Schlagwort-Archive: Soziale Bewegung

Eine kurze Analyse der soziopolitischen Rolle des WSF-ESF

Zunächst müssen wir das WSF und somit das ESF als eine Institution verstehen, die den parallelen Entwicklungen der kapitalistischen Institutionen des Regierens folgt. Während der letzten 30 Jahre expandierte das Kapital sowohl horizontal (auf der ganzen Welt), als auch vertikal (Verwertung des täglichen Lebens, z.B. Freizeit). Neue Insti­tutionen müssen die Dynamik des Weltmarktes regulieren, wie die Weltbank, G8, WTO, etc. Das WSF wurde als eine „Opposition“ zu solchen Institutionen gegründet und insbesondere als „Opposition“ zum WEF, das in Porto Alegre 2001 stattfand. Das ESF ist das Kind des WSF, das hauptsächlich die EU kritisiert.

Wogegen richtet sich das WSF-ESF wirklich? Bei einem Blick auf die Prinzipien und Ziele (und noch schlimmer, die Ziele einiger seiner Mitglieder) können wir vor allem reformistische Forderungen erkennen, wie Steuern für Konzerne, Antiprivatisierungspolitik durch die Regierung, Macht für die „Zivilgesellschaft“, etc. Diese Forderungen sind von Grund auf „systemintern“; sie versuchen die „schlechten“ Auswirkungen des Neolib­eralismus zu kontrollieren, als ob die politische Linie das Problem sei und nicht der Kapitalismus und seine Institutionen als Ganzes. (1) Anders gesagt, das WSF propagiert keinen Systemwechsel. Es fragt nur nach „einem Kapitalismus mit menschlichem Gesicht“, „einem neuen sozialen Vertrag weltweiter Gerechtigkeit“. So können wir das WSF und somit auch das ESF als „neue reformistische Internationale“ sehen, als „außerinstitutionelle soziale Demo­kratie“, die sich der neuen internationalisierten Politik des Kapitals angepasst hat (und gleichzeitig dem Verfall der parlamentarischen Politik auf Staatsebene).

Praktisch muss sich das ESF, ein Außerregierungsmittler, als „recht­mäßiger Verhandlungspartner“ präsentieren, der versucht, EU Politik zu beeinflussen. Es handelt innerhalb der Grenzen heutiger Institutionen, ohne sie im Geringsten herauszufordern. Die Zusammenarbeit mit Institutionen des Status quo, wie nationale Regierungen oder Parteien und die Verurteilung jeder gegen das System gerichteten Bewegung, die radikal die auferlegten Grenzen sozialer Kontrolle (2) bricht, sind Offenbarungen ihrer Komplizenschaft.

Die Synthese des ESF ist durchaus problematisch. Sein Hauptmerkmal ist eine Pluralität, die aus den Bemühungen entsteht, alles zu umfassen. Diese Pluralität unterstützt die Zirkulation verschiedener Erfahrungen, Ideen, Kämpfe. Weiterhin gelingt es dadurch Menschen, die sich auf der ersten Stufe politischen Interesses befinden, für Politik zu interessieren. Somit scheint das ESF positive Aspekte zu haben. Trotzdem führt dieser Pluralismus unvermeidlich zu einem Mangel an einer umfassenden, allgemeinen sozialen Analyse und an gemeinsamen Aktionen von ESF Gruppen, weswegen dem ESF als Machtinstitution (3) nur minimale Ziele bleiben. Lasst uns diesen Punkt vertiefen, da Unterschiede in der Analyse zu verschiedenen Zielen im sozialen Kampf führen. Kurz gesagt, fassen wir als Anarchisten/Antiautoritäre den Kapitalismus als ein System auf, das durch zwei dynamische Ströme entwickelt wird – der erste hat mit „der Konkurrenz der Kapitalisten“ zu tun; der Konkurrenz zwischen kapitalistischen Institutionen (z.B. Firmen), die auf der Marktwirtschaft basiert und zur „ökonomischen Entwicklung“ führt, zu der Verwertung jeden Aspektes unseres Lebens (vertikale Ausweitung) und zur Vermarktung von allen Teilen der Erde (horizontale Ausweitung). Der zweite Trend, der für uns wichtiger ist, ist die „soziale Konkurrenz“, die Konkurrenz zwischen dem Kapital und der Gesellschaft, der vor allem mit der historischen Entwicklung des Staates zusammenhängt (z.B. vom liberalen Staat und seiner Krise zum Wohlfahrtsstaat / erst soziale Demokratie und jetzt die „Einkommens-Sicherheits-Netzwerke“ / neoliberalistischer Staat, von der Disziplinargesellschaft zur Kontrollgesellschaft etc.). (4)

Der Mangel einer solch umfassenden Analyse führt das WSF-ESF dazu, Organisationen wie etwa NGO’s zu integrieren, die unkritisch sind und indirekt die Expansion des Kapitals fördern, sowohl die Verwertung und Vermarktung (Oxfam spricht erst über die „Unterentwicklung“ in Nordkorea und dann kommt NIKE) als auch die soziale Kontrolle (Amnesty International wirft die „Bomben der Ethik“ in Jugoslawien und dann interveniert die NATO) betreffend. Mit anderen Worten, es führt zur Integration von Gruppen und Organisationen, deren Aktionen nicht im Mindesten antikapitalistisch sind. (5)

Ein anderes Problem des Mangels an einer umfassenden Analyse zeigt sich an folgendem Beispiel: an dem WSF, das in Porto Alegre im Februar 2001 organisiert wurde, nahm Lula da Silva (derzeitiger Präsident von Brasilien) mit seiner Partei teil. Zusammen mit den nationalistischen Basken von Batasuna und anderen „Feinden des Neoliberalismus“ begünstigten sie eine Aktion gegen die FTAA, die von den USA unterstützt wird. Aber können wir Lula als echten Feind des Neoliberalismus betrachten? Natürlich nicht. Lula war gegen die FTAA, weil diese Mercosur herausforderte, eine wirtschaftliche Vereinigung zwischen Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay, die im Grunde von Brasilien kontrolliert und von der EU unterstützt wird. Mit anderen Worten, er wollte das Kapital seines Landes beschützen. Somit waren die Aktionen im Grunde Teil des „Konkurrenz der Kapitalisten“. Die meisten WSF Mitglieder schienen jedoch nicht zu verstehen, was die da wirklich unterstützen.

Ein anderer unangenehmer Aspekt vieler Gruppen, die am ESF teilnehmen, ist (als Resultat ihres Mangels an einer umfassenden Analyse), dass sie die Probleme des Kapitalismus nur auf überstaatlicher, internationaler Ebene zu entdecken scheinen und dass sie die kapitalistischen Beziehungen und deren Auswirkungen in unserem alltäglichen Leben vernachlässigen. Das indirekte Ergebnis ist, dass die Betonung allein auf dem Zentralen (auf der „Ungerechtigkeit der EU-Politik“) liegt und das Lokale vollkommen vernachlässigt wird (lokale Regierungen, Gremien oder Bosse). Diese Betonung des „Zentralen“ zeigt sich auch an den Organisationsstrukturen des ESF. Selbst wenn das ESF die „dezentralisierte partizipatorische Demokratie“ publiziert, ist es durchaus hierarchisch organisiert und wird so zum Spielfeld auf dem andere hierarchische Organisationen – wie Parteien – versuchen, ihre Interessen zu verfolgen. Die Vernachlässigung des lokalen Londoner Sozialforums ist ein gutes Beispiel für diese organisatorischen Tendenzen. Um es zusammenzufassen, das ESF kritisiert Neoliberalismus als eine Ideologie, die von den Mächtigen der Welt befördert wird und nicht den Kapitalismus als Ganzes, als ein sozioökonomisches System und alltägliche Beziehungen. Weiterhin liefert es keine umfassende Kritik von anderen Beherrschungsmechanismen, z.B. Nationalstaat, der direkt mit dem Kapital verknüpft ist. Als ein Ergebnis dieser Analyse begünstigt es reformistische Forderungen durch symbolischen (und nicht direkten, materielle) (6) Druck und es schlägt eine vage Vision von „einer demokratischen Zivilgesellschaft“ vor.

So ist das ESF der perfekte „Widersacher“ für die derzeitigen Netzwerke und Institutionen der Macht – ein Widersacher, der nicht wirklich herausfordert, einer mit minimalen Zielen, der am Ende des Tages das Image einer „guten, pluralistischen Demokratie“ perfekt angenommen hat. Es geht noch weiter: der Fakt, dass das WSF-ESF bis jetzt versucht hat die Antiglobalisierungsbewegung (7) und die „Zivilgesellschaft“ zu vertreten, zeigt seine potentiell gefährliche Rolle in der weltweiten Szene – nämlich das neue „Sammelbecken“ zu werden, in dem Leute fühlen, dass sie politische Teilhaber und Aktive sind, aber in dem die Hoffnungen, Enttäuschungen und Wut der Leute gefiltert werden, so das sie keine radikalen, emanzipatorischen Forderungen und Visionen entwickeln, sondern reformistische.

Autonome Räume während der Tage des ESF

Da wir glauben, dass jede Person das Potential für Radikalismus hat, sowohl in Gedanken, als auch in Taten, wollen wir Veranstaltungen organisieren, die nicht nur verschiedene (horizontale) Organisationsweisen, sondern vielmehr eine radikale, antiautoritäre Kritik an den aktuellen Institutionen der Herrschaft unterstützen (und wir verstehen das ESF als eines von ihnen). Die Unterscheidung des LSF von den hauptsächlichen Vorgängen beim ESF ist für uns ein klares Beispiel für einen Radikalisierungsprozess. So akzeptierten wir, nach vielen Treffen, Zögern und Skepsis, mit dem LSF, Indymedia und anderen Gruppen die Zusammenarbeit in einem losen Koordinierungsverbund, um etwas autonomen Raum während der ESF-Tage zu ermöglichen. Unsere Unterschiede nach außen tragend, meinen wir, dass viele Gruppen des ESF und auch viele Einzelpersonen, die für die Veranstaltung kommen, an einer radikaleren sozialen Analyse und direkten Aktionen interessiert sind.

Anstatt das ESF die neue repräsentative Institution der „sensiblen, politisch aktiven Bürger“ sein zu lassen, wollen wir „eine andere mögliche Welt“ zeigen, die bereits hier ist. Die Welt von… Horizontaler Selbstorganisation – Solidarität – Autonomie – Direkter Aktion.

Der Text stammt von der Londoner Gruppe wombles, die sich an beyond ESF: autonomous spaces beteiligt hat. Übersetzung: FA! Original: wombles.org.uk/auto/esfcritique.php
(1) Zum Beispiel das WSF-Prinzip 4, das sehr bezeichnend für die Analyse des WSF ist: „Die Alternativen, die auf dem Welt-Sozialforum vertreten werden, stehen im Gegensatz zu einem Prozess der Globalisierung, der von multinationalen Konzernen, von Regierungen und von internationalen Institutionen, die in deren Interessen agieren, gelenkt wird, mit der Komplizenschaft der nationalen Regierungen.“ Ist das Problem also der böse Konzern oder die böse Regierung? Unserer Meinung nach, nein. Es ist die „Natur“ des Kapitals zu expandieren und global zu werden, so wie sich die Konzerne aufgrund des Wettbewerbes der Marktwirtschaft kontinuierlich entwickeln müssen (oder „sterben“). Die Politik (sozialdemokratisch oder neoliberal) der Staaten oder internationalen Institutionen reguliert nur den Rhythmus der Entwicklungen, aber sie können sie nicht aufhalten (wie das Scheitern der Sozialdemokratie zeigte), wenn sie nicht die Marktwirtschaft und die kapitalistischen Beziehungen, die zur Kapitalakkumulation und Expansion führen, selbst abschaffen.
(2) Ein Beispiel wären die Demonstrationen von Genua und Thessaloniki, wo das ESF die Unterscheidung zwischen „gewalttätigen“ und „nicht gewalttätigen“ Demonstrierenden vertrat, um dem Status quo zu folgen und als „der legitime Vertreter der Anti-Globalisierungsbewegung“ gesehen zu werden. Es ist unnötig darüber zu sprechen, welche Stufe aktiver Solidarität das ESF, als Ganzes, den politischen Gefangenen nach den Demos zukommen ließ; nur sehr wenige der teilnehmenden Gruppen zeigten etwas Interesse…
(3) Es wird behauptet, dass das ESF keine Institution der Macht ist, sondern nur ein Forum. Das ist ein unzutreffender Punkt, weil praktisch (wenn nicht offiziell) das ESF die Macht hatte, Dinge zu tun, z.B. zu großen Anti-Kriegsdemos aufzurufen.
(4) Unglücklicherweise war das 20. Jahrhundert von marxistischer Politik dominiert, die die Kontrolle des Staates als das Grundziel des antikapitalistischen sozialen Kampfes sieht, ohne anzuerkennen, dass der Staat selbst, als eine von der Gesellschaft getrennte Regierungsinstitution, eine zentrale Quelle der Beherrschung der Gesellschaft ist. Darum spielte die „soziale Konkurrenz“ für die Entwicklung von Form und Rolle des Staates eine so bedeutende Rolle.
(5) Ganz zu schweigen von der Haltung der ESF-Mitglieder zu den Nationalstaaten.
(6) Lasst uns an die riesige Anti-Kriegsdemo in London letztes Jahr denken. Die „Stoppt den Krieg„-Koalition, von SWP dominiert (wie auch das ESF in Großbritannien gerade), brachte 1,5 Mio. Menschen auf die Straße. Wenn all diese Leute nur einen kleinen Stein an die Mauer des Parlaments hätten werfen können, als sie vorbeiliefen, dann wäre die Wand zusammengefallen; sie wäre gefallen, weil 1,5 Mio. kleine Steine sie getroffen haben. Aber SWP, wie das ESF in anderen Ländern, bevorzugte den „symbolischen Druck“. Haben sie den Krieg beendet? Nein. Was wir damit sagen wollen, als allgemeinen Schluss aus einem sehr einfachen Beispiel ist, dass symbolischer Druck gut ist, aber nicht allein wirksam, um einen sozialen Wandel herbeizuführen.
(7) Die Anti-Globalisierungsbewegung ist sowieso zu verschieden, um als „Bewegung“ durchzugehen.

Buchstabensalat:

Batasuna – baskische Partei (baskisch für Einheit)

ESF – Europäisches Sozialforum

FTAA – Free Trade Area of the Americas

(Freihandelszone der Amerikas)

G8 – Gruppe der führenden Industrienationen

LSF – Londoner Sozialforum

Mercosur – Mercado Común del Sur

(Gemeinsamer Markt des Südens)

NGO – non-governmental organizations

(Nicht-Regierungsoragnisation)

Oxfam – Oxford Committee for Famine Relief

(Oxforder Komitee zur Bekämpfung von Hunger)

SWP – Socialist Workers Party

(trotzkistisch orientierte Partei in GB)

WEF – Weltwirtschaftsform

WSF – Welt-Sozialforum

WTO – World Trade Organisation

(Welthandelsorganisation)

soziale bewegung

Mut zur Klasse

Unruhe gibt es auch „im Osten“, etwa bei der SCP Neusiedler Papierfabrik Ruzom­berok. Nach Angaben von Beschäftigten hat die Gewerkschaft versagt, weil sie gegen den Konzern, der auch in Österreich, Ungarn, Südafrika etc. Fabriken unterhält, keine angemessen Lohnerhöhung durchsetzte. Also gründeten fünf ArbeiterInnen im September 2004 zunächst ein Petitions-Komitee (PC). Mehr als 1.200 Kol­legIn­nen, rund 90% der Belegschaft, unterzeichneten die Petition, in der Lohnerhöhungen zum ersten mal öffentlich eingefordert werden. Das Management reagierte ablehnend und drohte mit Entlassungen, weil das Unternehmens-Image durch die PC-Veröffentlichungen Schaden genommen habe.

Im Oktober wurde das PC zu Verhandlungen eingeladen. Sie bekamen allerdings eine Rüge wegen „Verstoß gegen die Arbeitsdisziplin“ und konnten ihre Sachen packen, bevor man sie vor die Tür setzte.

Am 23. September hatte das PC eine Versammlung organisiert, zu der 300 Arbei­terInnen kamen. Sie beschlossen, in dem Werk eine neue Gewerkschaft zu grün­den. Erstmals versuchen sich Arbei­terInnen in der Slowakei an anderen Formen der Organisation: Entscheidungen wer­den auf Vollversammlungen getroffen, die Funktionäre sind jederzeit absetzbar, bekommen den Durchschnittslohn.Die Stimmung ist so kämpferisch, dass auch die Betriebsbesetzung erwogen wird…

19 Mitglieder des PC und der neuen Gewerkschaft Papier, die im November mit 350 Mitgliedern offiziell registriert wurde, wurden bisher entlassen. Die Forderungen sind klar: Wiedereinstellung, Anerkennung der Papier und Lohnerhöhung, wie das PC sie forderte.

A.E.

sozialer protest

Pelz ist mehr!

Am Samstag den 12.3.05 fand die jährliche Demo gegen die Pelzmesse „Fur & Fashion“ in Frankfurt/Main statt. Hier präsentierte sich die „Pelzindus­trie“, die da­von lebt, das Tier zum bloßen Ding, zum „Pelz“ zu degradieren, dessen einzige Lebensberechti­gung der wirtschaftliche Nutzen ist. Dieser „weiche“ Begriff bagatellisiert sowohl das Leid und den Schmerz der Tiere wie auch Eitelkeit und Prestige-Bedürfnisse der „TrägerIn“.

Die Veranstalter der Messe ließen sich von der stetig sinkenden Zahl von Ausstellern auf der „Fur & Fashion“ und dem Ausstieg verschiedener Konzerne, bei­spiels­weise Quelle, C&A und Karstadt aus dem Pelzverkauf, nicht beeindrucken.

An der Demo beteiligten sich ca. 200-300 Menschen. Ebenso fiel die starke Polizeipräsenz auf. Seltsam auch, dass sich beinahe jede/r Teilnehmer/in einer Ta­schenkontrolle unterziehen musste. Den ersten Halt machte die Demo vor dem Pelz-Geschäft „Pelz Türpitz“, wo es erst­mals zu Rangeleien kam und ein Straßentheater eine Tierhäutung „zeigte“. Vor den Läden „Appelrath Cüpper“ und „Peek und Cloppenburg“ heizte sich die Stimmung zwischen Demon­strantInnen und Po­lizisten bzw. Se­cu­ri­ty-Männern auf, die „Peek und Clop­penburg“ schein­bar extra angeheuert hatte und vor die Rei­­hen der Polizei stellte. Es gab erneut Rangeleien, ein paar Tritte und Knüppelhiebe. Bei der Abschlusskundgebung wurden 50.000 (!) Unterschriften gegen den Pelzhandel bei „Peek und Cloppen­burg“ entrollt. Nach der Demo hielten 60-70 Leute vor der Messe eine Mahnwache, die ohne Zwischenfälle ablief. Am Abend gab es das Antipelz-Fest im „Exil“ mit Live Musik von Chaoze One, Albino, madcap (die auch die Demo musikalisch begleiteten), sowie einem Drum´n´Bass DJ und lecker veganem Essen.

„Pelztier“-Farmen sind allesamt grausame Orte. Dies war zu keiner Zeit anders.

Rosa

Quelle: de.indymedia.org

Übrigens! Die Behauptung, dass es Pelztieren auf den Farmen wegen ihres glänzenden Felles physisch und psychisch „gut“ gehen müsste, lässt sich leicht entkräften: Mangeler­nährung, Bewegungsunfähigkeit und die ständige psychische Qual wirken sich erst nach ca. 7 Monaten im Fell aus, so alt werden diese Tiere aber nicht.

+ 1/4 der zu „Pelz“ verarbeiteten Felle stammen aus dem Fallenfang.

+ ca. 3/4 stammen aus „Pelztier“- Farmen.

+ 1998 wurden weltweit 25.746.000 Nerze und 3.668.000 Füchse in Farmen getötet.

+ In Deutschland gibt es ca. 40 Nerzfarmen, einige Fuchs- und Sumpfbiberfarmen sowie unzählige Chinchillazuchten in denen insgesamt ca. 270.000 Tiere untergebracht sind.

Quelle: offensive gegen die pelzindustrie

Bewegung

Die radikalen Wurzeln des Ersten Mai

Was heute als „Tag der Arbeit“ bekannt ist, wurde 1889 von der neu gegründeten Zweiten Internationale als „Kampftag der Arbeiterklasse“ ausgerufen. Die Internationale, die soeben den libertären Flügel ausgeschlossen hatte, machte sich damit eine Forderung der amerikanischen ArbeiterInnen zu eigen: den Achtstundentag. Ironischerweise konnte gerade die anarchistische Strömung in Chicago, dem Zentrum der Achtstunden-Mobilisierung, einen starken Einfluss auf die ArbeiterIn­nen­bewegung ausüben. Heute würde das wohl als „internationaler Aktionstag“ ausgerufen werden – eine Aktionsform, die in den vergangenen Jahren wieder belebt wurde (vgl. Feierabend! #3). Die zentrale Forderung „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Schlaf, acht Stunden, was wir wollen!“ war 1856 erstmals in Australien aufgekommen, und fand direkt nach dem US-amerikanischen Bürgerkrieg (1865) auch unter den ArbeiterInnen der „neuen Welt“ großen Anklang.

Zu dieser Zeit setzte eine Modernisie­rungs­welle im amerikanischen Wirtschaftsleben: der Schwerpunkt verlagerte sich vom handwerklichen und agrarischen Sektor zur Großindustrie. Am Anfang des Wirtschaftswunders hatte der Krieg gestanden: Subventionen, Schutzzölle und Staatsaufträge. Chicago, die „weiße Stadt“ im Norden des Landes, war schon Mitte des 19. Jahrhunderts ein ökonomischer Knotenpunkt gewesen: der zentrale Umschlagplatz für Mais und Weizen, Sammelplatz für Schlachtvieh und Bauholz. Weiterhin entwickelte sich in Chicago die Stahlindustrie, die in der Waggonfabrik Pullman und der Erntemaschinenfabrik McCormick verkörpert war. Beschleunigt wurde die Modernisierung der Stadt auch durch den Großbrand von 1871, der binnen drei Tagen die Innenstadt verwüstete. In den folgenden zwei Jahren herrschte Arbeitskräftemangel, was die Position der ArbeiterInnen stärkte. Doch 1873 brach auch hier die erste Wirtschaftskrise der USA ein, die – verstärkt durch die Krise in Europa – zu massiver Arbeitslosigkeit bzw. Kurzarbeit und einer Senkung des Lohnniveaus um 20 Prozent (1873-79) führte. Noch im selben Jahr erlebte Chicago eine erste große Arbeitslosendemonstration. Die Polizei knüppelte die 20.000 TeilnehmerInnen auseinander, an den Folgen der Schläge starben zwei Menschen. Von der landesweiten Krise beson­ders betroffen waren auch die ArbeiterIn­nen der Eisenbahngesellschaften, letztere hatten seit 1873 die Löhne durchschnittlich um 25 Prozent gesenkt. Als im Juni 1877 weitere Lohnkürzungen angekündigt wurden, begannen im Osten des Landes Streiks, die sich zu einem Generalstreik gegen Niedrig­löhne und Arbeitslosigkeit ausweiteten. Gegen die Eisenbahner wurden Bundestruppen und die Nationalgarde eingesetzt: 13 Streikende wurden getötet. In Chicago wurde der Streik Ende Juli im Blut von 24 Toten und mehr als 200 Schwerverletzten erstickt. Im Jahr darauf schenkte die Industriellenvereinigung Citizens’ Association der Stadtverwaltung zwei Maschinengewehre!

In dieser gesellschaftlichen Situation kam es 1880 in der Sozialistischen Arbeiterpartei zu Auseinandersetzungen über die Legitimität der bewaffneten Arbeitermilizen, die jüngst verboten worden waren. Die Revolutionäre lehnten den Wahlkampf aus taktischen Gründen zwar nicht ab, bot sich darin doch eine gute Gelegenheit, ihre Ideen zu verbreiten; sie waren jedoch von der Notwendigkeit bewaffneter Organe über­zeugt. Die „Propaganda der Tat“ verstanden sie jedoch nicht als politisches Atten­tat, sondern als bewaffneten Massenaufstand. Auf einem Kongress, in Pitts­burgh 1883, fanden sich Delegierte aus 26 Städten zusammen und gründeten die International Working Peoples’ Associa­tion (IWPA), die die gewerkschaftliche Organisation in ihr Revolutionsmodell einbezog: Nach der Zerschlagung des Kapitalismus sollten die auf lokaler und regionaler Ebene existierenden Gewerkschaften die Keimzellen einer neuen Gesellschaft bilden, die eine staatliche Struktur nicht mehr kennen sollte. Dieses Sozialismusverständnis war einerseits von Marx’ Analyse der ökonomischen Verhältnisse geprägt, andererseits wurde eine geistig-moralische und kulturelle Revolution in ihrer Bedeutung der Umwälzung der Besitzverhältnisse gleichgestellt.

Dass die IWPA in ihrer Radikalität großen Zuspruch erhielt, lag zum einen daran, dass die Revolutionäre ihre Vorstellungen nicht dogmatisch verfolgten, sondern durchaus bereit waren, auch aktuelle Tagesforderungen – z.B. den Achtstundentag – zu unterstützen. Zum anderen war die blutige Repression seitens des Staates und der Arbeitgeber fast alltäglich, und doch war die kollektive Aktion unvermeidlich. Denn wenn auch der Achtstundentag gesetzlich verankert war, bedeutete das noch lange nicht, dass er auch durchgesetzt wäre. Für immerhin 40.000 Arbei­terInnen war die Arbeitszeit schon auf einen dritten Teil des Tages reduziert worden – nun hieß es: alle oder keiner. Vom ersten Mai an sollte der Achtstundentag überall durchgesetzt werden. August Spies, Chefredakteur der einzigen sozialrevolu­tionären Tageszeitung, der deutschsprachigen „Arbeiter-Zeitung“, betonte als Redner auf der 80.000er Demo: „Ja, zwanzigtausend organisierte, bewusste und entschlossene Lohnarbeiter sind ein schwerwiegenderes Argument als die allerlogischsten und schönsten ökonomischen Beweisführungen.“ In der Folge kam es, wie schon 1867 im Rahmen der ersten Acht-Stunden-Kampagne, zu einem Generalstreik.

Nach einem Angriff der Polizei am 3.5.1886 auf die Streikposten der McCor­mick-ArbeiterInnen waren wieder zwei Tote zu beklagen. Die am folgenden abgehaltene Protestversammlung auf dem Haymarket, bzw. der Polizeieinsatz dort, wurde zum Ausgangspunkt dramatischer Ereignisse: das erste Bombenattentat der US-Geschichte tötete einen Polizisten, sechs weitere starben im Kugelhagel ihrer Kollegen. Daraufhin initiierte die Polizei Razzien und Massenverhaftungen im revolutionären Milieu. Die Staatsanwaltschaft erhob Klage gegen acht Wortführer, und wollte damit der sich formierenden ArbeiterInnenbewegung ein für allemal den Garaus machen – mit vier Hinrichtungen, einem Selbstmord und dreimal 7 Jahren Haft.

A.E.

Soziale Bewegung

Barcelona: „Schöne Bescherung!!!“

Stop fascism, fight capitalism!

Am 23.12.2004 versammelten sich abends mehrere tausend DemonstrantInnen im Zentrum Barcelonas und gingen vor die Polizeistation am Plaza Sant Jaume. Anlaß war der Tod eines jungen Antifaschisten, dessen schwere Verletzungen nach einem faschistischen Übergriff ihn nicht mehr aus dem Koma erwachen ließen.

Viele werfen der örtlichen Polizei Dul­dung und Unterstützung der faschis­tischen Szene vor. Und schließlich kommen die deutschen Realitäten via EURO.pa auch in Spanien an: zu der Präsenztaktik im öffentlichen Raum, tritt nun die Stra­tegie der Polizei, ihn zu kontrollieren. Als hätte die Stadt nicht genug unabhängig operierende Polizei­einheiten: Die gerade im Aufbau befindliche Catalonische Polizei scheint die BesetzerInnen-Szene fest ins Visier genommen zu haben. Nicht nur die Hamsa, auch andere Häuser wie das Huerto und soziale Zentren wurden im Verlauf des letzten halben Jahres geräumt.

Der Protest war dementsprechend sehr entschlossen und die DemonstrantInnen griffen die Polizeistation und die aufgefahrenen Polizeiverbände mit den unter­schiedlichsten Wurfgeschossen an, drängten diese zeitweise in die Station zurück. Nach einigen Warnschüssen (die in Spanien den Einsatz von Gummige­schoßen und Gasgranaten signalisieren) konnte die Polizei allerdings die Situation wenden und die Kundgebung auseinander treiben. Trotz der auch in Spanien üblichen Taktik, zivile Beamte einzusetzen, gab es im Ganzen nur vier Festnahmen. Hier zeigt sich ein Unterschied: während die deutsche Beamtenschaft eher zu Festnahmen greift und der Verwahrungs-/Untersuchungs-/Strafaufenthalt in Gefängnissen vergleichsweise harmlos ist, sind innerhalb des spanischen Exekutiv-Apparates Folter und erpresste Aussagen immer noch alltäglich. Die Erfahrung aus den beiden verwalteten Territorien jedoch belegt schon jetzt, dass die im Zuge der allgemeinen „Terrorismus-Angst“ durch-gesetzten Anti-Terror-Paragraphen der nationalen Verwaltungen, den Behörden auch zu verstärkter Repression gegen politisch Andersdenkende, insbesondere gegen emanzipatorische antinationale Projekte und Netzwerke dienen.

sali & clov

Nachbarn

Castoralarm!

Die Hoffnung, die mensch am Sonntagmorgen (07.11.2004) noch in den Widerstand auf französischer Seite setzte, wurde jäh erschüttert, als die Nachricht durchsickerte, der Castorenzug hätte einen französischen Aktivisten überrollt und getötet. Auch wenn bei dem gewaltfreien Widerstand gegen die Atommülltransporte immer wieder das Leben aufs Spiel gesetzt wird, damit hatte niemand gerechnet. Der Castorenzug rollt mit 100 h/km (!!!) über die Gleise, sieht die DemonstrantInnen zu spät und verletzt einen tödlich. Keine Polizei, keine Aufklärung und Abschirmung, kein noch so modernes Überwachungs- und Kontrollgerät konnten das verhindern. Dabei handelte es sich um den gefährlichsten Transport, den mensch sich überhaupt denken könnte.

Mit den kritischen Stimmen der französischen Presse bleibt deshalb zu fragen: Was wäre eigentlich passiert, wenn anstelle des Demonstranten ein Baum oder irgendetwas anderes auf der Strecke gelegen hätte und der Zug wäre entgleist? Und warum gibt es in der französischen Regierung und in den Köpfen der vielen Menschen auf beiden Seiten der Grenze noch immer diese schier unerträgliche Ignoranz gegenüber den für alle viel zu hohen Risiken atomarer Kernkraft und deren Entsorgung!? Umdenken. Aktiv werden. Abschalten. Mit dem Widerstand stirbt auch die Hoffnung auf eine von der Atomkraft befreite Welt!

clov

Bewegung

„Tag der Solidarität“?

Streik gegen Umsonstarbeit am Pfingstmontag

Für den diesjährigen Pfingstmontag hatte sich die französische Regierung etwas Besonderes ausgedacht: Den Tag der „Solidarität für die Selbstständigkeit älterer und behinderter Personen“. An diesem sollen die ArbeiterInnen, für lau schuften (selbständige Bauern und Ge­schäfts­­inhaber ausgenommen).

Es geht darum, dass die ArbeiterInnen (1) in Frankreich bis vorerst 2008 je sieben Stunden zum Nulltarif arbeiten sollen.

Der gesamte Tageslohn und eine jährliche Sonderabgabe der Arbeitgeber in Höhe von 0,3%, (entsprechend dem errechneten Mehrwertzuwachs), sollen zusammen zwei Milliarden EUR einbringen, um die bisherigen Leistungen der „Beihilfe für Pflegebedürftige“ (Allocation person­nalisée d’autonomie, APA) zu ergänzen. Die Mittel gehen direkt an eine Caisse nationale de solidarité pour l’autonomie, die nationale Kasse für Pflege, die hierfür eingerichtet wurde – und damit in den Staatshaushalt.

Begründet wird diese Maßnahme mit der Hitzewelle im Sommer 2003, bei der 14.400 alte Menschen starben. Dass es zu einer solchen Katastrophe kommen konnte, ist ein Abbild der katastrophalen Zustände, die v.a. im Urlaubsmonat August alljährlich im öffentlichen Gesundheitsdienst einkehren, vor allem wegen Per­sonal­mangels. 80 Prozent der Betroffenen starben nicht isoliert zu Hause, sondern in Krankenhäusern oder in Alters- und Pflegeheimen.

Was sind nun die Effekte dieser Neuerung?

Zum einen verlängert sich die jährliche Arbeitszeit, ohne den Chefs Kosten zu verursachen. (2) Zum anderen müssen diese nur 0,3 % des jährlichen Bruttolohns an den Staat abführen und bezahlen die an diesem Tag erbrachte Arbeitsleistung nicht.

Ein Beispiel: Im Normalfall verdient ein Angestellter 11,9 EUR/h und arbeitet 151,64 h/Monat, macht im Monat 1758,08 EUR brutto. Wenn er/sie für seine/ihre Arbeit am Pfingstmontag bezahlt werden würde, hätte er/sie Anspruch auf 101,5 EUR (plus Überstundenzuschlag). Darauf legt der Chef 40% Sozialbeiträge drauf, macht 142,10 EUR.

Im Rahmen des „Solidaritätsbeitrags“ für den neu geschaffenen Arbeitstag, führt der Chef nun 63,29 EUR statt 42,10 EUR an den Staat ab. So gehen 20 EUR mehr in die neue Sozialkasse, andererseits spart der Arbeitgeber an diesem Tag aber auch satte 80 EUR an Lohnkosten. Wer leer ausgeht, ist der Arbeitende, der den Profit ja erst ermöglicht.

Dagegen gab es landesweit heftige Proteste. Trotz des Regierungsplanes, blieben Millionen Beschäftigte – Medienberichten zufolge rund 55 Prozent – nach Streikaufrufen der Gewerkschaften zu Hause. Einen einheitlichen Streikaufruf der Gewerkschaften gab es jedoch nicht. Die Führung der (sozialdemokratisch-neoliberalen) CFDT und der „postkommunistischen“ CGT, die diese Regelung mit verabschiedet hatten, wollten auf keinen Falle für „soziales Durcheinander“ an diesem Tag sorgen, da sie fürchteten, sichtbare soziale Unzufriedenheit könnte den Ausgang des Referendums zur EU-Verfassung „gefährden“. Einen landesweiten Aufruf gab es nur von der minoritären christlichen Gewerkschaft CFTC, die keinen religiösen Feiertag streichen lassen will. Lokal mobilisierte vor allem die anarchsitische CNT.

Am Pfingstmontag selbst funktionierten mehrere städtische Nahverkehrssysteme nur sehr partiell(3), Geschäfte blieben geschlossen, wie auch einige Schulen und Kindertagesstätten. Die französische Gewerkschaft SUD sprach von einer insgesamt 55% igen Beteiligung.

Eine Ausnahme machte das französische Bahnunternehmen SNCF. Eine blockierte Republik vor Augen (medial von J.-P.Raffarin heraufbeschworen), blieb der Pfingstmontag für die BahnarbeiterInnen, unter der Bedingung zweier täglicher unbezahlter Zusatzminuten, ein Feiertag. Diese Minuten sind zwar symbolisch (da es keine Stechuhren gibt), schlagen aber dennoch eine Bresche Richtung Arbeits­zeit­verlängerung und schwächen nicht zuletzt die Streikbewegung.

Was Demonstrationen und öffentliche Versammlungen betrifft, zeichnete sich die Provinz (alles außer Paris) durch massive Präsenz gegenüber der eher ruhigen Hauptstadt aus: So demonstrierten in Toulouse 4000, in Marseille 5000 Menschen, verglichen mit ca. 500 in Paris. Letztere waren hauptsächlich Schüler, die als einzige zu berufsübergreifenden Aktionen aufgerufen hatten.

Was bleibt, ist wieder mal der Eindruck, in Frankreich wird viel demonstriert und gestreikt, solange dies aber im institutionellen Rahmen verharrt, erstarrt jede Bewegung zum Symbol und der Sozialabbau schreitet höchstens anders aber dennoch voran.

hannah

(1) Zwar kann der Arbeitgeber nicht allein entscheiden, ob ein Feiertag zum Arbeitstag wird, allerdings hatten nicht alle Belegschaften die Möglichkeit, zu verhandeln.
(2) Schon die jährliche statt wöchentliche Arbeits­zeitbemessung, erlaubt es den Chefs Überstunden umzulegen, statt als solche zu bezahlen, und die Arbeit insgesamt zu flexibilisieren.
(3) Z.B. streikten im Toulouser Nahverkehr nach Angaben der Direktion 74%, in Lyon folgten Busse und Bahnen dem Fahrplan nur sporadisch.

Nachbarn

GLOBAL SPACE ODYSSEE

Für ein selbstbestimmtes Leben

In über 300 Städten weltweit (z.B. Los Angeles, Tokio, Frankfurt a.M., Rostock) findet alljährlich der „Million-Marihuana-Marsch“ statt und Leipzig ist ein Teil davon. Zum 5. Mal, organisiert unser Team für den 7. Mai 2005 in Zusammenarbeit mit verschiedensten kul­tur­ellen und gesellschaftlichen Gruppierungen den Leipziger Part dieser globalen Willensbekundung.

Das bedeutet für uns:

Alle können leben Wo und Wie sie wollen!

Alle können lieben Wen und Wie sie wollen (wenn se wolln)!

Alle können konsumieren und produzieren Was und Wie sie wollen!

Selbstbestimmung heißt Verantwortung!

für sich, für andere, für alles!

Leider bedeutet in diesem System mehr Selbstbestimmung und Frei­heit oft trotzdem, dass Menschen und Natur ausgebeutet und ethi­scher Werte zugunsten von wirtschaftlichen, politischen und wis­senschaftlichen Interessen verworfen werden.

Wir haben nicht die Illusion, dass uns ein Staat beim Ausbruch aus dieser Spirale der Entwertung menschlichen Lebens hilfreich sein kön­­­nte. Solange Leistungsdruck, Machtstreben und Profite die Grundpfeiler dieser Gesellschaft sind, können wir nur nach eig­enen Alternativen suchen. Ich, Du und am besten Viele zusam­men!

Je­deR Einzelne trägt mit seiner Persönlichkeit und seinen Ideen zu einer offenen Gesellschaft bei, in der sich niemand allein fühlen muss und jeder sich einbringen kann. Nur gemeinsam, mit wa­chen Sinnen und Interesse füreinander können wir Verdruss und verkrustete Denkstrukturen überwinden.Wir wollen zwanglose Freiräume für ein Selbstbestimmtes Leben schaffen und nutzen: Für freie, uneingeschränkte Kommunikation miteinander.

Das kapitalistische System der globalen Ausbeutung und Umwelt­zer­störung, der Kriminalisierung oder Ausgrenzung von Men­sche­ngruppen und Individuen funktioniert nur durch Manipula­tion der Menschen von klein auf. Deswegen wehren wir uns gegen autoritäre Erziehung, selektive Bildung und erzwungene Ideologien.

Ein freier Mensch braucht freie Medien die unabhängig arbeiten. Medien sollen eine Plattform zum Austausch von Informatio­nen und Meinungen sein und kein Instrument in den Händen von Staaten und Konzernen. Wir wollen Selbst das Denken erfassen, statt uns immer nur lenken zu lassen!

Im Rahmen des alljährlichen Liberation-Day setzen wir uns für die Ablösung des Betäubungsmittelgesetzes durch intensive Aufklärung über (auch anerkannte) Drogen ein. Verbote führen zu einer Illegalisierung von Menschen statt zum Nicht-Gebrauch. Jeder sollte selbstverantwortlich entscheiden dürfen, was er konsumiert.

Für uns in Leipzig fordern wir konkret:

Mehr Grün!

Kleinere Schulklassen statt größere Straßen!

Mehr Kulturförderung statt noch mehr Kaufhäuser!

Öffentliche Fixerstuben statt Kriminalisierung!

Preiswertes Wohnen statt Totsanierung!

Mehr Transparenz und Mitgestaltungsrecht bei städtischen Entscheidungen!

Intensive Aufklärung gegen statt Ignoranz und Toleranz von Nazis!

Legalisierung von Wagenplätzen!

Wir wissen, dass aus mehr Selbstbestimmung, Toleranz und Freiräumen nichts wird, wenn wir sie nicht selber umzusetzen wissen. Darum sprechen wir nicht nur „die da oben“ an, sondern auch und ganz besonders DICH!

www.global-space-leipzig.org

Lokales

Aktionsnetzwerk sucht MitstreiterInnen

für kreative Aktionen, eine andere Lernkultur und gegen Zwangsschule

Es finden sich innerhalb einer großen politischen Bewegung immer wieder Leute zusammen, die aus unterschiedlichen Motivationen mitunter sehr verschiedene Wege gehen, um anderen Menschen von ihren Ideen, ihrer Kritik an bestehenden Umständen und ihren Wünschen und Alternativvorschlägen zu berichten. Meistens werden die Leute mit Diskussionen, Workshops, Konferenzen, Vorträgen und Filmen, welche meist ungewöhnliche Fragen aufwerfende Titel tragen, umworben.

Man hofft damit zumindest zu erreichen, dass wenigstens einige „schon mal was davon gehört“ haben; dass es beispielsweise auch Schulen ohne Zensuren gibt und sogar Leute, die behaupten, man würde sogar ohne eine Institution etwas lernen können. So wird ein Informationsminimum weitergetragen und es bleibt die Hoffnung, dass vielleicht einmal ein interessierter Mensch genauer recherchiert.

Doch im Idealfall entsteht durch den Impuls „Andersdenkender“ ein Dialog und aus diesem ganz alltäglichen kleinen Interesse wird wieder ein sehr großer Gedanke, welcher im Laufe der Zeit unter günstigen Umständen an vielen kleinen Orten großes bewirken kann. Dieser Gedanke ist wichtig, um sich nicht von scheinbaren „Misserfolgen“ (falls es sowas überhaupt gibt) entmutigen zu lassen.

Im alltäglichen Zusammenhang, „auf der Straße“ wollen einige Individuen aus unterschiedlichsten Zusammenhängen anfangen, mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Sie möchten mit gut vorbereiteten, kreativen, provokanten, verwirrenden Aktionen die Leute ins Gespräch ziehen und eine kleine Auseinandersetzung mit bestimmten Themen anschubsen. Dazu gehört, niemanden persönlich bösartig anzufeinden, denn jeder hat das Recht auf seine Meinung, gerade deshalb muss eben mit Kritik gerechnet werden. Weil diese Kritik aber in der Realität kaum oder erschreckend indirekt – über Medien oder Filme – geschieht, wollen wir etwas Kritik direkt in den Alltag der Menschen impfen und eine Streitkultur entwickeln, die Leute statt zur Flucht oder Aggression zum sachlichen Nachdenken bringen kann. Um den Effekt „schon mal gehört“ zu erwirken, sind auch Informationen auf Papier (mit Adressen von Gruppen, Netzwerken, Vereinen, die sich mit dem Thema befassen) sehr praktisch, die man neugierig Schauenden in die Hand drücken kann. Ein weiteres Vorhaben ist, einen Aktionsreader in Papier und virtuell im Internet herauszubringen, der Tips und Tricks für eigene Aktionen zusammenfasst und von Jedem und Jeder erweitert werden kann.

Wir selber wollen ein offenes bundesweit agierendes Aktionsnetzwerk ohne Namen und feste Struktur bleiben. Theorien haben sich schon andere zu r Genüge ausgedacht und verbreiten sie. Eigene Büros sind ein wahnsinniger Kostenfaktor. Offizielle „Verantwortliche“ hemmen unserer Ansicht nach die Heterogenität (Vielfalt) und Horizontalität des nicht-hierarchischen Organisationsanspruches. Jede und Jeder ist in erster Linie für sich selbst verantwortlich. Die einzelnen Menschen treffen sich, um ergebnisorientiert einzelne Aktionen bzw. Projekte vorzubereiten. Die ganze Sache setzt voraus, dass sich an diesen Aktionen Leute beteiligen, die schon ein gewisses Grundwissen über grundlegende Schulkritik und Alternativen, (auch über Montessouri) angesammelt haben und auch Wissen weitergeben können, wohin man sich mit welchen Fragen wenden kann. Was mensch noch nicht weiß, kann er und sie aber immernoch lernen.

Ein Aktionsnetzwerk besteht aus Menschen, die sich kennen, sich vertrauen und sich treffen, um zusammen einzelne Aktionen vorzubereiten. Wir wollen versuchen, so gut es geht, ohne großen Aufwand von finanziellen Mitteln auszukommen. Wir hoffen sehr auf Sachspenden, die uns Leute für Aktionen bereit stellen wollen. Geplant ist es, einen Reader mit einer Sammlung von schulkritischen Aktionsideen zu drucken und zu verbreiten, gerade dafür benötigen wir noch einiges an Sachmitteln.

Sabine

Wer im Text Informationen über Schulkritik vermisst, dem seien einige Internet-Links empfohlen:
www.raetzae.de
www.bvnl.de
www.leben-ohne-schule.de
www.free.de/schwarze-katze/doku/kinder.html

Bewegung

„It’s going to be Anarchy“

Aktivist zum G8-Gipfel 2005 in Schottland

Der diesjährige G8-Gipfel findet vom 6. bis 8. Juli im Hotel „Gleneagles“, Schot­tland, statt. Dort treffen sich, umgeben von ei­­nem ziemlich großspurigen Golfplatz, die politischen Repräsentanten der acht stärksten Ökonomien der Welt, um in ihren eigenen Worten, „die Effe­kte der Globali­sierung zu verwalten“. Das Treffen ist im Wesentlichen eine der Ver­waltungsinstitutionen des interna­tio­nalen Kapitals.

Für die gesamte Woche sind Protestak­tio­nen geplant, wie z.B. „Make Borders His­tory“ (Grenzen zu Geschichte machen), ein „Carnival for Full Enjoyment“ (Kar­ne­val der vollen Freude), eine Blockade der Fas­lane Raketenbasis, lokale Aktio­nen gegen Straßen­bau in Glasgow, Aktionen an ­ei­nem Flüchtlingsinter­nier­ungslager, Blockaden am 6. Juli, Aktionen gegen Klima­ver­änderung am 8.Juli. Neuigkeiten über Ak­tionen, Anlaufpunkte (convergence center) und Schlafplätze sind unter www.dissent.org.uk zu finden.

Als sich die G8 das letzte Mal in Großbri­tan­­nien (UK) im Jahr 1998 trafen (mit dem Umbau der Ökonomie ganz oben auf der Tagesordnung), fand eine street party mit einigen Auseinandersetzungen statt, die nur wenig Aufmerksamkeit bekam. Das G8 Treffen in Köln 1999 wurde durch einen Karneval gegen Kapital in der Lon­­doner Innenstadt begleitet, der zu einem massiven „festival of the oppressed“ (Fes­­tival der Unterdrückten), Angriffen auf Banken und anderen Zentren des Ka­pi­tals und der größten Straßenaktion seit den Poll Tax Riots von 1990 führte. Dies ins­pirierte Aktionen in Seattle im November 1999 und die ‚antikapitalistische‘ Be­we­gung, die sich daraus entwickelte.

Nun, da G8 in das UK zurückgekehrt ist, ha­ben wir mehr soziale Kürzungen in Eu­ropa und darüber hinaus gesehen, Privati­sie­rungen und Zwangsarbeitsmodelle. Wir sind uns über die Kritik im Klaren, daß Mas­senaktionen zu Gipfeln sehr spektakulär sein können, aber nur wenig zu Ver­­­­än­derungen im täglichen Leben der Leu­te beitragen. Einige betrachten solche Dinge nach fünf oder sechs Jahren als alten Hut, am Rande der Ri­tualisierung. Doch viele von uns sind auch an lokalen Kämpfen beteiligt – zu Arbeitslosigkeit, am Ar­beitsplatz oder zu Wohn­be­dingungen. Zum Beispiel bildete sich in den 90ern ein Ar­beitslosen-Widerstands-Netzwerk, das die Kräfte von Arbeitern, die gegen die Aus­dehnung prekärer Arbeitsverhältnissse käm­pften, wie etwa die Reinigungskräfte im Hillingdon Krankenhaus und die Liver­pooler Hafen­arbeiter, vereinigt. Die­ser Widerstand wurde internationalisiert, indem sich Ha­fenarbeiter in den USA und andernorts weigerten, Container aus dem Hafen von Liverpool zu entla­den. Gleichzeitig argumentieren Leute, die an direkten Aktionen beteiligt sind, daß Ar­beits­losen­ak­tivismus demoralisierend sein kann, es sei zu wahrscheinlich, daß das Ganze in einer Fall-zu-Fall Konfrontation endet und man den Blick für das ganze Bild verliert.

Die diesjährige G8 bieten eine Gelegenheit, diese Verzettelung zu überwinden und dauer­hafte internationale Verbindungen im Kampf gegen Prekarität zu schaffen. Wir sind auch von den jüngsten Ak­tivi­täten in Rom und Mailand inspiriert wor­den und denken, daß es an der Zeit ist, im UK etwas neues zu probieren.

Der „Carnival for Full Enjoyment“ ist eine Ini­tiative von verschiedenen Graswurzel­grup­pen in Schottland und darüber hinaus, die das Ziel verfolgen, am 4. Juli mit viel Party und Protest eine starke Verbindung zwischen dem Widerstand gegen G8 und unseren täglichen Kämpfen auf Arbeit, außerhalb von Arbeit und in unseren Gemeinschaften herzustellen. Es wird ein lauter Karneval mit Sambabands und Mu­sikanlagen werden, der sich durch die In­nenstadt von Edinburgh bewegt und ver­schiedene Gewerbe und Institutionen, die für die wachsende Unsicherheit unseres Leben im Kapitalismus verantworlich sind, anläuft. Das Ziel ist nicht, einzelne Be­reiche des Kapitals zu fetischisieren (wie etwa Banken oder Feindbilder wie Mc­Donalds), sondern sich auf die gesell­schaft­lichen Verhältnisse des Kapitals zu fo­kussieren, wo sie das tägliche Leben do­mi­nieren und es in Überlebenssituationen verwandelt.

Die Gruppe, die diese Aktion organisiert, zu­nächst Arbeitsgruppe gegen Arbeit genannt, entstand im Oktober 2004 auf dem Beyond–ESF–Treffen in London (s. Feier­abend! #15) aus einer Dis­kussion über Arbeitslosenkämpfe und über Widerstand gegen die vom Kapitalis­mus erzeugten Unsicherheiten. Das heißt nicht, daß wir denken, jeder sollte ei­nen „echten“ Job haben, sondern, daß un­sichere Be­ding­un­gen mehr Arbeit bedeuten und ein stärkeres Vor­dringen der Welt der Arbeit in alle Be­reiche des Lebens.

Wir wünschen uns eine weitreichende Be­tei­ligung damit eine wirklich internationale Aktion zustande kommt. Das ist be­sonders wichtig, da viele der sozialen Kür­zung­en und ökonomischen Unter­drük­kungen, die wir in den letzten 20 Jahren in Groß­britannien erlebt haben, nun auf einer massiven Basis in ganz Europa (siehe etwa Hartz Gesetze) und darüber hinaus durchgesetzt werden. Hier können wir den Weg für die Verbindung unseres eigenen lo­kalen und persönlichen Widerstandes ge­gen die neo-liberalen Maßstäbe zu einer großen globalen Ablehnung des ge­sam­ten Lohnarbeitssystems, der Welt der Grenzen und des Geldes finden.

Carnival for Full Enjoyment

dissentagainstwork@yahoo.co.uk

(Übersetzung Feierabend!)

INFO:
www.wombles.org.uk
www.nodeal.org.uk
www.precarity.info
Anmerkung der Übersetzer:
Der Carnival for Full Enjoyment hat es auf die Titelseite der „Edinburgh Evening News“ gebracht. In großen Lettern sagt die Zeitung „Anarchy“ für den 4.Juli voraus. Sie druckte auch eine Karte der Innenstadt Edinburghs ab, mit vermeintlichen Zielen des Carnevals. Leider wird es am 4. Juli nicht zur Anarchie kommen, denn das ist nicht an einem Tag zu schaffen. Der Artikel zielt darauf ab, unter den „guten Bürgern“ Edinburghs Angst zu verbreiten und vorab eventuelle Polizeigewalt zu rechtfertigen.

Bewegung