Schlagwort-Archive: Soziale Bewegung

Radioaktiv in die Zukunft?

Der nächste Castor rollt Ende November

Seit Mitte dieses Jahres ist es im Rahmen des (seit April 2002 geltenden) so gen­annten Atomausstieggesetzes verboten, abgebrannte Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken (AKW) in Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) zu transportieren.

Wiederaufarbeiten heißt, dass von den abgebrannten Elementen aus zivil genutzten Leistungsreaktoren Uran (96%), Plutonium (1%) und die restlichen Spaltprodukte (3%), die den eigentlichen Atommüll ausmachen, getrennt werden. Die Wiederaufbereitung, also Herstellung von reinem Uran und Plutonium, wurde ursprünglich entwickelt, um Atom­bombenmaterial herzustellen. So war zum Beispiel die Atombombe auf Hiroshima eine Uranbombe. Im Rahmen der zivilen Nutzung der Kernenergie wird heute vor allem Plutonium zu neu­en Brennelementen verarbeitet.

Die für deutsche AKW Be­treiber relevanten WAAs befinden sich in La Hague, Frankreich und Sellafield, Großbritannien. Im Wissen um das baldige Verbot der Transporte beeilten sich die Betreiber, noch vor in Kraft treten des Gesetzes ihre Lager zu leeren. Damit werden die Kernelemente noch auf Jahrzehnte weiter verarbeitet werden.

Der dabei entstehende, nicht mehr verwertbare, hochradioaktive Müll wird in Castor­behältern dann wieder nach Deut­schland zurückgekarrt. Da sich bis heute noch keine Lösung für eine endgültige Lagerung gefunden hat, wird das strahlende Erbe der Atomwirtschaft in Zwischenlagern gestapelt. Eines dieser Lager befindet sich in Gorleben, wo der Müll auch nicht „entsorgt“, sondern nur oberirdisch gelagert wird, um im Bergwerk des Salzstocks Gorleben versenkt zu werden.

Nachweislich ist dieser Ort nicht zur Lagerung geeignet, da es schon zum Einsturz eines Schachtes kam und sich daraufhin Grundwasser im Inneren sammeln konnte. Diese Art von Unfällen kann jederzeit wieder passieren, was zur Folge hätte, dass das Grundwasser radioaktiv verseucht würde, die Folgen einer solchen Katastrophe kann sich jeder ausmalen. Vielleicht passiert es nicht morgen oder übermorgen, aber was ist in 10 Jahren oder in 100 Jahren? Bei der enormen Halbwertszeit der zu lagernden Stoffe stellt sich die Frage gar für die nächsten 1 Millionen Jahre.

Um den 19./20. November 05 soll dennoch der nächste Castortransport mit 12 hochradioaktiven Behältern aus La Hague nach Gorleben rollen. Schon ab Ende August wurden deshalb Polizisten in Containern stationiert, um die Bahnbrücken der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg zu bewachen. Dort werden die Behälter von der Bahn auf die Straße verlagert, um die letzten 20 Kilometer auf der Straße nach Gorleben zu rollen.

Wie in jedem Jahr regt sich auch 2005 dagegen Widerstand. Das gemeinsame beständige Bemühen um ein gemeinsames Ziel führt immer wieder die verschiedensten Menschen zusammen und ermöglicht einen darüber hinaus gehenden Austausch über diese und andere Missstände. Die Aktionsformen sind dabei so vielfältig wie ihre Akteure.

So finden immer wieder Demos statt, wie zum Beispiel die bundesweite Anti-Atom Demo in Lüneburg, oder Anti-Cas­tor-Spiele, wie das Volley­­ballturnier auf den Schienen. Die bisher wohl wortwörtlich „heißeste Aktion“, mit einem Schaden von 3 Millionen Euro, gab es am 28. September 05 als einige Polizeicontainer, die zur Unterbringung von 500 Polizisten gedacht waren, vollständig abbrannten. Dies blieb natürlich nicht unbeantwortet. Nach einer Anti-Atom-Demonstration am 22. Oktober 05 in Uelzen sammelten Polizisten Zigarettenstummel auf, und archivierten diese zur genetischen Datensicherung. Das gleiche geschah nach einem Ballspiel an den Gleisen zwischen Lüchow und Dan­nenberg. Weitaus tragischer endete der Protest gegen Castortransporte für Sé­bastian Briat. Der AKW Gegner wurde am 07.November 04 beim Verlassen der Gleise durch den viel zu schnell fahrenden Zug erfasst und überrollt.

Gefährlich ist also nicht nur die Strahlenintensität, die oft über den Grenzwerten liegt, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der die Transporte unterwegs sind.

Deshalb heißt es auch in diesem Jahr: Lasst den Widerstand praktisch werden und alle AKWs sofort schließen!

mendi

ESF 2008: Ist die andere Welt noch möglich?

Ein Bericht vom Europäischen Sozialforum in Malmö, Schweden

Vom 17.-21.9. fand das Europäische Sozialforum (ESF) im schwedischen Malmö statt. Zum fünften Mal luden ver­schiedenste Organisationen, wie Frauen-, Um­welt- und Friedensbewegungen, Ge­werkschaften und auch Parteien ein, um über soziale und ökonomische Alternati­ven zum herrschenden kapitalistischen Sys­­tem zu diskutieren, Netzwerke zu stär­ken und Erfahrungen auszutauschen. Hi­sto­risch entstanden Sozialforen als sozial­kri­tische Gegenveranstaltung zu den all­jähr­lich stattfindenden Weltwirtschaftsfo­ren: 2001 fand das erste Weltsozialforum in Porto Alegre (Brasilien) statt und bereits 2002 gab es das erste Europäische Sozial­forum in Florenz (Italien). Die ca. 70.000 Teil­nehmenden fanden dort ihren Kon­sens im Protest gegen den Irakkrieg und streu­ten so Aktionismus, Mut und Auf­bruch­stimmung, dass eine andere Welt nicht nur nötig, sondern auch möglich ist. Doch wie sieht es heute mit der Bewegung in den Sozialforen aus?

Dabei sein ist alles?

Unter dem gleichbleibenden Motto „Eine andere Welt ist möglich“ folgten ca. 10.000 Aktivist/innen dem diesjährigen Auf­ruf nach Malmö, um an den mehr als 200 Workshops teilzunehmen und über The­men­gebiete wie Migration, Militari­sie­rung, soziale Rechte, Nachhaltigkeit, Par­ti­zipation und Freiheit, Diskri­mi­nierung, ökonomische Alternativen, Massen­me­dien und soziale Bewegungen zu diskutie­ren. Obwohl doppelt so viele Menschen er­wartet wurden und die Zahl der Teilneh­menden persönlich schwer einzuschätzen war, da die Veran­stal­tungsorte quer durch die Innenstadt gestreut lagen, schienen die Workshops relativ gut besucht zu sein. Die hohe Anzahl der international teilneh­men­­den Organisationen sorgte für eine brei­te Mischung aus Menschen, die sich in verschiedenen Themenbereichen enga­gieren – das Spektrum im deutschen Kon­text reichte dabei bspw. von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem Friedensrat über die IG Metall und Attac bis hin zu Greenpeace und der Interventionistischen Linken.

Abgesehen von einer international getra­genen Gewerkschaftsjugend-Initiative, die im Rahmen des Forums erstmalig einen Ju­gendbereich mit verschiedenen Veran­staltungen einrichtete und mobilisierte, traf man jedoch verhältnismäßig wenig ba­sisengagierte junge Menschen auf dem offiziellen Forum. Wenn vorhanden, kon­zentrierten sich diese vielmehr beim Action-Network das sich hauptsächlich aus anarchistischen, autonomen und links­radikalen Gruppen und Aktivist/in­nen zusammensetzte und ebenfalls ver­schie­dene Workshops und Aktionen durch­führte. Um dem Einfluss der fi­nanzstarken Organisationen zu entgehen und trotzdem den ESF-Rahmen für die Thematisierung eigener, radikalerer In­halte zu nutzen, organisierten sie sich außer­halb des offiziellen Programms. Mit dieser Ab­spal­tung – die nicht gegen die Themen oder basisorientierte Aktivist/in­nen des ESF gerichtet war – wollten sie ihren Protest an der zunehmenden Büro­kra­tisierung und Vereinnahmung der ESF-Vor­be­reitung durch etablierte Großorga­nisationen verdeutlichen, die oftmals Hie­rar­chiefreiheit, Selbstorganisation und ra­di­kalere Systemkritik mit dazugehörigen Protestformen nicht billigten.

Nur eine Frage der Methode?

So organisierte das Action-Network eine Demo gegen Abschiebung mit Picknick-Blockade vor dem Migrationsbüro, eine Straßen- und Autoblockade gegen den wirtschaftlich und gesellschaftlich geför­derten Klimawandel und eine „Reclaim the streets party“, bei der ca. 700 Aktivist/innen musikalisch begleitet durch die In­nenstadt zogen, Graffiti sprayten, Straßen bemalten und auch die ein oder andere Fensterscheibe der umliegenden Banken ein­warfen. Auffällig hierbei war das Ver­halten der Polizei, die sich nahezu unbe­merkt in den Seitenstraßen positionierte, die Menschenmasse bis zum monumen­ta­len Hilton-Hotel gewähren ließ und nicht durch offensive Präsenz provozierte. Erst als sich viele Stunden später die Mu­sik­wagen und Leute zunehmend verab­schie­deten und sich die Straßenparty dem Ende neigte, eskalierte die Konfrontation zwischen den maximal 100 übrig gebliebe­nen Vermummten und den nun agieren­den Beamten. Sogar mit Pferdestaffel aus­ge­rüstet, wurde den Prophezeiungen der schwe­dischen Presse – die bereits seit Wo­chen die wahrscheinlichen Gewaltausein­an­dersetzungen auf dem ESF hochstili­sier­te – nun Genüge getan. Die entstandenen Bilder von schwarz gekleideten Aktivist/in­nen reichten dann auch aus um das So­zialforum medial zu kritisieren, statt über die Inhalte zu berichten. Neben diesen Ak­tio­nen, die vom Action-Network ini­tiiert wurden und die im Grunde gegen den Kapitalismus und für die Zurück­er­oberung des öffentlichen Raumes für die Menschen gerichtet waren, boten selbige auch einige Workshops an, bei denen Er­fahrungen über die Situation der Frauen, Pre­karisierung und Kämpfe am Arbeits­platz, Besetzungen und soziale Zentren aus­­getauscht wurden und Möglichkeiten zukünftiger Mobilisierung – wie z.B. zum Klimagipfel in Kopenhagen (Dänemark, Dez.2009), dem Natogipfel in Straßbourg (Frankreich, Apr. 2009) und dem G8-Gip­fel in Italien 2009 – diskutiert wurden. Im Gegensatz zu vielen Seminaren und Work­shops im offiziellen ESF-Programm gab es bei diesen „radical assemblies“ keine ausschweifenden Podiumsdiskussionen. Vielmehr wurden nach kurzen Einfüh­run­gen kleinere Stuhlkreis-Runden gebildet, in denen sich die Teilnehmenden – sofern sie der englischen Sprache mächtig waren – austauschen konnten und jede/r auch zu Wort kam und eigene Erfahrungen ein­brachte. Atmosphärisch gemütlich war zu­dem die Räumlichkeit des alternativen Zen­trums, in denen die Veranstaltungen statt­fanden, die stark an die G16 in Leip­zig erinnerten.

Den Höhepunkt des ESF sollte die ge­mein­­same Abschlussdemo bilden, zu der tat­sächlich weitere 5000 Menschen an­reisten und die unter dem Motto „Power to the people – against capitalism and environmental destruction. Another world is possible“ stand. Ein bunter und strec­ken­weise lauter Demozug mit ca. 15.000 Teil­­nehmenden aus allen linken Spektren zog dabei mehrere Stunden und Kilometer „fried­lich“ quer durch Malmö hin zu ei­nem großen Waldstück, auf dem eine Büh­ne stand und verschiedene Musiker/innen und Künstler/innen den Abend aus­klingen ließen.

Wo liegt das Problem?

Alles in allem ein interessantes Happe­ning. Doch kann man beim ESF nun noch von einer Veranstaltung sprechen, die deut­liche Zeichen setzt und dem Protest gegen die herrschenden Verhältnisse Ausdruck verleiht? Was bringen solche Konferenzen noch und wie wirken sie? Natürlich bietet das Sozialforum die Möglichkeit, mit Menschen aus verschiedenen Hintergrün­den über wichtige politische Themen zu diskutieren. Auch sollte die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und Netzwerke zu stär­ken, nicht unterschätzt werden. Den­noch haben die Sozialforen seit Florenz 2002 an Wirkmächtigkeit und Auf­bruch­stimmung verloren. Während da­mals der Irakkrieg im Mittelpunkt stand und die zahlreichen Teilnehmenden auf das gemeinsame Aktionsziel einte, zu ei­nem globalen Protesttag gegen den Irak­krieg aufzurufen, dem am 15.2.2003 welt­weit ca. 30 Millionen Menschen folgten, haben die Sozialforen heute nicht mehr die­se Außenwirkung. Symptomatisch da­für ist die allgemeine internationale Presse, die mittlerweile nicht einmal mehr vom ESF berichtet. Die relativ geringe Anzahl von 10 000 Teilnehmenden spricht dabei ebenfalls Bände. Ursachen hierfür lassen viel Interpretationsspielraum, allerdings den­ke ich, dass auch die Art der Organisa­tion und Be­tei­li­gung hierbei eine Rolle spielt. Seit der sukzessiven Abspaltung von Gruppen, die seit dem ESF in London 2004 sichtbar ist, sind auch die offiziellen Teil­nehmer­zahlen zurück­ge­gan­gen und es kommt zu we­niger inter­na­tionaler und ge­mein­schaft­licher Praxis. Das ESF hat schein­bar für diejenigen an Reiz verloren, die tatsächlich in der Welt was bewegen wol­len und Impulse dafür – aufgrund der Versteifung durch Institutionalisierung – dort vermissen. Die Folge davon ist ein Fo­­rum ohne Output in Form von z.B. wirk­­mächtigen, inter­na­tio­na­len Großak­tio­­nen. Das Action-Network hat im Mal­mö den Rahmen sinn­voll genutzt und nicht gegen das ESF gearbeitet, sondern mit den Interessierten ge­mein­sam andere Me­thoden und In­halte probiert. Und sei­ne Attraktivität rührte nicht zuletzt aus dem Interesse an wirksamen Aktionen mit Basis­enga­gierten. Zwar gab es diesmal ei­nen Jugendbereich auf dem Forum, in denen vielfach junge, ehrenamtlich enga­gier­te Gewerkschafter/innen Veranstal­tun­gen zu ihren Themen durchführten, al­ler­dings blieben die Podien des restlichen Forums oftmals von Funktionär/innen be­setzt. Und auch die Parteienpräsenz war ein Thema, das meines Wissens, außer vom Action-Network nicht einmal mehr kritisch diskutiert, geschweige denn unter­bunden wurde. Jedoch zeigt vor allem die Ak­ti­vität dieses Netzwerkes, welches das So­zialforum nutzte, um sowohl nach außen zu wirken, als auch nach innen Kon­takte zu knüpfen, dass solche interna­tio­nalen Treffen wie das ESF weiterhin sinn­voll sind. Gleich­zeitig bereicherten sie dieses nicht nur durch ihr Aktions- und Be­wegungspotential, sondern er­mög­lich­ten zudem, durch ihre Offen­heit den „offi­ziellen“ ESF-Teil­nehmer/innen ge­gen­über, auch Einblicke darin, wie Works­hops und Ak­tionen basisdemokratisch, kreativ und selbst­bestimmt durch­geführt werden kön­nen.

Vielleicht sind es auch diese beiden, sich ge­gen­seitig beein­flussen­den Faktoren, die zur Er­lah­mung von solch inter­nationa­len Treffen geführt haben: Die Insti­tutio­nali­sie­rung und Büro­kra­ti­sierung auf der ei­nen Seite, die zur Abspaltung aktio­ni­stischer und ra­di­ka­lerer Grup­pen führte und deren Ab­spal­tung auf der ande­ren Sei­te, die eine ver­stärkte Institutio­nalisie­rung des ESF durch Groß­orga­ni­sationen (die ja die übrig ge­blie­benen sind) zur Folge hatte. Bei einer der­ar­tigen Teilung, die in einem „offi­ziellem“ und „in­offiziellem“ Pro­gramm mündet, werden wechselseitige Lern­prozesse natürlich erschwert und jeg­licher Be­wegungs­charakter, der sich eben auch durch Vielfalt auszeichnet, wird im Keim erstickt. Obgleich in Malmö auch eine Vermischung stattfand und die Dif­fe­renzen zwischen Action-Network und ESF nicht im Vordergrund standen, kann von einer dort ausgehenden Aufbruchs­stimmung im Moment trotzdem nicht die Rede sein. Dennoch bringen solche Tref­fen etwas, denn sie bieten den Raum, um über den eigenen Tellerrand zu schauen und Erfahrungen und Kontakte auszu­tau­schen, die in zukünftigen Auseinander­setzungen von Relevanz sein können. Ge­rade die hier mögliche breite Vernetzung von verschiedenen Menschen, Gruppen und Organisationen macht das ESF zu einer sinnvollen Veranstaltung. So wird auch ein stückweit das Bewusstsein ge­stärkt, nicht allein zu sein mit den Vor­stellungen, dass eine andere Welt tatsäch­lich möglich und von vielen Menschen auch gewollt ist.

momo

Jugendumweltkongress

Geht nicht? – Gibt‘s nicht! – Utopien ausprobieren

Der Jukss ist ein Experiment gleich­berechtigten, selbstbestimmten Zusam­men­lebens. Hier begeg­nen sich alle Altersklassen und diskutieren die Themen, die ihnen unter den Nägeln brennen, knüpfen Kontakte, starten gemeinsame Projekte, planen Aktionen, spielen Theater oder Tanzen auf Kon­zerten…

Umwelt umfasst für uns das Geflecht sozialer, wirtschaftlicher, politischer, ökologischer u.ä. Umstände, in denen wir leben. Diese Umstände zu hinterfragen und die vielfältigen Zusammenhänge zu verstehen, sind erste Schritte zur Ver­änderung.

Du kannst auf dem Jukss fast alles erwarten, aber eines bestimmt nicht: ein fertiges Produkt vorgesetzt zu bekommen! Die Gruppe, die den Jukss im Vorfeld geplant hat, gibt am ersten Tag ihre Verantwortung ab. Die organisatorischen Aufgaben werden von den Teilnehmenden selbst übernommen. Zur Entschei­dungs­findung werden verschiedene Me­tho­den ausprobiert.

Für diesen Jukss haben wir das Ober­stufenkolleg Bielefeld – eine staatliche Experimentierschule – gewonnen. Dessen offene Architektur mit Sitzecken, be­pflanz­ten Galerien, Glaswänden, mehre­ren Ebenen und verschieb­baren Trenn­wänden eignet sich her­vorragend für die bunte Vielfalt an Workshops und Diskus­sions­­runden.

Das abendliche Kulturprogramm soll neben dem inhalt­lichen Teil keinesfalls zu kurz kommen: ob Bands, Theater, Akro­ba­tik-Perfomance oder Klampfen­runde… Auch hier sind wieder alle gefragt…

Themenplattformen sollen ein Rahmen sein, der The­men­gebieten wie Selbstorga­nisation, Bildung, Informations­freiheit oder Öko­technologien zu einer intensive­ren Auseinandersetzung verhilft, wie Ausstellungen, Büchertische, Dis­kus­sionen etc. Diese Themen sollen die Vielfalt nicht einengen, sondern erwei­tern! Auch du kannst Work­shops, Er­fahrungs­austauschrunden und Dis­kus­sionen anzetteln, oder Leute einladen, die sich mit einem Thema besonders gut ausken­nen. Dazu musst du keinE Spe­zialistIn sein.

…mehr auf www.jukss.de

Wer Laufzeitplus sät – wird Schotter ernten

Neues Laufzeitplus – neue Antworten: Schottern… die Unterhöhlung der Gleise durch Entfernen der Steine. Keine neue Aktionsform, auch nicht in der wend­ländischen Anti-Castor-Tradition, genauso wenig wie die eingesetzte 5-Finger-Grup­pentaktik*. Neu sind das Ausmaß der medialen Bewerbung, die solidarische Co-Existenz im Reigen etablierter Aktionsformen und die massenhafte Zustimmung zur erklärten Gesetzesüberschreitung.

Dank der Kriminalisierung im Vorfeld zeigt sich die Polizei, trotz der zeitlichen Nähe zu den Über­giffen auf Stutt­gart21-Geg­ner_in­nen, von ihrer hässlichsten Seite. Aufgrund der Massenbeteiligung wird nicht verhaftet, sondern die Strategie beinhaltet Wasserwerfereinsatz, Pfefferspray, Schlagstöcke und Pferde. Doch die außergewöhnliche Wirkung der Aktion lässt sich weder in geschotterten Metern, noch am Anteil an den ca. 36 Stunden Verspätung des Castors messen. Sie liegt vielmehr in den politischen Kosten und der wochenlangen medialen Auseinandersetzung. Mit 4.000 Menschen hat die Aktion, neben zivil ungehorsamen Sitz- oder Treckerblockaden, die Grenze dessen verschoben, was „Mensch“ sich zutraut. Und körperliche Wunden heilen, aber das Gefühl „dabei gewesen zu sein“ bleibt und die Überzeugung wächst.

Wandertag in Köhlingen … Die Nacht bleibt bis zum großen Weckruf mit dem Megafon fünf Uhr morgens für viele schlaflos aufgrund einer eisigen Kälte. Als der Startschuss für den acht Kilometer langen Marsch fällt, ist es immer noch finster und eiskalt. Aber entschlossen laufen wir fast polizeifrei bis zum Beginn des Waldes. Nur kurz entsteht Gerangel, als berittene Beamte versuchen, Luftmatratzen oder Strohsäcke zu entreißen. Aber uns begleiten begeisterte und anfeuernde Rufe aus Fenstern wend­ländischer Bevölkerung. Angekommen am Waldrand ist dann Kondition gefordert. Dort stehen wir einer Polizistenkette gegenüber und bekommen das erste Mal zu spüren, wie sich Knüppel und Tritte anfühlen. Zwar werden die Schotterer weit auseinandergezogen aber die Polizisten haben keine Chance. Nach einigen Versuchen, einem Knüppel am Schienbein und einem Stoß komme ich durch die Polizeikette und finde mich mit einigen im Wald wieder, jedoch niemanden aus meiner Bezugsgruppe und niemanden, der Ahnung vom Gelände hat. Wir treffen wenig später auf eine andere Kleingruppe und tauschen persönliche Angaben für den Fall einer Verhaftung aus. Dann geht es noch einmal gefühlte hundert Kilometer durch den Wald, bis endlich die Schienen in Sicht sind. Dieses Wegstück bleibt nicht so unentdeckt. Wir kreuzen immer wieder berittene Einsatzkräfte, sehen Einsatzwagen in einiger Entfernung und laufen sogar Teilstrecken mit ihnen zusammen. Am Gleis angelangt ist Freude spürbar, denn andere sind bereits da und es finden sich einzelne aus Bezugsgruppen wieder, so dass wir wieder gewaltig an Personenstärke gewinnen. Jedoch bietet sich uns ein Anblick von dicht an dicht gestellten Sixpacks auf den Schienen und einer undurchdringbar scheinenden Polizeikette mit finsteren Mienen davor.

Der erste Schotterversuch erfolgt dann geschlossen, in vorderster Front Grüppchen mit Planen, Luftmatratzen oder Strohsäcken und dahinter Demonstranten, die schieben – an Schottern aber ist nicht zu denken. Einige gelangen zwar auf die Schiene und dann mit knapper Not auf die gegenüberliegende Böschung, sind nun aber vom Rest der Gruppe abgeschnitten. Dort sieht man kurze Zeit später ein Was­ser­­werferfahrzeug als Antwort. Das passt zur Atmosphäre auf unserer Seite, die durchdrungen ist von Aggressivität, die durch blitzende Knüppel und überdimensionale Pfeffersprayspritzen entsteht, die die Polizisten nicht nur in den Händen halten, sondern auch eifrig einsetzen. Der Wald ist schon jetzt vernebelt von dem ganzen Reizgas und detonierten Tränengaskartuschen. Fotografen werden immer wieder zurückgedrängt und viele Verletzte müssen durch eigene Sanitätern an den Augen und am Kopf behandelt werden. Dennoch ist es auch ein überragendes Gefühl, denn wir sind so unglaublich viele. Wir sind Mädchen und Frauen, Jugendliche und über 50-jährige, Erfahrene und Unerfahrene, Jungs und Männer und jeder schätzt selbst ein, wie weit er/sie in Kontakt mit der Polizei geht. Und wir sind solidarisch. Wird einer geknüppelt, sind sofort Hände da, die ihn wegziehen und Körper, die sich dazwi­schen schieben.

Für den Moment ist die Lage verhältnismäßig ruhig. Wir stehen den Einsatzkräften gegenüber: Die Polizisten auf den Gleisen, die Demonstranten einige Meter daneben. Doch dann wird neu organisiert. Wir sind wütend über das widerliche Vorgehen der Polizei. Wir teilen uns in drei große Gruppen, eine läuft nach links durch den Wald und eine nach rechts, und ziehen so die Polizeieinheiten weiter auseinan­der. Die dritte Gruppe bleibt und stößt immer wieder ohne großen Erfolg nach vorn. Erneute Lagebesprechung. Wir, die geblieben sind, probieren eine neue Taktik. In kleineren Gruppen versuchen wir nun nadel­stichartig auf die Gleise zu stürmen und ziehen uns dabei weiter in die Länge. Vereinzelt gelingt es an die Schienen zu kommen, aber nicht wirklich den Schotter abzutragen, denn sofort spüren wir Pfefferspray und Schlagstöcke, die uns wegdrängen.

Zwischendurch entsteht eine bizarre Situation. Hunderte grölende und lachende Demonstranten, die mit Planen und Luftmatratzen wedeln, stehen fünf berittenen Beamten gegenüber, deren Pferde scheuen und rückwärts auf die Hundertschaften vor ihrer grünen Kleinbuskolonne galoppieren. Irgendwann, jegliches Zeitgefühl schwebt mit dem Tränengas zwischen den Bäumen, marschieren wir alle in den Wald hinein und es wird auf einer Wiese Pause gemacht. Leute aus dem Camp sind mit der mobilen Küche unter­wegs, werden behindert weiterzufahren und tragen die Suppen- und Teekessel kurzerhand zu Fuß zu uns in den Wald. Endlich ist Zeit, sich Informationen über andere Aktionen einzuholen. Wir bejubeln die ersten der 5.000, die sich bei Harlingen auf die Schienen setzen und hören einzelne erfolgreiche Schottermeldungen. Wir hören auch die Rechtfertigung der Polizei, dass Aktivisten zuerst angegriffen haben. Tatsächlich aber ist der Protest geprägt von einer sehr entschlossenen Gewaltfreiheit, die immer wieder mit den Megafonen propagiert wird.

Nachdem sich eine kleine Gruppe auf den Weg zurück ins Camp begeben hat, geht’s für den erstaunlich großen Teil der Verbleibenden weiter, wieder durch den Wald und erstmal im Zickzack, um Verwirrung zu stiften. Trotzdem immer wieder Polizisten, überall. Aber wir, geeint, solidarisch und uns selbst mit Anti-Castor-Parolen aufmunternd, blockieren hinter uns den Weg mit Baumstämmen und Ästen. Wir sehen wieder Gleise und gleichzeitig, dass die Gleise so tief in der Böschung liegen, dass keine Fahrzeuge und undurchdringlichen Poli­zisten­ketten uns den Weg versperren. Sofort stürmt die große Masse der Aktivisten unorganisiert hin­unter und …schottert. Endlich! Die nächste Stunde ist gekennzeichnet von Hinunterstürmen und Hinaufrennen, Schottern und Prügel beziehen, tränenden Augen die behandelt werden und Aufforderungen an die Polizei, die Gewalt einzustellen.

Wir bewegen uns immer weiter, um nicht festgesetzt zu werden, gleichzeitig rücken Fahrzeuge hinter uns näher – die Baumstämme halten sie nicht so lange auf. Die noch übrigen Planen und Luftmatratzen kommen zum Einsatz. Unsere Pressebegleitung ist enorm zusammengeschrumpft. Einer, mit dem ich angereist bin, läuft vor mir wie blind mit brennenden Augen die Böschung hoch. Ich stütze und ziehe ihn gleichzeitig von den näher rückenden Einsatzkräften weg in den Wald hinein. Hin zu einem Sanitäter, der bereits mehrere Augenpaare ausspült. Erst Kochsalzlösung, dann klares Wasser. Schmerz­­lindernde Augentropfen sind alle. Wieder ziehe ich ihn weiter, hin zur Gruppe, weg von der aufrückenden Gefahr.

Wir sind alle an einer Stelle angekommen, die eine kleine Lichtung hat und uns Rückzugsraum und damit Schutz bietet. Es ist noch circa eine Stunde Zeit, bis es anfängt dunkel zu werden und wir den Wald verlassen müssen, wenn wir den Weg zurück zum Camp noch finden wollen. Wir sind erschöpft, aber euphorisch. Einige begeben sich zur Sitzblockade bei Harlingen, einige auch auf den Rückweg und alle sind glücklich, als es heißt, es sind Shuttlebusse organisiert, die uns an der Straße abholen.

Eine große Gruppe jedoch bleibt, und Delegierte der verbleibenden Aktivistengruppen entscheiden über einen weiteren Vorstoß. Der Punkt, an dem wir uns jetzt befinden, ist dafür ungünstig. Zu lange Zeit am selben Ort, viel Zeit für die Polizei personellen Nachschub aufzufahren. Und unser Einsatz von Körpern für den Widerstand ist sichtbar. Überall rote Augen, humpelnde Aktivisten und provisorische Armstützen. Wasserwerfer, Pfefferspray, Schlagstöcke und Pferde haben deutliche Spuren hinterlassen. Das Plenum führt ins Nichts. Es lässt sich kein Konsens finden weiterzuziehen, hier vor Ort anzugreifen oder aber den Rückzug anzutreten. Dann nimmt uns die Zeit die Entscheidung ab … und ein langer, ereignisreicher Tag neigt sich dem Ende entgegen.

Der Weg bis zur Straße ist lang. Ich humpele irgendwann den Anderen hinterher und lasse alles Revue passieren. Wie fremd doch diese Art der Aktion meinem alltäglichen Leben ist und meine bisherigen Demonstrations- und Aktionserfahrungen übersteigt. Doch obwohl ich merke, dass mein Knöchel immer dicker wird, obwohl meine Beine schmerzen und ich die Hämatome förmlich wachsen spüre und auch die Erschöpfung kaum noch auszuhalten ist, bin ich berauscht. Ich habe Prügel von Beamten bezogen, weil ich einem, dem die Luft abgequetscht und einem, dessen Gesicht brutal in die Erde gedrückt wurde, helfend zur Seite gesprungen bin. Ich wurde von einem Beamten in den Dreck gestoßen, getreten und geprügelt, weil ich es spaßig fand, mit einer anderen Frau hinter eine endlos große Polizeikette zu rennen, um ironischerweise zu rufen „Bullen einkesseln“. Auch wenn ich glücklicher als viele andere war und keine direkte Ladung Reizgas in die Augen bekommen habe, brennen und tränen sie von den Wolken, die noch immer im Wald hängen. Aber es macht mir nichts aus. Das couragierte Auftreten gegen brutales Polizeivorgehen ließ mich nicht den körperlichen Schmerzen nachhängen, sondern Entschlossenheit, Tatkraft und Energie in mir wachsen. Dieses stumpfsinnige und sinnlose Knüppeln, Treten und Schla­gen auf die wehrlosen Körper von Menschen, immer wieder und wieder, diese uniformierte Demonstration von Macht war genau das, was mich stundenlang lebendig hielt. Ich habe gesehen und gespürt, wie das System gehorchend dort zuschlägt, wo Menschen aufbegehren, weil sie nicht einverstanden sind. Und genau das, denke ich, hat meine Berauschtheit verursacht. Bei keiner anderen Aktion habe ich ein derartiges Gefühl an Solidarität und einen so einheitlichen Konsens von Gewalt­freiheit unter so unglaublich vielen Menschen gespürt, ungeachtet dessen, dass sie auf Beamte trafen, die mit aller Härte vorgingen. Der Erfolg ist ein gemeinsamer, geprägt von der Gewaltfreiheit Tausender.

(monadela)

* Bei der Fünf-Finger-Taktik handelt es sich um genaue Absprachen in und zwischen verschiedenen Bezugsgruppen über das Be­wegungsverhalten, um an größeren Polizeisperren „vorbeizusickern“ und danach wieder zusammenzufinden. Sie wurden schon bei den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm 2008 erfolgreich erprobt.

Im Überblick: Die Aktiven der Anti-AKW-Proteste

Da wir Euch trotz dreier Artikel zu den Protesten gegen den 12. Castortransport ins Wendland keine chronologische Übersicht der Ereignisse liefern, findet Ihr hier zumin­dest alle wesentliche Akteure und ihre Aktionen kurz vorgestellt.

Aktionsbündnis Südblockade

Es ist wohl der allgemeinen Proteststimmung im Schwabenländle zu verdanken, dass es bei diesem Castortransport schon an der deutsch-französischen Grenze zu einer großangelegten Sitzblockade auf der Schiene kam. Das relativ spontan zusammengetretene Aktionsbündnis Südblockade schaffte es am Samstag, den 06.11. bereits bei Berg (Pfalz) zeitweilig mehr als 1.500 Menschen zu einer geschlossenen Gleisblockade zu bewegen. Der Castor­zug mußte deshalb auf eine Ersatzroute aus­wei­chen und einen Umweg nehmen. Die Räumung erfolgte weitestgehend friedlich, von Übergriffen, gleich welcher Seite, ist nichts bekannt. Das Bündnis konnte durch die erfolgreiche Aktion unterstreichen, dass es nicht nur möglich, sondern auch taktisch wertvoll sein kann, den Castorzug bereits zu blockieren, bevor er das Wendland erreicht.

www.castor-suedblockade.de

Castor? Schottern!

Die Kampagne der Initiative Castor?Schottern! war neu und einzigartig. Bereits im Vorfeld der Aktionen wurde öffentlich ausgesprochen, dass die AktivistIn­nen einen kollektiven Rechts­bruch begehen werden. Unter Mißach­tung der Bannmeile und polizeilicher Anordnungen wollte die Initiative zur Schiene zwischen Lüneburg und Dannenberg vordringen und diese durch das Entfernen der Schotter­steine vorübergehend unbefahrbar machen. Der aus vielen kleineren Gruppen bestehende Initiative gelang es dadurch, ca. 3.000-4.000 Menschen zu mobilisieren und deren Kräfte zu bündeln. Während des gesamten Sonntags (07.11.) versuchten sie, in kleineren und größeren Bezugsgruppen immer wie­der auf die Gleise zu kommen und waren da­bei polizeilicher Repression ausgesetzt. Die hatte nicht nur versucht, die Initiative zu kriminalisieren, sondern setzte an diesem Tag auch ausschließlich auf Gewalt gegen die AktivistInnen, die sich jedoch nicht provozieren ließen und ihrer gewaltfreien Linie treu blieben. Verhaftungen konnte die Polizei nicht vorweisen, stattdessen über tausend verletzte DemonstrantInnen – ein Armutszeugnis. Die Initiative konnte als Erfolg verbuchen, zwar weniger Gleisbett beschädigt zu haben, als erhofft, dafür aber um so mehr Polizeikräfte verwickelt und damit den großen Sitzblockaden den notwendigen Aktionsschatten verschafft zu haben.

 

www.castor-schottern.org

Aktionsbündnis WiderSetzen

Das wendländische Aktionsbündnis WiderSetzen engagiert sich bereits seit 2001 in der Anti-AKW-Bewegung und hat sich seitdem aus der engen Zusammenarbeit mit X-tausendmal quer zu einem eigenständigen Bündnis weiterentwickelt. WiderSetzen etablierte im Schatten der SchotterInnen am Sonntagmittag (07.11.) eine Sitzblockade mit zuerst 600 Menschen auf den Gleisen vor Harlingen. Die Stelle war gut gewählt. Bis in den Abend wuchs diese Sitzblockade bis auf zeitweilig 5.000 BlockiererInnen an. Die InitiatorInnen sprachen darauf von der „Un­räumbarkeit“ der Blockade. Erst tief in der Nacht gelang es der Polizei durch Verhandlungen das Aktionsbündnis zum Aufgeben zu bewegen. Die „friedliche“ Räumung verlief weitestgehend verhältnismäßig, allerdings auch wesentlich schneller, als erhofft.

 

www.widersetzen.de

Greenpeace und Robin Wood

Spektakuläre Aktionen – das ist vielleicht der kleinste gemeinsame Nenner dieses David-Goliath-Paares der Umweltbewe­gung. Beide Gruppen sind seit langem auch in der Anti-AKW-Bewegung aktiv. Während Robin-Wood-AktivistInnen entlang der gesamten Strecke durch mehrere Abseilaktionen auf sich aufmerksam machten, gelang Greenpeace diesmal der ganz große Coup. Ein als Biertransporter getarnter LKW konnte am Montagabend (08.11.) von Akti­vistInnen derart präzise vor den Toren des Verladekrans platziert werden, dass die Castoren weder auf der Nord- noch auf der Südroute den Bahnhof verlassen konnten. Drei AktivistInnen verankerten sich in Windeseile in dem präparierten Inneren des LKWs derart, dass dieser ohne lebensbedrohliche Verletzungen selbiger nicht mehr bewegt wer­den konnte. Die Räumung dauerte bei­nahe die ganze Nacht.

 

www.greenpeace.org

www.robinwood.de

X-tausendmal quer

Die AktivistInnen von X-tausendmal quer zählen zu den erfahren­sten der Bewegung. Seit vielen Jahren organisieren sie schon erfolgreiche Sitzblockaden gegen die Castor­züge. Es war auch diesmal wichtig und richtig, schon frühzeitig, also am Sonntag (07.11.) zeitgleich mit den SchotterInnen und WiderSetzen, aktiv zu werden. Die von der Initiative auf der Straße direkt vor dem Lager in Gorleben etablierte Sitzblockade konnte so bis Dienstagmorgen (09.11.) ausharren und war zeitweilig über 4.000 Menschen stark. (Weiteres hierzu auf Seite 20)

www.x-tausendmalquer.de

BI Lüchow-Dannenberg & bäuerliche Notgemeinsamschaft

Ohne den Rückhalt in der Bürgerschaft und bei den Bauern, wäre der gewachsene Widerstand im Wendland so nicht möglich. Auch diesmal leistete die Bürgerinitiative tolle Koordinierungsarbeit. Die Bauern der Notgemeinschaft dagegen versorgten die Akti­vistInnen nicht nur rund um die Uhr mit Essen, Trinken, Decken und vielem mehr, es gelang ihnen vor allen Dingen mit einer verbesserten Taktik äußerst effektiv, die Lo­gistik der Polizei durch das „Abstellen“ ihrer Traktoren während der gesamten Aktionstage zu stören. Außerdem ketteten sich Bauern bei Laase und bei Gorleben mit Betonpyramiden an. www.bi-luechow-dannenberg.de

www.baeuerliche-notgemeinschaft.de

Andere

Der Widerstand ist breit und viele kleinere Gruppen und Einzelpersonen engagieren sich für ihn. Stellvertretend sei hier noch GANVA (Groupe d’actions non-violentes anti-nucléaires) aus Frankreich benannt, die durch das Anketten von drei AktivistInnen, den Castorzug erstmalig auch schon auf französischem Gebiet für 3 Stunden stoppen konnte, und der Republikanische Anwaltsverein (RAV).

ganva.blogspot.com
www.rav.de

 

Nach uns die Sintflut?

BUKO30 und andere Klärungsbedürfnisse

Genau zwei Monate vor Heiligendamm fand in Leipzig der 30. Kongress der Bundeskoordination Internatio­nalismus (BUKO) statt. „Die Bundes­koordination Internationalismus ist ein unab­hängiger Dachverband, dem über 150 Drit­­te-Welt-Gruppen, entwicklungs­poli­tische Organi­sa­ti­onen, internatio­na­li­stische Initiativen, Solidaritätsgruppen, Lä­den, Kampag­nen und Zeitschriften­pro­jekte angehören. Die BUKO versteht sich als Ort linker, herr­schafts­kritischer Debat­ten und vernetzt dabei BUKO-Kampag­nen und Arbeitszu­sam­menhänge, die aus entwicklungs­politischer Mobili­sierung und politischer Arbeit hervorge­gangen sind. Die BUKO sucht den offe­nen Dialog mit anderen Bewegungen und Nichtregie­rungs­organi­sati­onen.“ (www.buko.info)

Über 100 von ca. 600 Menschen besuchte und spannende Arbeitsgruppen in den – gemäß des mehrdeutig und abstrakt ge­haltenen Mottos „macht#netze“ – als Knoten gedachten Bereichen: Antimilita­ris­mus, Feminismus, Energie, Ökonomi­sierung, Widerstand, unerwünschte An­schlüsse und Migration. Es gab aber z.B. auch ein Blockadetraining und die Rebel Clown Army (siehe auch S. 7), einen Stadt­rund­gang auf kolonialen Spuren u.v.m. Im Hintergrund sorgten die angereisten KöchInnen der Groß-Volxküche „le sabot“, die Vorbereitungsgruppe und viele Hel­ferInnen aus Leipzig für einen fabel­haften Ablauf und eine gute Atmosphäre. Ob sich vor lauter Orga-Arbeit trotzdem ein Eindruck gewinnen ließ, was da ei­gent­lich „an Land gezogen“ worden war? Bil­der und Flugblätter einer Ausstellung zur 30jährigen Geschichte bewiesen eine Tradition internationalistischer Bewe­gung, die „im Osten“ eben nur marginal vorhan­den ist (wie auch die sozio-poli­tischen Kontakte). Wie auch eine gewisse Genera­ti­ons­spalte konnte dieses Defizit jedoch nur am Rande thematisiert werden, von jahrzehntelanger Routine war näm­lich keine Spur: Der Schritt des amtie­renden SprecherInnen-Rates, die Mitglie­der­ver­samm­lung der BUKO mit der Frage der Zeitgemäßheit ihrer Arbeitsstrukturen zu konfrontieren, indem sie geschlossen zurück traten, war nicht nur für viele „Neulinge“ überraschend und spannend zugleich. Ein neuer Rat konnte nicht gewählt werden, dennoch fand sich eine Gruppe, die nächstes Jahr den Kongress organisieren will (voraussichtlich im Ruhrgebiet). Doch zunächst zurück zum Kongress:

macht/netze

Diese Symbolik ließ sich verschiedenst füllen: Z.B. war es während der Workshop-Phasen wiederholt zu spontanen Verknüp­fungen einzelner Veranstaltungen gekom­men. Am Schnitt­punkt „Migration und Prekarisierung“ etwa ließ sich die Not­wendigkeit gemein­samer Organisierung, aber auch analy­tischer Differenzierung festmachen: Pre­karität als Begriff kann z.B. mitunter kolo­niale Realitäten in Afrika verwischen. Die Gruppen felS (für eine linke Strömung) und FIB (Flüchtlings­initiative Branden­burg) betonten die unterschiedlichen Auswirkungen der selben kapitalistischen Mechanismen (und ihrer Geschichte) im globalen Norden und Süden. Voran geht es also nur gemeinsam, was auch die Ver­netzungstreffen von Bargeldinitiativen, Zei­tungsprojekten, Karawanen etc. moti­vierte. Viele hatten das Bedürfnis, über politische Fehler zu reflektieren und nach neuen Wegen zu suchen. Wenn etwa sicher gestellt sei, dass Geschlechterver­hältnisse durchgängig thematisiert wür­den, kämen wohl noch mehr Leute zu den Kongressen. Damit verbindet sich auch die Forderung, allgemeine Felder wie z.B. Arbeit, Staat und Bürger­rechte etc. so zu thematisieren, dass darin unterschiedliche Erfahrungen und Hand­lungsmöglichkeiten sichtbar und aufein­ander beziehbar werden. Der Fokus des dies­jährigen Kongresses lag zwar fast zwangs­läufig auf G8, aber auch auf damit verbundenen Fragen langfristiger Organi­sierung. Der sonst dominante Blick auf internationale Anknüpfungs­mög­lichkeiten konnte leider nicht scharf genug geworfen werden.

Problematisierung in der Totalen

Das weit ausgeworfene thematische Netz machte sich insgesamt jedoch auch in einer gewissen Überfülle und scheinbaren Konfliktlosigkeit bemerkbar. Auftakt­podium und die Mittelveranstaltung zur Kritik des Antisemitis­mus und Antiameri­kanis­mus hätten mehr Positionsvielfalt und überhaupt mehr Partizipation vertra­gen können – doch woher nehmen, wenn nicht flehen? Das fragten sich sicher auch die Gruppen gegen Militarisierung, als sie am Ostersonntag zum Nato-Flughafen Leip­zig-Halle marschierten und nur eine Hand­voll Kongress-Teilnehmer die Extra­busse genutzt hatte, um sich diesem konkreten und zentralen Problem entge­gen­zustellen „Für Aktionen kam kaum wer aus dem Elfenbeinturm linker Theo­rie“, so eine kritische Stimme. Trotz dieser Tragödie wurden die antimilita­ristischen Veranstaltungen als Erfolg gewertet, konn­te doch u.a. ein internati­onaler Erfah­rungsaustausch und eine „Schkeuditzer Erklärung“ (www.flughafen-natofrei.de) realisiert werden. Darin forderten die Friedensbewegten eine Umstellung aller militärischen auf zivile Arbeitsplätze, etwa in Form medizinischer Hilfswerke. Gegen direkte Forderungen an die Politik richtete sich wiederum die am Ende der BUKO-Mitgliederversammlung verabschiedete Replik auf ein Forderungs­papier von ca. 40 NGOs (Nichtregierungs­organi­sa­tionen) zum G8-Gipfel: Es ginge nicht einfach darum, ob und wie die Regierun­gen der G8-Staaten Zusagen ma­chen oder einhalten. Die Nicht-An­erken­nung der G8 als politisches Gre­mium ist der Grund dafür, dass keine Forderungen gestellt werden. In die dezentrale Zukunft wies viel­leicht eine Vision, die zum Abschluss­ („…erst den Gipfel stürmen – und dann?“) aufkam: Ihre Vor­stellung eines hohen Organisa­tions­­grades der Bewegung wäre, so die Redne­rin, dass wir uns kurz vor dem G8 ent­schließen, nicht mitzuma­chen, Heiligendamm einfach zu ignorieren.

Der lange Marsch gegen die Institutionen

Nachdem aber nun eine „aufgesetzte Ge­walt­de­batte“ im Anschluss an die Groß­de­mon­stration am 2. Juni in Rostock los­ge­treten worden war, positionierte sich die BUKO ent­schieden gegen den „vor­aus­eilen­den Ge­horsam mancher Organi­sa­to­rIn­nen“ und die Ver­schleierung der „syste­ma­tischen Aus­setzung der Grund­rechte, Einschüchte­run­gen und Traumati­sierun­gen“ durch die Po­li­zei. „Was der Staat im Vorfeld des G8-Gip­fels nicht geschafft hat – die Spaltung der Be­we­gung – sollten wir nun im Nach­hinein nicht selbst vollstrec­ken.[…]Vielmehr soll kritisch und selbst­kri­tisch diskutiert wer­den, wie Bündnisse in der Zukunft verläss­licher für alle funk­tionieren kön­nen.“ (www.buko.info)

Genau diese Punkte werden derzeit um ei­nen Ratschlag herum diskutiert, da die Struk­­turen und Inhalte der Koordination der all­seits prekären Situation und den da­her man­gelnden gemeinsamen Arbeits­in­halten ange­passt werden müssen, bzw. da­rüber hin­weg füh­ren sollen. Dass die BUKO derzeit lan­ge nicht so homogen und straff organi­siert ist, wie etwa attac und andere NGOs, ist Ergeb­nis lang­jäh­rigen Festhaltens am radi­kalen Glau­ben an die Bewegung „von unten“ und eigent­lich po­si­tiv – es fehlt die tat­kräftige Wert­schät­zung durch interna­tio­nalistische Gruppen innerhalb oder außer­halb dieser Struktur. Die gemachten Netze soll­ten vor und nach Events mit „symbo­lischem Über­schuss“, Kon­gressen u.ä. ge­nutzt werden, um den Wi­derstand gegen glo­bale Herr­schaft wie über­all aus dem Wett­be­wer­bs-Alltag heraus ge­mein­sam und konti­nu­ierlich zu organi­sie­ren – wir wollen ja auch näch­sten Som­mer wieder Baden ge­hen. Wenn also eine andere Welt möglich ist, dann jeden Tag und immer wieder die Frage: Wie ist dein Kampf mit meinem ver­bunden?

(Clara Liberknecht)

Bewegungskoordination

Bestandsaufnahmen und Begriffstützen vom 29. BUKO-Kongress

Die Bundeskoordination Internationalismus (BUKO) ist ein unabhängiger Dachverband, dem über 150 Dritte-Welt-Gruppen, entwicklungspolitische Organisationen, internationalistische Initiativen, Solidaritätsgruppen, Läden, Kampagnen und Zeitschriftenprojekte angehören. Der Ursprung lag in den Solidaritätsbewegungen mit den Befreiungskämpfen im Süden. Sie versteht sich als Ort linker, herrschaftskritischer Debatten und sucht den offenen Dialog mit anderen Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen.“ www.buko.info

Ein Internationalismus nach dem Internationalismus

Bis 2002 hieß die seit 1977 existierende Plattform noch „Bundeskoordi­nation entwicklungspolitischer Aktionsgruppen“. Die Kritik an früheren romantisierenden, nicht selbstkritischen Vorstellungen einer einheitlichen Seite der guten Unterdrückten führte auch in der Ausrichtung, z.B. den Arbeitsschwer­punkten, wie Rassismus und Flüchtlingspolitik, Weltwirtschaft, Alternativer Handel und die Pharma-, Rüstungsexport- und die Biopiraterie-Kampagnen, zu Veränderungen. Neben der drei bis vier mal im Jahr erscheinenden Zeitschrift „alaska“ hat die BUKO bisher auch schon diverse Positionspapiere und das Buch „radikal global“ ( Verlag Assoziation A., Hamburg-Berlin 2003) publiziert. In Abgrenzung zum Lobbyismus vieler Nicht-Regierungs-Organisationen nach 1989 wird eine Alternative zum Kapitalismus nicht ausgeschlossen, sondern nach wie vor angestrebt. Funktionsträger von Politik und Wirtschaft werden weiterhin nicht als Dialogpartner, sondern als Reproduzenten der Verhältnisse aufgefasst. Gefahren, wie die Konsens-Sucht einer vermeintlichen Zivilgesellschaft, in der alle gewinnen könnten und eine Pseudo-Vereinnah­mung detaillierter Forderungen zur Imagepflege der Macht­inhaberInnen müssen beachtet werden. Die zentralen Zielsetzungen der BUKO sind eine emanzipatorische Perspektive, eine antirassistische, antisexistische Haltung gegen jede Form struktureller Gewalt, Armut, Antisemitismus u.ä. im gemeinsamen Suchen von Handlungsperspektiven. Solidarität statt Almosen umschreibt den nicht karitativen, sondern politischen, autonomen Anspruch an die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bewegungen auf der Welt, der aber auch dafür sorgen soll, dass kritische Stimmen aus unterdrückten Ländern mehr Gehör finden. Daran geknüpft ist die generelle Ablehnung einer Teilhabe an den Machtverhältnissen, also deren Kritik und Kontrolle durch Widerstand von unten. Statt Doktrin steht aber der Netzwerkcharakter der Organisation an erster Stelle.

Seit 2005 ist die BUKO erfreulicher- und schwierigerweise selbstfinanziert. Deswegen wurde eine Kampagne ins Leben gerufen, nach der in diesem Jahr noch 150 mal 100 oder 1500 mal 10 Euro benötigt werden, damit die Vernetzungsarbeit weiter unabhängig laufen kann. Spenden in jeder Höhe und Tiefe werden gern entgegengenommen unter: VzF e.V./BUKO, Ev. Darlehensgenossenschaft Kiel, Konto­nr. 234 389, Blz. 210602 37, Verwen­dungs­zweck „BUKO braucht Kohle“.

buko 29: re:control – antworten, abweisen, aneignen

Vom 25. bis zum 28. Mai wurden in der TU Berlin Foren zu den Komplexen G8, Stadt/Sicherheit, Migration/Kolonialismus und Energie in mehreren Phasen abgehalten; insgesamt fanden über 100 Veranstaltungen mit WissenschaftlerInnen, Initiativen und Organisationen, wie z.B. The Voice, FelS, IMI, WEED, Gruppe B.A.S.T.A., Kein Mensch ist illegal u.v.m. und mit über 500 Interessierten statt. Leckere Bio-Küche, eine berli­nale Abschlussparty – fertig und voll kehrte ich zurück. Leider war es nicht möglich, an allen gewünschten Veranstaltungen teilzunehmen, da vieles parallel lief und sich stark auf bestimmte Zeiten konzentrierte. Aber auch ein gutes Gespräch auf der Zentral­wiese, der Sound der Samba-Trommel-Protest-Test-Kombo oder der herumliegende Lesestoff waren anregend, doch nun zu inhaltlichen Eindrücken:

Genderkicks

In einem gut besuchten Treffen zum Thema „Sicherheit, Geschlechterverhältnisse und feministische Bewegungsperspek­tiven“ wurde u.a. darauf hingewiesen, dass eine gemeinorientierte Produktion von Sicherheit sowieso nicht möglich ist und es um den Kampf gegen strukturelle Gewalt gehen sollte. Die Kriminalisierung von Prostitution und Migration durch Razzien, Denuntiations-Hotlines u.a. führt neben den Problemen Zwangsprostitution und Menschenhandel zu einer auch durch die Männerfußball-WM weiter verstärkten prekären Lebenssituation vieler Frauen. Die in einigen Städten installierten „Verrich­tungs­kabinen“ zeugen davon genauso, wie auf einer anderen Ebene die „Abpfiff-Kam­pagne“(www.abpfiff-­zwangs­­­­­­­­­­­­­­­pros­­ti­­tu­­tion.net). Mittler­weile staat­lich instrumentalisiert wird dort versucht, gegen die genannten Prozesse vorzugehen. „Darüber hinaus sollte für diejenigen, die als Zeuginnen in Prozessen aussagen, ein gesicherter Aufenthaltsstatus unabhängig vom Prozessausgang angestrebt werden.“ Diese Forderung der Kampagne allerdings ist zynisch und traurig zugleich: nach der Zwangsprostitution also noch drei Monate angstvoller Aufenthalt in Deutschland, um als Zeugin auszusagen, und dann wieder zurück, Abschiebung nach Gebrauch.

Stereotype Zuschreibungen von Gewalt und Territorialverhalten zu Männern und Sicherheitsstreben und Opferrollen auf Frauen klammern die konkreten Bedingungen von Gewalt aus, legitimieren die gängigen Maßnahmen und suggerieren passive Opfergruppen ohne Stimme. Demnach müssen Gegenperspektiven den Gedanken der Opfer mit Stimme, wie er z.B. bei den französischen „sans papiers“ praktiziert wird, aufnehmen, eine eigene Agenda erstellen, die Vernetzung vorantreiben und gegen die alltäglichen visuellen und sozialen Gewaltformen konfron­tativ, souverän und kreativ vorgehen.

Wir sind gekommen, um zu bleiben!

VertreterInnen der migrationspolitischen Organisationen Kanak Attak und Transit Migration riefen zu einem Diskussionsforum unter dem Motto „No Integration“. Dem Zauberwort Integration wird seit geraumer Zeit von Gruppen wie Kanak Attak („Integriert uns am Arsch!“) und dem österreichischen Kulturverein Kanafi eine Absage erteilt. Da die Herrschenden inzwischen den positiven Bezug zum Begriff adaptiert und umgewandelt, also die Definitionsmacht übernommen hätten, sei nun in den Debatten von Rechten keine Rede mehr. Die sogenannte Ghetto- bzw. Parallelgesellschaft würde als Argument für einen Imperativ der Integration missbraucht, obwohl Migration ein prinzipiell exzessiver Prozess, also nicht integrierbar sei. Außerdem seien die verschiedenen MigrantInnennetzwerke die wichtigsten Orte der Integration und nicht die Politik. Dort finden ja alle Integration wichtig, nur sei damit zunehmend die aktive Assimilation von MigrantInnen gemeint, die sich in eine illusionierte Mehrheitsgesellschaft zu integrieren hätten. Dabei werden auch immer nur bestimmte MigrantInnengruppen thematisiert und zugleich unzulässige identitäre Zuschreibungen vorgenommen.

Demgegenüber fordert z.B. Kanafi das Recht auf eine flexible, selbstbestimmte Identität, gleiche Rechte und Respekt statt Toleranz. Sie lehnen nicht ab, Teil dieser Gesellschaft zu sein, das sind sie sowieso, auch wenn das einigen nicht passt.

Ob man überhaupt Rechte einfordern solle oder nicht eigentlich den Rechtsstaat an sich ablehnen müsse, wurde heftig diskutiert. Von PraktikerInnenseite wurde aber eingeräumt, die Frage auf Rechte zu richten, die eine Verbesserung der Lebenssituationen ermöglichten und insgesamt weiter führen. Eine Forderung nach Rechten ohne die Bedingung der Integration sei schließlich sehr wichtig. Es wurde auch auf den engen Zusammenhang zur Frage des nationalen Sozialstaates hingewiesen. Auch prägt dieser mit seinen Sonderregeln einen europäischen Prozess des Sozialabbaues und der Grenzverfestigung, die Praxis müsse daher auch mindestens auf europäischer Ebene laufen, wie es u.a. das Frassanito-Netzwerk anstrebt.

Mit den Ansprüchen einer angeblichen Mehrheit und dem Schlagwort Integration wird erneut eine Hierarchie aufgebaut und nicht auf Konflikte reagiert. Deswegen sollte der positive Bezug auf den Begriff von emanzipatorisch motivierten Menschen überdacht werden.

Wir sind hier, weil ihr unserer Länder zerstört!

Die verschiedenen Perspektiven auf das Thema Migration in linken Diskursen, die auch für die Anti-G8-Mobilisierung relevant sind, werden oft in die Pole „Festung Europa“ und „Autonomie der Migration“ eingeteilt. (Gregor Samsa in analyse& kritik Nr. 506, 19.05.06). Die einen führen an, dass jährlich immer weniger Asyl­be­wer­­­­ber­­In­nen über­haupt hier an­kä­­­men, dann auch fast immer nicht anerkannt. In Europa werden jährlich eine halbe Million abgeschoben, die „freiwilligen“ Ausreisen nicht mitgezählt. Die EU hat vor kurzem die deutsche Drittstaatenregelung übernommen, auch Libyen, Marokko und Weißrussland (die nicht einmal die Genfer Konventionen unterschrieben haben) sollen bald als sichere Drittstaaten gelten, von denen aus bei einer Einreise in die EU kein Asyl gewährt wird. Die Sicherung der Grenzen, u.a. durch Abschiebe- und Auffanglager in Marokko, der Ukraine oder etwa Mauretanien tun ihr übriges zur berechtigten Kritik an der europäischen Ab­schottungs­politik.

Die Autonomie der Migration beschreibt dagegen einen Formwechsel von Migration (nämlich die undokumentierte Einreise ohne Asylverfahren) durch die Änderung der Bedingungen. Es seien heute keineswegs weniger Flüchtlinge, die nach Europa einreisten. Die Politik zielte außerdem eher auf eine weitere Entrechtung billiger „Arbeitsnomaden“ als auf die Schließung der Grenzen. Die alltäglichen Kämpfe seien die eigentlichen sozialen Bewegungen und die permantente Entmündigung von MigrantInnen in der Opferrolle müsse aufhören.

Diese Ansichten schließen eigentlich nicht aus, sowohl MigrantInnen als handelnde Subjekte zu begreifen, als auch die strukturellen Ursachen der alltäglichen Benachteiligung bis hin zur Frage der globalen Verteilungsgerechtigkeit zu bekämpfen. Wichtig zu bedenken ist aber auch, dass nicht jeder Alltagskampf von Migran­tInnen auch emanzipatorisch ist. Die gemeinsame Vernetzung gegen den G8-Gipfel und darüber hinaus beinhaltet also hohe Anforderungen aber auch unge­kannte Potentiale.

Mobilisierungspläne zu Migration und G8

Auf dem BUKO-Kongress wurden aus genannten Gründen mehrere Mobili­sierungs­workshops angestrengt, die die Themen Migration und Anti-G8-Mobilisierung verknüpfen wollten. Die Bremer No-Lager-Gruppe hatte eine Aufrufvorlage „Für globale Bewegungsfreiheit und gleiche Rechte für alle“ im Gepäck, in der sie sich im Anschluss an die Strategie in Genua 2001 und an das 3. Europäische Sozialforum in London „gegen die neokoloniale Ausbeutung im Süden und rechtliche, soziale und politische Ausgren­zung im Norden“ ausspricht. Sie schlagen vor, die Forderungen als eine zentrale Säule der Mobilisierung festzulegen und eine Großdemonstration unter dem Titelmotto am Vortag des Gipfelbeginns zu veranstalten.

Vor Ort fand dieser Vorschlag durchaus Anklang, obwohl statt einer Großde­mons­tration in Ros­tock auch eine Demo mit konkreten Forderungen, an einem Flughafen oder Mi­gran­t­Innen-Heim, eine nachhaltige Wir­kung erzielen könnte. Neben weiteren Aktionen wurde vorgeschlagen, eine Art Tagesforum europäischer Migrati­ons­organisationen zu veranstalten, wenn schon mal alle da sind. Existentiell war für alle, dass mehr Input von Migran­tInnen-Gruppen erreicht werden muss. Eine breite Mobilisierung in diesem Bereich muss beachten, dass eine Demonstration für viele die einzig realisierbare Aktionsform ist. Einen gemeinsamen Bezugspunkt, vielleicht sogar einen Forderungskatalog zu erarbeiten, aber nicht nur bei den Menschenrechten stehen zu bleiben, ist wichtig; und auch Themen wie Rassismus, Kolonialismus und Nazis sollten in diesem Zusammenhang Beachtung finden. Auf dem Anti-G8-Camp und auf dem europäischen Mo­bi­lisierungstreffen im Oktober werden diese Punkte hoffen­tlich weiter verbunden.

Dissenzen zum G8-Gipfel ´07

Beim Großplenum eines Spektrums, von dem sich der größte Teil seit dem letzten G8-Gipfel 2005 in Schottland als „Dis­sent“-Netzwerk bezeichnen würde, wurden vor allem bündnispolitische Probleme besprochen. Z.B. ist ein Gegengipfel von attac u.ä. mit angefragten Gästen wie Antonio Negri oder Jürgen Habermas in Planung. Von mehreren Anwesenden wurde ohne Widerspruch bekundet, dass sie daran nicht teil­­neh­men wollen würden, wenn dieser, wie es Gerüchte sagen, während des G8-Gip­fels stattfinden würde, da zu die­sem Zeitpunkt andere Aktivitäten im Vordergrund stehen werden. Der Dialog mit NGO´s und anderen zivilgesellschaft­lichen Institutionen sei dennoch wichtig, um eine Großdemon­stra­tion in Rostock am Samstag der Gipfeltage zu realisieren. Ersten Informationen zu Folge soll der Gipfel in Heiligendamm vom 8. bis zum 10. Juni 2007 über die Bühne gehen, die Demo wäre also am 9.Juni. Akut sind lokale Besonderheiten, wie der spätsommerliche Wahlkampf 2006 in Meck­lenburg-Vorpom­mern, der als „Testfall für das Verhalten linker Kreise“ gelten soll, vor allem weil am 17. Juli George Bush nach Stralsund kommen wird. Aber auch der Nato-Mi­li­tär­flug­hafen Rostock Laage und das „Bom­bodrom“ bei Witt­stock, ein Übungs­­­­­­ge­lände für kombinierte Luft- und Bodeneinsätze und allgemein Themen wie die Gen-Politik, AIDS oder ein etwaiger Krieg im Iran sollten bei der programmatischen und inhaltlichen Planung beachtet werden. Das nächste Treffen des dissent!-Ple­nums soll auf dem Anti-G8-Mo­­bi­­­li­­­­sie­r­ungs­camp, dass vom 3. bis zum 14. August (www.camp06.org) an der Ostsee bei Ros­tock stattfindet, am ersten Samstag (05.08.) sein.

(clara)

Proteste in London

Englische Studierende gegen Erhöhung der Studiengebühren

Der November 2010 war, was Großbritannien angeht, heiß und kalt zugleich. Kalt aufgrund des Wintereinbruchs, der die bri­tischen Transportunternehmen alljährlich über­raschend trifft und Verkehrschaos und Schulschließungen bewirkt.

Als heiße Luft erwies sich ein zentrales Wahl­ver­­sprechen der seit den Wahlen im Mai 2010 re­­gierenden Koalition aus Konservativen und Liberal-demokraten(„Con-Dem“): die Verringerung bis Abschaffung der Studiengebühren. Die­­ses gebrochene Wahlversprechen stieß den eng­lischen StudentInnen ziemlich sauer auf. Nicht nur dass u.a. der liberal-demokratische Par­teivorsitzende Nick Clegg vor Kameras da­mit auf Stimmenfang ging, er hatte auch un­auf­gefordert ein derartiges Versprechen unter­zeichnet.(1) Einige Monate später hörte sich das schon leicht anders an: „Natürlich bedauere ich, dass ich mein gemachtes Versprechen nicht halten kann – aber wie auch im Le­ben – ist man manchmal nicht in der Lage diese einzuhalten“.(2) Was er meint ist, dass das Brechen von Wahlversprechen eben eine Art natürlicher Nebeneffekt von Koalitionen sei. Oder anders ausgedrückt, wird hier den Wählern gesagt, selber schuld zu sein, da sie den derzeit schwächeren Koalitionspartner nicht zum Wahlsieger gemacht haben.

Was war geschehen?

Der im März 2009 (also noch unter der damaligen Labour Party Regierung) ins Leben gerufene sog. „Browne Review“ übergab seine gewonnenen Erkenntnisse im Oktober diesen Jahres der Öffentlichkeit. Die Ergebnisse der Kommission unter der Leitung von Edmund John Philip Browne, Baron Browne of Ma­ding­ley, ehemaliger Vorsitzender von Britisch Patrol (BP), wurden von der derzeitigen Koalition mit kosmetischen Abänderungen zur Regierungspolitik erhoben.

Ab September 2012 soll es Universitäten erlaubt sein, statt der bisherigen maximalen £3.290 jährlich bis zu £9.000 Studiengebühren einzufordern. Universitäten die mehr als £6.000 verlangen, sollen dies mit Mehraufwand begründen müssen. Angesichts der desolaten britischen Haushaltslage kann mensch also davon ausgehen, dass sich die meisten Universitäten wohl um die £6.000 Marke einpendeln werden, denn bis dahin sind die Gebühren rechtfertigungsfrei.

„Stop the Cuts!“

Diese Entwicklung erhitzte die Gemüter der Studierenden und entfachte bei einigen Zerstörungswut. In wohl unbewusstem Rückgriff auf den Ausdruck, eine Koalitionsregierung käme einem erhängten („hung“) Parlament gleich, wurden mancherorts zur Guy Fawkes Nacht(3) gar Strohpuppen von Nick Clegg erhängt.

Guter Geschmack hin oder her, was alle einte, war die simple Forderung nach keiner Studiengebührenerhöhung! Aufsehen erregte dieser Ruf am 10. November, als etwa 50.000 Studierende durch den Londoner Stadtteil West­minster demonstrierten. Interessant für die Nachrichten wurde es erst, als einige das Haupt­quartier der Konservativen Partei (im Bü­rokomplex Millbank), das auf dem Weg lag, stürmten, Fenster einschlugen und sich etwa 50 DemonstrantInnen bis auf das Dach durchschlugen. Von dort und anderswo wurden bald Wurfgeschosse auf die überrumpelte, völlig unterbesetzte Polizeieskorte geworfen. Rasch waren alle Beteiligten sauer und es kam zu 32 Festnahmen, sowie einigen unschönen Gewaltszenen, auch von Sei­ten der Staatsmacht. Dieser war das Ganze vor allem peinlich, da sie eher die üblichen zahmen Stu­dent­Innen erwartet hatte.

Am 24. November 2010 ging es dann in die zweite Straßenprotest-Runde: Erneut fanden sich mehrere Zehntausend – diesmal neben Studierenden auch Schüler, Eltern oder schlicht SymphatisantInnen – zum Stimme und Plakat erheben gegen die Bildungskürzungen ein. Der als Karneval angekündigte Protestmarsch durch das Re­gierungs­viertel Whitehall nahm auch erstmal einen fröhlich-lauten Verlauf. Als jedoch der Trafalgar Square erreicht wurde, machte sich diesmal die Polizei den Überraschungseffekt zu nutze und kesselte schlicht alle, die vor Ort waren. Die nun folgenden Provokationen von innerhalb und außerhalb des Kessels (u.a. die „Eroberung“ eines in der Menge vergessenen Polizeiautos, welches als Leinwand und Tanzfläche genutzt wurde) lieferte den Staatsdienenden nachträglich die Rechtfertigung für ihr Vorgehen. Insgesamt zog sich die ganze Veranstaltung bis in den frühen Abend und wer Pech hatte, saß bis zu 9 Stunden im Kessel. Zu Essen oder zu Trinken gab es nichts und gewärmt wurde sich an einem brennenden Bushäuschen.

Und noch etwas war anders als das letzte Mal: hatte die Mehrzahl der Demonstrant­Innen bei den Krawallen von Millbank der Minderheit noch wohlwollend zugesehen, häuften sich diesmal die abschätzigen Kommentare der GewaltverachterInnen.

Keine sechs Tage später, am 30. November 2010 fand eine weitere Protestdemonstration durch die Londoner Innenstadt statt. Mehrere Tausend trotzten auch diesmal der Kälte. Was als 1,5 km Route geplant war, endete als Katz- und Mausspiel. Wann immer die Polizei einen Weg abschnitt, um die Demonstration davon abzuhalten, das Parlament zu erreichen, machte diese kehrt und joggte in eine andere Richtung bis die Polizei wieder vorne war und absperrte…

Am Nachmittag dann spaltete sich die Menge, einige gingen fort, andere versammelten sich am Trafalgar Square, wo sie sich im Schneegestöber Scharmützel mit der Polizei lieferten. Statistische Bilanz aller drei Demonstrationen: 263 Verhaftungen.

Besetzung

Andernorts sah mensch wohl zumindest den Wär­mevorteil der Protestform Besetzung und griff zu dieser, anstatt sich draußen an Plakatfeuern die Hände zu reiben. Ungefähr 25 Uni­ver­sitäten landesweit waren oder sind besetzt, einige erfolgreich, andere erfolglos beendet, wieder andere dauern noch an. Be­zeich­nen­der­weise erhalten die Besetzer­Innen weit weniger mediale Aufmerksamkeit. Dies mag u.a. daran liegen, dass diese unspektakulärer sind: Gutgekleidete junge Menschen sitzen an Computern, twittern, hängen den neuesten Brief der Uni-Autoritäten aus, entwerfen Zeittafeln und auch der linke Intellektuelle Noam Chomsky applaudierte online. Besetzung, die aussieht wie eine Revolution, die hinterher noch durchsaugt, ist sozialer Protest oder Lobbying im Internet aus besetzten Büroräumen heraus, begleitet von alternativen Vorlesungen mit „Essen, Trinken, Toiletten, Küche und Wi-Fi“.(4)

Dagegen mit Facebook und Twitter, dies ist der Punkt, in dem die aufgebrachte Stu­die­ren­­denschaft sich einig ist. Teils unhinterfragt wer­den Internetportale, soziale Online-Netz­wer­ke völlig selbstverständlich als Kommuni­ka­tions- und Mobi­li­sierungs­mittel genutzt. Dies kann zwar praktisch sein, aber auch den Staatsorganen als Informationsquelle dienen.

Es geht jedoch eine Spaltung durch die StudentInnen, die sich in ihren Aktionsformen manifestiert. Ein Teil der AktivistInnen setzt auf Besetzung, ein anderer auf Protest und Tumult auf der Straße.

Erstere rekrutieren sich vornehmlich aus wohltemperierten Mittelklasse-Studis, die ihren Foucault und Harry Potter gelesen haben und Vollversammlungen und andere nicht-hierarchische Organisationsformen bevorzugen. Diese scheinen jedoch den Nachteil der Behäbigkeit zu bergen, mit wenigen aktiv Beteiligten und einer schweigenden Mehrheit.

Letztere dagegen setzen sich eher aus der Polizei-aus-Erfahrung-mißtrauenden Arbeiterklasse oder Unterschicht zusammen. Meist 15-16jährig, spiegelt diese Gruppe eher die bunt gemischte multi-ethnische Bevölkerung wieder. Hier hält mensch wenig von Versammlungen und Debatten.

Beliebter sind Aktivitäten, wie den Protest auf die Straße zu tragen, die Polizei zu foppen und sich als Teil einer Revolte zu fühlen. Was auch immer den/die Einzelne/n bewegen mag, sich zu engagieren, ausgestattet mit nur vagem Mut, sich ideologisch zu verorten, ist es schwierig an jegliches Ziel zu kommen…

Abstimmung

Am 9. Dezember 2010 wurde die Studiengebührenreform im Parlament mit knapper Mehrheit durchgewunken. Wenn die Vorlage nun noch das House of Lords passiert, kann sie noch vor Weihnachten Gesetz werden.

Zeitgleich demonstrierten vor dem Parlament 25.000 Menschen eben dagegen. Erneut kam es zu Einkessellungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der teils berittenen Polizei. 49 Protestierende und 12 Polizisten brauchten ärztliche Versorgung und auch Prinz Charles und Camilla kamen nicht ungeschoren davon. Als sie im Rolls-Royce durch die aufgebrachten Studierenden kutschieren, wurde die hoheitliche Limousine umzingelt, mit Farbbomben beworfen und deren Rückfenster eingeschlagen.

„Anarchy in the UK“

hieß es bald in der Sensationspresse. Würde man nicht daran erinnert, dass es hier um Studiengebühren geht, könnte man meinen, die Hauptfrage sei: Wer hat den ersten Stein geworfen und wer hat die bessere Taktik: Demonstrant­Innen oder Polizei?

…und das Spektakel zieht weiter…

(hana)

 

(1) Über 1000 aufgestellte Kandidaten (Labour und Liberal-Demokraten) haben während der Wahlkampagne 2010 ein Versprechen unterzeichnet, gegen jede Erhöhung der Studiengebühren zu stimmen. Darin heißt es: „Ich verspreche, gegen jede Erhöhung von Studiengebühren im nächsten Parlament zu stimmen und die Regierung darauf zu drängen, eine faire Alternative einzuführen.“ www.nus.org.uk/cy/News/News/Lib-Dem-and-Labour-MPs-would-vote-together-to-oppose-tuition-fee-rise/

(2) „I regret of course that I can’t keep the promise that I made because – just as in life – sometimes you are not fully in control of all the things you need to deliver those pledges. www.independent.co.uk/news/uk/politics/clegg-massively-regrets-tuition-fees-increase-2142627.html

(3) Der Gunpowder Plot („Schießpulververschwörung“) war ein Versuch von britischen Katholiken, am 5. November 1605 den protestantischen König von England, Jakob I., seine Familie, die Regierung und alle Parlamentarier zu töten. Die Verschwörung wurde von Robert Catesby geplant und sollte vom Sprengstoffexperten Guy Fawkes ausgeführt werden.

(4) Blog zu Besetzungen: www.wearelondonmet.wordpress.com

 

Hintergrund der Studienreform

Laut den Reformplänen sollen die Studiengebühren weiterhin als Darlehen von der Regierung übernommen werden. Bisher setzte der Rückzahlungsprozess bei einem Einkommen von £15,000 pro Jahr ein, dies soll auf £21.000 erhöht werden. Zurückzuzahlen wären dann monatlich 9% vom Gehalt über erwähnten £21.000 Einkommen. Wer also £23.000 verdient, zahlt somit 9% von £2000 monatlich zurück. Das kann sich bis zu 30 Jahre ziehen, bevor es abgeschrieben wird. Vorher geschah dies nach 25 Jahren.

Zur Orientierung: das Mindesteinkommen, mit einem Stundenlohn von £5.93 führt zu einem Jahresgehalt von £11.385. Das statistische Durchschnittseinkommen liegt zwar bei £23.000, allerdings befinden sich die Löhne im freien Fall und so mancher wird sich den 7,7% Arbeitslosen anschließen. Damit wäre zu vermuten, dass das erklärte Sparziel der Regierung zumindest so nicht erreicht wird.

Wieso: die Regierung erhöht die potentiellen Schulden der StudentenInnen und bleibt darauf sitzen, wenn die Studierenden offiziell unter der Einkommensgrenze verdienen. Soziale Umverteilung auf britisch: staatliche Förderung der Universitäten kürzen, deren Einnahmen durch Staatsdarlehen der StudentenInnen erhöhen. Und hoffen, dass es die globale Wirtschaftssituation den graduierten Studis erlaubt, diese auch zurückzuzahlen. Mensch hofft, sie wissen was sie tun…

Wir haben blockiert – Du auch?

November 2010 – der Gorleben-Castor der Superlative: Es war der längste Castor­trans­port aller Zeiten. Es war einer der teuersten Transporte aller Zeiten. Es war der größte Protest aller Zeiten. Angefangen hat es wie in jedem Castorjahr. Die verschiedenen Ko­ordi­nierungsgruppen trafen sich in kleinem Kreis und begannen die Planung für den Castor­protest im November 2010. Doch in diesem Jahr war vieles anders. Früher als sonst startete die Mobilisierung auch bei X-tausendmal quer, einer Initiative, die seit vielen Jahren die Castortransporte nach Gorleben mit Sitzblockaden auf Straße und Schiene blockiert und mit einer viel intensiveren Kampagne als noch in den letzten Jahren in die Vorbe­reitung startete.

Eine neue Website ging online, ein neues Logo wurde entwickelt. Der Newsletterversand startete bald und brachte es bis zum Ende der Kam­pagne auf über 4000 Empfänger_innen. Mehrere tausend Menschen erklärten im Vorfeld online ihre Absicht, an den Aktionen teilzunehmen oder ihre Solidarität mit den Ak­ti­vi­st_innen. Plakate, T-Shirts, Aufkleber wurden produziert. Infoveranstaltungen bundesweit angeboten. Mobilisierungsclips für die Aktion von X-tausendmal quer liefen in über 90 Kinos in ganz Deutschland. In einer bundesweiten Trainingskampagne fanden weit über 60 Aktionstrainings mit insgesamt über 1000 Teilnehmenden statt. Diese Großkam­pag­ne von X-tausendmal quer wurde von einem immer größer werdenden Team von Ehrenamtlichen über 10 Monate vorangetrieben.

Begleitet von Höhepunkten, wie der Großdemonstration am 18. September in Berlin und dem Streckenaktionstag am 24. Oktober mit Aktionen an über 70 möglichen deutschen Durchfahrtsorten des hochgefährlichen Müllzuges, wurde das Thema Castortransport nach Gorleben immer größer, wichtiger und bekannter. Auch gab es in diesem Jahr neue Initiativen und Gruppen wie die große Kampagne Castor?Schottern! oder die sehr erfolgreiche Südblockade. Und es gab die „guten Alten“, die BI Lüchow-Dannenberg oder die bäuerliche Notgemeinschaft. Die gegenseitige Unterstützung und Solidarität waren auch in diesem Jahr an allen Stellen spürbar. Sowohl im Vorfeld, als die Staatsanwaltschaft bspw. Versuche startete, die öffentlichen Unterstützer_innen der Kampagne Castor?Schottern! zu kriminalisieren, als auch während der gesamten Aktionstage.

Anfang November begann die heiße Phase. Mit der Eröffnung des Camps in Gedelitz am 3.11. begann X-tausendmal quer die intensive Vorbereitung auf die Aktion. Mit täglichen Ak­tions­trainings, Workshops zur Bezugsgrup­pen­findung, Sprecher_innenräten, Infozelt, Info­ver­anstaltungen zum aktuellen Stand der Dinge wurde von uns alles getan, um die vielen Ak­tivist_innen in die Strukturen einzubinden, ihnen eine möglichst gute Vorbereitung zu ermöglichen.

Am Freitag, den 4.11. fuhr der Castor-Transport dann planmäßig los – kam aber nicht weit. Bereits nach wenigen Kilometern begannen die Gegenaktionen. Mehrere Blockaden auf französischem Boden, gefolgt von Blocka­de­aktionen kurz hinter der Grenze, Kletterak­tio­nen und angeketteten Menschen auf den Schienen. Unterdessen fand am Samstag in Dannenberg die bisher größte Demonstration in der Geschichte der Wendland-Proteste statt. 50.000 Menschen kamen aus dem ganzen Bundesgebiet und auch aus Nachbarländern wie Österreich oder der Schweiz, um der deutschen Regierung klar zu machen, dass sie mit der aktuellen Politik nicht einverstanden sind, dass sie den sofortigen Ausstieg aus der Atomkraft fordern, dass sie sich von Regierung und deren geheimen Verabredungen mit den Atomkonzernen hinters Licht geführt sehen. Und genau das ermutigte viele tausend Menschen in diesem Jahr nach der Demonstration einen Schritt weiterzugehen. Den Schritt von der Teilnahme an einer Demonstration hin zum aktiven zivilen Ungehorsam.

So auch bei X-tausendmal quer. Am Sonntag, den 5.11. gingen über 1.000 Menschen vom Camp Gedelitz aus auf die Straße. Die Blockade vor dem Zwischenlager begann, weitgehend unbehelligt von der Polizei, die zu dem Zeitpunkt damit beschäftigt war mehrere tausend Aktivist_innen an der Schiene von ihren Aktionen abzuhalten. Knapp 45 Stun­den blockierten die Aktivist_innen von X-tausendmal quer die Straße zum Zwischenlager. Am Dienstag ließen sich 4.000 Menschen von der Straße vor dem Zwischenlager tragen. Über 1.000 von ihnen hatten dort zwei Nächte geschlafen, vor der klirrenden Kälte geschützt durch Stroh, Schlafsäcke und Ret­tungsdecken. Tagsüber bereiteten sie sich mit Trainings in gewaltfreiem Handeln auf die Räu­mung vor und hielten sich mit Tee, Suppe und Bewegung warm.

Die Initiative X-tausendmal quer wertet die Blockade des Zwischenlagers und die Proteste der vergangenen Tage als wichtigen politischen Erfolg. „Der entschlossene massenhafte Protest der letzten Tage ist ein starkes politisches Signal: Die Endlagerfrage ist ungelöst, Gorleben kein geeigneter Standort und die Verlängerung von AKW-Laufzeiten lebensfeindlich“, erklärte deren Sprecherin Luise Neumann-Cosel, „Die schwarz-gelbe Energie­poli­tik ist unverantwortlich und nicht durchsetzbar. Die Polizei konnte die Straße räumen, doch die Regierung kann den Konflikt nicht aus­räumen.“

Wichtig ist an dieser Stelle auf folgendes hinzuweisen: Bei der Räumung der Blockade vor dem Zwischenlager wahrte die Polizei zum großen Teil die Verhältnismäßigkeit und trug die Blockierer_innen einzeln von der Straße. Allerdings war die Polizei dazu nicht an allen Orten in der Lage. Es kam zu Übergriffen, bei denen friedlichen Demonstrant_innen aus weni­ger als 50cm Entfernung Reizgas direkt in die Augen gesprüht wurde. Ganze Waldabschnitte wurden mit CS-Gas vernebelt, so dass sämtliche dort Anwesende unterschiedslos betroffen waren. Polizeibeamte – darunter in min­destens einem Fall sogar ein Polizeisani­tä­ter – wurden dabei beobachtet, wie sie ohne Vor­warnung und sichtbaren Grund auf Demonstrant/innen einprügelten. Durch diese Vorgehensweise wurden insgesamt mehr als 1000 Menschen verletzt. Ein professioneller Kletterer, der sich an einen Baum gekettet hat­te, wurde von einem Polizeibeamten ohne Vorwarnung in vier Meter Höhe mit Reizgas der­art attackiert, dass er vom Baum stürzte.

Der Widerstand in Gorleben war groß und ein unübersehbares Signal an die Verantwortlichen in der Regierung. Nun gilt es den Druck auf die Bundesregierung weiter aufrecht zu erhalten und zu steigern. Die nächsten Gelegenheit bietet sich trauriger weise noch in diesem Jahr. Mitte Dezember rollt der nächste Castorzug. Zwar nicht ins Wendland, aber nicht weniger umstritten und gefährlich. Er transportiert vier Castoren aus dem französischen Cadarache in das Zwischenlager nach Lubmin bei Greifswald. Wir werden wieder blockieren! Du auch?

J.M.

weitere Infos unter:

lubmin-nixda.de und x-tausendmalquer.de

Occupy in deutschen Landen

Ein Blick in und über den Tellerrand der Blockupy-Protesttage in Frankfurt  

Die Welt kennt eine neue Bewegung: Occupy. Angestoßen durch die Aufstände in Tunesien und anderen arabischen Staaten, emporgestiegen während der spanischen, griechischen und israelischen Sozialproteste 2011 und populär geworden durch die US-ameri­kanische Occupy-Wall-Street-Bewegung, ist Occupy zum Sammelbegriff für soziale Proteste und Bewegungen rund um den Globus geworden. Occupy wurde zum Label, es steht sowohl für die Besetzung öffentlicher Plätze in den verschiedensten Städten und Weltregionen, als auch für die Empörung verschiedenster Menschen. Sie prangern soziale Missstände an, wollen etwas in Politik und Wirtschaftsausrichtung grundlegend ändern. Sie werden laut. Auch in Deutschland – ein wenig.

Offenheit zeichnet die Bewegung aus – Vielfalt wird da zum Programm: Nicht nur die Ausgangslage und die darauf aufbauenden Protestausrichtungen sind in den jeweiligen Staaten sehr unterschiedlich. Auch auf lokaler Ebene zeichnet sich das Spektrum der Aktivist_innen vor allem durch seine Unterschiedlichkeit in Kritik und Utopie aus.

Diese Offenheit und Diversität ist auch ein Grund, weshalb viele politisch aktive Menschen hierzulande meist skeptisch reagieren, wenn vom deutschen Ableger der Occupy-Bewegung die Rede ist. Befremdlich wirkt es, wenn die deutschen Proteste mit den Revolutionen im arabischen Raum oder der US-amerikanischen Protestbewegung in Zusammenhang gebracht werden. Ist das hierzulande denn eine soziale Bewegung? Welche aktuellen Missstände werden wie thematisiert? Welchen Anspruch an gesellschaftliche Veränderung haben die? Und wer sind die überhaupt? An Skepsis und Vorurteilen mangelt es uns sicher allen nicht, beim Versuch, sich die Occupy-Proteste im deutschen Lande vorzustellen. Mitte Mai 2012 gab es die Gelegenheit einen direkten Einblick zu bekommen und die eigene Kurzschlüssigkeit kritisch zu hinterfragen – bei den Blockupy-Protesttagen in Frankfurt am Main.

Die Aktionsplanung zu den drei Protesttagen klang vielversprechend: Zurückeroberung des öffentlichen Raumes durch vielfache Camps und Platzbesetzungen. Einen Tag später die Blockade des Bankenviertels, bei der vor allem die europäische Zentralbank (EZB) bestreikt und blockiert werden sollte. Parallel sollte die Innenstadt mit politischen Inhalten und kreativen Aktionen „geflutet“ werden. Die Aktivist_innen waren angehalten sich anhand verschiedener Themenfelder zu organisieren: Ökologie, Militarisierung, Prekarisierung, Migration, Recht auf Stadt, Care-Work, Krieg und Krise, Rechtspopulismus und Soziale Revolution. Eine Großdemonstration am dritten Tag sollte dann die Aktionstage vorerst abschließen.

Bankfurt blockieren

Ein breiter Zusammenschluss aus Gruppen und Aktivist_innen organisierte das Happening. Sie kamen aus der Occupy-Bewegung, Erwerbsloseninitiativen, Krisenbündnissen, Gewerkschaften, Attac, Studierendenorganisationen, linken Parteien sowie diversen Initiativen mit antirassistischer, antifaschistischer, migrantischer, umwelt- und friedenspolitischer Ausrichtung. Zentraler logistischer Angelpunkt für die Aktivitäten sollte v.a. das Occupy-Camp sein – ein seit Oktober 2011 bestehendes Zeltlager direkt vor der EZB. Die Stadt Frankfurt machte jedoch diesem Plan einen kräftigen Strich durch die Rechnung. Sie ließ nicht nur das Camp ein paar Tage vorher räumen (wenn auch die Besetzer_innen nach den Aktionstagen zurückkommen durften), sondern reagierte gleich mit einem umfassenden Verbot aller Aktivitäten rund um die Aktionstage. Obendrein wurde jede Menge Angst geschürt und Ablehnung von der Frankfurter Bevölkerung forciert. Die medial gemalten Horrorszenarien führten sogar so weit, dass einige Läden vorsorglich ihre Schaufensterware beiseite schafften. Obendrein wurden 15.000 Polizist_innen aus der ganzen Bundesrepublik geordert, um den sog. „Extremist­_innen“ aus ganz Europa das erwartete Steinewerfen zu versauern. Zwar wurde schlussendlich das Verbot der Großdemonstra­tion am dritten Tag zurückgenommen, dennoch waren die Ausgangsbedingungen für die Protesttage äußerst schwierig. Als Sammelort für die Aktivist_innen blieb fast nur der Unicampus in Bockenheim, und die Versuche, am ersten Tag weitere innenstadtnahe Plätze zu besetzen, scheiterten an rigorosen Kesselungen, Räumungen und Ingewahr­samnahmen (an allen drei Tagen wurden zusammen ca. 1500 Menschen für gewisse Zeit weggesperrt).

Auch lagen die Erwartungen bei der Zahl der aktiven Blockupierer höher, als die Realität zeigte. Während am ersten Tag mehrere hundert Menschen versuchten Plätze zu besetzen, wuchs die Anzahl am Bankenbesetzungstag auf ca. 2000 (einige Busse wurden von der Polizei an der Einfahrt in Frankfurt gehindert). Insgesamt viel zu wenig, um eine solche Blockade wirklich umsetzen zu können. So endete auch der zweite Tag für Hunderte mit Kesselungen und Gewahrsamnahmen. Allerdings gelang es ca. 50-200 Menschen für kurze Zeit vor der EZB-Absperrung auszuharren. Auch wenn die Aktion intern insgesamt als Erfolg gewertet wurde, da die EZB ja durch die Polizei schon abgesperrt war und im Bankenviertel auch ohne Blockade kein Normalzustand herrschte, scheiterte die eigentliche Besetzung. International und innerhalb der EZB hat sie wenig Aufsehen erregt.

Mehr Aufmerksamkeit gab es hingegen für jene Aktivist_innen, die im Zentrum inhaltliche Aktionen machten, zum Beispiel zum Thema Landraub im globalen Süden. Allerdings war die Innenstadt ob der angekündigten Proteste weitaus menschenleerer als an anderen Tagen (der Einzelhandel beklagte sich übrigens im Nachhinein über einen Umsatzverlust in Höhe von ca. 10 Millionen Euro). Von und für die Blockupierer und andere Interessierte wurden zudem einige inhaltliche Workshops und Veranstaltungen angeboten, auf denen sich bspw. mit verschiedenen sozialen Bewegungen in Europa, dem sog. Arabischen Frühling, der Schuldenproblematik und dem Fiskalpakt sowie der Occupy-Bewegung an und für sich auseinandergesetzt wurde. Auch die bekannten Gesellschaftskritiker und Buchautoren Michael Hardt („Empire“) und David Graeber („Inside Occupy“) füllten den Saal am Bockenheim-Campus und philosophierten über die systemische Krise und das Potential der neuen globalen sozialen Bewegung.

Insgesamt verdeutlichte die Staatsmacht in diesen ersten zwei Tagen vor allem eines: Ihren Willen, das reibungslose Funktionieren der Banken zu schützen. Die Blockupy-Organisator_innen hingegen verdeutlichten sowohl ihren inhaltlichen Anspruch und die Entschlossenheit, was das Blockadevorhaben betraf, als auch ihr Verständnis von Selbstorganisation und Basisdemokratie. Die Aktivist_innen wurden eingebunden, ohne auf starre Hierarchien und Organisationsdominanzen zu stoßen.

Ein rundes Bild der Protesttage lässt sich jedoch nur unter Einbeziehung des dritten Tages malen. Dieser wirft ein ganz anderes Licht, zumal die letztlich doch ge­nehmigte Demonstration ca. 25.000 Menschen aus ganz Europa anlockte.

Größe demonstrieren

Die Demonstration am Samstag wirkte wie eine kleinformatige Mischung aus Protestmärschen, die mensch vom G8-Gipfel in Rostock oder den ersten Berliner Hartz4-Protesten 2004 kennen mag. Die Veranstalter_innen zeigten sich zufrieden, dass so viele Menschen dem Aufruf folgten und – entgegen der medial verbreiteten Prognosen – vollkommen friedlich durch Innenstadt und Bankenviertel zogen. Die Assoziation mit vergangenen globalisierungskritischen und sozialen Protesten war vor allem auch dem extrem breiten Spektrum geschuldet, das sich in verschiedenen bunten Blöcken formierte. Während in den ersten zwei Tagen die Organisationszugehörigkeit der jeweiligen Aktivist_innen kaum erkennbar war, kam sie nun stärker zum Vorschein. Mit entsprechenden Fahnen, Plakaten, Transparenten, Lautis, Sprechchören und Flyermaterial machten die Gruppen auf sich aufmerksam und verbreiteten ihre Kritik an der Krisenpolitik und dem kapitalistischen System sowie ihre Utopie einer „besser“ organisierten Gesellschaft. Der gemeinsame Nenner Aller bestand in der Ablehnung der derzeitigen europäischen Finanzpolitik insbesondere des Fiskalpaktes (1). Die Politik der sog. Troika (2) wurde scharf kritisiert, da von dieser lediglich Banken und transnationale Unternehmen profitieren, während den Griechinnen und Griechen rigorose soziale Kürzungen aufgezwungen werden. Ein verbindendes Ziel bestand in der Demonstration von Solidarität mit den Sozialprotesten, die in Griechenland und in anderen Weltregionen stattfinden. Dabei wurde vielfach auch der hiesige Sozialabbau scharf kritisiert.

Ansonsten war die Diversität bei der inhaltlichen Problemanalyse, den Lösungsrezepten und den Vorstellungen einer „besseren“, „gerechteren“ oder „befreiten“ Gesellschaft so hoch wie das organisationale Spektrum breit war: Man konnte zahlreiche antikapitalistische (Splitter-)Gruppierungen entdecken, die wahlweise sozialistisch, kommunistisch, marxistisch-leninistisch-maoistisch oder anarchistisch orientiert waren, mal auf die LINKE Partei oder andere, sog. revolutionäre Parteien als Lösung setzten oder den Parlamentarismus ganz abschaffen wollten. Das gewerkschaftliche Spektrum erstreckte sich von der anarchosyndikalistischen FAU über ver.di, IG Metall bis hin zur IG BCE. Während erstere ihre hohe Mobilisierungsfähigkeit zu dieser Thematik durch einen eigenen Demoblock verdeutlichten, traten die DGB-Aktivist_innen eher durch vereinzelt auftauchende Fähnchen in Erscheinung. Darüber hinaus demonstrierten auch zahlreiche Gruppen, deren originäres politisches Handlungsfeld eher in anderen Themenfeldern liegt, wie bspw. Stuttgart-21-Gegner_innen, das Tierbefreiungs-Aktionsbündnis, das Befreiungstheologische Netzwerk und Friedensbewegte. Relativ großen Raum nahm neben Attac der selbsternannte „antikapitalistische Block“ ein, zu dem die Interventionistische Linke und Ums Ganze aufgerufen hatten. Hier war der Großteil der Leute eher „individuell“ unterwegs und machte v.a. mit inhaltlichen Plakaten, Sprechchören und Transparenten auf Themen aufmerksam. Auch der so genannte Schwarze Block fehlte nicht und wurde – zum Ärgernis aller Anwesenden – von hoch ausgerüsteten und behelmten Beamt_innen umrahmt und provoziert.

Neben der „Grup­­pen­­­zu­ge­hö­rig­keit“ spie­gel­­­ten v.a. Sprech­­chöre und unzählige Flyer das breite und zum Teil widersprüchliche Spektrum wider. Während dem Großteil der Protestierenden wohl die Ablehnung gegenüber dem kapitalistischem Wirtschaftssystem als Ganzes unterstellt werden kann, gab es auch Flugschriften, die lediglich die Bändigung des sog. „Raubtiers“ – sprich die entkoppelte Finanz- und Spekulationswelt – mittels staatlicher Regelungen forderten, um zu einer sozialeren Marktwirtschaft zurückzukehren. Einigkeit hingegen bestand darin, dass die Proteste nicht von Rechten vereinnahmt werden dürfen – dementsprechend häufig wurde auch in Flyern auf die Gefahr einer Verkürzung der Kapitalismuskritik auf die „Gier“ einzelner Unternehmer aufmerksam gemacht. Statt zu personifizieren und damit die Tür für Verschwörungstheorien, nationalem Ausschluss von Menschen und Antisemitismus zu öffnen, wurde auf vielen Flyern das Wirtschaftssystem in seiner Funktion kritisiert.

Noch deutlicher wurde das Spannungsfeld der Positionen, wenn es um die Problematisierung der Rolle der politischen Akteure bzw. das parlamentarische Politiksystem in der Krise ging. Nahezu alle Facetten waren vertreten: angefangen von der Meinung, dass lediglich die „falschen Köpfe“ an der Macht seien, weil sie sich von den Banken bevormunden ließen, bis hin zu anarchistischen Positionen, in denen der Parlamentarismus als Herrschaftssystem für die Ausbeutungsverhältnisse mitverantwortlich gemacht und abgelehnt wird. Dem entgegengesetzt wird eine gesellschaftliche Organisation, die auf direkte politische Partizipation und Mitbestimmung setzt. Wie sehr das nationalstaatliche Konstrukt als solches kritisch betrachtet wurde, verdeutlichten die Demon­strant­_innen z.B. indem sie wahlweise ein Hoch auf die antinationale oder internationale Solidarität im Chor skandierten.

Eine Besonderheit der Demonstration war die hohe Präsenz von Menschen aus anderen vorwiegend europäischen Ländern und die explizite Verortung in einen globalen (Occupy-) Protestzusammenhang. Zudem zeichnete die Demo die Verbindung und Gleichzeitigkeit von globalen und lokalen Themen aus – im Unterschied zu bekannten globalisierungskritischen Protesten.

Da das hohe Polizeiaufgebot, die umfassenden juristischen Verbote und die negative Stimmungsmache so unverhältnismäßig zu den friedlich verlaufenden Protesttagen stand, musste die Stadt Frankfurt im Nachhinein einiges an Kritik einstecken. Dies könnte vielleicht künftige Aktionstage in Frankfurt zumindest logistisch erleichtern.

Teil einer globalen sozialen Bewegung?

Soweit so gut. Doch was verdeutlichen die Blockupy-Protesttage für den Stand der deutschen Occupy-Bewegung? Kann mensch hier von einer neuen sozialen Bewegung sprechen? In welchem Verhältnis steht sie zu den globalen Protesten?

Zunächst muss unterschieden werden, zwischen den Blockupy-Protesttagen, die als Mobilisierungskampagne angelegt waren, und der „Occupy-Bewegung“, die in Deutschland v.a. durch Demonstrationen in verschiedenen Städten am 15. Oktober 2011 und dabei entstandene Protestcamps auf öffentlichen Plätzen in Erscheinung trat. Zwar nimmt die Blockupy-Kampagne ausdrücklich Bezug zur Bewegung und das Occupy-Camp in Frankfurt war maßgeblich in die Organisation eingebunden. Während das eine jedoch als punktuelle Kampagne erscheint, haben die Occupierer deutschlandweit den Anspruch, durch dauerhafte Präsenz im öffentlichen Raum auf die soziale Ungleichheit aufmerksam zu machen. Dabei versteht sich die Bewegung als offen – offen für alle Menschen und offen für verschiedene Vorstellungen, wie der Reichtum der Gesellschaft gerecht verteilt werden könnte. Die 99%, für die die Occupierer (medienwirksam) stehen wollen, bezeichnen die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die weitgehend leer ausgeht bei der Verteilung des Kuchens. Gemein ist den Occupy-Aktivist_innen, dass sie sich basisdemokratisch organisieren, echte politische Partizipation und Teilhabe fordern und den Neoliberalismus bzw. Finanzkapitalismus als ungerecht kritisieren. Statt dessen stehen sie für eine „ethische Wende“, die den Menschen und die Natur in den Mittelpunkt rückt. Ein festes politisches Programm vertreten sie nicht. Ebenso wenig stellen sie eine feste Organisation dar, starre Hierarchien werden abgelehnt. Allerdings haben die einzelnen Aktivist_innen ihre jeweiligen politischen Visionen und auf lokaler Ebene wird oft bündnisorientiert zusammengearbeitet. Auf der organisatorischen Ebene zeichnen sich die Occupierer und Campierer v.a. durch partizipative Kommunikationsstruk­turen aus: Entscheidungen werden konsensorientiert in öffentlichen Versammlungen getroffen, die in Anlehnung an die spanischen Sozialproteste Asamblea genannt werden. Miteinander gehört zur Occupy-Identität, auch in der Kommunikationspraxis (siehe Artikel S.18f). Neu ist vor allem die Verortung als globale Bewegung und die fortwährende Bezugnahme und So­li­­da­ri­täts­bekundungen zu weltweit stattfindenden Sozialprotesten. Die mediale Vernetzung, u.a. über soziale Netzwerke ist auch ein wesentliches Kennzeichen dieser neuen Bewegung.

Die deutsche Occupy-Bewegung teilt all diese Ansprüche und in sechs Städten gab (und z.T. gibt) es öffentliche Protestcamps – wie bspw. in Frankfurt seit dem 15. Oktober 2011 vor der EZB. Dort gab es vor allem vor den kalten Wintertagen auch wöchentliche Diskussionsveranstaltungen, um mit möglichst vielen Menschen aus der Bevölkerung in Kontakt zu kommen. Zwar hat sich die Außenwirkung des Zeltlagers im Laufe der Zeit vom Protestcharakter zum Campcharakter gewandelt und inhaltliche Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen mitwirkenden Gruppen trugen zu Spaltungen bei. Dennoch haben die Blockupy-Protesttage bei vielen dort wieder für Motivation gesorgt, die lokalen sozialen Kämpfe mit neuem Schwung anzugehen.

Im Vergleich zu anderen Weltregionen fallen die Proteste hierzulande jedoch recht klein aus. So waren die größten Demonstrationen, die zwischen 100.000 und 500.000 Menschen anzogen, in Madrid, Barcelona, Rom und Valencia. An der Demo in Oakland (USA) nahmen ca. 50.000 Menschen teil, glatt doppelt so viele wie Mitte Mai in Frankfurt. Unter diesem Licht betrachtet bewegt sich relativ wenig in Deutschland. Zwar kann man von einer Bewegung sprechen, da noch keine Institutionalisierungen stattfinden, allerdings erscheint die Anzahl, Entschlossenheit und Ausdauer der Aktivist_innen hierzulande derzeit nicht ausreichend, um sie als neue soziale Bewegung zu bezeichnen. Dazu fehlt es vor allem an einem gemeinsamen Bezugspunkt, um den sich die Menschen der verschiedensten Lebens- und Einkommenswelten sammeln und gemeinsam kämpfen können. Notwendig wäre eine konkrete inhaltliche Basis, was für Veränderungen angestrebt werden und wie eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus funktionieren sollte. Eine auf Ausdauer ausgerichtete Bewegung benötigt einen gemeinsamen „politischen Korridor“ (3) der zu einem Ak­tions­konsens führt und dennoch viel Raum für eine Vielfalt an Positionen lässt. Zudem würde ein aktueller Anlass, wie er bspw. bei den extremen Sozialkürzungen in Griechenland und Spanien besteht, die Formierung einer solchen sozialen Bewegung begünstigen. Diese Art der Kürzungen sind in Deutschland allerdings schon vor 10 Jahren mit der Agenda 2010 und den Hartz4-Gesetzen beschlossen wurden. Leider reichte schon damals die Empörung hunderttausender Menschen nicht aus, um die Reformen zu kippen. Die sozial prekären Biographien werden sich selbst überlassen, Probleme sind individualisiert. Außenpolitisch wird den Deutschen zudem medial suggeriert, ihre Steuergelder würden massenhaft in die Taschen „fauler Griechen“ fließen. Demzufolge hält sich auch die Empörung über den geplanten Fiskalpakt in Grenzen. All das sind schlechte Ausgangsbedingungen für einen Protest, der einerseits eigene soziale Missstände und andererseits auch die problematische Rolle der deutschen Wirtschaft als Krisengewinner anprangern will. Es scheint, als komme die Bewegung in Deutschland aus der Tradition der globalisierungskritischen Bewegung, die unter dem Occupy-Label nun versucht auch deutsche soziale Missstände thematisch zu integrieren und die Menschen inhaltlich gegen den Kapitalismus zu radikalisieren. Zu kämpfen hat sie dabei zudem mit Spaltungstendenzen zwischen „Bürger_innen“, wahlweise „Arbeiter_innen“ und „Linken“. Die Gräben wirken zu groß, um über symbolische Großdemonstrationen hinaus (wie sie in Frankfurt stattfanden) gemeinsam gegen herrschende Verhältnisse aktiv zu werden. Dieses altbekannte Problem haben überhaupt nur die „echten“ neuen sozialen Bewegungen überwinden können – in Deutschland z.B. die Anti-Atomkraft-Bewegung. Diese zeichnet sich außerdem durch vielfältige Aktivitäten verbunden mit einem langem Atem aus.

Aktivitäten sollten dabei auch über die symbolische Wirkung hinaus gehen, um wirklich zu bewegen – z.B. durch gemeinsame Streiks. Den sich als Occupy-Bewegung verstehenden Aktivist­_innen in Deutschland mangelt es sicher nicht an Willen und Plänen, ihre Bewegung zu einer neuen sozialen Bewegung werden zu lassen. Die Protestcamps, die regelmäßigen Demos und Veranstaltungen, die Offenheit gegenüber allen Bevölkerungsgruppen und der Versuch der direkten Aktion mittels einer Blockade der EZB sind Beispiele dieser Bestrebungen. Ihr Erfolg jedoch wird davon abhängen, wie viele Menschen bereit sind, mit ebenso großer Entschlusskraft auf diesen Zug aufzuspringen. Im Moment scheint diese Bereitschaft zu wachsen – auch wenn sie im internationalen Vergleich betrachtet relativ gering ist. Nimmt man hingegen Occupy in seinem Anspruch ernst, eine globale soziale Bewegung zu sein, dann erscheinen die Proteste hierzulande als Teil eines großen Ganzen. Unter dieser veränderten territorialen Brille ist Occupy gleichwohl eine soziale Bewegung – schließlich ist die Anti-Atomkraft-Bewegung in Bayern auch nicht so stark wie im Wendland. Vielmehr noch ist sie eine neue globale soziale Bewegung, und der Anteil in Deutschland ist durchaus wichtig, gerade weil hier auch die Profiteure des globalen Kapitalismus sitzen.

Wer nicht kämpft, hat schon verloren

Auch wenn die deutsche Occupy-Bewegung im Vergleich zu anderen Weltregionen noch nicht so recht in Schwung gekommen ist, so hat sie dennoch Potential, im Rahmen einer neuen transnationalen Bewegung in die Geschichte einzugehen. Dafür jedoch bedarf es hier einerseits mehr Partizipation und Integration verschiedener Bevölkerungsgruppen und andererseits einer gemeinsamen politischen Agenda. Die Offenheit der Bewegung ist dafür Hindernis und Chance zugleich. Sie sollte nicht als Beliebigkeit oder Profillosigkeit vorschnell abgetan werden. Denn sie ist Programm, um eine kritische Mehrheit der Menschen darunter zu vereinen. Dieser Mehrheit dann einen gemeinsamen politischen Rahmen zu geben und konkrete Inhalte festzulegen für die langfristig zusammen gekämpft wird, wäre der zweite notwendige Schritt (3).

Dass es für tatsächliche Umbrüche gegen diese herrschenden Verhältnisse immer das Zusammenwirken einer sonst sehr gespaltenen Menschenmasse braucht, sowie Kräfte, die sowohl innerhalb etablierter Systemstrukturen als auch von außen gegen diese aktiv werden, ist nicht neu und hat die Geschichte auch schon etliche Male bewiesen. Ebenso lehrt uns die Geschichte, dass erst nach dem Durchbruch einer sozialen Bewegung absehbar wird, welche der Kräfte und Strömungen sich durchsetzen und was sich genau verändert. Aber impliziert das, dass sich das Engagement in sozialen Bewegungen von vornherein nicht lohnt, weil die Menschen in ihren Utopien so unterschiedlich sind? Wohl kaum – allerdings sollte es zu kritischer Achtsamkeit sensibilisieren, welche Kräfte versuchen sich an die Spitze etwaiger Bewegungen zu stellen. Allgemein gesprochen ist diese Kontroverse sogar äußerst fruchtbar, weil daraus Menschen erwachsen, die ihre eigenen Positionen kritisch reflektieren und weiterentwickeln. Eine wirklich herrschaftsfreie Gesellschaft kann nur aus einem Nährboden erwachsen, der von einer politischen Kontroverse zeugt, und in dem die politisch bewussten Menschen auch das Recht haben, sich in ihren Einstellungen zu unterscheiden. Eine „rebellierende Demokratie“ ist nicht homogen, wohl aber radikal gegen das staatliche Herrschaftssystem gerichtet (4). Die Occupy-Bewegung kann solch ein Nährboden sein und werden, sofern ihre Offenheit nicht für reformistische Schönheitskorrekturen ausgenutzt wird. Die wirkliche Herausforderung der Occupy-Bewegung besteht in ihrer glokalen Verortung – gleichwohl ist es auch ihre große Chance.

(momo)

(1) Im Fiskalpakt werden finanzpolitische Entscheidungen von Nationalstaaten an die EU-Ebene abgetreten. Damit einher geht v.a. eine Neuverschuldungsobergrenze, die an hohe Strafen gekoppelt wird und finanzschwache Ökonomien zu Sozialkürzungen verpflichtet. Der Fiskalpakt wird als Notwendigkeit argumentiert, um die europäische Staats­schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Ausschlaggebend für diese Schuldenkrise waren v.a. die Rettungspakete an die Banken. Denn diese gerieten 2007 weltweit in Geldnot, als die Finanzspekulationsblase platzte. Die Immobilienkrise in den USA und die Spekulation mit schlecht gedeckten Krediten waren Auslöser der globalen Finanzkrise.

(2) Troika: Im Zusammenhang mit der Schuldenkrise wird das entscheidungsführende Dreiergespann, bestehend aus der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfond als Troika bezeichnet.

(3) Ein interessanter Aufruf zur „Wendlandisierung“ der antikapitalistischen Proteste in Frankfurt, verbunden mit Überlegungen zu inhaltlichen und organisatorischen Notwendigkeiten: antinazi.wordpress.com/2012/06/09/frankfurt-wendland-und-zuruck-ein-vorschlag-fur-blockupy-2-0/ .

(4) Prof. Miguel Abendsour philosophiert in den „Blättern für deutsche und internationale Politik“ 05/2012 über die ursprüngliche Bedeutung einer „rebellierenden Demokratie“. Diese wird von einer politischen Gemeinschaft getragen, die sich in all ihrer Heterogenität und Konfliktivität gegen die staatliche Herrschaft richtet. Sie steht als „beständiger Kampf für das Handeln und gegen das Herstellen“.