Innenminister Thomas de Maizière und Leipzigs Polizeichef Rolf Müller, denen die Kritik nach dem bru­ta­len Polizeieinsatz am 1. Mai offenbar noch nicht gereicht hatte, kündigten für den Fall ei­ner gerichtlichen Genehmigung der Nazi­demo ein „konsequentes“ Vor­gehen gegen alle Störungsversuche durch Anti­fa­schistInnen an. Das „Sitzen­blei­ben“-Bün­dnis konterte mit einem offenen Brief an die Polizei, in dem diese davor gewarnt wurde, „die Sitzblockade zu gewaltbe­glei­te­ten polizeilichen Exzessen oder als Plattform für erlebnisorientierte Über­griffe gegen Demonstranten zu nutzen“ (4). Daß sich der offene Brief stark an einer Vor­lage aus der Feder der Staatsmacht orientierte, die vor einiger Zeit an po­tentielle TeilnehmerInnen der „Bunten Re­publik Neustadt“ (ein Stadt­teil­fest in der Dresdner Neustadt) versandt wurde, schien zumindest der LVZ nicht auf­zu­fallen. Herr Müller konnte einen Wieder­er­kennungseffekt hingegen kaum öffent­lich zugeben und erstattete lieber Straf­an­zeige gegen das Bündnis, da er sich in seiner Entscheidungsfindung genötigt gesehen habe. (5)

Zu­gleich warnte er vor der Anreise von mehr als 1.000 gemeingefährlichen Stei­ne­werferInnen aus ganz Deutschland, eine Zahl, die wenig später vom Landes­amt für Ver­fassungsschutz auf 400 nach unten kor­rigiert wurde und nach dem 1. Ok­tober in der Berichterstattung von LVZ und anderen gegen null tendierte. Es konnte ja schließlich nicht sein, daß sich militante Anti­faschistInnen an der fried­lichen Ver­hin­derung eines Nazi­auf­marsches be­tei­lig­ten, während sich die groß angekündigte Sym­bolveranstaltung „Mit weißer Rose ge­gen braune Gewalt“ von Parteien, Kir­chen, „Courage e.V.“ und Stadt am Bayrischen Platz nicht nur wegen der mangelnden Beteiligung (ca. 350 Leute) als bedeutungslos erwies. Von den dort angebotenen 1000 weißen Rosen wurden wohl nur etwa 200 verkauft (!), was einige der VeranstalterInnen nicht daran hin­der­te, sich die Verhinderung des Naziauf­marsches auf ihre Fahnen zu schreiben. (6)

Bereits in den Tagen vor dem 1.10. wurden die AnwohnerInnen der Demons­tra­tions­strecke mit kleinen Zettelchen von der Po­li­zei darauf hingewiesen, dass auf der Strecke am 1.10. komplettes Halteverbot herrsche und etwaigen Aufrufen, dass es an dem Tag zu einer Sperrmüllsammlung komme und man sein Gerümpel einfach auf dem Gehweg abladen solle, keineswegs Glau­ben zu schenken sei! Vermutlich han­del­te es sich um eine besonders clevere, wenn­gleich etwas späte Reaktion auf einen ver­gleichbaren Aufruf zum 1. Mai.

Be­sonders stolz waren Stadt, Ordnungs­amt und Polizei auf ihre neue Wunder­waffe, die „Kommunikationsteams“, für die insgesamt 24 Leute von Ordnungsamt und Polizei abgestellt wurden. Deren kon­kre­ter Beitrag zur „Deeskalation“ er­schöpfte sich im Wesentlichen darin, schicke Handzettel zu verteilen, in denen hauptsächlich zur „räumlichen“ Dis­tan­zierung von Gewalttätern aufgefordert wurde.

Auch der Rest der 2000 eingesetzten BeamtInnen war nicht ganz untätig, son­dern stellte über den gesamten Tag 2754 Iden­titäten fest, durchsuchte dabei 705 Personen und 1012 mitgeführte Ge­päck­stücke, erteilte mindestens 452 Per­sonen ei­nen Platzverweis für eine Zone, die sich ca. 100 Meter zu beiden Seiten der Nazi­route erstreckte, und entzog 78 Leu­ten vor­übergehend die Freiheit. An­ge­sichts der 22 unterstellten Straftaten am 1.10., von denen 14 auf vorhersehbare Verstöße ge­gen das Versammlungs- und das Be­täu­bungs­mittelgesetz sowie auf Be­lei­di­gungen ent­fielen, schien das wohl an­gemessen, irgend­wie muss die Zeit ja rumgehen, wenn man (aus Angst vor dem nächsten Skan­dal?) nichts gegen die anti­fa­schis­ti­schen BlockiererInnen unter­nehmen darf. (7)

frau lutz

(1) www.de.indymedia.org/2005/10/129338.shtml
(2) www.nadir.org/nadir/initiativ/bgr/pages/011005.htm
(3) www.linxxnet.de/sitzenbleiben/
(4) www.linxxnet.de/sitzenbleiben/offener_brief.html
(5) LVZ-Online 09.10.2005
(6) z.B.: www2.igmetall.de/homepages/leipzig/courage.html
(7) www.polizei.sachsen.de/pd_leipzig/2795.htm

Kontrolle ist besser

2. Erich-Mielke-Gedächtnispreis in Leipzig verliehen

 

Pünktlich zum 56. Geburtstag der DDR fand am 7. Oktober die zweite Verleihung des Erich-Mielke-Ge­däch­t­nispreises (1) statt. Initiiert worden war die Veran­staltung von der Initiative Leipziger Ka­mera, einer über­wachungs­kritischen Gruppe (siehe auch FA! #11), die bis­her vor allem durch den von ihr erstellten Kamerastadtplan und ihre von Zeit zu Zeit stattfindenden Kamera­stadtrundgänge auf sich aufmerksam machte. Wie schon 2003 bei der ersten Verleihung dieses Negativ­preises waren wieder eine Reihe von Personen und Institutionen nominiert, die sich bei der Förderung von Überwachung und sozialer Ausgrenzung in Leipzig und Umgebung besonders hervorgetan haben. Startpunkt war, passend zum Anlass, das Stasimuseum am Runden Eck. Anwesend waren neben den Aktivisten der Leipziger Kamera und den Leuten von Presse und Radio auch Vertreter diverser anderer über­wachungs­kritischer Gruppen. So z.B. Torsten Michaelsen von der Hamburger LIGNA-Gruppe (2) und Thomas Brunst von safercity.de.

Ehe es aber gegen 11.00 Uhr losgehen konnte, tauchte erst mal die Polizei auf, die wissen wollte, wer für die Aktion verantwortlich sei, schließlich handele es sich dabei um eine nicht genehmigte Versammlung. Wenig später war das aber geklärt und die Herren Polizisten zogen wieder ab. Was sie jedoch nicht davon abhielt, kurz darauf noch einmal auf dem Handy eines Teil­nehmers der Aktion anzurufen, um anzufragen, wer den Preis denn nun bekommen würde, vielleicht in der Annahme, auch ein Besuch bei ihrem Chef Rolf Müller sei geplant. Nachdem einer der Initiatoren der Aktion die Anwesenden begrüßt und den weiteren Ablauf grob erläutert hatte, schritt man zur Tat und zog den ersten Gewinner. Dies war in der Kategorie „Schö­­ner unsere Städ­te und Dörfer“ Dr. Nor­bert Beital in seiner Funktion als Vor­sitzender des Ak­t­­­ions­bündnisses Statt­­bild e.V.. Die­ses Bündnis aus Ver­­tret­ern der Stadt und Immobilien- und Wer­­b­­e­firmen hat sich den Kampf gegen Graffiti auf die Fahnen geschrieben. Erfolge dieses Einsatzes waren dabei u. a. die Schließung der „Wall Of Fame“ im Oktober 2003 in Plagwitz, der einzigen legalen Wand zum Sprühen in Leipzig. Damit machte man sich auf den Weg zum Büro des Vereins, wo dann die Laudatio verlesen wurde. Leider fand sich kein Mitarbeiter des Aktionsbündnisses bereit, der Preisverleihung beizuwohnen.

Davon ließ man sich aber nicht beirren und schritt zur Ziehung des nächsten Gewin­ners in der Kategorie „Heraus­ragende politisch-ideologische Stand­festigkeit“. Dies war Robert Clemen, CDU-Kandidat bei der letzten Lei­p­ziger OBM-Wahl. Der hatte bei dies­em Anlass mit sein­en Null Toleranz Par­olen gegen „Chaoten“, „Graffiti-Schmierer“ und sonstige Stören­friede auf sich aufmerksam gemacht und auf Plakaten „Weniger Schlagl­öcher! Mehr Video­über­wachung!“ gefordert. Ein würdiger Sieger also, der nur leider grad nicht vor Ort war und somit den Preis nicht selbst entgegen­neh­men konnte. So ging es zügig weiter.

In der letzten Kategorie „Schild und Schwert der Partei“ gab es gleich drei Gewinner: Polizeichef Robert Müller, Holger Tschense (ehemaliger Ord­nungs­­beigeordneter der Stadt) sowie Norbert Beital, Chef des Leipziger Ordnungsamtes. Anlass war hier die Novellierung des Leipziger Polizeigesetzes im Juni letzten Jahres. Dieses umfasst eine Reihe neuer, gegen Randgruppen wie Bettler und Drogenabhängige gerichteter Verord­nungen (etwa das Verbot, in öffentlichen Grünanlagen zu über­nach­ten), aber auch Bestimmungen gegen „wildes“ Pla­ka­tieren, welches nicht zu Werbezwecken dient. Die Preis­verlei­hung sollte in der Außen­stelle des Ord­nungs­amtes in der Prager Straße vor sich gehen, aber auch hier wollte diesen keiner haben. So wurde im Flur des Am­tes noch die letzte Laudatio ver­lesen und die Aktion damit wür­dig zu En­de geführt.

 

justus

www.leipziger-kamera.cjb.net
(1) Erich Mielke, Chef der Stasi.
(2) Freie Radiogruppe LIGNA. Manch einem vielleicht bekannt durch das Radio­ballett 2002 auf dem Leipziger Haupt­bahnhof.

„Ich muss dem Rassismus die Basis wegreißen!“

Antirassismus im StuRa

Ein StudentInnenrat ist nur für universitäre Politik zuständig. Und dort gibt es ja wohl keine rassistischen Vorurteile. Oder doch? Auch wenn es in Leipzig im Gegensatz zu manch anderer Universität leider kein direktes Referat für Antirassismusarbeit gibt, konnte auch in diesem Semester wenigstens eine Anlaufstelle für dieses Thema besetzt werden: mit Rico Rokitte, 26, seines Zeichens Student der Erziehungs- und Politikwissenschaften sowie der Philosophie. Feierabend! hat nachgefragt, wie der so tickt und was er vor hat…

FA!: Wie bist du zum Thema Anti­rassismus gekommen?

R.: Ich glaube, wenn du anfängst, dich mit der Perversion unserer „zivilisierten“ Ge­sellschaft zu beschäftigen, kommt Rassis­mus als ein krankhafter Auswuchs (von Tausenden) sofort heraus. Für mich ist es nur ein Teilgebiet, mit dem ich mich be­schäftige, wenn auch jetzt mehr. Aber da es im StuRa keinen Bereich „Ver­än­derung der Gesellschaft“ gibt, ist Anti­rassis­mus mein momentanes Hauptthema.

FA!: Wofür steht die Stelle im StuRa und was willst DU draus machen?

R.: Die AntiRa-Stelle im StuRa ist erst rela­tiv neu (ein halbes Jahr) und deutsch­land­weit in StuRas/Astas auch nicht oft ver­treten. Bisher hatte eine sehr kompe­tente Studentin (Sylvia) diese Stelle inne, die sie auch mitgegründet hatte. Ich glaube, für sie war Anti-Rassismusarbeit erst mal eine Aufarbeitung anti­faschis­tischer und antirassistischer Strukturen an der Uni. Und durch den Versuch einer öffentlichen Diskussion ein Problem­be­wusstsein zu schaffen.

Die Mitarbeit im StuRa ist für mich des­wegen wichtig, weil ich denke, dass man die Diskussion in den Organisationen und Be­trieben führen und nicht nur von außen kri­tisieren sollte. Und gerade in der Stu­dierendenschaft mit ihrem ach so toleran­ten Mäntelchen gibt es viel zu tun.

FA!: Was für ein „Mäntel­chen“?

R.: Ich denke und lese, dass Studenten als to­lerant, offen etc. gesehen werden. Dies ist aber praktisch nicht so, auch wenn sich na­tionale, rassistische und autoritäre Um­triebe anders äußern als außerhalb der Uni – keine Skins, keine offene Gewalt etc.. Im Gesamten jedoch sieht es auch nicht an­ders aus – die durch die Soziali­sation ge­setzten Verknüpfungen werden meist un­reflektiert weitergeführt. Auch wenn es sich nicht überall in einer Mitgliedschaft in Burschenschaften und Corps oder an­deren perversen Unter­drückungs­ver­bin­dungen äußert. Ich denke, dass die meisten Studenten sich unter einem AntiRa-Sprecher jemanden vorstellen, der gegen jegliche rassistischen Auswüchse vorgeht und informiert. Ich werde sicherlich Informationen über und die Bekämpfung von auftretendem Rassis­mus weiterhin vorantreiben, halte das aber allein für zu kurzatmig. Es ist wichtig, gegen Nazis, Nationale und Gewalttäter zu kämpfen, aber ich denke, es muss darüber hin­aus­gehen. Besonders hier an der Universität (in einem Bildungsbetrieb) sind viel mehr Ein­flussmöglichkeiten vorhanden.

Anti-Rassismusarbeit ist bei mir stark mit Prä­vention und einer lebens­welt­orien­tier­ten Sichtweise verbunden. Ich muss dem Rassismus die Basis wegreißen, die aus Uninformiertheit, nie erlebter Demokra­tie, Unmündigkeit und autoritärer Struk­tu­ren in der Gesellschaft besteht.

Ne­ben der Erstellung von Readern zu Burschenschaften, Rassismus an der Uni etc. möchte ich dieses Semester damit be­ginnen, einen Diskurs über Gesellschaft und Rassismus zu eröffnen. Praktisch kann das zu Beginn nächsten Jahres durch einen an­visierten Kongress, bzw. einem Work­shop­­wochenende zu diesem Thema ge­schehen. In Zusammenarbeit mit den Fach­schaften und weiteren studentischen Gruppen soll da praktisch unser ei­gener Ein­fluss, z.B. durch spätere Berufe, ana­ly­siert und verbildlicht werden. Das be­trifft vor allem Pädagogen, Soziologen u. a..

FA!: Kann da dann jedeR hingehen?

R.: Natürlich soll dieser Kongress be­ziehungs­weise Workshop für alle Inter­essierten offen sein.

FA!: Wo außerhalb der Uni und mit wem sollte die Auseinandersetzung mit Rassis­mus vorangetrieben werden?

R.: Rassismus ist in Europa und anderswo in allen Gesellschaftsschichten vertreten. Sicherlich äußert es sich bei Dozenten an­ders als bei der Studierendenschaft. Doch tragen wir fast alle diese unheilvollen Kei­me in uns. AntiRa- Arbeit muss durch alle uni­versitäre Strukturen gehen und nicht nur in der Studentenfreizeit an­setzen. Ich hoffe, dass da mit Dozenten, Fachschaften etc. eine Zusammenarbeit möglich ist. Besondere Hoffnung setze ich auf Studen­ten, die sich in bestehenden oder noch zu gründenden Gruppen finden lassen, auch um mehr als Rassismus anzugehen.

FA!: Wo sind dir im hochschulpolitischen Rahmen Grenzen gesetzt?

R.: Eigentlich darf ich den universitären Rah­men nicht verlassen und mich auch nicht in die Lehre einmischen. Das ist der Rahmen. Doch kann Antirassismus sich nicht so entfalten, wir leben ja nicht in der Uni. Praktisch sind dem aber durch Zu­­sammenarbeit und Unterstützung ein­zelner Studenten, Projekte oder Lehren­­den keine wirklichen Grenzen ge­setzt.

FA!: Danke für das Gespräch und viel Erfolg!

clara